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Channel: Reflexionen – Wr. Staatsoper – Online Merker
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Gedanken zur Bestellung des Staatsoperndirektors

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I.
Treffen sich der Grün und der Blau. Sagt der Grün zum Blau: »Wie geht’s Dir?« Sagt der Blau: »Nu, es geht mir schlecht.« — »Wieso geht’s Dir schlecht? Was machste denn?« Sagt der Blau: »Nu, spiel’ ich Fagott…« Sagt der Grün: »No, ka Wunder. Nicht va Gott, va die Leit’ mußte spiel’n!«

II.
Wie so oft bringt der jiddische Witz die Angelegenheit auf den Punkt: Kritiker besuchen die Premièren und sitzen auf Freikarten. Das Publikum kommt an allen anderen Abenden, bezahlt für seine Karten und füllt das Haus. (Gleiches gilt übrigens für die Damen und Herren des MerkerOnline, die ihre Karten ebenfalls selbst bezahlen.) Trotzdem werden Stimmen laut, bei der Bestellung des künstlerischen Geschäftsführers der Wiener Staatsoper ab September 2020 die Meinungen des internationalen Feuilletons zu berücksichtigen.

III.
»Um das Haus am Ring ist unterdessen ein wahrer Richtungsstreit entbrannt«, erzählte Martin Traxl den Zusehern letzten Montag im ORF-Kulturjournal. »Soll die Staatsoper weiterhin eher eine Art Opernmuseum sein, in dem ein breites Repertoire an historischen Produktionen gepflegt wird, oder doch ein modernes Musiktheater mit zeitgemäßen Inszenierungen?«

Ach ja? Quellen oder weitere Informationen zum »wahren Richtungsstreit« bleibt der ORF-TV-Kulturchef leider schuldig. Ebenso eine Definition, was seiner Meinung nach »modernes Musiktheater mit zeitgemäßen Inszenierungen« sei. Zur Erinnerung: Martin Traxl ist jener ORF-TV-Kulturchef, welcher, glaubt man einem Kommentar Ioan Holenders, 2012 die Meinung vertrat, Liebesg’schichten und Heiratssachen sei ein Kulturbericht.

Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt.

IV.
Die Bewerbungsfrist für die Position des künstlerischen Geschäftsführers der Wiener Staatsoper — Kurzbezeichnung: »Staatsoperndirektor« — lief am 9. Dezember ab, das Starterfeld ist mit 18 Bewerbungen überschaubar.

V.
Wilhelm Sinkovicz lieferte in der Tageszeitung »Die Presse« bereits vor Wochen in Zürich gesammelte Argumente gegen Andreas Homoki (bereits vorsorglich für den Fall, dieser habe sich beworben). Die Reise hätte sich Sinkovicz sparen können. Ein Besuch des als Koproduktion für Zürich und Wien geschaffenen Lohengrin hätte es auch getan. Denn: Beherrscht ein Spielleiter und Intendant, der eine Bühne dermaßen gestaltet/gestalten läßt, daß dem Publikum nach dreißig Minuten ob der herrschenden Lautstärke die Ohren schmerzen, sein Handwerk in jenem Maß, um ihn für die zu besetzende Position ernsthaft in Erwägung zu ziehen?

VI.
Ähnlich hart ging Sinkovicz auch anläßlich der Macbeth-Première mit Roland Geyer, dem Intendanten des Theaters an der Wien, ins Gericht. Ihm, dem Dann-doch-nicht-Intendanten der Bregenzer Festspiele, werden gute Verbindungen zum Bundesminister nachgesagt, aus gemeinsamen »alten Tagen« bei den Vereinigten Bühnen Wien. 

Abgesehen davon, daß dies in einem Land von der Größe Österreichs unausweichlich scheint, wenn man sein Handwerk auch nur halbwegs versteht, wären doch andere Fragen zu stellen: Ist die Direktion eines Repertoire-Hauses mit jener eines Stagione-Betriebes vergleichbar? Gelten nicht — gerade im Hinblick auf die inszenatorischen Freiheiten — ganz andere Gesetze? Will allen Ernstes jemand Olivier Pys Sichtweise auf Der fliegende Holländer, Tatjana Gürbacas Hinrichtung des Strauss’schen Capriccio oder Torsten Fischers uneinheitliche, bruchstückhafte Version des Salieri’schen Falstaff die Berechtigung zuschreiben, in einem Repertoire-Haus auch noch in fünf, geschweige denn in zwanzig Jahren gezeigt zu werden?

VII.
Und gilt ähnliches nicht auch für Kasper Holten, der, darf man Geschrieb’nem trauen, im März 2017 dem Royal Opera House den Rücken kehren und von einigen ebenfalls als Kandidat für Wien gehandelt wird? Jener Intendant, der in seinem Beruf als Spielvogt 2014 in Wien an Idomeneo ebenso scheiterte wie eben erst in Helsinki mit einer, wie man im MerkerOnline lesen konnte, Wagners Werk völlig ignorierenden Deutung von Der fliegende Holländer?

VIII.
Wie ist das überhaupt mit jenen Intendanten, welche sich gleichzeitig als Spielvogte verwirklichen wollen? Ist die Position des künstlerischen Geschäftsführers an der Wiener Staatsoper eine Teilzeitstelle, welche Inszenierungen an diesem oder anderen Häusern erlaubt? Und: Ist es statthaft, für Spielleiter-Arbeiten am eigenen Haus zusätzlich Geld zu verlangen (bzw. zu gewähren)? Sollten nicht alle diese Dienste mit dem Geschäftsführergehalt abgedeckt sein?

IX.
Christoph Irrgeher, Sohn eines Vorstandsmitglieds im Verein Freunde der Wiener Staatsoper, nannte in einem Artikel in der »Wiener Zeitung« neben dem amtierenden Dominique Meyer Elisabeth Sobotka, Nikolaus Bachler, Christoph Lieben-Seutter, Serge Dorny und Peter de Caluwe als weitere Kandidaten. Das ist natürlich zu einem guten Teil name dropping, denn Lieben-Seutter wird wohl in den nächsten Jahren alles daransetzen, die Elb-Philharmonie als norddeutsches Konzertzentrum von Rang zu etablieren. Nachdem er so lange warten mußte, den neuen Bau endlich bespielen zu können.

Serge Dorny, Chef in Lyon, war Dresden nicht gut genug. Für Wien soll er es sein, wenn man andererseits Christian Thielemann als Dirigenten am Haus fordert? Soviel Wasser kann die Elbe gar nicht hinunterrinnen.

Elisabeth Sobotka wird von Irrgeher medial hingerichtet, wenn er schreibt: »Thomas Drozda gelingt damit ein Coup: Er geht als jener Pionierminister in die Geschichte ein, der erstmals eine Frau mit dem Posten betraut.« Sobotka sollte an ihren Leistungen gemessen werden. Und da werden sich die Wiener Opernfreunde gewiß auf mehr Repertoire-Inszenierungen à la Stefan Herheims Les contes d’Hoffmann freuen…

X.
Als weitere mögliche Kandidaten fallen einem gelernten Österreich noch andere Namen ein: Markus Hinterhäuser, Alexander Pereira und Franz Welser-Möst. Letzterer soll es sich, glaubt man Stimmen aus dem Haus, allerdings nläßlich der Don Carlo-Première nachhaltig mit dem Staatsopernorchester verscherzt haben. Seine Demission kurz nach dem Wechsel im Philharmoniker-Vorstand zu Andreas Großbauer könnte man auch unter diesen Vorzeichen lesen. 

Pereira wird nicht auf ewig in Mailand bleiben. Warum sollte es ihn nicht zurück nach Wien ziehen? Immerhin installierte er in Salzburg eine boutique fantasque, brachte den Salzburger Festspielen Sponsoren. Und in Pereiras Zeit als künstlerischer Leiter fiel ein Wiedererstarken der Klassikindustrie mit so vielen Übertragungen und Veröffentlichungen wie schon lange nicht mehr. In Zeiten magerer Geldbeutel können diese Fähigkeiten einen Minister schon becircen. 

XI.
Allen Genannten bis auf Meyer (und eventuell Bachler, der mit der Installation Igor Zelenskys in München einen Coup landete) ist gemeinsam, was in den Kommentaren zumeist untergeht: Sie sind nicht bekannt für international wahrgenommene Arbeit betreffend das Ballett — ebenfalls eine Ausschreibungsbedingung.

Gewiß, Wiener Opernfreunde murren öfter über Ballettabende. Freilich ohne diese besucht zu haben. Ihnen sei empfohlen, sich die eine oder andere Vorstellung des Wiener Staatsballetts anzusehen. Da wird an der so oft gerühmten Opéra de Paris schon lange nicht mehr besser getanzt, im Gegenteil. Den Wiener Ballettdirektor, Manuel Legris, darf man mit Fug und Recht als einen der derzeit besten Ballett-Chefs der Welt bezeichnen. Geht Meyer, geht Legris, soviel scheint festzustehen. Und egal, wohin dieser harte Arbeiter und frühere Ausnahmetänzer seine Schritte lenken wird, der Exodus beim Wiener Staatsballett wird für dieses und die seit Meyers und Legris’ Amtsantritt gewonnene Reputation lebensbedrohend sein. Will man das riskieren?

XII.
»Das ist im Augenblick das große Manko«, ließ der ORF auch Manuel Brug zu Wort kommen, »daß ich als auswärtiger Kritiker nie Lust hab’, zu einer Premiere nach Wien zu kommen, weil ich sagen muß: Entweder ich kenn’ die Besetzungen oder die Regisseure alle schon, sie interessieren mich nicht, oder die Stückwahl spricht mich nicht an.«

Treffender läßt sich die Hybris des Feuilletons nicht beschreiben. 

XIII.
Oper, das wird leider zu oft vergessen, ist eine musikalische Kunstform — keine theatralische. Wilhelm Sinkovicz: »Kein Mensch auf der Welt fährt zu irgendeiner Opernaufführung, weil Herr X oder Frau Y das inszeniert hat.«

XIV.
Was in all den Kommentaren und Wortmeldungen nicht vorkommt, ist die — vielleicht alles entscheidende — Frage: Was benötigt die Wiener Staatsoper?

Sind es neue Werke, welche nur durch Abende im Abonnement halbwegs gefüllt werden können? Sind es jene Spielvogte, welche, en vogue, schon mal einen anderen Schluß durchsetzen, nur um ihre Inszenierungsidee zu retten?

Oder sind es nicht in erster Linie ausgezeichnete Operndirigenten, welche nach dem erfolgten Generationenwechsel im Staatsopernorchester und dem weltweiten Wegbrechen der zweiten Sängergarnitur (unter anderem Dank Silvio Berlusconis Kulturpolitik in Italien) die verfügbaren Kräfte dazu anzuspornen vermögen, ohne Überschreitung ihrer Fachgrenzen Abend für Abend über sich hinauszuwachsen?

Ob sich Minister Drozda, die Bundestheater-Holding und das engagierte Personalberatungsunternehmen für den letzten Punkt interessieren?

Thomas Prochazka
MerkerOnline
11. Dezember 2016

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WIEN / Staatsoper — Publikumsgespräch mit Dominique Meyer

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Wiener Staatsoper
Publikumsgespräch mit Dominique Meyer  
Agrana Studiobühne, Walfischgasse
12. Dezember 2016

'Falstaff', 1. Akt: Ambrogio Maestri in seiner 248. Vorstellung als Sir John Falstaff. Szenenfoto aus der letzten Neuproduktion des Hauses unter der Leitung von Zubin Mehta in einer Inszenierung von David McVicar. © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

»Falstaff«, 1. Akt: Ambrogio Maestri in seiner 248. Vorstellung als Sir John Falstaff. Szenenfoto aus der letzten Neuproduktion des Hauses unter der Leitung von Zubin Mehta in einer Inszenierung von David McVicar.
© Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

I.
Diesmal war alles ein wenig anders. Dominique Meyer betrat allein die Bühne und entschuldigte Thomas Platzer wegen eines Spitalsaufenthaltes. (Diesem die besten Wünsche für eine rasche Genesung.)

Der Direktor der Staatsoper streute dem Abwesenden Rosen: »Es ist eine Freude, mit dem Thomas Platzer arbeiten zu dürfen.« Er sei ein treuer Mitarbeiter der Staatsoper, arbeite fleißig. Das Verhältnis mit Platzer sei vom ersten Tag an sehr gut gewesen. »Es ist für mich eine große Erleichterung, so einen Partner zu haben. Wir haben kein Vieraugen-Prinzip, wir haben ein zwei Gehirn-Prinzip.« Die Staatsoper müsse so hohe Einnahmen haben, um ihre Ausgaben bestreiten zu können. Es gebe viel Druck der Politik, doch, so Meyer: »Wir haben nie eine rote Zahl gemacht.«

Die Auslastung der Sitzplätze liege weiterhin über 99 %, bei den Stehplätzen seit Jahren konstant bei ca. 68 bis 70 %.

II.
Neuigkeiten brachte der Direktor von der vergangenen Japan-Tournee mit nach Hause: »Riccardo Muti hat gesagt, daß er gerne zurückkommen wird. Er hat schon einen Titel vorgeschlagen. Den sag’ ich noch nicht, aber ich werde sehen, daß ich das möglich machen kann.« Muti habe in Japan zehn Stunden mit den Sängern gearbeitet, auch und immer wieder an der Aussprache.

III.
Auch Falstaff, der letzten Neuproduktion des Hauses, widmete Meyer gebührend Raum: Er sei mit Falstaff sehr glücklich, hätte aber bei manchen Presseberichten den Eindruck gewonnen, »daß wir nicht die gleiche Vorstellung erlebt haben.«

Die Produktion sei während eines Gesprächs mit Zubin Mehta entstanden, der gemeint hatte, er würde gerne einmal einen »richtigen Falstaff« machen. Meyer habe zugesagt, mit David McVicar Kontakt aufgenommen und die beiden in Florenz zusammengebracht, wo sie sich sofort lebhaft über die Kunst des 15. Jahrhunderts unterhalten hätten. Meyer über McVicar: »Wenn man ihn sieht, glaubt man, er ist nicht sehr gebildet. Er ist sehr gebildet.« Mehta sei sehr charmant gewesen. Nach dem Treffen habe McVicar zu ihm, Meyer, gesagt: »Ich habe nur eine Idee: Ich will den alten Mann glücklich machen.«

Falstaff sei ein wenig langsam geworden: »Das passiert manchmal mit älteren Dirigenten.« Mehta habe mit dem Orchester gut gearbeitet; — mit allen Musikern des Orchesters. Er wollte eine kleine Streicherbesetzung.

Meyer erzählte, er sei in der Jury jenes Gesangswettbewerbs gesessen, in welchem Ambrogio Maestri entdeckt worden sei. Der Kollege des Teatro alla Scala habe Maestris Stimme als »la voce di dio« bezeichnet. Und gesagt: »Den schicken wir gleich dem Muti.« Der Rest ist Geschichte…

Ludovic Tézier kenne man schon gut hier. Auch sei die Basis der Produktion eine Besetzung, mit der Meyer bereits in Paris Falstaff gemacht habe, unter anderem mit Marie-Nicole Lemieux und Paolo Fanale.

Bei den »Mädchen« wollte Mehta unbedingt eine italienische Alice. Zu Hila Fahima äußerte der Direktor, er finde, sie entwickle sich wunderbar: Gilda, Zerbinetta, Fiaker-Milli… »Fahima ist wirklich ein Diamant, ein Smaragd. Ich bin glücklich, daß wir sie haben. Sie macht’s wirklich sehr schön.«

IV.
In den letzten Zeiten habe es schöne Serien gegeben. Dem neuen Macbeth attestierten nun auch die Zeitungen, daß er repertoire-tauglich sei. Simon Keenlyside hatte ein Schilddrüsenproblem, auch Martina Serafin kehrte nach dem Unfall in der Tosca wieder zurück. »Jongmin Park ist ein Beispiel für unsere Ensemble-Pflege.« Park ist 29 Jahre alt. »Alles was er macht, ist gut.«

V.
Im weiteren Verlauf ließ Meyer mit folgender Aussage aufhorchen: »Carlos Alvarez war auch lange krank. Man muß die Leute unterstützen, wenn sie eine schlechte Periode haben. Ich habe ihm La figlia del regimento gegeben, das könnte er auch ohne Stimme singen.«

Dmitri Hvorostovsky habe ihn angerufen und ihm gesagt, er wolle unbedingt den Giorgio Germont singen. Und er habe sein Wort gehalten, auch wenn ihn seine Krankheit dazu nötigte, mit Brille und Stock aufzutreten: »Wir alle hoffen auf seine Genesung.«

VI.
Zum Ballett: Bis jetzt gab es fast nur Wiederholungen und eine Première. Meyer: »Wir hatten im Ballett große Sorgen, weil ein paar Leute sehr glücklich sind. Derzeit gibt es im Ballett zehn Tänzerinnen, die entweder schwanger sind oder vor kurzem Kinder bekommen haben. Zehn von 60 Tänzerinnen, das bedeutet 20 % Ausfall der Truppe.«

»Seit sechs Jahren gibt es jährlich drei bis vier gute Tänzer aus der Schule.« Olga Esina sei relativ groß, so kam früher nur Vladimir Shishov als Partner in Frage. Jetzt sei man glücklich, weil mit der neuen Generation gute und große Tänzer heranwachsen.

»Die Etüde von Czerny mag für das Orchester nicht besonders reizvoll sein, aber: Dieses Stück ist ein Maßstab für das Ballett, weil es technisch sehr schwierig ist.« Und: »Was uns noch fehlt, sind die Ballets Russes.« Deren wichtigstes sei Le Sacre du printemps. Sacre ist die Folge der Arbeit mit John Neumeier an Josephs Legende. Manuel Legris fragte Neumeier, ob er zurückkommen würde. »Wir haben ein Datum und ein Projekt gefunden.«

VII.
Der ORF werde auch in dieser Spielzeit wieder Abende im Haus am Ring aufzeichnen. Die DVD mit Ludwig Minkus’ Don Quixote erscheint nächstes Jahr, die Veröffentlichung dauere ein bißchen. »Wir sind stolz, weil einzig die Opéra de Paris und die Wiener Staatsoper drei Handlungsballette in den Choreographien von Rudolf Nurejew auf DVD anzubieten haben.« Eine Johan Botha gewidmete CD werde bei Orfeo erscheinen. 

VIII.
Laut Ansicht des Direktors funktioniere das Streaming-System sehr gut, auch die Schul-Streams: »Für mich ist es wichtig, weil es ist eine Möglichkeit, mit den Bundesländern zu arbeiten.« Ein weiteres Angebot für die Jungen seien die Kinderkarten im Haus. »Aber man zahlt auch Steuern, wenn man in der Steiermark oder Kärnten ist. Durch das Internet zu kommunizieren kommt sehr gut an, funktioniert sehr gut.«

IX.
Diesmal war alles ein wenig anders…

Nach knapp einer Stunde kam Meyer auch auf das die Kultur- und Kommentarseiten der Presse beherrschende Thema dieser Tage zu sprechen — die Ausschreibung der Position des künstlerischen Geschäftsführers der Wiener Staatsoper GbmH.: »Ich freue mich, hier zu sein, ich bin in Wien glücklich. Ich liebe die Oper, wie keiner die Oper liebt. Ich kenne jede Ecke des Hauses, ich verteidige das Haus. Ich verteidige die Truppe, und die Truppe verteidigt mich. Wenn ich noch fünf Jahre nach 2020 bekomme, bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Ich bleibe dann [auch danach, Anm.] in Wien, ich will nirgendwo anders sein.«

»Eigentlich möchte man etwas, aber eigentlich ist es eine andere Person, die entscheidet.« Derzeit gebe es alle drei Stunden ein neues Gerücht. Was er wisse, sei, daß bislang nichts entschieden sei.

X.
Dominique Meyer schien nicht ohne Rührung, als er abschließend festhielt: »Eines möchte ich auch sagen: Ich bin extrem glücklich, für so ein Publikum arbeiten zu dürfen. Auch, wenn wir nicht immer alle einverstanden sind. Aber wenn man nach der Première [des Falstaff, Anm.] eine halbe Stunde Applaus bekommt… Es ist sauschwere Arbeit, aber man wird dadurch dafür entschädigt. Und dafür möchte ich mich bedanken.«

Diesmal war eben alles ein wenig anders.

Thomas Prochazka
MerkerOnline
15. Dezember 2016

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Fröhlich gekitzelte Eitelkeit?

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Ein Anruf

Es gibt YouTube, vielen Dank, man konnte die Pressekonferenz sehen, in der Kulturminister Thomas Drozda den Nachfolger von Dominique Meyer präsentierte. Und da wurde es klar – da Bogdan Roščić offensichtlich nicht lügen wollte, sagte er es: Er hat sich nicht von sich aus für die Position des Staatsopern-Direktors beworben. Er bekam »einen Anruf«, an den sich viele Gespräche anschlossen. Warum keiner der live anwesenden Journalisten-Kollegen da nachbohrte und fragte, wer ihn eigentlich angerufen und dann den Kontakt zum Minister hergestellt hat, ist mir unverständlich.

So bleibt die Frage offen, ob der Minister nicht selbst zum Hörer gegriffen hat. Wenn ja, wieso eigentlich? Er konnte immerhin aus einer Reihe kompetenter Operndirektoren wählen, die ihren Job nachweislich schon ausgeübt haben.

Kabarett

Gäbe es noch Kabarett der Qualtinger-Zeit, könnte eine Szene – von mir aus »in der Eden« – so aussehen:

Da hocken zwei nicht mehr ganz junge Männer in einer stillen Ecke.

Der Erste: Weißt was, wann i Minister werd’, und das werd’ ich, mach ich Dich zum Staatsoperndirektor.
Der Andere: Was? Wie soll das gehen?
Der Erste: Das geht. Ich schwör Dir, alle, die SPÖ-Kultursprecherin, der Wiens Kulturstadtrat, der Volksoperndirektor, wenn er weiß, was gut für ihn ist, werden sich begeistert äußern, dafür sorge ich schon. Magst?
Der Andere: Na, wenn Du meinst… das wär’ schon was.
Der Erste: Abgemacht. Ich muss nur schauen, dass ich keine Findungskommission einsetze, die könnten Anstoß nehmen – Du weißt schon, »Starmania« und so, das könnte denen sauer aufstoßen. Aber wenn ich allein entscheide… das geht schon. Das machen wir!

Das alles ist natürlich aus »künstlerischer Freiheit« heraus frei erdacht und phantasiert und hat keine Ähnlichkeit mit lebenden Personen und Ereignissen. Wie auch? War ja keiner von uns dabei, als der »Anruf« kam, von dem wir nicht wissen, wer ihn tätigte. Wir wollen doch nicht annehmen, dass die ganze angebliche Direktorensuche eine, wie man auf Wienerisch sagt, von Anfang an  »geschobene Partie« unter »Freunderln« war?

