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BELVEDERE GESANGSWETTBEWERB/ Wiener Staatsoper/Probesaal/ Qualifikationsrunde/ 13.3.2015

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Die Jury mit

Die Jury mit Jury Everhartz, Erich Seitter, Eva Blahova und Dr.Alfred Willander, rechts Isabella Gabor mit Holger Bleck

Der BELVEDERE –Gesangswettbewerb wirft seine Schatten voraus, das heißt es fanden und finden derzeit Vorrunden in 63 Städten weltweit statt. 

 Die erste QUALIFYING ROUND in Wien für die
INTERNATIONAL HANS GABOR BELVEDERE SINGING COMPETITION

fand am 13.März 2015 in der Wiener Staatsoper im Probesaal statt.

 In Wien wurden die bis dahin insgesamt 31 Gesangswettbewerbe unter der Ägide der Kammeroper abgehalten, der langjährige Intendant dieser Operninstitution, Hans Gabor (1924 bis 1994) hatte diesen Bewerb 1982 gegründet und wurde das Wettsingen nach dessen Tod von seiner Witwe, Isabella Gabor unter dem Namen des Verstorbenen erfolgreich weitergeführt.

Nach Übernahme der Kammeroper durch das Theater an der Wien suchte sich der Belvedere-Wettbewerb eine neue Bleibe und fand sie in der Amsterdamer Oper, mit der Absicht von dort aus alljährlich Finalrunden in Hauptstädten in Europa und auch in der ganzen Welt durchzuführen.

Unter dem Vorsitz der beiden Geschäftsführer der Belvedere Singing Competition, Isabella Gabor und Holger Bleck, dem designierten nächsten Intendanten des „Carinthischen Sommers“ wurde die erste Ausscheidung in Österreich heuer im Probesaal der Wiener Staatsoper abgehalten, zwei weitere werden noch folgen, eine davon am 16.Mai am Wiener Konservatorium Privatuniversität und die letzte am 28.Mai am Stadttheater Klagenfurt.

In der Jury waren diesmal vertreten:

Eva Blahova, aus Bratislava, die ehemalige Intendantin der Oper Brünn
Jury Everhartz, deutscher Komponist, Organist, Gründer und Leiter der Theatergruppe „Sirene“
Erich Seitter, Sängeragent
Dr. Alfred Willander, der ehemalige Kulturreferent der NÖ Landesregierung

Aus der Runde der angetretenen Schar von insgesamt 25 Sängerinnen und Sängern konnten sich für die Finalrunden, die heuer in Amsterdam stattfinden und mit dem Finalkonzert am 4.Juli 2015 enden insgesamt vier Sängerinnen und Sänger qualifizieren:

Bryony DWYER, Sopran, Australien, 29
Eleanor LYONS, Sopran, Australien, 30
Sooyeon LEE, Sopran,Süd-Korea, 28
Junblum LEE, Tenor, Südkorea, 29

wobei die beiden Australierinnen mit Beiträgen von Menotti und Strawinsky, noch dazu in ihrer Muttersprache und mit ziemlich fertig ausgebildeten und mit, durch praktische Erfahrung auf Bühnen bereits perfektionierten Stimmen quasi alle Vorteile für sich hatten.

Für Statistiker sei erwähnt, dass die Frauen gegenüber den Männern mit 68 % überwogen, dass die Anzahl der Stimmen aus Mittel- und Osteuropa gegenüber dem Nahen und Fernen Osten mit 28% zu 44% hinten lag und der restliche Anteil von 28% auf die USA und auf Australien fielen. Mit 60% lagen die Soprane erwartungsgemäß vor allen anderen Stimmgattungen.

Zuletzt machte Erich Seitter die Anwesenden auf den riesigen alten Probesaal aufmerksam, auf dessen Boden seit 1955, dem Jahr der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper, eine Heerschar wohl aller bedeutenden Sängerinnen und Sänger aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg stand.