Eine Pressekonferenz

Nun, auch wir armen, unwichtigen, nicht eingeladenen Journalisten konnten anhand unserer Computer die Pressekonferenz betrachten. Roščić machte gute Figur, hat vor allem eine angenehm gepflegte Sprache. Und er schlug sich gut, wenn er auch nur sagte, was jeder andere in dieser Situation vermutlich auch gesagt hätte. Nun, wer immer mit der Sprache zu tun hat, weiß, dass sie keine leichte Beute ist. Roščić war nicht zu beneiden. Er spulte alle erwarteten Komplimente (und Phrasen) ab, wie auch anders.  Nur in einem Detail wich er vom üblichen Gelabere ab, indem er nicht das obligate Statement abgab: »Es ist mir ein ganz, ganz dringendes Bedürfnis, unbedingt neue Opern in Auftrag zu geben und auf die Bühne zu bringen.« Welch wunderbarer Ausrutscher – da wagt es jemand, von »Repertoireleichen« zu reden, falls ich es mir richtig gemerkt habe. Vielleicht ist Bogdan Roščić tatsächlich – anders?

Das Direktor-Spiel

Roščić, der die originelle Formulierung fand, er mache diesen Job »nicht aus fröhlich gekitzelter Eitelkeit«, rutschte natürlich auch aus. Seine Vergleiche mit Gustav Mahler zielen ins Leere, schon weil er selbst kein ausübender Künstler ist. Und weil Mahler, heute eine »Legende«,  sich in der Realität mit seinen Bemühungen ununterbrochen den Kopf blutig geschlagen und seine Gesundheit unterminiert hat (man braucht nur seine Briefe zu lesen). Das wünscht man keinem.

Und die kindliche Forderung, dass jeder Abend eine Sternstunde sein sollte, Du liebe Güte, wie naiv. Wie sagte doch Piero Rismondo vor hundert Jahren bei seinem Theaterkritik-Seminar auf die Frage, warum es so viele mittelmäßige und schlechte Aufführungen gäbe? »Man zahlt ja auch im Alltag nicht mit Goldmünzen.«

Aber es gehört zum Direktorspiel, den Mund weit aufzumachen. Und einen Großteil seiner Kräfte wird der künftige Direktor in der Abwehr von Intrigen und mit eigenen Gegen-Intrigen verschleißen. Andererseits ist Roščić durch eine gute Schule gegangen, er hat schon eine Schlangengrube hinter sich: den ORF. Viel schlimmer geht es nicht. In diesem Sinne: Dann mal los.

Renate Wagner

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Untergriffig

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Keine Angst, das wird kein täglicher Kommentar zu Bogdan Roščić, aber vielleicht sollte man doch von Anfang an auf Dinge hinweisen, die offensichtlich sind. Zum Beispiel der Mangel an Fairness gegenüber »Kollegen« Peter Gelb – ehemaliger Kollege, weil er vor Roščić Sony-Music leitete, künftiger Kollege, falls Gelb 2020 noch Operndirektor ist. Widerstände gegen ihn gibt es viele (man muss nur die New Yorker Zeitungen lesen, was per Internet mühelos möglich ist).

Sicherlich verkehren Roščić und Gelb in New York viel miteinander, und Mr. Gelb hat spätestens bei der gestrigen Wiener Pressekonferenz gemerkt (irgendwer wird es ihm schon berichtet haben, und sei es Ioan Holender, der auf der pay roll der Met steht und auch in jedem Übertragungsnachspann als Berater genannt wird), dass Vertrauen eine knifflige Sache ist, wenn man sich nicht fragt, wem man etwas anvertraut. Zumal Dinge wie schlechte Auslastung, die man ja tunlichst nicht in die Öffentlichkeit hinausposaunt!

Dass Roščić argumentierend erzählte, die Met sei stets halb leer, bei Cavalleria/Bajazzo (immerhin mit Westbroek und Marcello Alvarez) überhaupt nur zu einem Drittel gefüllt, war das in höchstem Maße untergriffig – nicht nur, weil diese Information für Wien selbst irrelevant ist. Denn abgesehen von den 3800 Tickets, die die Met vergleichsweise verkaufen muss (fast doppelt so viel wie Wien, allerdings in einer Stadt, die ein Vielfaches an Einwohnern hat), geht es um die Wiener Staatsoper, die immer (fast) voll ist und dies mit einiger Sicherheit bleiben wird, wenn Dominique Meyer das Haus 2020 übergibt, denn es besteht kein Anlass anzunehmen, dass sein bisheriges Auslastungs-Erfolgsrezept nicht noch die nächsten dreieinhalb Jahre funktionieren wird. Da wird die Aufgabe darin bestehen, die Reihen des Zuschauerraums voll zu halten – mit welchem Roščić-Konzept auch immer.

Die Phrase, man müsse »die Jugend ins Theater bringen«, macht mich gähnen, die höre ich, seitdem ich selbst ein Teenager war – also ist es offenbar immer gelungen. Wenn ich auch zugebe, dass es in der Welt von Smartphone und Facebook schwieriger ist, weil die heutigen Menschen anders denken. (»Wenn ich eine Superausstellung auf Facebook stelle, bekomme ich vielleicht ein Dutzend Likes«, sagt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, »wenn ich ein Bild von meinem Hund hineinstelle, sind es Tausende…«) Und Kultur passt nicht ganz auf die Geräte in der Hand – wer starrt schon auf eine handflächengroße Götterdämmerung, zumal, wenn er vermutlich vor lauter Außenlärm nichts hört. Wie diesem Zeitgeist von Seiten der Opernhäuser zu begegnen sei, da sind wir auf die Vorschläge von Herrn Roščić sehr gespannt.

Die »Met im Kino« zu verteufeln, ist nicht nur gegenüber dieser Großtat von Peter Gelb schlechtweg eine Gemeinheit (denn bei Millionen Besuchern in aller Welt verdient das Haus selbst auch ganz gut mit), es nähme, gäbe es diese Institution nicht mehr, einem hoch interessierten Publikum überall die Möglichkeit, diese Aufführungen zu sehen – wann immer ich im Village Kino einen Met-Abend besuche, ist dieser Saal (und ein zweiter) rappelvoll.

Vielleicht auch, weil 32 Euro ein Schnäppchen sind gegen »live«. In der Wiener Staatsoper würde ich (ich würde nicht, weil ich es mir nicht leisten kann) für ähnliche Sitz- und Hörqualität 200 Euro zahlen. Das sei den Betuchten zu gönnen. Mir gönne man die Met im Kino.

Und auch die 14 Euro-Übertragungen aus der Wiener Staatsoper. Warum soll ein Opernfreund in Innsbruck, in Modena, in Kaiserslautern, in Cardiff, in Bordeaux, wo immer, nicht per World Wide Web sehen können, was Wien zu bieten hat?

Nun geht es ja bei 4.0 um Vernetzung. Man kann nicht einerseits gegen Übertragungen sein, weil »dann niemand mehr ins Haus kommt«, und andererseits die Digitalisierung weiter und weiter vorantreiben, bis wir alle selber nur noch ein Chip sind…

Auch ein Spagat, um den man Herrn Roščić nicht beneiden muss. Wie der Job ja überhaupt wirklich nicht so erstrebenswert ist, wie wir glauben, die wir zuhause (und in den Foren von Zeitungen und Online Medien) die besten Direktoren wären und wüssten, wie es geht. Die einen nur mit Konwitschny (damit Attila in einem wild gewordenen Kindergarten spielt). Die anderen mit weinendem Auge an Schenk zurückdenkend (damit man im Schlauen Füchslein jeden einzelnen Grashalm zählen kann). Wie findet man da durch, zumal die »Mitte« ja längst in unserem Auge keine goldene Mitte ist (wie Meyer sie möglicherweise anstrebte), sondern die Mittelmäßigkeit?

Aber, um noch einmal auf den Anlass dieser Überlegungen zurückzukommen: Auszuplaudern, was Peter Gelb ihm sicher im Vertrauen erzählt hat, war von Roščić schlechtweg fies. Sich (das war ein Seiltanzakt) über die Feinheiten der Lady Macbeth-Arie auszulassen, um ultimative musikalisch-interpretatorische Kompetenz zu zeigen, war angeberisch. Aber man muss seine Waffen wohl auspacken, wenn man das stärkste As nicht auf den Tisch legen kann: Erfahrung in der Leitung eines Opernhauses. Kein nettes kleines Segelschiff zum Üben. Sondern der größte aller Ozeandampfer, der nicht zur »Titanic« werden soll.

Renate Wagner

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Kratki-Baschik und der Zauberlehrling

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Ein Kommentar zur Bestellung Bogdan Roščićs zum künstlerischen Geschäftsführer der Wiener Staatsoper GmbH.

Christian Kircher, Geschäftsführer der Bundestheater-Holding, Thomas Drozda, Kunst- und Kulturminister, und Bogdan Roščić, designierter künstlerischer Geschäftsführer der Wiener Staatsoper GmbH. ab 1. September 2020 © BKA/Regina Aigner

Christian Kircher, Geschäftsführer der Bundestheater-Holding, Thomas Drozda, Kunst- und Kulturminister, und Bogdan Roščić, designierter künstlerischer Geschäftsführer der Wiener Staatsoper GmbH. ab 1. September 2020
© BKA/Regina Aigner

I.
Ich wußte nicht, was uns immer gefehlt hatte. Es hatte der Zeit was gefehlt. Das war der von Minister Thomas Drozda und Bundestheater-Holding-Geschäftsführer Christian Kircher mit der Präsentation des künstlerischen Geschäftsführers der Wiener Staatsoper GmbH. ab 1. September 2020 verordnete Aufbruch des Hauses am Ring ins 21. Jahrhundert: »Staatsoper 4.0«. Die Erklärung, was darunter zu verstehen sei, blieb Drozda schuldig. Wahrscheinlich weiß er es selbst nicht.

II.
Gewinner dieses »4.0«-Wettbewerbes wurde mit Dr. Bogdan Roščić (52) der Präsident von Sony Classical. Der Mann ist nicht zu beneiden. (Im weiteren Verlaufe der Begebenheiten wird das alles klar werden.)

III.
Kircher referierte über einen »ergebnisoffenen« Prozeß, als bedeute dies in einer Demokratie, welche etwas auf sich hält, eine große Errungenschaft. Und überhaupt: Wäre es anders, niemand gäbe es zu. Nicht nur in New York, welches Roščić ja gut kennt, bezeichnet man solche Aussagen daher als Schwachsinn.

IV.
Drozda merkte an, die Bestellung Roščićs sei »mutmaßlich die wichtigste Entscheidung meines bisherigen Berufslebens«. Es wird im Rückblick die schlechteste für das Institut seit 1945 gewesen sein.

Roščić ist nicht zu beneiden.

V.
Man stelle sich eine Fluglinie vor, in welcher der CEO (Drozda) mit dem Head of Operations (Kircher) einen durchaus erfolgreichen Chef de Cabin (Roščić) zum Piloten eines Airbus A380 küren, obwohl der Mann in seinem Leben noch nie eine einmotorige Cessna geflogen ist. Als Begründung dient, daß der ehemalige Chef de Cabin ja schon tausende Flugstunden absolvierte, etliche Male im Cockpit anderen Piloten über die Schulter geblickt habe und auch sonst sein Geschäft verstehe. Dafür darf sich der neue Pilot seinen Kopiloten (Generalmusikdirektor) und den neuen Chef de Cabin (Besetzungsdirektor) sowie das Kabinenpersonal (die »Stamm-Dirigenten«) aussuchen.

Mit ein wenig Glück wird dieser Airbus A380 — nicht zuletzt dank der Arbeit des Kopiloten — ein paar Mal erfolgreich abheben und landen. (Denn der Kopilot wird im täglichen Geschäft die Maschine fliegen.) Und wenn das Ding später doch abstürzen sollte, sind der CEO und der Head of Operations schon lang — und mit entsprechenden Aktienpaketen versorgt — aus dem Unternehmen ausgeschieden.

All jene, welche der Ansicht zuneigen, im Opernbetrieb könnten Pilot und Kopilot miteinander lenken, seien an die jüngste Geschichte des Hauses erinnert.

VI.
Roščićs Verweise auf Ioan Holender und Peter Gelb, wonach diese vor ihren Positionen als Direktoren der Wiener Staatsoper bzw. der Metropolitan Opera (MET) auch keine Erfahrungen gehabt hätten, zielen ins Leere: Ersterer war bereits vor seinem Amtsantritt erfolgreicher Sängeragent und versteht etwas von Stimmen (auch wenn er als Sparmeister der Devise »ein Star pro Abend ist genug« huldigte), und zweiterer… Nun, ich verrate hoffentlich kein Geheimnis, wenn ich feststelle, daß die Welt meist genauso ist, wie sie sich der kleine Moritz vorstellt. Will sagen, die simplen Erklärungen treffen zumeist das Richtige. Die lautet im Fall der MET: Peter Gelb ist einfach ein schlechter Intendant.

Und die Wiener Staatsoper bekommt einen Zauberlehrling anstelle eines Kratki-Baschik.

VII.
Zur Pressekonferenz waren Medien wie z.B. der MerkerOnline nicht eingeladen worden. Es wäre ja auch zu dumm gewesen, hätten kritische Fragen interessierter Laien die Kundgebenden in Bedrängnis und die Berufsausübenden in Verlegenheit gebracht. So blieb man hübsch unter sich. Die Frage, wer Roščić zum Gespräch (und damit um seine Bewerbung) gebeten hatte, nicht gestellt zu haben, verriet mehr über die in Österreich tätigen Kulturjournalisten als diesen lieb sein kann.

Keine Pönitenz für Lämmlein.

VII.
Drozda erwartet sich von Roščić »eine Erhöhung der Anzahl der Premièren und eine neue Form der Repertoire-Pflege«. Wie ersteres ohne Budget-Ausweitung für das Haus sowie strukturelle Änderungen (unter anderem bei den Arbeitszeiten) funktionieren soll und was unter zweiterem zu verstehen ist, erklärten die Herren nicht. Nachfragen aus dem Auditorium? Fehlanzeige.

Lauter Lämmlein. Mäh.

VIII.
Amtsinhaber Dominique Meyer erklärte anläßlich des letzten Publikumsgespräches, sechs Wochen Probenzeit für eine Neuproduktion sei international üblich. Nun denn, rechnen wir: Die Staatsoper spielt 43 Wochen pro Jahr. Zieht man zwei Wochen für die Weihnachtspause, zwei Ende Juni (weil die letzte neue Produktion ja auch gezeigt werden will) sowie jeweils eine Woche für den Opernball und Ostern ab, bleiben 37 Wochen. Dividiert durch sechs Wochen Probenzeit pro Produktion ergibt — voilà! — jene sechs Produktionen, welche Meyer schon seit Jahren bietet (fünf Opern- und eine Ballett-Première).

Eventuell ließe sich durch Koproduktionen mit fertig studierten Sängern die Zahl der Neuproduktionen auf acht erhöhen. Aber das war’s dann auch schon, denn Ballettabende werden (mit seltenen Ausnahmen) musikalisch ebenfalls vom Staatsopernorchester begleitet.

Und dann wäre da — neben der finanziellen Seite — auch noch das kleine, aber nicht unwesentliche Detail der im Orchester-Kollektivvertrag festgesetzten Höchstzahl der Proben (derzeit laut Meyer 102 pro Saison). Ohne eine Ausweitung (und damit eine Änderung des Kollektivvertrages) werden des Ministers Erwartungen also nicht zu erfüllen sein. Die Begeisterung darüber dürfte sich sowohl bei den Betriebsräten des künstlerischen als auch des nicht-künstlerischen Personals in Grenzen halten.

IX.
À propos Ballett: Während der gesamten Pressekonferenz verlor keiner der Anwesenden auch nur ein Wort über die Zukunft des Wiener Staatsballetts. Angesichts der (auch internationalen) Erfolge der Compagnie als Früchte der jahrelangen, harten und konsequenten Arbeit aller Beteiligten unter der Leitung von Manuel Legris und seinem Team ein geradezu beschämendes Zeichen der Ignoranz.

X.
Minister Drozda: »Das beste Orchester der Welt verdient es, von den besten Dirigenten der Welt dirigiert zu werden. Und die besten Solisten der Welt haben auf der Bühne der Staatsoper zu stehen, und sie haben vor allem — oder viele von Ihnen haben vor allem — hauptsächlich und überwiegend mit der Staatsoper verbunden zu sein.« … Faszinierend, daß man im Ministerium immer noch Hochglanzprospekte aufzutreiben vermag, aus welchen man so etwas abschreiben kann. Weitaus faszinierender aber, daß man zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch noch daran zu glauben scheint.

Keine erleuchteten Fenster…

XI.
Rosics Bestellung erwischte die Wiener Philharmoniker, in ihrem Erstberuf Mitglieder des Staatsopernorchesters und damit Angestellte des Hauses am Ring (bzw. Beamte der Republik Österreich), am linken Fuß: Im September 2010 hatte Roščić das Orchester, noch unter der Führung Clemens Hellsbergs, von der Universal Music zu Sony Classical gelockt: Seit 2012 erschienen neue CDs fast ausschließlich bei diesem Label. Da kann das Orchester nun schwer offen gegen Roščić aufbegehren.

Denn er ist der Rittmeister.

XII.
Philharmoniker-Vorstand Andreas Großbauer mußte schmerzlich zur Kenntnis nehmen, daß sein Einfluß nicht an jenen seines Vorgängers heranreicht, wenn es darum geht, bei der Besetzung des Staatsoperndirektors mitzureden. Da mußte man Großbauers Wortwahl und Körpersprache für die ZiB2 am vergangenen Mittwoch gar nicht erst dechiffrieren.

Wenn Drozda also im Rahmen der Pressekonferenz anmerkte, er habe in den Gesprächen mit den Wiener Philharmonikern »keine Skepsis erkennen können«, dann leidet entweder einer der beiden Partner an Wahrnehmungsstörungen oder der Orchestervorstand entsann sich seit diesen Gesprächen eines besseren. Daß Großbauers Frau im März 2016 als Organisatorin des Wiener Opernballes bestellt wurde, könnte sich nun als Pyrrhus-Sieg erweisen.

Fortune in der Vorstandsarbeit buchstabiert man anders.

XIII.
Das Thema der Freigabe eines Teiles des Orchesters für Reisen als Wiener Philharmoniker könnte relativ rasch brisant werden. Meyer gewährte ja dem Orchester zuletzt viele Freiheiten. Damit wird unter einem Direktor Roščić wohl Schluß sein. Andernfalls wäre dessen angekündigte Qualitätsoffensive ja nur schwer möglich. Weniger Reisen bedeuten aber weniger Einnahmen für die Mitglieder des privaten, nicht-subventionierten Vereins. Und die Planungen für die Jahre ab 2020 beginnen — jetzt.

Großbauer ist auch nicht zu beneiden.

XIV.
Weil das Budget aber offenbar so knapp nicht ist, wird Roščić einen Generalmusikdirektor (GMD) berufen: »Es steht für mich völlig außer Frage, daß die Wiener Staatsoper einen GMD haben muß. Der Direktor braucht als entscheidenden Teil des Führungs-Teams einen musikalischen Ansprechpartner. Einen prägenden Spitzenmusiker, der Teil des think tanks ist, der die Oper programmatisch und praktisch leitet. […] Die Wiener Staatsoper hat da den bedeutendsten Posten des Musiklebens zu vergeben […], und daher kann sie auch ein commitment erwarten. Das heißt, neben der musikalischen Qualität ist für mich auch ganz entscheidend ein Bekenntnis zu dieser Aufgabe und der Wille, diesem Haus zur Verfügung zu stehen im maximalen Ausmaß.« Ja eh.

Kombiniere ich diese Aussage mit dem geäußerten Anspruch an höchste Qualität, kommen mir folgende Namen in den Sinn: Marco Armiliato, Valery Gergiev, Mariss Jansons, Andris Nelsons, Yannick Nézet-Séguin, Antonio Pappano, Kyrill Petrenko und Christian Thielemann. Wie unangenehm nur, daß alle diese Herren bereits führende Positionen innehaben oder aus anderen Gründen nicht zur Verfügung stehen. (Zubin Mehta und Riccardo Muti dürften Positionen dieser Art nicht mehr anstreben.) Aber will man, sucht man die »besten Dirigenten der Welt«, andere als GMD?

XV.
Welser-Möst-Gefolgsmann Heinz Sichrovsky sprach eine Klippe betreffend den GMD im ORF-Kulturjournal an: »Welser-Möst hat zum Beispiel dafür gesorgt, daß seine Premièren weltklassig besetzt waren.« Und genau darin liegt das Problem: Was ist mit den anderen Abenden? Steht nicht zu befürchten, daß ein neuer GMD ähnlich wie Franz Welser-Möst agieren wird? Wie will Roščić dem gegensteuern? Dazu fehlten alle Fragen — und alle Antworten.

Gerade das junge Publikum, um welches man sich doch so bemühen will, das es »jeden Tag neu zu erobern« gilt, wird sich rasch wieder abwenden, wenn es sich einmal gelangweilt hat. Und das wird nicht schwer sein im 21. Jahrhundert, mit maximalen Aufmerksamkeitsspannen unter zehn Minuten, der permanenten Abhängigkeit vom Smartphone und keinerlei Basiswissen, da Drozdas Parteifreunde Fächer wie Bildnerische oder Musikerziehung in den letzten Jahrzehnten eifrig mehr und mehr zusammenstrichen in der vermeintlichen Eroberung der letzten Bastionen der Bourgeoisie. Auf die eilig einberufenen Konsultationen mit Unterrichtsministerin Hammerschmid und  Bundeskanzler Kern Anfang Jänner zwecks Änderung der Lehrpläne darf man gespannt warten.

Wie gesagt: Roščić ist nicht zu beneiden.

XVI.
Aber die menschliche Natur is’ a Hund. Außerdem will ich zur Ehrenrettung des Ministers und des Geschäftsführers der Bundestheater-Holding annehmen, daß vor Roščićs Bestellung Namen für die Position des GMD sowie der Gruppe jener Dirigenten zur Sprache kamen, welche »so stark wie möglich an das Haus gebunden wird und auch beim Publikum so etwas erzeugt wie den Eindruck eines Profils und einer Vertrautheit«. Man beachte: Es geht nicht um Profil und Vertrautheit, sondern um »den Eindruck« derselben. 

»Staatsoper 4.0« eben.

XVII.
»Staatsoper 4.0.« Medienkooperationen… Da steht zu hoffen, daß Roščić diese Arbeit ernster betreibt als die Aktualisierung der Website seines derzeitigen Arbeitgebers (für welche er als Präsident letztlich auch verantwortlich zeichnet): Denn dort wird für die Wiener Philharmoniker die CD-Box »Neujahrskonzert: Die gesamten Werke« mit Erscheinungsdatum 13. November 2015 als aktuelles Album angepriesen…

Man kälbert ohne Spannung und Absicht im Vorzimmer der schönen neuen Medienwelt.

XVIII.
Wie gesagt: Die menschliche Natur is’ a Hund. Daher ohne Umschweife mein Tip für die Position des künftigen Wiener GMD: Teodor Currentzis.

Roščić nannte Currentzis’ Namen im Verlauf der Pressekonferenz (absichtlich oder unabsichtlich) des öfteren: Als es um die Salzburger Festspiele 2017 ging, um die Arbeit im Streben nach musikalischer Perfektion — und indirekt, als er mit Le nozze di Figaro, Don Giovanni und Così fan tutte mögliche Werke für die ersten drei Premièren der Spielzeit 2020/21 nannte. (Selbstverständlich nicht, ohne sofort einschränkend anzufügen, er wisse nicht, was für die kommenden Saisonen im Haus am Ring noch geplant sei.) … Zufälligerweise handelt es sich dabei um jene drei Opern, welche Teodor Currentzis in den letzten Jahren für Roščićs Label einspielte. Mit Sängern übrigens, angesichts deren auf CD gepreßten Leistungen jede Repertoire-Vorstellung eines Mozart-Werkes in der Direktionszeit Meyer das Prädikat »perfekt« verdient.

Die Peinigung der Mittelohren.

XIX.
Aber »musikalische Perfektion ist in der Oper alles«, und Roščić ist »excellent vernetzt mit den wichtigsten Sängern und den wichtigsten Dirigenten der Welt« (© Drozda).

Denn er ist der Rittmeister.

XX.
Nein, nein: Bodgan Roščić ist nicht zu beneiden.

Er mag ein durchaus erfolgreicher Manager sein. Seine Ideen und Vorstellungen mögen vor ahnungslosen Ministerohren bestanden haben. An der Realität des »Biotops« Wiener Staatsoper werden sie zerschellen wie des Korsaren Conrads Schiff an den Klippen. Denn ein Opernhaus ist nun einmal keine Platten-Firma. Und auch keine »Maschine, der man Kunst abpreßt«. Sondern ein Ort der künstlerischen Entfaltung.

XXI.
Amtsinhaber Dominique Meyer zögerte übrigens nicht, noch am selben Tag auf der Website der Wiener Staatsoper das Publikum über die Bestellung seines Nachfolgers zu informieren.

Aber Meyer ist — bei aller immer wieder geäußerten Kritik an seiner Amtsführung — eben doch ein anderer Kratki-Baschik.

Thomas Prochazka
MerkerOnline
26. Dezember 2016

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Margarethe Wallmann zum 25.Todestag

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MARGARETHE WALLMANN  –  Tänzerin, Choreografin, Regisseurin
 Eine Würdigung zum 25. Todestag am 2. Mai

Ein Artikel von Ulrike Messer – Kroll über eine der interessantesten künstlerischen Persönlichkeiten, die auch an der WIENER STAATSOPER ihre Spuren hinterlassen hat.

Schon dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze, was bleibt dann  von Regisseuren, noch dazu wenn sie weiblich sind. Margarethe Wallmann gehört  zu diesen wenig bekannten aber interessantesten Persönlichkeiten des europäischen Opernlebens.  Zuerst war sie Tänzerin und Choreografin , dann, in dieser Zeit eine singuläre Erscheinung, Opern-Regisseurin. Leider findet  sich wenig Literatur über sie,  die absolut lesenwerte Autobiographie „Sous le ciel de l’opéra“  nur auf französisch. ( Neuausgabe éditions du félin, Paris 2004)

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Als Tänzerin bei „Österreichische Bauernhochzeit“ 1934, erster Auftritt in Wien. Foto: Dietrich und Co./ Österr. Theatermuseum Wien

Mit genauen Angaben ist Frau Wallmann darin sehr  zurückhaltend. Ziemlich sicher ist sie am 22. Juni 1904 geboren , nicht in Wien, wie sie später erzählte, sondern in Berlin als Kind einer bestens situierten Kaufmannsfamilie. Dort begann sie auch das Ballettstudium, zuerst klassischer Tanz. Dann wurde sie eine der erfolgreichsten Vertreterinnen des Modern Dance als Schülerin von Mary Wigmann, deren Institut in Berlin sie leitete.  Aber ihre große Karriere startete 1931 bei den Salzburger Festspielen, wo sie auf Wunsch des Dirigenten  Bruno Walter nicht nur mit ihrem eigenen Tanzkollektiv auftrat, sonder die Choreografie  für seine Produktion  Orpheus und Eurydike übernahm. Es wurde ein großer Erfolg und ab sofort war sie eine fixe Größe  in der Festspielstadt . Ab 1933 dann auch  in  Wien, 1934 bis 38 als Ballettmeisterin  der Staatsoper. London 1934, sie war im Gefolge des Dirigenten Clemens Krauss für die Tanzeinlagen der Erstaufführung von „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“  engagiert,  heiratet sie Hugo Burghauser,  1. Fagott im Wiener Staatsopernochester. Trauzeugen waren  der enge Freund  Stefan Zweig  und Sholem Ash. Die kirchlichen Trauung folgte im Sommer  in Salzburg, nicht direkt im Dom aber doch in der stilvollen Ruperti-Kapelle.

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Das Ehepaar Wallmann / Burghauser. Foto: Glogau/ Theatermuseum Wien

 Sie waren das Power-Paar der österreichischen Musikszene, die Frau Professor und der mächtige Vorstand der Wiener Philharmoniker, nicht nur  großer Musiker auch erfolgreicher Manager. Es gelang ihm, Arturo Toscanini nach Österreich zu holen, mit dem Einsatz von Gastdirigenten konnte er  die prekäre finanzielle Situation des Vereins ins Gegenteil kehren.

Wallmann und Toscanini ca. 1936
Margarethe Wallmann mit Arturo Toscanini um etwa 1935. Foto: éditions du félin

Sofort mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten waren  beide in Österreich unerwünscht. Er,  dem Schuschnigg- Regime nahestehend, war politisch nicht mehr tragbar und konnte nach vielen Mühen beim Orchester der MET als Musiker arbeiten. Sie, eine zum Katholizismus konvertierte Jüdin,  blieb in Argentinien , wo sie bereits ab der Wintersaison (bei uns Sommer) 1937 am Teatro Colon als Ballettmeisterin  einen Mehrjahresvertrag hatte. Nach ihrer letzten Wiener Ballettpremiere ( 9. 3. 1938) war sie am Tag des Einmarsches bereits auf hoher See, mit ihrem neuen Partner, Guido Valcarenghi, Chef der Auslands- Niederlassung des großen italienischen Musikverlages Ricordi in  Buenos Aires.  Knapp vor Kriegsende ist sie nach Europa- Italien-zurückgekehrt, zunächst wieder als Choreografin vor allem an der Mailänder  Scala. Dort wollte sie Clemens Krauss  1952 unbedingt als Regisseurin für die Erstaufführung  „Die Liebe der Danae“ mit seiner Ehefrau Viorica Ursuleac . Die leitenden Herren  stimmten nur zögernd zu,  es  wurde der ganz große Erfolg – der Beginn einer  weltweiten Regiekarriere. Dass sie fünf Sprachen fließend beherrschte, stützte ihre Autorität in der Zusammenarbeit mit den internationalen Teams und den Bühnenstars wie Maria Callas,  auch den meisten Libretti folgte sie im Original . Heute ist es nur Francesca Zambello,  die für  ähnliche Qualität als Regisseurin  bürgt.

Wallmann Tosca 1958
Tosca-Premiere am 3. April 1958 in Wien. Den Cavaradossi sang dann an Stelle von Giuseppe di Stefano der junge Giuseppe Zampieri
 
Ende der  50er Jahre in der Ära Karajan kehrte sie für sechs Inszenierungen nach Wien zurück, gleich die erste Premiere „Tosca“ am 3. April 1958 überzeugte, bis heute. Großen Anteil daran hatte das Bühnenbild von Nicola Benois, Chefdesigner der Scala. Er stammte aus einer bekannten russischen Künstlerfamilie, zu deren Nachfahren auch Peter Ustinov gehört. Im gleichen Jahr hat Frau Wallmann noch 9 andere Inszenierungen gestaltet, viele abgesagt. Sie wollte nicht auf ihren Sommerurlaub verzichten.

Herr Karajan ist nicht erst in Mailand auf Frau Wallmann aufmerksam geworden:  Zu ihren herausragenden Arbeiten im Salzburg der Zwischenkriegszeit gehörten die Tanzszenen in  der berühmten Faust-Inszenierung von Max Reinhardt. Und wer dirigierte damals die eigens von Bernhard  Paumgartner komponierte Musik: Heribert (!)  von Karajan, noch  am Beginn seiner Karriere, während Frau Wallmann schon ein Jung-Star in  ihrer Kunst war.

Panton Wallmann Mordler Monaco 1990
Margarethe Wallmann 1990 in der Oper von Monaco. P. Panton – Assistentin, Margarethe Wallmann, J. Mordler – Direktor. Foto: Mac Burnie
 
Sicher ist ihr Todestag, der jährt sich am 2. Mai 2017  zum 25. Mal. An fast allen Opernhäusern der Welt – Rom, Paris, New York, die Wiener Staatsoper, die Salzburger Festspiele , La Scala u.v.a. – hat Frau Wallmann großartige Arbeit geleistet, viele Ur- und Erstaufführungen inszeniert. Die Oper von Monaco nicht zu vergessen, dort liegt sie  begraben und Fürst Rainier III  hat  zum 10. Todestag  gesagt : La grandeur de son oeuvre en fait une étoile parmi nous“. So schön würde es auf deutsch  nie klingen*…

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Friedhof in Monaco. Copyright: Messer

Ulrike Messer – Krol

*Die Größe ihres Schaffens macht aus ihr einen Stern unter uns.

Für alle, die sich vor allem für die Tanzkunst von M.W. interessieren, noch ein Link zu einem ganz aktuellen Artikel .

http://www.tanz.at/index.php/wiener-tanzgeschichten/1773-margarete-wallmann-glamouroese-bewegungsmoderne

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Wien Staatsoper PLACIDO DOMINGO Betrachtungen zu einer Gala

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Domingo Bodenkuss

Das sind die Bretter, die für
PLACIDO DOMINGO
die Welt bedeuten

Besonders jene des Bühnenbodens der Wiener Staatsoper, auf denen er am Tag der Gala auf den Tag genau vor 50 Jahren in Wien debütierte! Von damals an war es für den „Jahrhunderttenor“ eine weitere jener Wohlfühlarenen, in denen er sein Publikum mit seinem mitreißenden und scheinbar nie erlahmenden Einsatz und mit seiner Musikalität und einer tatsächlich auch heute noch erstaunlichen Stimmkraft erfreut und um das Phänomen Oper mit Erfolg wirbt.

Und auch im 21. Jahrhundert benötigt diese Kunstgattung weiterhin viele Domingos, um am Leben zu bleiben, denn mit der Ausrufung der OPER 4.0 allein ist es nicht getan, um dem Betrieb Leben einzuhauchen bedarf es der Ausstrahlung jenes Phänomens singender Menschen, welche den vertonten Leidenschaften wie Liebe und Hass, Triumphen und Niederlagen, all den Menschheitsmythen und den Alltagssorgen den richtigen Ausdruck zu verleihen in Stande sind. Und Placido Domingo sang uns dies alles vor, als wäre es die einfachste Sache der Welt, all das zu vermitteln, sei es die Liebe zu einer kleinen Näherin in Paris oder die Liebe zu einer äthiopischen Sklavin vor drei Jahrtausenden, sei es ein Held der französischen Revolution oder einer des italienischen Risorgimento, ein wagnerscher Heilsbringer oder ein eifersüchtiger Komödiant.

Was sagte damals der MERKER, jenes Organ der um Kurt Grisold gescharten Opernnarren und Kritikasten, das wie immer alles was neu war mit betonter Kennerschaft und vorsichtiger Distanzierung beurteilte, die jede voreilige Meinung vermied, über den Erstauftritt Domingos in Wien im „Don Carlos“ (damals noch mit dem Schillerschen S am Ende des titelgebenden Namens) am 19. Mai 1967:

„Neu war „il amico Carlo“. Placido D o m i n g o debutierte an der Wiener Oper. Er war dementsprechend aufgeregt. Man wird deshalb Nachsicht üben müssen. Der Tenor ließ schönes Material hören, aber mangelnde Sicherheit in dessen Behandlung. Außerdem hatte er zehn Hände zu viel. Die Chancen für eine Weltkarriere scheinen nicht überwältigend. Vielleicht ließe sich aus dem Sänger ein brauchbarer Haustenor á la Zampieri formen? Allein wird er es kaum schaffen.“

Aber es wäre nicht Domingo gewesen, hätte er nicht auf die Mängel seines Erstauftrittes reagiert. Schon in den nächsten beiden Aufführungen am 25. Und 28. Mai ändert sich der Ton in der Kritik schon mehr zu Gunsten des Debutanten:

„Der junge Mexikaner Placido D o m i n g o sang am 25. zum zweiten Mal in seinem Leben die Titelpartie und – wie man so schön sagt – berechtigte zu großen Hoffnungen. Nur ist die Staatsoper kein Haus für ein Rollendebut, davon zeugten einige rhythmische Unsicherheiten, vor allem zu Beginn, die bei sorgfältiger Probenarbeit natürlich zu vermeiden gewesen wären. Davon abgesehen war es eine Freude, dem Sänger zuzuhören- und -zuzusehen. Sein von steter innerer Spannung erfüllter natürlicher Ausdruck, sein trotz ihres zumindest vorläufig noch lyrischen Charakters dunkel und männlich timbrierte Stimme und last but not least sein wirklich prinzliches Aussehen ließen ihn aus dem Edelstatistendasein heraustreten, zu dem der Carlos so oft verurteilt wird und es auch diesmal leicht hätte werden können.“

Joan Holender, als unverfänglicher Zeitzeuge und damaliger Agent Domingos bestätigt das noch unter dem Vorzeichen der Unauffälligkeit stattfindende Debüt an der Wiener Staatsoper. Er hatte den „Spaniolen“, wie Betriebsdirektor Schneider den Sänger bezeichnete, zu einem Vorsingen vermittelt. Wenig später hatte Domingo sein Rollendebüt in der Tasche und trat ohne Orchesterprobe dazu an. Im Anschluss an den Abend wurde ohne großen Rummel eine Flasche Sekt beim Schillerdenkmal geleert.

 

Armiliato, Martinez, Nazarova, Domingo, Yoncheva

Armiliato, Martinez, Nazarova, Domingo, Yoncheva

Das Galakonzert…

…brachte konzertant drei Ausschnitte aus Placido Domingos Baritonrollen, der vierte Akt aus dem Maskenball, der zweite Akt aus der Traviata und der letzte Akt aus dem Simon Boccanegra.

Naturgemäß steigerte sich mit der Länge des Abends auch die stimmliche Präsenz des Baritons, und wenn man dem Nachklang des Timbres folgte, bekam man unwillkürlich den ehemaligen Tenor herauszuhören, eine durchaus reizvolle Mischung aus bronze-legierter Tiefe und Mittellage und einer  merklich tenoral klingenden Höhe eines hellen Kavalierbaritons. Sein Abschied vom Leben im Boccanegra war schon von einmaliger Klasse gekennzeichnet: musikalisch, stimmlich und vom beachtenswerten Durchhaltevermögen eines im achten Lebensjahrzehnt Stehenden.

Ich darf hinsichtlich der Sängerinnen und Sänger rund um Domingo und speziell des Dirigenten Marco Armiliato auf die Kritik im OnlineMerker unseres Redakteurs Johannes Marksteiner verweisen, wobei mir persönlich es wichtig ist auf Sonja Yoncheva als Traviata hinzuweisen, die mit einer Leistung aufwartete, wie sie ich seit dem Debüt von Anna Netrebko an diesem Hause und in dieser Rolle so intensiv nicht mehr erlebt habe.

 

Peter Skorepa
OnlineMerker

Alle Fotos Copyright P.SKOREPA

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WIEN / Staatsoper — Publikumsgespräch mit Dominique Meyer

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Wiener Staatsoper
Publikumsgespräch mit Dominique Meyer  und Thomas Platzer
Agrana Studiobühne, Walfischgasse
20. Juni 2017

Das Führungstrio der Wiener Staatsoperbei der Pressekonferenz für die Saison 2017/18: Manuel Legris, Dominique Meyer und Thomas Platzer © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn

Das Führungstrio der Wiener Staatsoperbei der Pressekonferenz für die Saison 2017/18: Manuel Legris, Dominique Meyer und Thomas Platzer
© Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn


Teil 1 — Dominique Meyer zur Absage Rolando Villazóns für L’elisir d’amore

Wie’s gute Sitt’ und Brauch’, luden Direktor Dominique Meyer und Thomas Platzer, der kaufmännische Geschäftsführer, nach der letzten Saison-Première zum Publikumsgespräch. Der OnlineMerker wird im Laufe der den nächsten Wochen von diesem Gespräch berichten.

Aus aktuellem Anlaß soll heute die Absage von Rolando Villazón für Lelisir d’amore Thema sein, welche auch Anlaß für eine Frage aus dem Publikum war: »Warum singt Villazón nicht? Ist er krank?«

Direktor Meyer: »Ja. Er hat einfach abgesagt. Ich kann keinen Kommentar abgeben — es tut mir leid. Ich hab’s noch einmal versucht, ihn einzuladen. Er ist auch für die nächste Spielzeit engagiert, aber wenn jemand krank ist, kann ich nicht die Polizei schicken.«

Teil 2 — Auslastung und die drei Vorstellungen von Verdis Don Carlo mit Plácido Domingo in der Partie des Marquis Posa.

Der zweite Teil der Berichterstattung vom Publikumsgespräch dreht sich um die Auslastung und die drei Vorstellungen von Verdis Don Carlo mit Plácido Domingo in der Partie des Marquis Posa.

Laut Dominique Meyer sei die Auslastung des Hause über die gesamte Saison mit 99,30 % hervorragend. Es gäbe zwar noch ein paar Vorstellungen, aber: »Wir könnten den Rekord brechen. Manchmal haben wir den Eindruck, daß es nie gut genug ist. Man lächelt uns an mit ein bißchen Ironie, wenn wir die Zahlen vorlegen… Was würden die gleichen Leute sagen, die sich über uns lustig machen, wenn wir fünf Prozent weniger Auslastung hätten?« Es gebe doch einige Stücke im Repertoire, welche sich nicht von allein verkauften: Meyer nannte Aribert Reimanns Medea und die Opern von Leoš Janáček. Er sei sehr dankbar, daß das Publikum so treu sei.

Der Staatsoperndirektor widmete auch den letzten Vorstellungen von Don Carlo und Plácido Domingos Rollen-Debut als Posa Raum. Domingo habe Meyer gesagt: »Ich bin wahnsinnig, daß ich das noch mache…« 

Meyer glaube, daß niemand enttäuscht gewesen sei: »Dann gibt’s Leute, die meckern und sagen: Ja, aber es ist eine Bariton-Rolle, und die Stimmfarbe ist noch immer jene eines Tenors. — Es ist Domingo…« (Lachen im Auditorium.) »Und übrigens: Auch wenn er in einer tieferen Lage singt, bin ich noch immer glücklich, diese Stimmfarbe zu hören.« Das sei sein, Meyers, Eindruck, aber wenn er an den Beifall am Ende der Vorstellungen denke, gehe er davon aus, daß er nicht der einzige ist, der das so sieht: »Man muß manchmal die Theorie beiseite lassen und einfach die Sachen nehmen, wie sie kommen. Weil: So schlecht ist er auch wieder nicht. Und es gab große Begeisterung.«

Die zweite Vorstellung sei vielleicht technisch nicht so gut gewesen wie die erste. Es sei dies das alte Phänomen der zweiten Vorstellung: Man sei nicht mehr so diszipliniert, halte die Töne manchmal etwas zu lange… »Ich hab‘ diesbezüglich jemand an den Ohren gezogen.« Trotzdem sei die Vorstellung auf hohem Niveau gewesen, und es habe 25 Minuten Applaus gegeben. Das gäbe es nirgends: An der Scala dauere der Applaus drei bis vier Minuten, an der Metropolitan Opera seien bei seinen Besuchen dieses Jahr »nach zwei Minuten schon alle am Parkplatz« gewesen.

Teil 3 — Ballettakademie und Nurejew-Gala

Die Nurejew-Gala, so Dominique Meyer, sei mittlerweile eine Institution geworden: »Am Anfang haben wir gedacht, das können wir nicht verkaufen. Jetzt könnten wir dreimal hintereinander spielen. Aber wir wollen, daß es einmalig bleibt. — Man hat mir gesagt, als ich nach Wien kam, daß, wenn etwas zweimal hintereinander gemacht wird, dann ist es eine Tradition.«

Für das Ballett sei es eine komische Spielzeit gewesen — aber eine erfolgreiche. Es habe ziemlich schwierig begonnen: Am Tag seiner Rückkehr aus den Ferien habe er, Meyer, erfahren, daß drei Erste Solotänzerinnen schwanger seien: »Es ist so etwas wie eine Mode geworden: Am Gipfelpunkt hatten wir 13 Schwangerschaften… Man ist in diesem Bereich sehr aktiv…«

Manuel Legris hatte dadurch mehr Arbeit, weil er die Partien mit anderen Tänzerinnen einstudieren mußte. Es sei allerdings auch eine große Freude gewesen zu sehen, daß der Nachwuchs bereit ist. Dies sei nicht zuletzt das Ergebnis der Arbeit von Simone Noja, der Leiterin der Ballettakademie.

Die Ballettakademie sei mittlerweile sehr effizient geworden. Sie war zu Beginn von Meyers Amtszeit ein Sorgenkind gewesen, da nur wenige Eleven in die Compagnie übernommen worden waren. Dies habe sich geändert. »Es hat keinen Sinn, daß der Staat so eine Schule unterstützt, wenn es keine Ergebnisse gibt. Auf Dauer kann man das nicht so halten.« Jetzt habe man dank der Akademie ein Gruppe »junger, großer, athletischer und sehr begabter« Tänzer. Zwei (Leonardo Basilio und Jakob Feyferlik) tanzten in der abgelaufenen Spielzeit die Partie des Prinzen in Tschaikowskis Schwanensee. Die Auslastung der Sparte sei fast so gut wie jene der Oper.