 

Beitrag und Foto: Peter Skorepa/MERKEROnline

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Wiener Staatsoper: Ein Künstlergespräch zur UNDINE

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 staatsoper

 

 

 


mit
Annika Gerhards,
der Darstellerin der Undine
mit Alexander Medem, dem Regisseur
und mit dem musikalischen Leiter Johannes Wildner

 

Zum letzten Mal eine Kinderoper auf dem Dach der Wiener Staatsoper im Kinderzelt

Zum letzten Mal eine Kinderoper auf dem Dach der Wiener Staatsoper im Kinderzelt: Lortzings UDINE

 

Sie hat eine menschliche Gestalt, diese UNDINE, jener jungfräuliche Wassergeist Lortzings, der uns in seiner gleichnamigen Oper erscheint. Nur das so gleichnishaft beseligende, das fehlt ihr und sie kann eine eigene Seele erst durch die aufrichtige Liebe eines Menschen erwerben. Dieses und über die, durch menschliche Schwächen entstehenden Probleme, erzählt uns diese Märchenoper.

Ein Regisseur, eine UNDINE, ein Dirigent

Ein Regisseur, eine UNDINE, ein Dirigent: Alexander MEDEM, Annika GERHARDS und Johannes WILDNER

Was lag also näher, als dieses romantische Werk, welches Albert Lortzing nach einer Erzählung von Friedrich de la Motte-Fouqué zu einem Libretto formte und vertonte, für die Kinderoper der Wiener Staatsoper einzurichten. Also wurde unter der Patronanz des Oberspielleiters René Zisterer der aus Mailand gebürtige und in Wien lebende Deutsch-Peruanische Regisseur Alexander Medem beauftragt, die im Original rund dreistündige Oper auf eine kindgerechte Länge zu kürzen. Um für die reduzierte musikalische Fassung eine, möglichst dem Stoff und der Musik gerechte Verbindung und “Verschweißung” der einzelnen Teile zu gewährleisten, wurde der Komponist Tristan Schulze gewonnen, der diesen musikalischen Verbund, auch durch den Beitrag eigener Kompositionsanteile, herstellte.

Dazu der Dirigent Johannes Wildner: „Mit der vorliegenden Fassung von Tristan Schulze haben wir nun  die Möglichkeit, uns wieder weitreichend mit Undine auseinanderzusetzen ohne auf eine bestimmte Altersgruppe von Opernfreuden beschränkt zu sein, mit einem Wort, es entstand ein attraktiver und ein für das Repertoire tauglicher Einakter von rund 60 Minuten Länge für die ganze Familie.

Tristan Schulze hat Lortzings Oper nicht bloß verkürzt, sondern, das muß man besonders hervorkehren, neu gefasst, wie man einen Edelstein aus alten Zeiten von einem kreativen Goldschmied neu fassen lässt und so ein beinahe neues Kunstwerk geschaffen, welches die verschieden Kunstepochen mit ihren unterschiedlichen ästhetischen Ansätzen verbindet.“

Auch der Orchesterapparat ist, den Möglichkeiten des Kinderzeltes Rechnung tragend, entsprechend reduziert.

Dazu Johannes Wildner: „In der Reduktion sowohl der Handlung als auch der Instrumentation zeigt die Neufassung beinahe neoklassizistische Züge und löst damit die Frage nach den Entwicklungslinien der Deutschen Romantik auf und wir sehen sowohl die musikalische Substanz und ihre innewohgnende Dramaturgie klar und offen vor uns liegen. Ohne Zweifel wird die shakespearehafte Balance zwischen tragisch-ernsten und heiter-witzigen Passagen deutlicher als im Original, wird aber Lortzing voll gerecht und verstärkt noch das Vergnügen, sich mit diesem zu Unrecht vernachlässigten Werk auseinanderzusetzen.