Ende des Sommers wird eine DVD von Le Corsaire, der ersten abendfüllenden Choreographie von Manuel Legris, erscheinen. Für den Oktober ist die Veröffentlichung der DVD von Don Quixote, der dritten Nurejew-Choreographie des Wiener Staatsballetts, geplant.

Teil 4 — Bemerkungen zu Pelléas et Mélisande, der letzten Première der Saison

Im Rahmen des Publikumsgespräches kam Staatsoperndirektor Meyer auch auf die letzte Première der Saison, Claude Debussys Pelléas et Mélisande, zu sprechen: »Natürlich ist es keine Puccini-Oper oder keine Verdi-Oper. Ich liebe diese Oper, ich finde sie berührend, intelligent…« Pelléas et Mélisande sei eine sensible Oper, mit einem sehr einzigartigen Text Maurice Maeterlincks. Meyer fand die Regie Marco Arturo Marellis deshalb so gut, weil es letzterem gelungen sie, die beiden Ebenen gut miteinander zu verbinden: »Manchmal, wenn sich die Regisseure allzu sehr im symbolischen Bereich einsetzen, versteht man die Handlung nicht mehr. Manchmal, wenn man nur die Geschichte erzählt, vergißt man den Zugang zu dieser Symbolik.« Marelli, so der Staatsoperndirektor, habe eine sehr gute Balance zwischen diesen beiden Ebenen gefunden.

Meyer sei auch mit der musikalischen Umsetzung glücklich gewesen: »Ich halte [Alain] Altinoglu für einen erstklassigen Dirigenten.« In der Première habe Altinoglu, so Meyer, seit seinem Amtsantritt die größte Zustimmung aus dem Orchester erhalten: »Es sind alle aufgestanden und haben geklatscht. Und alle schwärmen, denn sie waren einfach glücklich mit der Arbeit.«

Meyer ging auch auf die speziellen Erfordernisse bei den Proben im Hinblick auf die Übernahme des Werkes in das Repertoire ein: »Wenn das Stück ins Repertoire gehen soll, müssen alle Philharmoniker das Stück probieren.« Der Direktor gab ein Beispiel: »An einem Tag probt man einen Aufzug, und am nächsten Tag probt man wieder den gleichen Teil, aber mit anderen Musikern. Das heißt, daß die Fehler, welche man am ersten Tag korrigiert hat, muß man noch einmal korrigieren. Es gibt Dirigenten, die das ignorieren und die einen Fortschritt sehen wollen, obwohl nicht dieselben Spieler im Orchester sitzen. Altinoglu hat das sehr gut verstanden, hat Geduld… Er weiß, daß man nicht unbedingt in einer Probe alle Schmisse korrigieren soll, denn die Philharmoniker wissen das und sie wissen auch, daß sie das den Fehler nicht zweimal machen werden. So ist eine Beziehung entstanden, Vertrauen.« Man denke immer an die Balance zwischen Graben und Bühne. Diese sei selbstverständlich ein wichtiger Teil der Arbeit, aber musikalisch sei es noch viel wichtiger, die kleinen Nuancen herauszuarbeiten, welche Instrumentengruppe im Graben führt. Das mache Altinoglu wirklich sehr gut, »das haben die Philharmoniker, glaube ich, sehr genossen; das haben viele gesagt.«

Besetzungstechnisch gab es bei Pelléas et Mélisande viele Rollen-Debuts: »Olga Bezsmertna zum Beispiel: Ich halte sie für eine wichtige Sängerin. Ich fand sie vor genau sechs Jahren beim Gesangswettbewerb ›Neue Stimmen‹ (der Bertelsmann-Stiftung, Anm.) in Gütersloh.«

Bezsmertna debutierte in den vergangenen Monaten in drei Hauptpartien: In Giuseppe Verdis Otello sei sie als Desdemona eingesprungen, ohne die Rolle vorher je gesungen zu haben. Da auch die Partie des Otello mehrfach umgesetzt werden mußte, habe er, Meyer, Bezsmertna »ihren Mann 47 Minuten vor der ersten Vorstellung vorgestellt.« Das Duett Desdemona/Otello im ersten Akt sei sehr schwierig, aber es habe keine Möglichkeit für eine vorherige Probe gegeben. »Sie hat’s wirklich bravourös gesungen, auch sehr schön … eine sehr gute Musikerin.«

Danach folgten die Tatjana in Tschaikowskis Eugen Onegin und jetzt eben die Mélisande. Bezsmertna könne die Phrasen — »da gibt es ein paar Phrasen, die wirklich wichtig sind« — sehr gut modellieren, mit genau jener Stimmfarbe, welche nötig sei. Er, Meyer, finde, das sei große Kunst. »Große Kunst ist auch Adrian Eröd. […] Es ist nicht nur so, daß er die Sprache so gut beherrscht (Eröds Mutter ist Französin, Anm.), er ist auch sehr musikalisch. Alles ist mit Geschmack gesungen, sehr akzentuiert, enorm geschmackvoll… es ist ein Traum. Für mich ist es ein Traum!«

Simon Keenlyside, ursprünglich für die Partie des Pelléas geplant, habe auf Grund seines Alters abgelehnt. Meyer habe daraufhin zu ihm gesagt: »Wenn es zu spät ist für Pelléas, dann bist Du jetzt reif für Golaud!« Keenlyside habe sofort zugesagt, es aber bereut, weil er, als er die Partie studierte, die Person Golaud nicht mochte. Erst in den letzten Tagen sei der Charakter in ihm gewachsen, so der Staatsoperndirektor. »Am Sonntag war’s wirklich erstklassig […] Es ist sowieso eine Freude, daß solche Sänger ihre Debuts am Haus geben, nach so vielen Jahren Treue zur Oper

Franz-Josef Selig kenne man vor allem als Wagner-Interpreten. Er verfüge ebenfalls über ein »phantastische Aussprache«, sei musikalisch. Es sei einfach schön, erzählte Meyer, wie er singe und die Partie des Arkel interpretiere. »Er hat vielleicht die schönsten Sachen in Pelléas et Mélisande zu singen: die alte Weise … blind … wunderbar!«

»Und dann gibt’s da noch die kleine Maria Nazarova« Der Staatsoperndirektor erzählte, wie er Maria Nazarova bei einem Vorsingen auf der Bühne der Staatsoper für die Studenten der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien in der Johannesgasse gefunden hatte: »Ich habe gesagt: wunderbar! … Sie ist ein ›Taschensopran‹«, so Meyer launig: »Man kann sie überall hin mitbringen…« (Gelächter im Auditorium.) Als Ergebnis des Vorsingens engagierte der Staatsoperndirektor Maria Nazarova.

Meyer ging auch auf das Thema ein, die Partie des Yniold mit einem Knaben zu besetzen: »Ein Bub in dieser Rolle, mit diesem Orchester, auf unserer Bühne, wäre nicht hörbar. Dann würde man wieder sagen: ›Ja, der Meyer kann nicht besetzen, er holt zu kleine Stimmen.‹«

Der Direktor beschloß diesen Teil des Publikumsgespräches mit dem Bekenntnis, daß er mit Maria Nazarova glücklich und diese eine ausgezeichnete Interpretin sei. Offenbar finde nicht nur er ihre Stimme »herrlich«: »Alle Dirigenten, die mit ihr arbeiten, wollen sie engagieren. Alle Regisseure wollen sie für zukünftige Projekte. Sie ist ein Geschenk! Naja… Man muß es genießen, wenn man solche junge Sänger hat.«

Teil 5 — Nichtverlängerung des Vertrages von Dominique Meyer und der bauliche Zustand des Hauses

Im Publikumsgespräch ging Dominique Meyer auch auf die Bestellung seines Nachfolgers ein: »Es war für mich, wie Sie sich vorstellen können, ein komisches Jahr: Ich wurde nicht verlängert. Aber… ich habe mich entscheiden, positiv zu denken: Ich bin dankbar, daß ich das noch drei Jahre machen darf […], und ich verspreche, ich werde das mit demselben Einsatz machen wie bisher.« Der amtierende Direktor streute seiner Mannschaft Rosen: »Ich hab’s genossen, mit meiner Mannschaft hier zu arbeiten. Es ist einer Super-Mannschaft. […] Thomas Platzer ist eine wunderbare Person. Aber das könnte ich auch von meiner ganzen Direktion behaupten.« Der Einsatz sei einmalig, egal ob in der Direktion oder bei den Bühnenarbeitern.

Aus dem Publikum noch einmal auf die Nichtverlängerung seines Vertrages angesprochen, antwortete der Direktor: »Ich will nicht, daß man, wenn ich weggehe, sagt, daß ich mich wie ein Dackel benehme, der die Waden beißt. Und — ich will mir auch nicht den Magen kaputtmachen lassen. Ich weiß, woher ich komme… Ich habe einen langen Spaziergang gemacht, ich bin glücklich. Es gibt viele Menschen, die unglücklicher sind als ich. Ich weiß mein Glück zu schätzen.« Und: »Ich will auch nicht, daß man immer sagt, daß der Vorgänger schlecht war und der Nachfolger ein Intrigant ist. Ich will das nicht.«

Weniger erfreulich sei, daß sich nach der »Burgtheater-Niederlage« vor drei Jahren die Bürokratie vermehrt habe. Man verwende immer mehr Zeit auf Dinge, welche mit den eigentlichen Zielen nichts zu tun haben. Man produziere jede Menge Papier, verliere dadurch viel Zeit. Man solle den Direktoren mehr Freiheiten gewähren, denn: »Wir sind seriöse Menschen. Wir machen das im Interesse der Republik.« Meyer schloß mit einem Appell an die Politik: »Ein bißchen mehr Vertrauen wäre angenehm.«

An Veröffentlichungen sind neue CDs in memoriam Johan Botha und mit Ausschnitten von Auftritten von Nina Stemme geplant. Mit dem ORF diskutiere man eben einen neuen Rahmenvertrag. Man habe diese Saison Fortschritte erzielt: So wurde die Domingo-Gala mit den hauseigenen Kameras aufgenommen und live auf ORF III übertragen. Früher mußte man die Fernsehgesellschaften immer darum ersuchen, daß Vorstellungen übertragen werden, jetzt sei es eine echte Partnerschaft. Die technischen Kosten des Staatsopern-Systems seien viel niedriger. Dies sei ein Vorteil für beide Seiten.

Auf eine Frage aus dem Publikum zum baulichen Zustand des Hauses antwortete der Staatsoperndirektor: »Zum Schwind-Foyer… Sie wissen, das ist mein Sorgenkind. Ich bin kein Österreicher. Ich bin nicht der Besitzer der Staatsoper. Aber ich fand den Zustand des Schwind-Foyers skandalös, besonders jenen der Loggia.«

Insgesamt sei er, Meyer, vom Zustand des Hauses schockiert. Aber, da man nicht verantwortlich für die Bausubstanz sei und keine Arbeiten selbst vornehmen dürfe, müßten alle Entscheidungen von der Bundestheater-Holding getroffen werden: Mag. Kircher habe den Herren Platzer und Meyer versichert, daß die historischen Teile des Hauses renoviert würden. Bereits heuer im Sommer würden der Eingang und die Stiegen renoviert, für Sommer 2018 sei die Renovierung des Schwind-Foyers und der Loggia in Aussicht genommen.

Der Direktor erwähnte, man habe viel Mühe darauf verwandt, die Verantwortlichen zu überzeugen. Jetzt gäbe es ein Argument, denn im Jahre 2019 feiere das Haus sein Jubiläum: »Man liebt die Jubiläen hier. Ich bin nicht so auf Jubiläen eingestellt, aber ich dachte, das ist eine gute Gelegenheit, und ich werde das verwenden. Und es hat funktioniert!«

Auch die Wände der Foyers im Parterre und am ersten Rang seien bereits renoviert worden. Im Sommer 2018, ergänzte Thomas Platzer, werden die Arbeiten auf der Galerie fortgesetzt: Es werde einen neuen Boden und neue Sessel geben. Eine komplette Renovierung des Hauses sei aus budgetären Gründen nicht möglich.

Bis zum Beginn der nächsten Spielzeit werden die Displays für die Untertitel durch Tablets ersetzt. Damit wolle man zwei Dinge erreichen: Erstens solle sich die Lesbarkeit verbessern, und zweitens were man hinkünftig aus sechs Sprachen wählen können: die Originalsprache, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Japanisch — und Russisch. In der Zukunft sollen drei weitere Sprachen hinzukommen, darunter Spanisch. Und: Der Sponsorvertrag mit Toyota wurde um weitere drei Jahre verlängert.

Teil 6 — »Miese« Inszenierungen, Kartenbestellungen und Adriana Lecouvreur

Ein Besucher des Publikumsgespräches wollte von Dominique Meyer wissen, warum die Staatsoper mit den alten Inszenierungen der Mozart-Opern nach Japan auf Tournée gehe, während man in Wien »die miesen neuen Inszenierungen« zeige. Der Direktor replizierte, er sei glücklich, daß das Haus zwei Figaro-Inszenierungen besitze. Er habe die Ponnelle-Inszenierung von Le nozze di Figaro behalten, da diese für Gastspiele sehr geeignet sei. Man könne das Bühnenbild der Bonelle-Inszenierung an breitere Bühnen (wie z.B. in Japan) anpassen. Dies sei mit der Martinoty-Inszenierung nicht möglich.

Dann hub Dominique Meyer an zur Verteidigung der Inszenierung von Jean-Louis Martinoty (1946-2016): »Ich bin unglücklich, daß man diese Inszenierung von Martinoty, die ich für erstklassig halte, nicht gut versteht.« Martinoty sei ein Schüler Jean-Pierre Ponnelles gewesen und habe dessen Inszenierung hundert Mal, und besonders in Salzburg, vorbereitet. Es gebe eine Verbindung zwischen der Ponnelle- und der Martinoty-Inszenierung, die »vielleicht wie die Beziehung von einem Vater mit seinem Sohn ist. Vielleicht mögen Sie den Sohn nicht. Aber ich mag’s.« Es gebe jede Menge Referenzen in dieser Arbeit, welche er, Meyer sehr interessant finde: Daß es im ersten Akt beispielsweise der Bezug zwischen Da Ponte und [Pierre-Augustin Caron de] Beaumarchais’ Le Mariage de Figaro gegeben sei, im zweiten Akt sei die Verbindung zwischen Figaros Hochzeit und Beaumarchais’ drittem Teil der Trilogie, La Mère coupable, interessant. Der dritte Akt fokussiere sich auf die Beziehung zwischen dem Grafen und dem Volk, fange die prärevolutionäre Stimmung sehr gut ein. »Ich mag auch die Ponnelle-Inszenierung. Aber ich finde sie machmal ein bißchen veraltet — ich sag’s ehrlich.«

Martinotys Inszenierung habe in Wien kein Glück gehabt: »Es ist auch interessant, denn hier wurde sie von einem Teil der Presse vernichtet… In Frankreich hat sie den Preis der besten Regie des Jahres bekommen! Ich sag’ jetzt nicht, daß alles in einem Land gut ist und in einem anderen Land nicht, aber ich denke doch, eine ein bisserl ausgeglichenere Meinung wäre vielleicht nicht so schlecht…«

Eine weitere Wortmeldung aus dem Publikum betraf die Kartenzuteilungen für die geplanten Vorstellungen von Francesco Cileas Adriana Lecouvreur: Man habe drei Karten bestellt, aber nur für zwei eine Zusage erhalten. Für Alban Bergs Lulu habe man allerdings die gewünschte Anzahl von Karten erhalten. Thomas Platzer trocken: »Was wollen Sie damit sagen? Jeder, in Lulu geht, bekommt automatisch Adriana Lecouvreur?« Der kaufmännische Geschäftsführer legte dar, daß man sich der hohen Nachfrage wegen dazu entschließen mußte, die Zuteilung auf zwei Karten pro Bestellung zu begrenzen. Schließlich wolle man so vielen Opernfreunden wie möglich den Besuch der Vorstellungen ermöglichen.

Dominique Meyer sekundierte: »Das Problem ist: Wenn die Anna Netrebko mir eine Zeit gibt, wo ich nur vier Vorstellungen machen kann, spiele ich vier. Und ich bin schon glücklich, daß ich die machen kann. Das verbietet nicht, daß ich Lulu mache, die eine wichtige Oper ist und vielleicht schwieriger zu verkaufen.« Der Staatsoperndirektor fügte hinzu: »Eigentlich … eigentlich bin ich auch glücklich, daß die Adriana Lecouvreur so populär wird. Ich wurde so kritisiert, weil ich das gespielt habe…« (Ungläubiges Gemurmel im Publikum.) »Aber ja, lesen Sie die Presse von damals! Da hat man gesagt: ›Warum hat er das ausgegraben?‹«

Am Ende des Publikumsgespräches kam Dominique Meyer noch einmal auf Adriana Lecouvreur zu sprechen: »Wollen Sie eine gute Geschichte hören?« Und mit Augenzwinkern und einem Schuß Selbstironie fuhr er fort: »Heute erzählt der Papi gern Geschichten… Wir hatten in der ersten Serie die wunderbare Frau Zhidkova, die derzeit die Eboli singt. Ich finde, sie ist eine wunderbare Sängerin und Darstellerin. Und die hat privat bei der Netrebko gewohnt in dieser Periode. Und sie hat einmal die Partitur von der Adriana Lecouvreur am Tisch liegenlassen. Die hat die Anna gelesen und gesagt, das möchte sie auch machen… So ist diese Serie entstanden.« Und, schmunzelnd: »Das ist eine Küchenrezept-Geschichte…«

(In diesem Zusammenhang Dank an Ernst Kopica für einen Link zur Freundschaft von Anna Netrebko und Elena Zhidkova.)

Teil 7 — Zuwenige Aufführungen von Wagner-Opern an der Wiener Staatsoper

Wie bereits vor einem Jahr wurde wiederum aus dem Publikum die Frage gestellt, warum die Wiener Staatsoper so wenig Opern von Richard Wagner spiele; — in der abgelaufenen Spielzeit seien es bloß 15 Vorstellungen gewesen. (Anm.: Siehe dazu den Hinweis am Ende des Beitrags.) Und für die kommende Spielzeit habe man überhaupt nur 12 Vorstellungen geplant: »Das Haus ist immer ein starkes Wagner-Haus gewesen.« Der Fragesteller müsse nun immer nach Berlin oder München reisen: »Ich finde es schade, daß so wenig Opern von Wagner gespielt werden

Dominique Meyer: »Ja, ich auch. Ich stimme zu, aber ich habe keine Lösung…«

Der Fragesteller: »Soll ich Ihnen die Lösung geben? … Ich weiß nicht, welches Problem Sie damit haben.«

Meyer: »Das kann ich Ihnen erklären, wenn Sie wollen. … Es hängt an der Zusammenstellung des Kalenders der Wiener Philharmoniker und der Anwesenheit der Sänger.« Es gäbe nicht so viele erstklassige Wagner-Sänger, man müsse sie rechtzeitig verpflichten. Zusätzlich gibt es an der Staatsoper immer wieder Perioden, wo man das große Orchester nicht zur Verfügung habe. Dies sei dieses Jahr wieder so gewesen. »Es stört mich, aber es ist eben so. Ich wäre der Erste, der glücklich wäre, wenn wir mehr Wagner spielten.« Es sei aber nicht immer einfach, denn die meisten Wagner-Opern seien lang und erforderten frühe Beginnzeiten: »Manchmal tut man sich schwer mit dem Publikum, wenn die Vorstellung um halb sechs anfängt.« Für ihn sei es ein Problem, daß er so wenige Wagner-Opern spielen könne, fuhr der Staatsoperndirektor fort. »Ich möchte gerne mehr haben, aber es ist nicht einfach. Ich sag’s so, wie es ist…«

Der Fragesteller: »Was München schafft, wird doch wohl Wien auch schaffen!«

Meyer: »Was München schafft, wird Wien nicht unbedingt auch schaffen!« Der Grund sei ein einfacher: Das Orchester der Bayerischen Staatsoper reise nicht. »Die Wiener Philharmoniker reisen viel; — das ist nicht die gleiche Problematik. Wir haben für etliche Sachen die Hände nicht frei.« Man müsse die Dinge so sehen, wie sie sind.

Der Fragesteller insistierte: Früher, in der Direktionszeit Holender, sei viel mehr Wagner gespielt worden.

Meyer: »Weil … in der Vergangenheit hat man auch weniger geprobt. Und in der Vergangenheit waren die Philharmoniker weniger unterwegs. Das ist eine Realität…«

Der Fragesteller (variierend repetitiv): Peter Schneider habe in einem Interview gesagt, daß für die zwei Zyklen des Ring des Nibelungen nicht geprobt worden sei: »Es kann doch nicht nur an der Probe liegen.«

Meyer: »Ich habe nicht gesagt, daß es nur an den Proben liegt. Ich habe gesagt, es liegt an der Problematik der Reisen der Philharmoniker, die es nicht ermöglicht, daß man zu jeder Zeit Wagner-Opern spielt. … Ich weiß nicht: Vielleicht spreche ich nicht gut genug Deutsch, aber das ist die Realität… — Ich habe die gleiche Meinung wie Sie: Ich möchte gerne mehr Wagner spielen…«

Zwischenruf aus dem Publikum: »Dann müssen Sie halt den Philharmonikern verbieten zu reisen…«

Meyer: »Ich kann’s leider nicht. Es ist halt so. … Es gibt Perioden, wo das Orchester hier ist und wo die Sänger nicht zur Verfügung stehen. Es ist nicht einfach…« Zum Beispiel seien in der zweiten Junihälfte viele bereits in Bayreuth. Und Anfang September sei ebenfalls eine schwierige Zeit, Wagner-Opern zu spielen, da das Publikum ausbleibe.

Anmerkung: Das Spielplanarchiv der Wiener Staatsoper verzeichnet für die Spielzeit 2016/17 21 Vorstellungen von Wagner-Opern: 4 x Lohengrin, 3 x Tristan und Isolde, 6 x Parsifal und 2 Zyklen von Der Ring des Nibelungen.

Aufgezeichnet von Thomas Prochazka

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WIENER STAATSOPER: EISERNER VORHANG –– 20 Jahre künstlerische Verhüllung. Reflexionen zu einem Kunstprojekt,

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Wiener Staatsoper: EISERNER VORHANG – 20 Jahre künstlerische Verhüllung

Reflexionen zu einem Kunstprojekt,

zur Entstehung, zur Motivation und zu mehr oder weniger seriösen Stellungnahmen

Bildergebnis für wiener staatsoper eiserner vorhang 2017

 

Am 18.10.2018 wurde dem Publikum nun schon zum zwanzigsten mal das Projekt der „Verdeckung des Eisernen Vorhanges“ mit einem Werk der modernen Kunst vorgestellt.

Das Jubiläumsexponat wurde vom international rennomierten Künstler John Baldessari geschaffen und stellt fotografisch die Graduation an einer amerikanischen Universität dar, bei der fünf Personen verschiedenfärbig unkenntlich gemacht bzw optisch hervorgehoben wurden.

Alle seit 1998 ausgestellten Werke können im Marmorsaal der Wiener Staatsoper im Rahmen der Ausstellung „Curtain – Vorhang“ besichtigt werden.

Das Projekt, den wunderschön gestalteten Brandschutzvorhang zu verstecken, geht auf die undifferenzierten, antifaschistischen Ansichten des damaligen Operndirektors Ioan Holender zurück. Da die Beseitigung des Originals aus Gründen des Denkmalschutzes nicht zulässig war, wurde von der Organisation „museum in progress“ die temporäre Verhüllung mit einem Werk der modernen Kunst angeregt und umgesetzt. Die ausgewählten Exponate lösen seither jedes Jahr sowohl begeisterte Zustimmung als auch leidenschaftliche Ablehnung aus – so gesehen also ein gelungenes Projekt.

Erfreulicherweise hat Dir. Holender im Jahre 2002 seine ablehnende Haltung überdacht und steht – wie auch sein Nachfolger Dir. Meyer – vorbehaltlos zur Erhaltung des Originalvorhanges und zur Akzeptanz des Künstlers.

Mythologie Ringstrasse

Es muss aber erlaubt sein, die Sinnhaftigkeit und die Notwendigkeit dieser Maßnahme zu hinterfragen. Es scheint unumstritten, dass sich der von Rudolf Hermann Eisenmenger im Jahr 1955 gestaltete Vorhang mit Motiven aus der Gluck-Oper Orpheus und Eurydike hervorragend in das optische Konzept des Zuschauerraumes einfügt und auch die historische Bedeutung gibt diesem Kunstwerk einen besonderen Stellenwert. Die österreichische Bevölkerung hat in wirtschaftlich schweren Zeiten mit der „Goldplättchenspende“ die Finanzierung ermöglicht – diese Vorhanggestaltung stellt somit ein Symbol zur Identität, zur Zustimmung und zur Liebe zu diesem neu erstehenden Österreich dar. Mit etwas gutem Willen hätte man für die Präsentation von riesigen Kunstwerken auch wesentlich verhüllenswertere Lokalitäten (zB einen Flakturm) finden können.

Die Präsentation eines neuen Werkes wird noch immer gerne zur Darstellung der eigenen, aufrechten, antifaschistischen Einstellung genutzt, wobei die Recherche der historischen Zusammenhänge meist auf der Strecke bleibt. Heuer hat Almuth Spiegler in der Tageszeitung „Die Presse“ gezeigt, dass das Prinzip der alternativen Fakten auch in den seriösen Printmedien Einzug gehalten hat. Zur Erinnerung bzw zur Aufklärung: Der Originalvorhang ist von Saisonbeginn bis Mitte Oktober frei sichtbar – ein unverhülltes Jahr ist deshalb zwar wünschenswert, aber nicht nötig. Das Jahreskunstwerk ist nicht nur für zu früh kommende Besucher, sondern auch in den Pausen ungestört zu bewundern.

Ärgerlicher als der ungenaue Bericht in der „Presse“ über den operativen Ablauf ist die undifferenzierte Ablehnung des Werkes und dessen Schöpfer Prof. Rudolf Hermann Eisenmenger. Der allseits geschätzte Maler trat im Jahr 1933!!! als Ausdruck der Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien in die NSDAP ein und befürwortete den Anschluss an das Deutsche Reich. Er wurde auch von den Führern des Nazi-Regimes künstlerisch hoch geschätzt und geehrt. Als menschlich und charakterlich untadeliger Künstler wurde er im Jahre 1938 von Kollegen gedrängt, die Leitung des Künstlerhauses zu übernehmen. Im Juni 1939 war er dann dazu bereit, um einen radikalen, politisch aktiven Nationalsozialisten als Künstlerhausdirektor zu verhindern. Unter seiner Leitung konnten Werke von Kokoschka, Schiele und Hauser vor der GESTAPO versteckt und die Umwandlung des Künstlerhauses in ein Munitionsdepot verhindert werden. Die monatliche Leitungsvergütung von RM 200 hat er zur Gänze für rassisch verfolgte Kollegen zur Verfügung gestellt. Nach dem Ende des Nazi-Terrors wurde Eisenmenger suspendiert, im Zuge der Entnazifizierung aber als unbelastet eingestuft und bereits 1947 vollständig rehabilitiert – es wurde ihm niemals persönliche Schuld nachgewiesen.

Im Jahre 1955, nach dem Gewinn mehrerer Wettbewerbe wurde er mit der Gestaltung des Eisernen Vorhanges beauftragt und stieg so zu einem der prägenden Gestalter der Wiener Staatsoper auf. Seine 1950 geschaffenen Tapisserien nach Themen von Mozarts Zauberflöte sind im Mahlersaal (Gobelinsaal) zu besichtigen – eigenartigerweise sind sie nie so sehr ins Kreuzfeuer der Kritik geraten wie der Vorhang.

Der Umgang mit Personen mit einer Biografie wie Prof. Eisenmenger wirft grundsätzliche Fragen auf. In der öffentlichen bzw veröffentlichten Beurteilung werden Menschen, die vor dem Nazi-Terror ins sichere Ausland emigriert sind, meist hoch geschätzt und als aufrechte Antifaschisten geehrt. Menschen, die in der Heimat blieben und versuchten, sich, ihre Familie und ihre Freunde mit Anstand durch den Alltag zu bringen und am Leben zu erhalten, haben da schon weniger gute Karten. Sehr leicht geraten sie in Kollektivverdacht und müssen mühsam um ihre Reputation kämpfen.

Bekanntestes Beispiel dazu ist wahrscheinlich Richard Strauss, der einen langen, gefährlichen Kampf für seine Familie im Allgemeinen und seine jüdische Schwiegertochter im Besonderen führte. Seine Übersiedlung in den Kriegsjahren nach Wien war keine berufliche Entscheidung, sondern die Flucht vor der Verfolgung durch die NSDAP in der Nazi-Hochburg Garmisch-Partenkirchen/Oberbayern. Die Familie Strauss war mit dem Theaterintendanten (Weimar und Wiesbaden) Carl von Schirach befreundet uns deshalb konnte man in Wien, wo der Sohn Baldur von Schirach Gauleiter war, etwas sicherer leben.

Die moralische Frage, ob man sich gegen einen großen Kriegsverbrecher von einem Verbrecher gegen die Menschlichkeit helfen lassen darf, erhält sicher im Umfeld einer Diktatur eine andere Antwort als in der geborgenen Atmosphäre einer humanen Demokratie. Unsere Generation, die über siebzig Jahre in Frieden, Sicherheit und Freiheit lebt, sollte bei der Beurteilung von Menschen und ihrer Handlungen gewissenhafter und verständnisvoller sein. Auch ein bisschen Demut und Dankbarkeit für unsere privilegierte Lebenssituation wäre angebracht. Es gibt in der aktuellen Situation in Österreich, in Europa und global so viele bedrohliche Strömungen wie Populismus, Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und egoistische Unmenschlichkeit. Dagegen anzutreten ist sicher lohnender, als un- bzw gering belasteten Personen ihre vermeintlichen Verfehlungen in schwierigen Ausnahmesituationen vorzuwerfen.

Die „Bespielung“ des Eisernen Vorhanges ist derzeit eine vertraglich vereinbarte Tatsache und sollte in Zukunft mit ehrlichen Argumenten vertreten werden. Es handelt sich um eine einzigartige Form der Präsentation von moderner Kunst mit großer Werbewirksamkeit bei einem Publikum, das sonst für diese Kunstform nur schwer erreichbar wäre.

Nach Ablauf der Verträge mit „museum in progress“ würde die dauerhafte Präsentation des Originals – und somit des „Gesamtkunstwerkes Zuschauerraum“ sicher die Mehrheit der Opernbesucher – Stammgäste und Touristen – erfreuen. Mit den durchwegs sehenswerten Ausstellungen in den Nebenräumen und Gängen ist die Wiener Staatsoper erfolgreich bemüht, das Erlebnis eines Opernabends aufzuwerten und abzurunden – der hervorragende Bilderzyklus „Winterreise“ des Ensemblemitgliedes Herbert Lippert ist dafür ein gutes Beispiel.

 

Maria und Johann Jahnas

Quellen:

WEB – Seite                          www.mip.at  (museum in progress)

WEB – Seite                          www.art4life.at

Biografie                                Rudolf Hermann Eisenmenger www.rhe.eisenmenger.at

Die Presse vom 18.10.           „Kunst verdeckt. Und das ist gut so“  von Almuth Spiegler

Persönliches Gespräch           mit Dr. Christian Strauss – 2015 in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

 

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Wiener Staatsoper: Im Teesalon darf auch gelacht werden

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Wiener Staatsoper: Im Teesalon darf auch gelacht werden (28.12.2017)

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Benedikt Kobel (links) bei der Buchpräsentation. Copyright: Steffi-Maria Schlinke-KulturPRess Wien

Wenn der Boss der Wiener Staatsoper in den ehrwürdigen Teesalon zu einer Buchpräsentation einlädt, handelte es sich bisher immer um Benedikt Kobel, denn erst zweimal war dies der Fall.

Vor drei Jahren stellte Direktor Dominique Meyer das Buch „seines zeichnenden Tenors“ „Prima la musica“ vor und gestern sein neuestes Werk „Küß die Hand. “

Es ist schon sein fünftes Karikatur-Buch und das vierte das im renommierten Traditionsverlag Amalthea erschienen ist. Ein Grund für die Verlagsleitung: Prof. Dr. Brigitte Sinhuber und Mag. Katarzyna Lutecka nicht nur anwesend zu sein, die Lektorin MMag.Madeleine Pichler übernahm auch die Moderation. Voller Lob, Begeisterung und Bewunderung waren die Worte des Staatsoperndirektors für den Ausnahmekünstler Benedikt Kobel, der seit fast 27 Jahren ein zuverlässiger Solist am Haus ist, wo er bisher 95 Solopartien in fast 1300 Vorstellungen gesungen hat. Allein in der letzten Woche stand er fünf Mal als Solist in Salome und in Madama Butterfly auf der Bühne. Dominique Meyer outete sich in seiner Laudatio auch als besonderer Fan der Opernzeichnungen die regelmäßig im BLOG der Homepage des Opernhauses gezeigt werden.

Erstmals gibt es in einem Kobel-Buch neben den Zeichnungen auch ausführliche Textpassagen. Zum Thema „Gutes Benehmen kommt niemals aus der Mode“ schrieb, ebenfalls sehr humorvoll, der Tanzschulbesitzer Roman Svabek, der seit 2009 Zeremonienmeister des Wiener Opernballes ist. Er freute sich, dass schon am Tag vor der Buchpräsentation die Benimmbücher „Küß die Hand“ bei Amazon ausverkauft waren und das war erst der Anfang!

Steffi-Maria Schlinke-KulturPRess Wien

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Erstes Gespräch mit Bogdan Roščić und Philippe Jordan im TV

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Copyright: „Servus TV“

Gespräch von Ioan Holender mit Bogdan Roščić und Philippe Jordan auf „Servus-TV“

Heinrich Schramm-Schiessl analysiert:

„Na ja, da war viel heisse Luft dabei. In den ersten zwei Dritteln hörte man eigentlich nur schon Bekanntes aus dem Leben der beiden Herren. Erst im letzten Drittel ging es tatsächlich um die Staatsoper, ohne allerdings wirklich Neues zu hören, was ich allerdings auch nicht wirklich erwartet habe. Eigentlich hörte man nur die Gemeinplätze, die noch jeder neue Direktor vor Amtsantritt von sich gegeben hat. Was Staatsoper 4.0 bedeutet, hat sich mir immer noch nicht erschlossen. Das Interessanteste und Bemerkenswerteste war für mich die Aussage, dass beide die Staatsoper zu 100% als geeignwet für die Aufführung von Mozart-Opern erachten. Ich habe das ja nie angezweifelt, aber in den letzten Jahren waren ja viele Dirigenten und sonstige (selbsternannte) Fachleute der Ansicht, dass das nicht der Fall sei…“

Ergänzend Anton Cupak zu diesem Gespräch:

„Beide Herren kamen recht sympathisch rüber und bezüglich Bogdan Roscic wurde mit der immer noch in zunehmend kleineren Kreisen herrschenden Meinung, dass sich da einer aus der Unterhaltungsbranche in die Heiligen Hallen verirrt hat, gründlich aufgeräumt. Dem Mann ist Kompetenz in keinem Fall abzuschreiben, dazu bedurfte es gar nicht der „Bestätigung“ von Künstlern aus der Opernbranche, denen er in deren Anfangszeit mit seiner Tonträger-Firma Wege geebnet hat.

Holender erwähnte das Gerücht, dass Bogdan Roscic vor einigen Jahren das Angebot, den ORF als Generalintendant zu übernehmen abgelehnt habe – mit dem Hinweis, dass ihn in Österreich nur die Staatsoper interessieren würde.

Das ist – vorausgesetzt es stimmt – ein ganz starkes Bekenntnis, denn der ORF bietet doch viel mehr Gestaltungsmöglichkeit und wohl auch Einfluss. Roscic hat aber nun, was er wollte und die Wiener Opernfreunde dürfen ihn mit Spannung und doch einer gewissen Vorfreude erwarten.“

Peter Skorepa kommentiert zu diesem Gespräch:

Das jus primae noctis eines vormittäglichen Gespräches im TV mit dem designierten Staatsoperndirektor wurde von dessen zukünftigem Vorvorgänger Joan Holender vorgenommen, mit der üblichen gelassenen Noblesse und im Servus TV, wobei die treffendste Umschreibung der ausgeschriebenen Funktion des Direktors der Wiener Staatsoper als „einer fast staatstragenden Rolle“ in diesem Lande von dem deutschen und offensichtlich auch Wien-kundigen Bariton Christian Gerhaher in einer Seiteneinspielung auch so genannt wurde.

Wenn auch wenig Konkretes und zum Teil auch schon bekannt gewordenes in dem Gespräch zu Tage kam, dann war doch ein wichtiges Detail von und über Bogdan Roščić zu erfahren, nämlich sein Bekenntnis zum „Gemeinschaftserlebnis Oper, das nur wahr auf einer Bühne stattfindet“. Das scheint insofern wichtig, als der ministerielle Auftrag, die Oper 4.0 zu generieren, leicht zu elektronisch unterstützten und Musikantenstadel artigen Auswüchsen an Massenunterhaltung neigen könnte. Hier zu unterscheiden zwischen musikalischer Qualität vor Ort, also einem theatralischem Erlebnis und andererseits aber geforderter Massenverbreitung, das wird viel Fingerspitzengefühl verlangen.

Man sollte sich auf gute Arbeit auch der kommenden Direktion Bogdan Roščić einstellen können, beschwört er doch mit Adornos Worten „Die unvergleichliche Autorität des Genius Loci“, weiters versichert uns in einer Seiteneinspielung Franz Welser-Möst, dass Bogdan Roščić „für die Wiener Staatsoper brenne“.

Und Philippe Jordan verweist auf die hervorragenden Möglichkeiten, in diesem Hause auch Mozart spielen zu können, „das A&O der Musik“, wie Roščić es nennt.

Das Thema Opernstudio, von Roščić als Stichwort genannt, wurde nicht weiter angeschnitten. Wir hatten ja schon eines in Wien, das in der Ära Holender entschlief, dann aber wieder auf der Agenda des jetzigen Direktors Dominique Meyer stand und beschlussfähig vorbereitet aber die finanziellen Hürden nicht übersprang. Ob Roščić mehr Glück damit hat?

Renate Wagner meint schließlich dazu:

Üblicherweise dienen die Gespräche, die Ioan Holender für Servus TV führt, ihm selbst: Sie beweisen ihm und den anderen, dass er noch kein „Has been“ ist, der unbeachtet am Altenteil sitzt. Diesmal allerdings hat er Wiens Opernfreunde mit einer wichtigen Information versorgt. Er hat uns gezeigt, wer die beiden Herren sind, die in ziemlich genau zwei Jahren und neun Monaten die „Herrschaft“ in der Wiener Staatsoper antreten werden.

Dass Bogdan Roscic und Philippe Jordan gute Figur gemacht haben, ist keine Frage, und das in vieler Hinsicht. Sie waren zwar nicht völlig entspannt, dazu sind sie zu gescheit, sie wussten schon, was dieser Auftritt bedeutet. Aber keinesfalls haben sie sich aufgeplustert und eine Show abgezogen, im Gegenteil, sie waren konzentriert im Hier und Jetzt, und hätte Roscic nicht unbedingt Adorno zitieren müssen (und klarstellen, dass er eine journalistische „Edelfeder“ wurde, weil er den Grips hatte, einen Wittgenstein-Artikel zu kritisieren – das ist schon ein bisschen hoch gesprungen), sie wären ganz ohne Peinlichkeit ausgekommen.

Kurz, die beiden Herren sind jemand, sie müssen niemandem vormachen, wer sie sind, ja, dass sie überhaupt jemand sind – was man ja von so vielen Künstlern (und Politikern und und und) so oft „vorgetanzt“ bekommt. Ängste, dass sie einmal in Größenwahn verfallen und nur noch sich selbst umkreisen, statt ihren Job zu tun, haben sie keine ausgelöst.

Positiv fiel auf, dass die beiden sich offenbar wirklich gut verstehen. Bedenkt man, wie sich der vorige GMD hinausgemobbt fühlte, weil man nie mit ihm redete, ihn nie zu Entscheidungen heranzog, ihn Dinge aus der Zeitung erfahren ließ, dann wird das bei Roscic / Jordan vermutlich nicht passieren. Die reden miteinander und liegen offenbar auf einer Wellenlänge. Man kann nichts über die so wichtigen menschlichen Qualitäten sagen, wenn man jemanden eine knappe Stunde im Fernsehen gesehen hat (es gibt ja auch sehr gute Schauspieler, die einem vorspielen können, was sie wollen), aber irgendwie fühlt man sich nicht verunsichert: Der Schweizer, der Österreicher, die ihre Jobs können und lieben, haben offenbar nur das Beste vor.

Wobei sie auch geschickt genug waren, sich jeden Seitenhieb auf die gegenwärtige Direktion zu schenken. Vielleicht denken die beiden wie Martin Kusej, der im Hinblick auf seine künftige Burgtheaterdirektion sagte: „Ich schütte da sicher mal die Hälfte oder zwei Drittel von diesem Suppentopf aus und koche mal eine neue Suppe auf“, aber sie waren wirklich nicht so geschmacklos, es auszusprechen. Sie werden sicherlich einiges ändern – knapp drei Jahre davor Details zu nennen, wäre unverantwortlicher Wahnsinn. Außerdem wollen wir ja alle – die Journalisten und die Opernbesucher, wir Opernfreunde, die alles besser wissen, man muss uns nur fragen – Raum zur Spekulation…

Sie werden wohl nicht mit einem so nötigen neuen „Ring“ beginnen, wenn Philippe Jordan gerade noch einen in Paris beendet (dass man amikal auf seine bestehenden Verpflichtungen Rücksicht nimmt, sollte zwar selbstverständlich sein, aber man kennt üble Fälle). Dass beide an Mozart in der Staatsoper glauben, hätte einen Hattrick der Da Ponte-Opern erhoffen lassen, aber da wird ja noch rasch die Muti-Tochter davor eine „Cosi“ einschieben, also geht es nicht so einfach. Die Zeiten, wo man eben mit „Fidelio“ eröffnete, sind wohl vorbei. Hoffentlich schreibt schon jemand in der Größenordnung von Ades (wobei natürlich auch die komponierenden Österreicher gefragt sind) an einer schönen, neuen großen Oper zur Eröffnung… Aber das Problem kann man getrost den beiden Herren überlassen, dafür werden sie ja bezahlt. Sie kennen die Ansprüche, sie kennen die Erwartungen.

Kein Wort über die Inszenierungen, die selbstverständlich ein großes Thema sein werden in einer Welt, wo heutzutage schon Operndirektoren von Regisseuren verlangen (!), den Schluß von „Carmen“ zu ändern (!!), weil das Publikum am Ende nicht nach der Ermordung einer Frau klatschen soll (!!!), da ist es doch viel besser, sie nimmt eine Pistole und erschießt Don Jose (!!!!), denn nach der Ermordung eines Mannes darf man offenbar klatschen (!!!!!) – da muss sehr, sehr viel Überlegungsarbeit geleistet werden. Es ist anzunehmen, dass Roscic/ Jordan sich das nicht leicht machen werden … und mit den Zähnen knirschen, dass Herheim für sie nicht zu haben ist.

So nebenbei kam ein „Opernstudio“ auf, niemand hat danach gefragt, Roscic stellte es selbst in den Raum. Danke. Nicht, dass es unbedingt die Aufgabe eines großen Opernhauses wäre – Philippe Jordan selbst ist das Beispiel dafür, wie viel man in Ulm lernen kam, Beczala und Gould denken dankbar zurück, was Linz sie gelehrt hat, die „Ausbildungsstätten“ der kleinen und mittleren Häuser sind ja vorhanden. Aber natürlich hat es auch einen Vorteil, in einem großen Haus aufzuwachsen und mitzuwachsen – Tara Erraught hat mit begeisterter Dankbarkeit erzählt, wie großartig es war, sich in München als Opernschülerin überall frei bewegen zu können, bei Proben der anderen mitzulernen, den großen Kollegen genau zuzusehen und langsam in Minirollen die kleinen Schritte zu machen. Nachwuchspflege ist eine Sache für sich. Die neuen Herren werden das anders machen, als es derzeit der Fall ist.

Dass Ioan Holender ihnen schlußendlich in den Mund legte, das „Live Ereignis“ über alles zu stellen (no na), um die Ängste auszuräumen, die Herren dächten nur noch in Tonträgern und DVD-Aufzeichnungen (was ist grundsätzlich schlecht daran?), wird hoffentlich nicht die LiveStreams beschneiden. Und dass es eine gute Sache ist, gute Aufführungen zu dokumentieren und sie auch in die Welt zu schicken… darüber braucht wohl nicht diskutiert werden. Die guten Aufführungen zu liefern, ist Aufgabe der Direktion.

Nehmt alles nur in allem: Die beiden Herren kamen viel versprechend herüber.