Die kleine Besetzung führt zur musikalischen Grundsubstanz zurück und vermittelt uns klar hörbare Linien. Durch das solistisch besetzte Streichquintett und einem kleinen Holzbläserensemble, verstärkt nur durch Pauke und wenige Schlaginstrumente, zeigt Schulze, dass er die Vorgabe, die Richard Strauss seinen Komponistenkollegen in der Ariadne auf Naxos vorgelegt hat, sich ausgezeichnet zu Eigen gemacht hat: Erst Recht mit kleinster Besetzung können die größten Gefühle entsprechend dargestellt werden und können den Hörer erreichen.“

Offenes Ende für eine märchenhafte Beziehung: Annika Gerhards und Carlos Osuna

Offenes Ende für eine märchenhafte Beziehung: Annika Gerhards und Carlos Osuna

Der Regisseur Alexander Medem kam auf Einladung von René Zisterer zur Neuen Oper Wien für die Arbeit an Woyzeck 2.0 und auf diesem Weg in die Wiener Staatsoper. Die Arbeit an der Undine fand er besonders interessant wegen der dramaturgischen Bipolaritäten im Werk – das so unvereinbar Gegensätzliche der Ober- und der Wasserwelt einerseits, als auch der trennenden Welten des Wassergeistes Undines auf der einen und der Welt ihrer weltlichen Gegenspielerin, der stolzen Bertalda, auf der anderen Seite. Johannes Wildner dazu: „Genau solche Unvereinbarkeiten der Welten sind ja oft ein auch heute noch hochaktueller Wesenszug der damaligen Romantik. Abgründe der menschlichen Seele tun sich auf, wenn man solche Unvereinbarkeiten missachtet, die Undine zeigt uns das“.

Mit der zauberhaften Undine des Stücks, der aus Hockenheim gebürtigen und in Frankfurt ausgebildeten Sopranistin Annika Gerhards, die dem Ensemble der Wiener Staatsoper angehört, ist sich das Leading-Team über die durchaus produktive „Enge“ des Kinderzeltes einig. In den fünf Probewochen hat es sich gezeigt, wie sich die kurzen Kommunikationswege auf die Intimität der Szenen, auf das Spiel miteinander und auf den zu erwartenden, beinahe „greifbaren“ Kontakt zum Publikum positiv auswirken, wobei auf den Kinderchor der Wiener Staatsoper besondere Spielaufgaben zukommen.  

Ein Blick in eine der Proben veranlasst uns, auf die kreative und äußerst kindgerecht arbeitende Bühnenbildnerin Agnes Hasun sowie die phantastischen Kostümkreationen von Costanza Meza-Lopehandia hinzuweisen.

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Für den MERKEROnline waren bei diesem Gespräch dabei:
Anton Cupak und Peter Skorepa
Fotos: Michael Pöhn, Staatsoper und Peter Skorepa

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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WIEN / Staatsoper Ankündigung für “POP MEETS OPERA” am 17.Mai 2015

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Von links: Dr. Alexander Wrabetz, Daniela Fally und Dominique Meyer

Von links: Dr. Alexander Wrabetz, Daniela Fally und Dominique Meyer

Wiener Staatsoper
Pressekonferenz am 8.Mai 2015

 

DIE MATINEE

„POP MEETS OPERA“

am 17. Mai 2015

 
wirft seine Schatten voraus. In den Räumen der Wiener Staatsoper wurde heute die Veranstaltung  POP MEETS OPERA vorgestellt, die aus Anlass des Finales des heurigen EUROVISION SONG CONTEST in der Wiener Staatsoper als Matinee am 17.Mai 2015 um 12:00 Uhr stattfindet.

Bei der Präsentation waren als Vertreterin der Künstler und „Botschafterin“ der Staatsoper, DANIELA FALLY und für die beiden Veranstalter, die Wiener Staatsoper mit Direktor DOMINIQUE MEYER und der ORF mit Dr. ALEXANDER WRABETZ vertreten.

Sowohl die Veranstaltung des 1.Song Contests als auch die Wiedereröffnung des Opernhauses nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges jähren sich heuer zum sechzigsten Mal. Ein Anlass, Brücken zu bauen zwischen den eigentlich gar nicht so feindlichen Extremen von U-Musik und E-Musik.