 

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HOMMAGE AN MARGARETHE WALLMANN – ZUR 600. TOSCA-VORSTELLUNG IN DER WALLMANN-INSZENIERUNG IN WIEN Auszüge aus dem Vortrag von Dr. Ulrike Messer-Krol (Fotocollagen Erwin Messer) am 24.1.2018 in der Galerie des Online-Merker

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HOMMAGE AN MARGARETHE WALLMANN – ZUR 600. TOSCA-VORSTELLUNG IN DER WALLMANN-INSZENIERUNG IN WIEN

Auszüge aus dem Vortrag von Dr. Ulrike Messer-Krol (Fotocollagen Erwin Messer) am 24.1.2018 in der Galerie des Online-Merker

Der gesamte Vortrag erscheint im Heft „Der neue Merker“ als Leitartikel


Dr. Ulrike Messer-Krol beim Vortrag

Es war eine für eine Frau zur damaligen Zeit unglaubliche Karriere, die zuerst in Salzburg und dann hier auf der Bühne der Wiener Staatsoper startete. Leider findet  sich wenig Literatur über sie,  die absolut lesenwerte Autobiographie „Sous le ciel de l’opéra“  nur auf französisch und italienisch.  (Neuausgabe éditions du félin, Paris 2004)
Mit genauen Angaben ist die Autorin   sehr  zurückhaltend.

Wallmann Zeichung
Margarethe Wallmann auf einer Zeichnung

…Als ich  einer französischen Freundin, die frühere Präsidentin des Wagner Verbandes in Nizza Betty Bonafet voll Stolz erzählte, dass eine Österreicherin als  erste Frau  international  erfolgreich Opern inszeniert hatte, kaufte sie mir im Shop der Opéra Garnier deren Autobiografie.  Ich war davon fasziniert und dachte, das ist ein interessantes und trotzdem einfaches Thema für einen Vortrag. Eine Zusammenfassung des Buches , die wichtigsten Kapitel mit Österreichbezug. Doch als ich mich näher damit befasste , stellte ich fest, dass so gut wie keine persönlichen Daten darin vorkamen, keine privaten Ereignisse oder gar Familiennamen. Und im Internet mußte ich entdecken, dass nicht einmal das  Geburtsjahr, aber auf gar keinem Fall der  Geburtsort sicher waren. Wenn Sie also  „geboren in Berlin“  hören , so war nicht nur der Österreich-Bezug etwas reduziert , sondern auch fast ein Jahr Recherche nötig, damit ich es zweifelsfrei feststellen kann. ..

Margarethe  kam 22. Juni 1904 zur Welt , nicht in Wien, wie sie später erzählte, sondern nach allen Unterlagen definitiv in Berlin ( Am Holsteiner Ufer 10)  als Kind einer bestens situierten jüdischen Kaufmannsfamilie . Der Vater Paul ist (1870)  in Stralsund geboren, seine Frau Selma ( 1881) stammt aus der Kaufmannsfamilie Daniel in Krefeld. Die Lederwaren-  und  die Schuhgroßhandlung , die Vater und Großvater zuerst gemeinsam führten, lag im Berliner Alexanderplatz-Viertel. In Wien hat sie mit Unterbrechungen nur von Herbst 1933 bis März 1938 gelebt. Dann in Buenos Aires, wo sie die argentinische Staatsbürgerschaft erhielt. Die österreichische  erlangte  sie erst wieder in den 80er Jahren, mit Hilfe des ihr sehr verbundenen Honorarkonsul von Monaco . Ihre dafür notwendigen  Dokumente hat sie als in den Kriegsereignissen für  verloren erklärt.  Aber da sie  davor knapp 5 Jahre mit einem Österreicher  verheiratet war, war sie damit österreichische Bundesbürgerin geworden . Vielleicht hat sich diese private Verbindung mit dem (katholischen) Chef der Wiener Philharmoniker Hugo Burghauser im Sommer 1932 bereits abgezeichnet…

Bildergebnis für margarethe Wallmann
Margarethe Wallmann und ihr Ehemann Hugo Burghauser.

Die falschen Angaben sind von Frau Wallmann beabsichtigt, sie hat sich nach dem 2. Weltkrieg als tiefgläubige Katholikin, in Wien geboren, inszeniert. Wahrscheinlich für sie eine Voraussetzung für die große in Mailand gestartete internationale Karriere.  Während des 2. Weltkrieges hat sie den Geburtsort gewechselt, diese Dokumente habe ich über die Association for Jewish Refugees  aus London bekommen, die dort ebenfalls  Ahnenforschung betreibt…

Die Vortragende referiert dann ausführlich über Margarethe Wallmann als Tänzerin. Da der gesamte Vortrag im Heft-Merker als Leitartikel erscheint, will ich es zugunsten „Magarethe Wallmann als Opernregisseurin“ aussparen. Darüber schreibt Dr. Ulrike Messer-Krol:

…Margarethe Wallmann  hat nach Kriegsende privat ein neues Leben begonnen –  deutlich gemacht durch die Änderung des Geburtsortes. Beruflich konnte sie ihre Arbeit erfolgreich fortsetzen – zunächst wieder als Choreografin vor allem an der Mailänder  Scala. 1952 wollte sie ihr früherer Chef Clemens Krauss  dort unbedingt als Regisseurin für die italienische Erstaufführung  „Die Liebe der Danae“ mit seiner Ehefrau Viorica Ursuleac . Die leitenden Herren  stimmten nur zögernd zu,  es  wurde der ganz große Erfolg – der Beginn einer  weltweiten Regiekarriere,  auch wieder bei den Salzburger Festspielen.  Dass sie fünf Sprachen fließend beherrschte, stützte ihre Autorität in der Zusammenarbeit mit den internationalen Teams und den Bühnenstars wie Maria Callas,  auch den meisten Libretti folgte sie im Original .

Eine der wichtigsten Stationen  ihrer Laufbahn war  die Uraufführung von Die Gespräche der Karmeliterinnen an der Scala, der zahlreiche weitere Inszenierungen folgten. Sie bat  Francis Poulenc  ein szenisches Oratorium  zu komponieren , er wollte für sie aber eine Oper mit religiösem Thema . Im November 1952  besuchte Frau  Wallmann eine Generalprobe im Wiener Burgtheater, damals noch im Ronacher . Gespielt wurde Die begnadete Angst von George Bernanos, als Blanche Annemarie Düringer, unter den  Schwestern auch Marisa Mell, damals noch Maria und Elfriede Ott

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Margarethe Wallmann in Salzburg 1931. Archiv Salzburger Festspiele, Photo Karl Ellinger.

So nahm Margarethe Wallmann entscheidend Einfluss auf Poulenc bei der Wahl des Themas der „Karmeliterinnen“

An der Wiener Staatsoper hat Margarethe Wallmann 6 Inszenierungen erabeitet:

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Eberhard Waechter als Scarpia in einer Folgevorstellung

TOSCA – Premiere 3.4.1958 mit bisher 600 Vorstellungen

DIALOGUES DES CARMÉLITES – Premiere 14.2.1959 mit 20 Vorstellungen

MORD IN DER KATHEDRALE von Ildebrando Pizzetti – Premiere 9.3.1960 mit 5 Vorstellungen

LA FORZA DEL DESTINO – Premiere 23.9.1960 mit 84 Vorstellungen

TURANDOT – Premiere am 22.6.1961 mit 54 Vorstellungen

DON CARLO – Premiere18.3.1962 mit 84 Vorstellungen

Wallmann war auch an bedeutenden Ur- und Erstaufführungen beteiligt, darunter 1955 David von Darius Milhaud, 1955 Der feurige Engel von Sergei Prokofjew, 1957 Les Dialogues des Carmélites von Francis Poulenc, 1958 Mord im Dom von Ildebrando Pizzetti, 1962 Atlántida von Manuel de Falla und L’opéra d’Aran von Gilbert Bécaud, 1969 Die Teufel von Loudun von Krzysztof Penderecki und Andrea del Sarto von Jean-Yves Daniel-Lesur und 1974 Antoine et Cléopatre von Emmanuel Bondeville.

Margarethe Wallmann starb am 2.5.1992 in Monaco

Die abschließenden Ergänzungen stammen von Anton Cupak

 

 

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Wiener Staatsoper: CHRISTA LUDWIG-GEBURTSTAGS-MATINEE: ZULETZT FLOSSEN SOGAR TRÄNEN (25.3.2018)

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Wiener Staatsoper: CHRISTA LUDWIG-GEBURTSTAGS-MATINEE: ZULETZT FLOSSEN SOGAR TRÄNEN (25.3.2018)

Da saß sie da, locker-elegant im rosa Hosenanzug, schlagfertig, mit dem für sie typischen „Schalk im Nacken“… man würde sie mindestens um 20 Jahre jünger halten. Aber nein: Christa Ludwig feierte in diesem März 2018 tatsächlichen ihren 90 Geburtstag, die Wiener Staatsoper war einmal mehr bis zum Balkon gefüllt, als Moderator hatte sich die einstige Mezzo-Diva mit einem Wiener (Tenor-)Vater Anton Ludwig und einer norddeutschen Mutter Eugenie Besalla-Ludwig ihren Sohn Marc Berry gewünscht (aus ihrer ersten Ehe mit Walter Berry); und als Gratulanten agierten Otto Schenk, Michael Heltau (als Sänger: Wien muss die Stadt von Christa Ludwig sein“, Clemens Hellsberg, eine Streicher-Abordnung der Wiener Philharmoniker(mit dem Capriccio-Beginn); und selbstverständlich der amtierende Operndirektor Dominique Meyer, der schon die Rosen für den 100.Geburtstag überreichte, weil er 2028 wohl schon in Pension sein werde (seine erste Begegnung mit der in zweiter Ehe mit Paul Emile Deiber verheirateten Christa Ludwig erfolgte übrigens mit der Marschallin im Rosenkavalier).

Und als Überraschungsgast kam zudem der designierte Wiener Bürgermeister und Namensvetter Michael Ludwig auf die Bühne, um der einstigen Marschallin, Amneris, Fidelio-Leonore oder Färberin den Goldenen Rathausmann zu überreichen. Und Auszeichnungen wie diese sammle sie nicht zuletzt, weil sich dann andere ärgern, die diese Auszeichnung noch nicht bekommen haben. Typisch Ludwig eben, ist man versucht zu sagen. 

Ihr Lebens-Credo war immer: Sentimental ist die Kunst, heiter sei das Leben. Und so lautet auch der Titel ihrer neuesten Autobiographie „Leicht muss man sein“ – ein Zitat der Marschallin -, das genau zum 90.Geburtstag bei Amalthea erschien ist und als Co-Autoren Erna Cuesta und Franz Zoglauer nennt. Die Ludwig, die 50 Jahre lang eine unvergleichliche Welt-Karriere bestritt (um sie rauften sich die berühmtesten Dirigenten wie Karajan, Böhm oder Bernstein) hat nun mehr als zwanzig Jahre nicht mehr gesungen. Sie agiert als Jurorin, gibt Master-Classes und hat – spät aber doch für Sohn und Enkel samt Familien – endlich Zeit. Und sie lebt ohne Angst, eine Verkühlung zu bekommen. Und ohne Stress. Ihr Lebensmotto hat sie von Churchill übernommen: „No sport!“ Als Sänger müsse man richtig atmen, das genüge für ihre körperliche Fitness. Dafür in Maßen: Wein und Whisky! Christa Ludwig könnte als Gesundheits-Coach agieren.

Nun: zurück zur Geburtstags-Matinee: Christa Ludwig hatte auch die Zuspielungen ausgewählt. Und so hörte man Oskar Werner mit dem „Erlkönig“ (von ihm konnte ich lernen) oder Georg Kreisler mit dem „Mann am Triangel“. Die Ludwig- Aufnahmen wurden von Richard Wagner (Götterdämmerung und Isolde) sowie Richard Strauss (Frau ohne Schatten mit Walter Berry) dominiert.  Aber es gab auch die Hexe aus „Hänsel und Gretel“ oder die Rosina aus „Barbier von Sevilla“ (ein besonderes Vergnügen!). Und dann – bei Zuspielung des Richard-Strauss-Liedes „Und morgen wird die Sonne wieder scheinen“ (Liederabend mit Charles Spencer 1994) passierte es: Christa Ludwig bekam feuchte Augen war gefühlsmäßig so wie man ihr Singen immer empfunden hat: eine Stimme, die tief in die Herzen reicht.

Christa Ludwig gibt sich privat unsentimental und Kopf-dominiert. Aber das sei – so Hellsberg – nur eine seelische „Schutzmaßnahme“. Noch viele Geburtstage, die die Leichtigkeit des Seins ebenso spiegeln wie die Momente der tiefen Betroffenheit. Habet Dank!

Peter Dusek

 

Wiener Staatsoper REFLEXIONEN Dezember 2015

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Die Wiener Staatsoper

REFLEXIONEN Dezember 2015

 

 

 

 

 

WIENER STAATSOPER Publikumsgespräch mit Dominique Meyer und Thomas Platzer

Studio Walfischgasse am 15. Dezember 2015 (Teil 1)

 

Thomas Platzer, Dominique Mayer. Foto: ORF

Thomas Platzer, Dominique Mayer. Foto: ORF (aus einem älteren Gespräch im Marmorsaal)

In seiner Einleitung stellte Hausherr Dominique Meyer fest, dass die neue Spielstätte Studio Walfischgasse der Wiener Staatsoper mehr Freiheit gäbe, da sie Parallelveranstaltungen zum großen Haus ermögliche. Dies sei in der Oper auf Grund der Einlaß-Regelung nicht möglich. Direktor Meyer sprach auch von einer bisher »schönen Spielzeit«, und dass viel geschehen sei im Zuschauerraum und den Büros.

Des Hausherrn Stellungnahme zur Neufassung des Bundestheater-Organisationsgesetzes mag einige überrascht haben: »Ich sehe eine sehr wichtige Neuigkeit in dem Gesetz, dass wir eine Dreijahresplanung haben. Wenn man budgetmäßig keine Sicherheit hat, ist es ein Problem. Es ist leider nicht so langfristig wie es sein soll, weil wir viele Sachen vier bis fünf Jahre im voraus planen sollen.«

Die finanzielle Seite sei nicht großzügig, »unser Budget ist sehr eng im Vergleich zu anderen Opernhäusern. Aber ich kann verstehen, dass die Regierung Probleme mit dem Budget hat, jeder muss seinen Beitrag leisten. In vielen Ländern hat man Kürzungen zu erleiden, hier hat man einen Zusatz von 14 Mio. EUR bekommen.«

Die letzte Spielzeit endete mit einem Einnahmenrekord von zum ersten Mal mehr als 34 Mio. EUR. Dies sei seit seinem Amtsantritt eine Steigerung von 6 Mio. EUR. Als Vergleich führte Herr Direktor Meyer wie bereits im Publikumsgespräch Mitte Juni die drei Berliner Opernhäuser an, welche gemeinsam um ein Drittel weniger einnehmen.

Es sei eine schöne Tradition, daß man täglich 580 Stehplätze zur Verfügung stelle, es gebe ein sehr gemischtes Publikum. »Ihr seid es alle gewöhnt, es war immer so. Ich komme aus der Fremde, dort ist es nicht so. Ich finde es schön, wenn man sich am Tag der Vorstellung dazu entscheiden kann, in die Oper zu gehen.« Er habe auch nicht im Sinn, die Eintrittspreise für die Stehplatzkarten zu erhöhen, nicht zuletzt, weil der Beitrag zu den Einnahmen eher gering sei. Die Auslastung des Stehplatzes sei um 4 bis 5 % gestiegen.

Dominique Meyer hatte auch eine gute Nachricht: »Wir haben einen Konzertmeister, einen sehr guten Konzertmeister: José Maria Blumenschein.« Herr Blumenschein gewann das Probespiel bravourös, es war kein Probespiel mit Orchester notwendig. Herr Blumenschein war bisher Konzertmeister des WDR Symphonieorchester Köln sowie des Orchesters der Bayreuther Festspiele. In der Jury saßen alle Konzertmeister bis auf Herrn Prof. Küchl.

Der Hausherr vergaß nicht zu erwähnen, daß sich auch ein paar Musiker des Staatsopernorchesters beworben hatten. »Auch die Jüngste im Orchester hat sich beworben und wurde Zweite beim Probespiel.« Die Zahl der Frauen im Orchester wachse regelmäßig, das gehe in einer »logischen, normalen Richtung«, da viel mehr Mädchen als Burschen an den Musikschulen studierten: »Wir müssen bald die Damengarderoben vergrößern.«

Bei den medialen Neuigkeiten erwähnte Dominique Meyer als erstes den Bildband zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper. »Es gibt nicht viel Text und bla bla bla, wo man sich wichtig macht

Die DVDs zu Puccinis La fanciulla del West und Undine sind soeben erschienen, für CD ist der Mitschnitt zu Verdis Un ballo in maschera unter Claudio Abbado in Vorbereitung.

Die Staatsopernproduktion von Humperdincks Hänsel und Gretel wird am 24. Dezember 2015 auf arte, am 27. Dezember in ORF2 und am 2. Jänner 2016 auf ORFIII ausgestrahlt: »Sie haben also keine Entschuldigung, das zu versäumen!« Eine DVD-Produktion ist in Vorbereitung, ebenso wie für Johanna Doderers Fatima oder von den mutigen Kindern (Uraufführung am 23. Dezember 2015 an der Wiener Staatsoper). Und Ballettfreunde dürfen sich sogar auf zwei »Zuckerln« freuen: Als dritte der Nurejew-Choreographien an der Wiener Staatsoper wird Ludwig Minkus’s Ballett Don Quixote ebenso vom ORF aufgezeichnet wie Manuel Legris’s erste Choreographie von Adolphe Adams Le corsaire (Première am 20. März 2016).

Dominique Mayer redet gerne mit „seinem Publikum“. Dieses Foto stammt aus dem vorjährigen Gespräch, noch im Mahler-Saal. Copyright: Peter Skorepa

Dominique Mayer redet gerne mit „seinem Publikum“. Dieses Foto stammt aus dem vorjährigen Gespräch, noch im Mahler-Saal. Copyright: Peter Skorepa

 

Thomas Platzer beantwortete eine Publikumsfrage zum Themenkomplex Live Stream und Kartenverkauf, dass er keine Kannibalisierung des Opernbesuchs durch den Live Stream erkennen könne. Die Zuseher würden eher zum Opernbesuch animiert. Die Staatsoper änderte ja kürzlich ihre Live Stream-Strategie und bietet nun das Jahres-Abonnement um EUR 159,– sowie ein Monats-Abonnement um EUR 16,90 an. Es gibt eine Vereinbarung mit A1, eine mit UPC ist in Vorbereitung. Die Live Streams der Wiener Staatsoper sind nun auch weltweit via Apple TV abrufbar. Dominique Meyer merkte an, dass es oberstes Ziel sein müsse, den Zugang zu den Streams so einfach wie möglich zu gestalten. Und im Gegensatz zum Internet ist bei einer Ausstrahlung via Fernsehkanal (A1,  UPC) die Datenmenge und damit die Qualität kein Problem.

Zum Spielplan der nächsten Saison verriet der Hausherr, dass es auch an der Wiener Staatsoper »Richard Strauss-Tage« geben werde: »Das ist schon programmiert. Mit großen Sängern!« Details waren Dominique Meyer auch auf Nachfrage nicht zu entlocken. Auf Die Frau ohne Schatten, das opus summum der Zusammenarbeit von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss und der Wiederkehr des 100. Jahrestags der Uraufführung am 10. Oktober 2019 angesprochen, erwiderte Direktor Meyer launig, dass er Jubiläen und Jahrestage nicht schätze.

Direktor Meyer würdigte auch ausdrücklich den erst kürzlich verstorbenen Peter Ulrich Bender, der sowohl die Kinderoper betreute als auch die Vorsingen organisierte. »Er hat mich immer zum Flughafen gefahren, hat mich noch drei Tage vor seinem Tod zum Flughafen gebracht… Wir waren alle traurig im Haus. Wochenenddienste, Abenddienste zu Weihnachten oder Silvester: Er hat immer diese Dienste gemacht, sodass jene mit Familie ruhig feiern konnten. Er war eine herrliche Persönlichkeit…«

Der Hausherr schloß seine Berichterstattung mit einem Bekenntnis: »Es ist immer noch dieselbe Freude, an diesem Opernhaus arbeiten zu dürfen. Ich bin so glücklich, daß ich so eine tolle Mannschaft habe! Wir bereiten für den Opernball ein Buch vor mit Fotos von Lois Lammerhuber. Ich mache selbst die Texte: Wie die Verwaltung der Oper arbeitet, oder wie man von einem leeren Blatt Papier zu einer Opernproduktion kommt.«

Die Veröffentlichung des zweiten Teils der Berichterstattung über das Publikumsgespräch ist für die Zeit um den Jahreswechsel geplant.

Thomas Prochazka
MerkerOnline

Publikumsgespräch mit Dominique Meyer und Thomas Platzer (Teil 2)
Ort: Studio Walfischgasse
15. Dezember 2015
Von Thomas Prochazka / MerkerOnline

Im Rahmen des Publikumsgesprächs vom 15.12.2015 zog Dominique Meyer auch eine Bilanz der bisherigen Spielzeit. Vier Premièren hätten bisher stattgefunden. »Macbeth werden wir lange spielen können. Die Inszenierung ist sehr praktikabel, die kann man gut im Spielplan einsetzen.«
Hänsel und Gretel habe man vor dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig gespielt. »Hänsel und Gretel war immer eine Dirigentenoper.« Die größten Dirigenten — unter anderem Karajan, Solti und Strauss — haben die Oper immer wieder dirigiert, wenngleich die meisten auch nur für Platteneinspielungen: »Wenn man die Partitur gesehen hat, versteht man, dass die Dirigenten das machen wollen!«
Die Staatsoper bot mit Thomas Lausmann und Jendrik Springer zwei Korrepetitoren auf, die seit neun bzw. 15 Jahren auch in Bayreuth arbeiten. Christian Thielemann sei sehr angetan gewesen davon, wie gut die Sänger vorbereitet gewesen seien. Die »Echo-Stelle« im zweiten Akt war vorher aufgenommen worden und wurde während der Vorstellungen vom Band zugespielt. Im Lauf der Klavierprobe ging der Effekt im richtigen Tempo und an der richtigen Stelle los. Christian Thielemann habe sich nach dem hinter ihm sitzenden Direktor umgedreht: »Wie ist das möglich?« Dessen Antwort: »Ja, die zwei Herren kennen Dich halt!«
Bei Hänsel und Gretel gab es große Besetzungsprobleme: »Angefangen hat es mit Elisabeth Kulman. Das war ein schlimmes Problem für uns, denn man wollte nicht, daß man im Jahresprogramm N.N. stehen hat. Man müsse eine Frau haben, die, wenn möglich, Deutsche ist, der guten Aussprache wegen. Thielemann will ja immer die Aussprache genau haben. Also Daniela Sindram. Aber die konnte nur vier Vorstellungen machen.«
Im Laufe der Proben erkrankte Michaela Schuster. Dominique Meyer: »Ich glaube, daß die liebe Hexe mir alle anderen angesteckt hat.« Denn als nächste fiel Chen Reiss aus, Ileana Tonca sprang ein. »Thielemann war glücklich, er hält sie für eine gute Sängerin und setzt sie gerne ein. Frau Tonca war so gut vorbereitet, man hat das gar nicht gesehen.« Dann kam die Generalprobe, Daniela Sindram war krank, Margaret Plummer ersetzte sie. »Christian Thielemann fragte mich: ›Hast Du eine Fabrik da im Keller?‹«
Für die Première fiel Adrian Eröd aus, Clemens Unterreiner sprang ein. Gottseidank gab es dieselbe Besetzung für die zweite und die vierte Vorstellung, welche vom ORF für die Übertragung und die DVD mitgeschnitten wurden. Aber dann erkrankte auch Ileana Tonca, und Chen Reiss übernahm die fünfte Vorstellung. Da sie als Sophie im Rosenkavalier angesetzt war, konnte sie die sechste Vorstellung nicht singen. So stand in der sechsten Vorstellung ihr Cover Annika Gerhards als Gretel auf der Bühne, und Andrea Caroll, das Cover für Annika Gerhards, sang das Sandmännchen/Taumännchen… Dominique Meyer: »La Vie est un long fleuve tranquille…«
Zur am Sonntag vor dem Publikumsgespräch stattgefunden habenden Première von Leoš Janàčeks Več Makropulos bemerkte der Hausherr: »Die Produktion hat mich sehr glücklich gemacht. Peter Stein hat ganz fleißig gearbeitet! Es gibt tolle Bühnenbilder. Die Oper spielt in Wien, alles ist im Ambiente der 20er-Jahre.« Direktor Meyer empfahl den jungen Dirigenten Jakub Hrůša: »Der wird eine große Karriere machen!« In der Pause der Orchesterprobe sei ein altgedientes Mitglied der Streicher zu ihm gekommen und habe ihm stolz gesagt: »Heute habe ich nur einen Fehler gemacht. Das ist mein Rekord!« Dominique Meyer weiter: »Das Orchester hat nach der Première dem Dirigenten applaudiert.«
Im Fragenteil parierte der Hausherr Kritik aus dem Publikum an Dan Ettingers Tosca-Dirigat mit dem Hinweis, daß dies nur eine Einzelmeinung sei. Nach der Première von Več Makropulos habe ein Kritiker in einer Rezension sogar zwei Meinungen zu Jakub Hrůša gehabt…
Auf das Begehren eines anderen Besuchers nach einer Neuinszenierung von Emil Nikolaus von Rezniceks Donna Diana erwiderte Dominique Meyer: »Es gibt viele Stücke, die man machen möchte: Zemlinksy, oder Dantons Tod. Aber leider hat man ja nur einen Vertrag für fünf Jahre!«
Eine Besucherin artikulierte ihr Unverständnis darüber, daß sie gleich nach Erscheinen der Jahresvorschau trotz Bestellungen für die beste Kartenkategorie mit Ausnahme eines Balletts nur Absagen bekam, obwohl dann an den Vorstellungsabenden von Agioteuren immer noch Karten angeboten werden: »Ich bekomme in Salzburg alle Karten!« Thomas Platzer erwiderte launig: »Die sind nie voll. Wir sind immer voll!«

Thomas Prochazka
MerkerOnline 

 

 

 

Die Wiener Staatsoper in ihrem Studio Walfischgasse (18.12.): EINE VERGNÜGLICHE STUNDE LEBEN MIT LOTTE INGRISCH

von Meinhard Rüdenauer

 

Lotte Ingrisch

Lotte Ingrisch

„Ich freue mich, nach dem Tod weitersingen zu dürfen“, funkte Alfred Sramek an Staatsopern-Dramaturg Dr. Andreas Láng. Angesagt war er, doch der beliebte Kammersänger musste seinen Auftritt für Lángs unterhaltsame „Vec Makropulos“-Gesprächsrunde im Studio Walfischgasse der Wiener Staatsoper kurzfristig absagen. Hat er ja noch viel, viel Zeit, sich auf sein Ständchen dann da oben für die himmlischen Heerscharen vorzubereiten.

Leos Janáceks gerade so erfolgreich einstudierte Oper über das Schicksal und die Sterbestunde der 337jährigen Elina Makropulos hat zur „Werden wir nach dem Tod noch musizieren?“–Diskussion mit der Schriftstellerin Lotte Ingrisch und dem Quantenphysiker Univ.Prof. Dr. Helmut Rauch angeregt. Und da Ingrisch schon bestens versteht, mit längst Verstorbenen zu kommunizieren, war viel interessantes über Nahtod-Erlebnisse, über die Bakterien im Menschen, über Lichtgestalten in allen Kulturen und die diesbezüglichen Erfahrungen ihres verstorben Komponisten-Gatten Gottfried von Einem zu hören. Und so einiges mehr über in energetischem Zustand empfange Botschaften aus einer überirdischenWelt: „Wir streben dorthin, wir haben alle eine wunderbare Zukunft dort!“ Munter und mit liebenswürdiger Intensität vorgetragen – doch auch zum Schmunzeln anregend.

Österreichs großer Physiker Helmut Rauch war da schon ein bisschen anderer Ansicht. Behutsam wagte er zu widersprechen. Liebenswürdig gegenüber Ingrisch formuliert er: „Die physikalischen Fakten sprechen eine andere Sprache“. Und er erzählte, auch dem Laien verständlich, von Materie als konzentrierte Energie, über herumfliegende Moleküle, die Zusammensetzung des Weltalls. Entgegenkommend auch: „Es gibt lebendige und es gibt tote Atome. Und solche können sehr wohl wieder lebendig werden.“ Und weiter: „Wir müssen davon ausgehen, das wir noch andere Wellen, heute nicht bekannte, einmal erforschen werden können ….“ Lächelnd der Poetin zunickend: „Hängt wohl davon ab, welche Antennen der Mensch hat, welche Längenwellen ihm angeboten werden, welche er aufzunehmen vermag.“ Und da wir Lotte Ingrischs Antennen für diese Sequenzen auch gern vertrauen, hat sie uns im Opernstudio eine vergnügliche Stunde Leben vermitteln können.

Meinhard Rüdenauer

 

 
 
 

 
 
 
 

    

Wiener Staatsoper REFLEXIONEN Jänner 2016

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Die REFLEXIONEN aus der WIENER STAATSOPER im Jänner 2015

Inhalt:

Wiener Opernballtratsch und Zukunftsperspektiven  Von Anton Cupak

 

 

Eine Opernballlady geht – andere wollen kommen

Anton Cupak über den Wechsel in der höchsten Ebene einer Opern-Organisatorin (Ein Artikel aus der PRESSEÜBERSICHT des MerkerOnline vom 22.Jänner 2016):

 

Wiener Opernballtratsch und Zukunftsperspektiven

Der  Rücktritt der Opernball-Organisatorin sollte eigentlich keine allzu großen Probleme auslösen. Dieser Job, obwohl dem Vernehmen nach ehrenamtlich, ist hoch begehrt und viele „Damen unserer Gesellschaft“ würden gerne in das Rampenlicht gelangen. Die derzeitige Situation ist aber – unnötigerweise – etwas pikant:
Der Philharmoniker-Vorstand Andreas Großbauer macht sich seit Monaten für eine Vertragsverlängerung des Staatsoperndirektors stark. Das ist das gute Recht des Herrn Großbauer als Privatmann (ob mit dem Orchester abgestimmt, weiß ich nicht), wenngleich ich es für vernünftig hielte, wenn sich die Philharmoniker aus dem Entscheidungsprozess heraushalten würden. Ich denke, dass der zuständige Minister keine Einsager braucht und sich auf breiter Basis beraten und informieren soll, auch unter Bedachtnahme der zur Verfügung stehenden Alternativen. Wir vom Online-Merker stehen für keine Kampagne zur Verfügung, weder für noch gegen den amtierenden Direktor. Meines Wissens nach haben auch die Philharmoniker bisher nie öffentlich in den „Wahlkampf“ eingegriffen.
Nun begab sich, dass die Frau des Philharmoniker-Vorstands, die eine PR-Agentur betreibt, für die Treichl-Nachfolge in das Spiel gebracht wird. Ich kenne Frau Großbauer nicht und es steht mir daher keine Wertung zu, auch kenne ich „den Markt“ zu wenig, um meinerseits Empfehlungen abzugeben. Ob aber die Parteinahme des Herrn Großbauer für den Staatsoperndirektor der Kür seiner Gattin zur Opernball-Lady zuträglich ist, wage ich zu bezweifeln. Wir leben in einer Zeit, die durch einige abschreckende Beispiele von sogenannter „Freunderlwirtschaft“ stark sensibilisiert ist, hätte sich Herr Großbauer nicht derart stark für den Staatsoperdirektor aus dem Fenster gelehnt, wäre eine Personalentscheidung eben dieses Direktors zugunsten der PR-Agentur-Chefin Maria Großbauer sicher einfacher, weil nicht mutwillig umstritten.
Ich kenne die Gerüchte bereits seit längerer Zeit, habe mich jedoch zurückgehalten. Ich vermute keine „Freunderlwirtschaft und gehe davon aus, dass alle Beteiligten die hehrsten und besten Absichten hegen. Ich spreche lediglich undiplomatisches Verhalten an – und das bei einem gelernten Diplomaten in einer wesentlichen Rolle in dieser heiklen Angelegenheit. So viel mir bekannt ist, entscheidet der Operndirektor über jene Person, die den Ball seines Hauses ausrichtet, das ist wie eine Besetzungsfrage.
Nun aber hat sich Frau Maria Großbauer zu Wort gemeldet – oder hat zumindest Journalisten nicht erfolgreich abgewehrt. Frau Großbauer zur „Tiroler Tageszeitung: Zu den Gerüchten, wonach sie die Nachfolge der scheidenden Opernball-Organisatorin Desiree Treichl-Stürgkh antreten soll, hielt sich Maria Großbauer beim Ball der Wiener Philharmoniker am Donnerstagabend bedeckt. „So ein Gerücht ist sicher ein Kompliment. Aber schauen wir einmal, es sind momentan viele Namen im Spiel“, sagte sie zur APA.
„Ich denke, dass sich viele Frauen sehr gut vorstellen könnten, die Organisation zu übernehmen. Das ist eine schöne und ehrenvolle Aufgabe. Schließlich ist die Wiener Staatsoper ja nicht irgendeine Institution“, sagte Großbauer. Gleichzeitig sehe sie darin auch eine große Herausforderung.
Maria Großbauer ist die Frau von Philharmoniker-Chef Andreas Großbauer und führt in Wien eine PR-Agentur.
Nun, ein Dementi klingt etwas anders. Dass Frau Großbauer beim Philharmonikerball von Journalisten befragt wird, stand zu erwarten. An Stelle von Frau Großbauer wäre ich krank geworden und hätte den Ball geschwänzt – auch wenn es der Philharmoniker-Ball ist. Nochmals, ich vermute überhaupt nichts, ich halte lediglich die Vorgangsweise für unglücklich und kontraproduktiv im Sinne der Ambitionen der Frau Großbauer

Frühere Artikel zu diesem Thema:

Früher Startschuss um den Thron

Ein Standart Interview

 

 


Wiener Staatsoper REFLEXIONEN April 2016

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REFLEXIONEN aus der Wiener Staatsoper

Der Spielplan der Saison 2016-2017

Eine Analyse des neuen Saisonspielplanes 2016-2017 aus Anlass dessen Bekanntgabe in der Pressekonferenz im Marmorsaal der Wiener Staatsoper am 6.April 2016.

Thomas Platzer, Dominique Meyer. Foto: Peter Skorepa

 

DIE VERGEBENEN CHANCEN DER SAISON 2016/2017
von Heinrich Schramm-Schiessl

Ich möchte hier keine Gesamtanalyse der kommenden Saison machen und darüber jammern, welche Spitzensänger (wieder) nicht singen, wobei es natürlich schon merkwürdig ist, dass Joyce Di Donato, obwohl sie heuer einen Liederabend gibt, wieder nicht berücksichtigt wurde und Elina Garanca sich offenbar zusehends von der Staatsoper verabschiedet (Anm.d. Red.: in der nächsten Saison singt sie laut Dir. Meyer eine Premiere). Ebenso ist es natürlich traurig, dass Christian Thielemann in der kommenden Saison wieder fehlen wird.

Und da bin ich bereits bei den vergebenen Chancen. Das beginnt bei den Neuinszenierungen. Der „Trovatore“ war sicher überfällig und dass „Pelleas et Melisande“ wieder kommt ist mehr als erfreulich. Dass mit „Armide“ ein eher seltener Gluck kommt, mag zwar inteessant sein, aber gerade bei Gluck sehe die Notwenigkeit nicht,  die „Musiciens du Louvre“ zu engagieren, hier wäre z.B. ein Monteverdi („Poppea“ oder zur Abwechslung einmal der „Ulisse“) interessanter gewesen. Nicht unbedingt notwendig, auch wenn ich kein Freund der Mielitz-Inszenierung bin, ist der „Parsifal“ und ein totaler Unsinn ist die Neuinszenierung des „Falstaff“, zumal die Marelli-Inszenierung durchaus brauchbar war.

Stattdessen wäre z.B. die Erweiterung des Strauss-Repertoires sinnvoll gewesen. Es hat doch geheissen, dass die Salzburger „Danae“ nach Wien kommt – statt Welser-Möst hätte halt wer anderer dirigieren müssen. Auch die „Ägyptische Helena“ wäre eine Möglichkeit. Hier hätte Thielemann dirigieren können, der damit vor längerer Zeit in London einen großen Erfolg feierte. Mit Thielemann hätte man auch darüber reden können, dass er, wenn man im vorige Saison schon den Wunsch „Hänsel und Gretel“ erfüllt hat, wenigstens diese Saison eine Neueinstudierung des „Palestrina“ macht.

Ebenso hätte man die zwar auch nicht gelungene Inszenierung der „Favorite“ mit Garanca und Florez wieder aufnehmen können. Was Jonas Kaufmann, der mir egal ist, betrifft, so verstehe ich irgendwie das Murren seiner Fans, dass es wieder „nur“ der Cavaradossi ist. Wie wäre es gewesen, hätte man ihn rechtzeitig (!) gefragt, ob er sich nicht vorstellen könne, den Paul in der „Toten Stadt“ zu singen. Wenn man dann noch René Fleming, die Mariettas Lied bei ihrem Liederabend im Jahr 2012 hinreissend gesungen hat, für diese Produktion gewinnen hätte können, hätte man viermal ein volles Haus gehabt und hätte nicht die niedrigste der Opernpreiskategorien (S) nehmen müssen. Und wenn man für Joyce Di Donato schon keine Neuinszenierung parat hat, hätte man doch zumindest in der „Barbier“ und/oder „Cenerentola“-Serie ihr Wiener Bühnendebut ermöglichen können.

Das sind nur einige wenige Beispiele – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – mit denen man, hätte man ein bisschen mehr Phantasie, den Spielplan, der diesmal doch etwas bieder ausgefallen ist, attraktiver gestalten hätte  können.

Heinrich Schramm-Schiessl

Ein Jahrhundertsänger im milden Abendlicht

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PLACIDO DOMINGO bei seinem 60-Jahr Jubiläum in der Wiener Staatsoper 2017 (Copyright PSkorepa)

Ein Jahrhundertsänger im milden Abendlicht

Eine Annäherung an das Phänomen Plácido Domingo in seiner baritonalen Spätphase    Von Manfred A. Schmid

 

Das Folgende ist keine Rezension der zweiten Aufführung der laufenden Aufführungsserie von Giuseppe Verdis La Traviata am 1.Juni 2018. Vielmehr handelt es sich um den Versuch, die magische Wirkung des Auftritts von Plácido Domingo auf das Publikum, wie sie in dieser Vorstellung erneut zu erleben war, zu begreifen und nachvollziehen zu können.

Ein 77-jähriger Mann betritt die Bühne. Noch bevor er den ersten Ton singt, ertönt begeisterter Begrüßungsapplaus. Dabei ahnt wohl jeder: Die Zeiten des Jahrhunderttenors Domingo sind längst vorbei; seit einiger Jahren tritt er nur mehr in Baritonrollen auf. Zunächst recht erfolgreich, etwa in der Titelpartie von Verdis Simon Boccanegra. Inzwischen aber ist aus seiner Stimme, wie man sich gleich überzeugen wird können, kaum mehr als nur ein schwacher Schatten ihrer einstigen Strahlkraft geworden. Und dennoch: Mag die musikalische Performance noch so dürftig sein, der Applaus ist ihm sicher.

Der unbarmherzige Kritiker, der jeden gesungen Ton akribisch verfolgt, vergleichbare Leistungen aus seinem Gedächtnis abruft und ein daraus resultierendes eklatantes Missverhältnis konstatieren muss, schüttelt verständnislos den Kopf und ärgert sich über diese, in seinen Augen ignorante Reaktion. Das Publikum lasse sich eben von Namen blenden und habe wieder einmal natürlich überhaupt kein Tau davon, was hier tatsächlich geboten wird.

Doch halt: Man sieht nur mit dem Herzen gut, heißt es bei Saint-Exupéry. Könnte das zuweilen nicht auch für das Hören gelten? Entgehen dem Kritiker hier nicht wesentliche Zwischentöne, die fast 90 Prozent im Publikum, das glückselig klatscht, offenbar doch wahrnehmen? Ist es nicht so, dass hinter der brüchig und grau gewordenen Stimme noch immer das unverwechselbare Timbre einer Stimme, einem in Jahrzehnten vertraut geworden, durchschimmert und an die großen Momente einer Karriere erinnert, die man miterlebt hat? Gilt der Begrüßungsapplaus also nicht so sehr dem zu Erwartenden, sondern dem bereits so oft so wonnevoll Erlebten? Jedenfalls liegt unendliche Dankbarkeit darin, und das Wiener Publikum ist bekannt für seine immer wieder bewiesene Dankbarkeit gegenüber seinen geliebten und vertrauten Sängerinnen und Sängern.

Schließlich spielt wohl auch die Freude darüber eine Rolle, dass hier ein Sänger, der auf den 80-er zugeht, noch immer mit sichtbarer Freude seinem Beruf nachgeht und diese Freude auf magische Weise auf sein treues Publikum überspringen lässt. Domingo singt noch! Also ist die Welt, wie wir sie kennen, noch immer so, wie sie war und möglichst lange noch bleiben soll. Das übliche Berufsleben erzählt bekanntlich ganz andere Geschichten.

Die hie und da lautstark geäußerten Bedenken mancher Kritiker, dass Domingo durch derlei Auftritte dabei sei, seinen Ruf nachhaltig zu beschädigen, sind lächerlich. Dieser Ausnahmekünstler, der wohl zu den vermutlich besten Sänger-Darstellern der letzten Jahrzehnte zählt, hat seinen dauerhaften Platz im Himmel der Tenöre, so sicher wie kaum ein anderer.

Was bleiben wird, ist Domingo als Otello, Domingo als Alfredo, Domingo als Lohengrin. Jener Domingo also, der in mehr als 148 verschiedenen Rollen aufgetreten ist, mehr als jeder andere Tenor, der in den Annalen der Musik verzeichnet ist.

Und einige, vielleicht gar nicht so wenige, werden sich einst – mit Wehmut und mit der einen oder anderen Träne im Auge sowie mit Dankbarkeit im Herzen – wohl auch gern an jenen Domingo erinnern, den man im Juni 2018 nochmals als Vater Germont auf der Bühne der Staatsoper erleben konnte.

Zum Schluss sei noch daran erinnert, dass die Oper nicht nur für den elitären Kreis der Eingeweihten da ist, die mit Partitur und Taschenlampe in der Hand den Ablauf akribisch verfolgen und argwöhnisch darüber wachen, ob ja wohl alle Angaben 1:1 übernommen werden. Die Oper gehört ebenso dem breiten Publikum, das einfach seine Freude daran hat. Dessen Begeisterung über Plácido Domingo in seiner baritonalen Nachspielphase als Dummheit und banale Anspruchslosigkeit abzutun, ist eine Position, die dem Wunder Oper nicht annähernd gerecht wird. Selbstverständlich soll der geübte Kritiker seinen geübten Verstand nicht bei der Kassa abgeben. Aber manchmal geziemt es sich eben, sein scharfes Gehör um mindestens ein weiteres Sinnes-Organ zu erweitern: Man hört eben nur mit dem Herzen gut!

Manfred A.Schmid – OnlineMERKER

 

P.S.: Dieser FEUILLETON-Beitrag von Manfred Schmid beschäftigt sich nicht nur mit dem Phänomen Domingo, sondern stellt offensichtlich auch eine Antwort auf eine im OnlineMERKER erschienene Rezension der letzten Traviata vom 29.5. eines nicht zum Kreis unserer Kollegen zählenden Kritikers dar. Dieser hat in seinem Elaborat am Ende den Satz gestellt: „Viele der Anwesenden spendeten großzügig Applaus; vermutlich in Unkenntnis der Partitur und in der Armut ihrer Bedürfnisse“.

Unabhängig davon, ob in den Ohren eines solchen Kritikers jeglicher Applaus dem Dargebotenen unwürdig sei oder nicht (das steht ihm selbstverständlich zu), hat er sich in seiner Funktion weder dem Publikum noch seinen Lesern gegenüber die Frechheit zu erlauben, diese als in geistiger Armut befindliche zu bezeichnen. Eine derartige Präpotenz Applaudierenden gegenüber ist mit aller Schärfe zurückzuweisen! Goethe hatte ja doch nicht ganz unrecht!

Peter Skorepa – OnlineMERKER
3.Juni 2018

ACHTUNG, GEFAHR IM VERZUG

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Der Hut beginnt am Klavier zu brennen (Foto M.Pöhn)

 

Achtung,  Gefahr im Verzug

 

I

Es brennt der Hut der Direktion, aber zumindest das Klavier auf der Bühne, auf welcher eine weitere Lachnummer mit

DER EREMIT IM KRONLEUCHTER

im Stile der lustigen Opernskeches eines Otto Schenk in der Wiener Staatsoper statt einer aufregenden Regiearbeit für den Freischütz aufgeführt wurde.