Der nähere Programmablauf dieser Matinee umfasst folgende Beiträge:

Bühnenorchester der Wiener Staatsoper *Fanfare for Brass & Percussion“ | Nebosja Jovan Zivkovic

 Pecoraro & Pecoraro Gloria“ | Mario Pecoraro; Mario Pecoraro, Patrick Lamb gemeinsam mit dem Wiener Landesjugendchor

 Aida Garifullina *O mio babbino caro” aus Gianni Schicchi | Giacomo Puccini. Klavier: Thomas Lausmann

 The Philharmonics *Zauberflötenphantasie“ (Finale) | Pablo de Sarasate, Arr.: Tibor Ková*

 Nina Sublatti (ESC-Teilnehmerin aus Georgien) *Dark desire“ | Nina Sublatti

Alessio Arduini *Largo al factotum” aus Il barbiere di Siviglia | Gioachino Rossini. Klavier: Thomas Lausmann

 Molly Sterling (ESC-Teilnehmerin aus Irland) *Build Fireworks Again“ | Molly Sterling, Greg French gemeinsam mit The Philharmonics

 Wiener Comedian Harmonists *Veronika“ * *O sole mio“ | Walter Jurmann; Fritz Rotter, Eduardo di Capua

 John Karayiannis (ESC-Teilnehmer aus Zypern), feat. Ioanna Avraam *One Thing I Should Have Done” | Mike Connaris, John Karayiannis gemeinsam mit The Philharmonics

 Valentina Nafornita *Art is calling for me” aus The Enchantress | Victor Herbert. Klavier: Thomas Lausmann

 Mørland & Debrah Scarlett (ESC-Teilnehmer aus Norwegen) *A Monster Like Me” | Kjetil Mørland gemeinsam mit The Philharmonics

 KS Juan Diego Flórez *Dein ist mein ganzes Herz“ aus Das Land des Lächelns | Franz Lehár gemeinsam mit The Philharmonics

 Boggie (ESC-Teilnehmerin aus Ungarn)

*Wars For Nothing” | Sára Hélène Bori; Áron Sebestyén, Boglárka Csemer gemeinsam mit der Opernschule für Kinder der Wiener Staatsoper

 Conchita Wurst *Rise like a Phoenix“ | Alexander Zuckowski, Julian Maas, Robin Grubert; Charley Mason gemeinsam mit The Philharmonics

 Daniela Fally *Königin der Nacht“ * humorvoll adaptiert (aus Mozarts Die Zauberflöte) gemeinsam mit The Philharmonics

 The Philharmonics *K.u.k. Rhapsodie“ (Finale) | Tibor Ková* und Franti*ek Jáno*ka nach Johann Strauss

 Zugabe | alle Künstlerinnen und Künstler *Libiamo ne’ lieti calici” aus La traviata | Giuseppe Verdi

 Moderation: Barbara Rett

 Die Wiener Staatsoper dankt der Firma Bösendorfer für die Zurverfügungstellung des Konzertflügels.

                                                                                                                                 

Für den MERKEROnline
Peter SKOREPA

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WIEN / Staatsoper SZENEN EINER OPERNEHE 1

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Noch alles Wonne und Waschtrog und mit den besten Vorsätzen unterwegs

Noch alles Wonne und Waschtrog und mit den besten Vorsätzen unterwegs

 

 Gesammeltes zum Thema „Welser-Möst kann nicht mit Dominique Meyer“
oder
Braucht die Wiener Staatsoper einen Generalmusikdirektor?

 

 Ein Generalmusikdirektor kommt

 „Ich habe bis jetzt nur Freude gehabt…es ist mir viel Schlimmes erzählt worden über die Wiener Gesellschaft und die Intrigen der Stadt. Tausendundeine böse Geschichte. Aber ich fühle mich wohl…Ich habe Franz Welser-Möst an meiner Seite. Hochbegabt und mit all seiner Erfahrung bringt er sich total ein. Es ist eine Freude, morgens ins Haus zu kommen

Dominique Meyer "Ich habe

Dominique Meyer “Ich habe Franz-Welser Möst an meiner Seite”

Was hier Dominique Meyer 2010 kurz nach seinem Amtsantritt so fröhlich erzählte, das hatte ihm sein Generalmusikdirektor Anfang September 2014 kräftig versalzen. Im Gespräch mit der “Presse” vom Juli 2011 zieht Welser-Möst noch eine kurze Bilanz über die abgelaufene Saison aus seiner Sicht: Die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Direktor funktioniert nach Einschätzung Welser-Mösts mittlerweile jedenfalls gut. „Man hat“, sagt der GMD, „die Möglichkeit, ein 5000-seitiges Vertragswerk zu unterzeichnen, in dem jede Kleinigkeit festgelegt ist – dann ist aber eigentlich die Rechtsabteilung die Direktion. Oder man vertraut einander; was ja nicht heißen muss, dass man in jeder Beziehung einer Meinung ist. Ich habe schon im Februar einmal gesagt, dass das ein Prozess ist – ein Sichfinden im Werden. Vieles geht mittlerweile sozusagen zwischen Tür und Angel. Man muss nicht lange diskutieren.“
Zu den gemeinsamen Aufgaben gehört, so Welser-Möst, „die konsequente Weiterentwicklung des Sängerensembles“. Er genieße es, die künstlerische Entwicklung der Ensemblemitglieder zu verfolgen: „Es freut einen, wenn man sieht, wie sich der eine oder andere, der in kleinen Partien auftritt, langsam für größere Aufgaben empfiehlt. Oder wie eine Sängerin vom Format der Stephanie Houtzeel an ihren Aufgaben wächst, wie sie mehr und mehr an Format gewinnt. Das berühmte ,Wird kommen über Nacht“ gibt’s ja in der Oper nicht. Nur als Zitat aus dem Rosenkavalier. Oper, das ist ein Langzeitprojekt. In Wahrheit wird man nie fertig damit. Wenn jemand sagt, es läuft eh, dann ist der auf dem falschen Dampfer“

Franz Welser-Möst

Franz Welser-Möst “Oper, das ist ein Langzeitprojekt. Ein “wird kommen über Nacht” das gibts ja nicht”

Bald ging nichts mehr zwischen „Tür und Angel“, die Tür war zu!

Die Gerüchteküche kochte schon in Salzburg. Während sich Franz Welser-Möst mit dem in Liebe und Hass verbundenen Intendanten Alexander Pereira wieder bestens vertrug und als Dirigent des “Rosenkavaliers”, der besten Produktion des Festspielsommers, fast ungetrübte Triumphe feierte, tuschelte man, dass er Staatsoperndirektor Dominique Meyer ein Ultimatum gestellt habe. Der so streitbare wie sensible, heftig aufbrausende, aber dann doch wieder kompromissbereite Maestro, der seit 2002 als Chef des Cleveland Orchetra im US-Bundesstaat Ohio absoluter Musikkönig ist, fühle sich im Repertoire-Alltag an der Wiener Staatsoper trotz seiner Position als Generalmusikdirektor übergangen. Angeblich war er in Besetzungsplanungen nicht eingebunden, Vorsingen fanden ohne ihn statt, er hatte sich mit Kompromissen abzufinden, wie sie im größten Repertoire-Opernbetrieb der Welt wohl unumgänglich sind.

 Ein Generalmusikdirektor geht wieder

So las man es in der „Wiener Zeitung“ am 5.9.2013 : „Heute hat der 54-jährige Franz Welser-Möst sehr abrupt die Konsequenzen gezogen und hat sein Wiener Amt mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Das heißt, er wird auch alle 34 Dirigate der Opernsaison niederlegen, die in Wien gerade begonnen hat, darunter drei Premieren, nämlich Verdis “Rigoletto”, “Elektra” von Richard Strauss und den Strauss-Ballettabend “Verklungene Feste/Josephs Legende”. 
Dazu der Staatsoperndirektor Dominique Meyer am 6.9. „Mit großem Bedauern habe ich heute Vormittag den Brief von Franz Welser-Möst entgegengenommen, in dem er mir seinen Verzicht auf seine Verpflichtung als Generalmusikdirektor mitgeteilt sowie alle Dirigate in der laufenden Spielzeit zurückgelegt hat. Das ist natürlich ein großer Verlust * und auch persönlich tut mir dieser Schritt sehr leid, denn ich schätze Franz Welser-Möst als Künstler und Dirigenten sehr. Meine Sorge und erste Aufgabe ist es nun, so rasch wie möglich adäquaten Ersatz für die Aufführungen zu finden, die er 2014/2015 an der Wiener Staatsoper hätte dirigieren sollen: immerhin 34 Vorstellungen, darunter die zwei mit ihm geplanten Premieren von Rigoletto und Elektra.“