Jedenfalls Schade  um das verbrannte Steuergeld, mit dem die Serie von Regiearbeiten gestern Abend fortgesetzt wurde, Inszenierungen mit denen die Nachfolgedirektion sich mit Sicherheit nicht öffentlich blamieren möchte, wenn die jetzige Direktion abgetreten sein wird.
Und Gefahr im Verzug für das Steuergeld, dass noch für die geplanten Neuinszenierungen der angezählten Direktion bereit liegt, um womöglich ebenfalls solche Fehlinvestitionen wie der des gestrigen Abends, eines FREISCHÜTZ, dem die Romantik ausgetrieben wurde und durch grässliche Langeweile ersetzt wurde, zu finanzieren.

Was bleibt der Nachfolgedirektion dann noch für die Herstellung eines Spielplanes übrig?

Es wäre dringend notwendig, seitens der Bundestheaterverwaltung eine Evaluierung der restlichen Projekte der alten Direktion durchzuführen zu lassen bzw. begleitend zu kontrollieren, um deren Spielbarkeit auch für die neue Direktion sicherzustellen und absehbaren Katastrophen – auch noch im letzten Moment –  gegenzusteuern. Und wenn es nur die Räumung von Badewannen von der Bühne, der Abbau von Verkehrsverbindungen für Eremiten im Kronleuchter und sonstiger unnötiger Regieschwachsinn bedeuten würde.

II

Sollte bei einem Neubau der Bauherrenvertreter (Architekt, Statiker etc) willentlich oder aus Unvermögen etwas übersehen, was zu einer Katastrophe führt (Einsturz) so ist dessen Schicksal besiegelt. Ein Operndirektor, dem es nicht gelingt, eine offensichtliche Fehlleistung eines der Vertragspartner (Regisseur) zu erkennen, und zwar rechtzeitig und das Werkel laufen lässt, verschwendet Steuergeld!! Der darf sich nicht auf die unantastbare künstlerische Freiheit berufen, sondern hätte alles zu unternehmen, um Konsens der Vertragspartner herzustellen.

Beispiele gefällig?
Wer hat die Fixkosten der vermurksten Macbeth-Inszenierung der Vera Nemirova, die gerade einmal die Premieren-Serie schaffte bezahlt? Wer zahlt die jetzige FREISCHÜTZ-Inszenierung, die mit Sicherheit so nicht die Übernahmein die neue Direktion schaffen wird? Na, der Steuerzahler zahlt das alles, weil die mit Vergabe und Kontrolle von Vertragsleistungen, nämlich die jeweiligen Direktionen überfordert waren. Wer hat die SAMSON-Regisseurin nicht gewarnt und hat sie mitten auf der Bühne die blöde Badewanne aufstellen lassen, wo doch schon ein Brausebad einmal eine Katastrophe ausgelöst hat. Katastrophe kann man das nicht nennen? Oh doch, denn damit verbrannte Steuergeld!

Dieser Vorschlag von der „unter Kuratel-Stellung“, also einer begleitenden Kontrolle der Tätigkeit einer Direktion, ist ja nur ein illustrativer, kein Operndirektor ließe sich so etwas gerne gefallen, was im Wirtschaftsleben außerhalb des offenbar geschützten Bereichs künstlerischer Tätigkeiten Gang und Gäbe wäre. Es soll auch nur ein besonderer Hinweis auf die angeschlagene Situation der jetzigen Direktion sein und den Ernst der Situation unterstreichen, die die baldige Amtsübergabe in zwei Jahren hinsichtlich der gleichzeitigen Übernahme eines hoffentlich ausreichenden künstlerischen Fundaments an Stücken für die Wiener Staatsoper als Repertoirehaus darstellt. Oder hat der designierte Direktor bei der Premierenfeier freudig mit applaudiert zum Eigenlob des Hauses und sich über ein schönes neues Repertoire-Stück gefreut? Wohl kaum.

Zum Glück hat die Staatsoper noch eine Anzahl an jahrzehntealten Inszenierungen für das Repertoire auf Lager, die derartige Fehlplanungen wie den gestrigen Freischütz  finanziell ausbügeln helfen. Ein Teil der alten aber auch veralteten Kulissenpracht ist ja doch noch genug Geld einzuspielen im Stande!

 

Peter Skorepa
OnlineMERKER

 

 

WIEN/Staatsoper PUBLIKUMSGESPRÄCH mit Direktor Meyer

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„Bewerben Sie sich für unseren Chor, wir benötigen Nachwuchs!“ scheint Direktor Meyer zu sagen, aber es scheint nicht nur so, er meint es im Ernst. Die Nachwuchssuche ist angelaufen! Foto Copyright PSkorepa

PUBLIKUMSGESPRÄCH vom 19.6.2019

In schlagwortartiger Aufzählung der angeschnittenen Inhalte durch Manfred A. Schmid

 

Publikumsgespräche mit Operndirektor Dominique Meyer (flankiert von Kaufm. Direktor Thomas Platzer, der aber still blieb und nur hie und da bekräftigend mit dem Kopf nickte) verlaufen, wie könnte es anders sein, sehr ruhig und finden in einer freundlichen Atmosphäre statt.

Drei Jahres Budget

Zunächst beklagte sich Die. Meyer etwas darüber, dass die bürokratischen Auflagen der vorgesetzten und kontrollierenden Gremien immer mehr Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Letztes Bespiel: das Erfordernis, ein Drei-Jahres-Budget zu erstellen und dabei (erst im Mai publik gemacht) 9 Mio, und z. T. rückwirkend, einzusparen.

Forderung zur Preisgestaltung bei Stehplatz und Garderobe

Verlangt wurde auch unter Anderem eine Anhebung der Stehplatz-Kartenpreise und eine Wiedereinführung der Garderobe-Gebühren, was Meyer erfolgreich abwenden konnte.

Rechnungshofbericht

Meyer ging nur kurz darauf ein und meinte, sich vom Bericht fair behandelt zu sehen. Bekrittelte nur, dass die letzte RH-Prüfung im Jahr 1973 (!) stattgefunden hat. Kürzere Abstände würden ein rascheres Reagieren ermöglichen. Außerdem habe er bei Dienstantritt vor 8 Jahren viele Bräuche, die jahrzehntelang üblich waren, einfach übernommen.

Kartenpreisgestaltung

Die Forderung nach einer „dynamischen Preisgestaltung“ (dynamic pricing), d.h. bei „Stars“ auf der Besetzungsliste die Kartenpreise deutlich anzuheben, habe er mit guten Gründen abgelehnt. Etwa mit dem Argument, was passiert, wenn einer der Stars kurzfristig absagt. Außerdem habe auch das Stammpublikum ein Anrecht darauf, sich Vorstellungen mit den bestmöglichen Besetzungen im Rahmen der üblichen Preisgestaltung leisten zu können.

Rückschau auf die zu Ende gehende Saison

Rund 600.000 Besucher in Opernvorstellungen pro Jahr. Rund von 260.000 Personen besuchte Führungen.

TECHNIK: Hinweis auf die Installierung des neuen Textsystems auf Tablets mit 6 Sprachen. Beleuchtung im Zuschauerraum neu. Kameraanlage für Liveübertragung nach außen erneuert (von Sponsoren finanziert).  Websiteauftritt verbessert.

Renovierung der historischen Bausubstanz. Im Sommer kommt das Schwind-Foyer dran und die Loggia. Das alles sollte bis November dieses Jahres abgeschlossen sein.

Verweis auf die gute Kooperation mit dem ORF – Chance auf mehr Opernübertragungen.

Mit dem Ensemble, dem Chor und dem Ballett (letzteres auf eine Frage aus dem Publikum, weil er es ins einem Rückblick zunächst vergessen hatte zu erwähnen) zeigte er sich sehr zufrieden. Beim Chor komme das Problem auf ihn zu, dass es in den nächsten Jahren vermehrt Pensionsantritte geben werde. Eine Werbekampagne für Interessenten an einer Choristen_Innen-Laufbahn ist angelaufen und trägt schon erste Früchte. (siehe Bild)


Bevorstehendes 150-jähriges Jubiläum

Die Eröffnung des Jubiläums mit Frau und Schatten sowie einem Großkonzert am Karajan Platz mit Einbindung der umliegenden Gebäude als Veranstaltungsorte. Dafür wird es ausnahmsweise eine Sperrung des Rings geben. Übertragung in alle Bundesländer.

Es wird zwei große Buchpublikationen geben, darunter ein Faksimile-Reprint eines Buches, das anlässlich der Eröffnung der neuen Oper am Ring 1868 (mitsämtlichen Plänen und Grundrissen) erschienen ist.

Dass damals di Eröffnungsfeierlichkeiten durch den Selbstmord des Architekten Van der Nüll getrübt wurden, veranlasste den Operndirektor zu folgender Feststellung: „Die Wiener waren damals auch schon böse.“ (Da dürften wohl jüngste Erfahrungen mit der Bestellung des neuen Direktors eingeflossen sein…)

Stolz ist Meyer auf die kommenden „Troyerinnen“, ein weiteres sehr aufwendiges Projekt im Jubiläumsjahr.

Bei den Erwartungen auf Einnahmen aus dem Erlös aus dem Kartenverkauf liegt die Latte sehr hoch, was nicht immer sehr einfach ist einzulösen. Verwies auf die Richard-Strauss-Tage im Herbst mit 7 Stücken im Programm. Nicht alle Vorstellungen waren gut besucht. Dennoch wurde das Budgetziel nicht nur erreicht, sondern übertroffen.

WEITERE VORHABEN

CD und DVD Produktion angekurbelt

So z.B. die histor. Gesamtaufnahme des „Besuch der alten Dame“ bereits herausgekommen. Es kommt eine CD mit einem Querschnitt von Aufnahmen mit Edita Gruberova sowie eine mit Hvorostovsky. Weiters CD s den Kinderopern

Ein Buch über Richard Strauss auf der Basis deiner Ausstellung im Haus wird herausgegeben.

PUBLIKUMSFRAGEN

Nachfrage Ballett (oben erwähnt): „Das Ballett macht mich einfach glücklich.“

Kritik an Kleidung und Benehmen des (ausländischen) Stehplatzpublikums und Forderung nach Kleidervorschrift: Letzte kommt nicht. Verweis auf seine eigene Studentenzeit, wo er oft – aus Geldmangel – nicht immer gediegen gekleidet gewesen war. Personal ist aufgerufen, bei Verstößen gegen Hausordnung nach Möglichkeit rasch einzuschreiten. Neuerdings vermehrtes Problem mit störenden Partiturlesen auf I-Pods…

Manfred A. Schmid
OnlineMERKER

WIEN/ Staatsoper: „KONTRAPUNKTE“ – „Wie begeistert man Jugend für Klassische Musik?“

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Copyright: Wiener Staatsoper/ Ashley Taylor

Wien/Staatsoper:KONTRAPUNKTE“ – „Wie begeistert man Jugend für Klassische Musik?“ – 17.6.2018

Im Rahmen der Serie „Kontrapunkte“ fand im Gustav Mahler-Saal der Wiener Staatsoper eine Gesprächsmatinee von und mit Prof. Dr. Clemens Hellsberg zu diesem Thema statt. Gäste waren Martin Grubinger und Dr. Andreas Mailath-Pokorny. Hellsberg war zuletzt von 1997 bis 2014 Vorstand der Wiener Philharmoniker und ist Autor des Buches „Demokratie der Könige“ sowie weiterer Publikationen und auch Vortragender. Grubinger ist vielleicht einer der besten Multipercussionisten der Welt. Sein Repertoire reicht von solistischen Werken über kammermusikalische Programme mit seinem Percussive Planet Ensemble bis hin zu Solokonzerten. Er hat sich auch dafür eingesetzt, das Schlagwerk als Soloinstrument in den Mittelpunkt des klassischen Musikbetriebs zu stellen und auch eine Reihe internationaler Preise erworben. Mailath-Pokorny war 2001-2018 Stadtrat für Kultur, Wissenschaft & Sport der Stadt Wien. Nach einem Studium in Wien und Bologna arbeitete er im Diplomatischen Dienst und später im Völkerrechtssbüro und war Mitglied der KSZE-Delegation. Er arbeitete im Kabinett von Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky und war später Leiter der Sektion für Kunstangelegenheiten im Bundeskanzleramt.  


Dr. Clemens Hellsberg. Copyright: Wiener Staatsoper/ Ashley Taylor

Zu Beginn unterstrich Clemens Hellsberg (H), dass uns alle diese Frage beschäftigen sollte, und für ihn ist sie heute noch relevanter als früher. Denn in Wien erhält mehr als die Hälfte der Kinder keine deutschsprachige Erziehung. Was bedeutet musikalische Erziehung vor diesem Hintergrund? Mailath-Pokorny (MP) führte dazu aus, dass die musikalische Erziehung bei ihm schon mit Klavierspielen mit sieben Jahren begonnen habe, er sie aber zugunsten sportlicher Aktivitäten abgerochen habe, was er heute bereut. Er meinte, neben der musikalischen Erziehung – seine Frau spielt auch Klavier – sollte die soziale Komponente mit einbezogen werden. Das Angebot in Wien ist ja vorhanden. Die wesentliche Frage ist: wie kann man den Zugang zu diesem Angebot schaffen?


Martin Grubinger. Copyright: Wiener Staatsoper/ Ashley Taylor

Martin Grubinger (G) ist ein gutes Beispiel dafür. Er meinte, man muss etwas schaffen, dass sicher stellt, dass die Kinder und Jugendlichen dabei bleiben. Das hat mit Geerdetsein und Enthusiasmus zu tun. Ohne viel „Drumherum“ sollte man gleich einsteigen, sodass sie „hinein gezogen“ werden. Und dann kam G auf Österreich, speziell auf sein Bundesland Oberösterreich zu sprechen. Hier gibt es ein einzigartiges Musikschulsystem inkl. musikalischer Früherziehung bis hin zum Tanztheater. So kann man dort sehr früh mit klassischer Musik in Kontakt kommen. Es gibt auch deshalb in Oberösterreich eine große Tradition in der Blasmusik. Viele Familien haben dazu einen Bezugspunkt, ja, Blasmusik zu machen kommt fast einem Kult gleich. Die Musik ist „greifbar“. G meint, man sollte dieses Modell auf ganz Österreich übertragen. „Aber wir gehen mit der Thematik zu fahrlässig um, und wer keinen musikalischen familiären Hintergrund hat, hat keine Chance“. Deshalb fordert G eine „Musikrevolution in Österreich“. Es hängt auch sehr viel von den Kindergärten und dem dortigen Betreuungspersonal ab. Es sollte nicht nur technisch, sondern auch so vorbereitet wenden, dass es die mit der Musik verbundenen Emotionen vermitteln kann.

H fügte hinzu, dass man auch die Grundschulen mit einbeziehen muss. In diesen sollte auch gesungen werden. Das ist „wahnsinnig wichtig“. Er wies auf ein Gesetz in Oberösterreich hin, das erst die von G angesprochene Politik ermöglichte.

MP meinte, dass die Grundschulen in Wien in dieser Hinsicht besser sein könnten und erwähnte, dass mittlerweile sog. Campusschulen entstehen, wo die Kinder bis 15/16 Uhr bleiben. In diesen neuen Schulen sollte man ein entsprechendes Angebot zum Musiklernen machen. Aber: „Die Reduktion der musikalischen Fächer ist bemerkenswert. Musik wird eher so nebenbei gemacht.“ So müsste auch die eigene Kreativität gefördert werden. Man muss sich aber dazu bekennen, es zu tun. Da fehlt das Bekenntnis der Gesellschaft. Eltern sollten auf mehr musikalischen Unterricht pochen. Es müssen damit Freude vermittelt und Neugierde geweckt werden.

G unterstreicht die entscheidende Bedeutung der Kreativität. Wie kann man die Welt verändern? Dazu sind eben nicht nur die klassischen Unterrichtsfächer geeignet. Man muss dazu an die Pädagogen herangehen, am besten mit einem „Masterplan für Musik“, und den flächendeckend für ganz Österreich.

MP hebt die Bedeutung von mehr Proberäumen und -möglichkeiten hervor. Auch das kann bei der notwendigen Förderung der (musikalischen) Kreativität helfen. Stattdessen geht die Mathematik weit vor der Musik als Unterrichtsfach. Fällt man in Mathe durch, ist es ernst, fällt man in Musik durch, ist es egal… (Das war schon zu meiner Schulzeit so!).

MP: Das ist alles auch keine Frage des Geldes und der Aufmachung, sondern des Wissens. Zum Beispiel gab es einen großen musikalischen Event im Wiener Schöpfwerk, auch einen in Ottakring. Dort machten Kinder mit. So sollten auch die Wiener Musikschulen dorthin kommen. Es gibt ja in Wien ein großes Angebot, auch in vielfältiger Form. Aber die Leute müssen es wissen!

G: Man muss aber auch die Sensorik dafür haben. Um das zu bewerkstelligen, sollte der Musiklehrer die Musikmacher kontaktieren. Was aber ist mit den vielen tausend Schülerinnen und Schülern, die gar nicht erst zur klassischen Musik kommen?! Die keinen entsprechenden familiären Background haben. „Wir verlieren eine ganze Generation, die mit Kunst und Kultur nicht und Berührung kommt.“ warnt G. Früher gab es einmal die sog. Arbeiterkonzerte der öst. Sozialdemokratie.

H: Im Übrigen führt die digitale Revolution dazu, dass sich die Jugend immer weiter von der klassischen Musik entfernt. Hier müsste man sie heraus holen. Viele sind überhaupt nur noch über die sozialen Medien zu erreichen.


Dr. Andreas Mailath-Pokorny. Copyright: Wiener Staatsoper/ Ashley Taylor.

MP: Die große politische Debatte sollte ohnehin auf ein gut funktionierendes österreichisches Schulsystem zielen, und dazu ist je einiges im Gange. Die Konservatorien sollten im Angebot musischer Fächer verstärkt werden. Darüber hinaus sollten Wege gefunden werden, Interesse für die traditionellen Kulturformen zu wecken. „Wie kann man Neugierde in den Sozialen Medien wecken?! Ist Instagram dazu erforderlich? – Ich wage es zu bezweifeln.“ Und wie vermitteln wir künstlerische Qualität?
Man arbeitet derzeit an einer App, über die Musikunterricht laufen kann. Und ein bedeutender Instrumentenbauer ist nun dabei, eine App für jedes Instrument dazu zu liefern.

H findet, dass künstlerische Qualität etwas zutiefst Humanistisches ist, verbunden mit dem Streben nach Besserwerden. Das gibt es aber noch nicht im erwünschten Ausmaß.

G: Wenn man über das normale Musikinteresse hinaus auch musikalisch tätig werden will, muss die entsprechende Entscheidung zur Ausbildung schon mit 10/11 Jahren fallen. Mit 18/19 muss man schon auf dem musikalischen Zenit sein – da kommen die Fußballer gerade mal erst in Schwung! Bis dahin muss man aber schon zehntausende Stunden geübt haben.

H erinnert noch daran, das Staatsoperndirektor Dominique Meyer, der auch bei der Matinee zugegen war, nachmittags Vorstellungen für Kinder aus den Bundesländern spielt. Die Produktionen hatten immer hier im Hause Premiere. Man kann aber nicht die Atmosphäre des Hauses transferieren.

PS

Mir lag der Fokus dieser Gesprächsmatinee zu sehr auf Österreich, mit besonderem Bezug auf Oberösterreich. Das Thema ist aber ebenso wie die weltweite digitale Revolution ein globales! So wundert mich ein wenig, warum auch andere wichtige Aspekte der musischen Bildung nicht angesprochen wurden. Wissenschaftliche Studien haben klar gezeigt, dass Kinder mit musikalischer Ausbildung besser lernen, eben auch die Pflichtfächer. Damit hat man besonders in Südkorea gute Erfahrungen gemacht, wo die musische Ausbildung in den Schulen eine ganz wichtige Rolle spielt. Nicht umsonst gewinnen koreanische Sängerinnen und Sänger immer wieder in signifikanter Zahl auf europäischen Gesangswettbewerben. Man denke nur an den ARD-Gesangswettbewerb, der im September wieder stattfinden wird.

Auch wurden bedeutende Modelle in diesem Kontext nicht angesprochen, wie das mittlerweile weltberühmte „El Sistema“ aus Venezuela, gegründet bereits 1975 vom venezolanischen Erzieher, Musiker und Aktivisten José Antonio Abreu. Aus dem „Sistema“ ging unter anderen kein geringerer als Gustavo Dudamel hervor… 2015 hatte „El Sistema“ bereits 400 Musikzentren mit 700.000 jungen Musikerinnen und Musikern. Weiterhin gibt „Sistema“ eine signifikante Zahl von Musikstunden nach der Schule und an Wochenenden. „El Sistema“ wird sogar in den USA als Vorbild genommen.

Dann gibt es das ungarische „Virtuosus“, ein Fernsehprogramm für Kindertalente, welches äußerst erfolgreich ist und an drei Monaten im Freitags-Hauptprogramm ausgestrahlt wird. Es wurde ein Zuwachs von 40 Prozent an Inskriptionen in Musikschulen verzeichnet.

Schließlich gibt es noch das österreichische „Superar“ mit dem Mission Statement: “Superar provides training in music and dance and offers access to the positive effects of the performing arts to all children free of charge.“ Dabei sollen auch soziale und kulturelle Schranken überwunden, mehr Optionen zum Musikmachen geboten und ein länderübergreifender Dialog gefördert werden. Schließlich steht auch bei Superar die Kreativität mit „ansteckender Freude“ im Vordergrund der Bemühungen.

Und dann wurde die Kinderoper überhaupt nicht erwähnt, die Dominique Meyer im Théatre des Champs Élysées sogar auf der Hauptbühne brachte und die nun in Wien auf der Agrana Studienbühne stattfindet. Es gibt sie auch in Bayreuth. Sie scheint aber keine allzu große Wirkung im Hinblick auf eine signifikante Zunahme ganz junger Opernbesucher zu zeitigen. Da spielen doch noch andere Faktoren eine Rolle.

Es sollte auch das immer mehr im Mode kommenden Life-Streaming nicht unerwähnt bleiben, das mit der intensiven Kinopolitik der Metropolitan Opera New York seinen Anfang nahm. Wie kann man nun die auf der ganzen Welt über Internet zugängliche Oper und Konzerten von ersten Häusern für die Erweckung des Interesses junger Menschen an klassischer Musik nutzen? Da gäbe es viele Möglichkeiten…

Von den o.g. drei Modellen könnte man sicher auch in Österreich an Erfahrung mit dem Thema dieser „Kontrapunkte“ gewinnen und in die nationale Politik einbringen. Insofern waren diese „Kontrapunkte“ nicht ganz so kontrapunktisch.…                         

Klaus Billand

 

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