Clemens Krauss

Clemens Krauss “nur” Musikdirektor des Hauses

Er war immerhin der erste richtige GMD des Institutes!

Franz Welser-Möst war immerhin der erste, mit diesem Berufstitel dem Institut Wiener Staatsoper direkt verbundene Generalmusikdirektor und in dieser Eigenschaft auch bisher deren einziger! Karl Böhm, der bereits 1927 in Darmstadt und 1931 in Hamburg GMD wurde, erlangte den Titel erst 1964 mit seiner Ernennung zum „Ersten Österreichischen Generalmusikdirektor“, also lange nach seinem Abgang von der Wiener Oper. Und Claudio Abbado war 1987 bis 1997 „nur“ ein sogenannter Generalmusikdirektor der Stadt Wien.

Ansonsten ging man in Österreich im Unterschied zum deutschen Nachbarn sparsam mit jenem Titel um, den Bundespräsident Wilhelm Miklas mit einer Entschließung vom 28.6.1930 bei uns auch juristisch salonfähig machte.

Seji Ozawa etwa war „nur“ Musikdirektor im Haus am Ring, genau so wie 1929 Clemens Krauss, andere, wie etwa Horst Stein, brachten es nur zum Ersten Dirigenten und Lorin Maazel, als Direktor quasi sein eigener Chefdirigent, erlangte noch kurz vor seinem Tod wenigstens den Ehrenring der Staatsoper.

Der unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg für das Ensemble der Wiener Oper sich

Dr. Karl Böhm

Dr. Karl Böhm zweimal, aber nie als Generalmusikdirektor Leiter des Hauses

abrackernde Josef Krips hingegen schaffte zwar einen Ehrenring der Stadt Wien und eine Ehrenmitgliedschaft und Goldmedaille der Mahler-Gesellschaft, ein Ehrengrab auf dem Neustifter Friedhof und eine Mozartmedaille der Mozart-Gemeinde, aber nichts vom damals ausgebombten Sangesinstitut wurde ihm zu Teil! Nicht einmal eine billige Ehrenmitgliedschaft nach 665 dirigierten Vorstellungen! Und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg als „unbelastet“ zu gelten, das war ja in Österreich nie eine als ehrenvoll angesehene Eigenschaft.

Meinungen, Zaghaftes und Gutgemeintes aus den Kulturseiten:

„Im Herbst 2010 war der österreichische Dirigent Welser-Möst an der Seite von Meyer angetreten, bereits im Januar 2012 war sein Vertrag bis 2018 verlängert worden. Hatte das Leitungsduo zunächst den demonstrativen Schulterschluss gesucht, so grummelte es doch schon schnell hinter den Kulissen. Ein anvisierter Mozart/da-Ponte-Zyklus wurde nach dem “Figaro” und dem „Don Giovanni” zunächst auf Eis gelegt. Und auch die Liebesheirat mit den für das Haus so entscheidenden Wiener Philharmonikern, eingeleitet von einem triumphalen “Tristan”-Einspringen für Christian Thielemann im Jahr 2003 wirkte jetzt oftmals wie Ehealltag. Oft war Welser-Möst im Graben zu laut, auch seine beiden Neujahrskonzerte wirkten wenig entspannt.“  So die Meinung in der „Wiener Zeitung“.

Josef Krips

Josef Krips kam als “Unbelasteter” und schied unbedankt. Immerhin leitete er 665 Vorstellungen

Als Grund für seinen überraschenden Schritt, der auch das Zurücklegen sämtlicher Dirigate der kommenden Saison beinhaltete, gab er fehlende Strukturen an, die es einem Musikdirektor ermöglichen würden, künstlerisch mitzureden: “Wenn das nicht gewährleistet ist, dann wird das zu einem zunehmenden Problem. Ich hatte das Mitspracherecht vertraglich vereinbart.” Soweit der Dirigent zu diesem Thema in den APA-Nachrichten.

„In Wien muss man ein bisschen anders denken, dort können Sie schneller in eine Sonnenfinsternis geraten als Sie glauben. Das kann auch lustig werden, man muss nur wissen, was man will.“ So ein erfahrener Christoph von Dohnányi in einem Interview.

Und von  Joan Holender konnte man lesen, dass bei ihm so etwas sicher nicht passiert wäre: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass ein Partner bei mir weggegangen wäre, nicht mittendrin im Geschlechtsakt sozusagen – vielleicht vorher, aber nicht mittendrin“

Das Staatsopernorchester, quasi also die Wiener Philharmoniker sind naturgemäß in ihren pendelnden Gefühlregungen zwischen dem Dirigenten und ihrem größten Arbeitsplatz, dem Orchestergraben in der Wiener Stasatsoper gefangen:

Herbert von Karajan

Herbert von Karajan Ihm genügte der”Künstlerischer Leiter”

Das Führungstrio (bestehend seit 1. September 2015 aus dem Primgeiger Andreas Großbauer, dem Geschäftsführer und Violinisten Harald Krumpöck, und demVizevorstand Helmut Zehetner) bedauert den Rücktritt von Franz Welser-Möst als Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper, die doch “unser zweites Zuhause” sei; gleichzeitig zollt man Direktor Dominique Meyer viel Lob – und schätzt sich glücklich, dass Welser-Möst 2015 zwei Abo-Konzerte und die Eröffnung des Philharmonikerballs dirigieren wird, stand im „Standard“

„Zwar sei man über den jähen Abgang “nicht glücklich”, sagt Andreas Großbauer …aber…so sei Direktor Dominique Meyer nicht nur eine Auslastung von 99 Prozent zu danken, sondern “vor allem menschliche Wärme” an der Staatsoper. Welser-Möst wiederum, mit dem man in Salzburg einen “wunderbaren ‚Rosenkavalier‘” erarbeitet hat, sei als Dirigent einer der “ganz Großen” so die „Wiener Zeitung“.
Braucht die Staatsoper einen neuen Generalmusikdirektor? “Kann sein, muss aber nicht sein. Sollte es keinen Generalmusikdirektor geben, macht’s auch nichts. Wir sind für alles offen.” So Andreas Großbauer im „Kurier“.
Zum Konflikt wird im Profil vom 20.9.14 Dominique Meyer zitiert: „Ich werde dazu kein Wort sagen, das die Tür für immer schließen würde. Wenn man jemandem eine Ohrfeige

Claudio Abbado

Claudio Abbado mit dem eher kuriosen Titel Generalmusikdirektor der Stadt Wien

verabreicht, erleichtert einen das eine Sekunde lang – und dann zahlt man jahrelang den Preis dafür. Diesen Preis soll die Staatsoper nicht zahlen müssen. Also nur so viel: Ich hoffe natürlich, dass Welser-Möst eines Tages an unser Haus zurückkommen wird, das ist sein Platz“
“Ich komme als Dirigent mit großer Freude, wenn die künstlerischen Rahmenbedingungen stimmen”, erklärt darauf Welser-Möst in der Sendung “Highlights – das Kulturmagazin”, auf ATV 2.
Und seine Bedingungen präzisiert Welser-Möst im Telefonat mit Franz Zoglauer so: “Wenn die Besetzung nach meinem Geschmack ist, wenn es eine Neuproduktion sein sollte, der Regisseur nach meinem Geschmack ist, wenn die Proben, die ich verlange, mir gegeben werden. Ich muss nicht jemand mögen, um mit ihm zusammenzuarbeiten. Wie heißt es so schön: Allein, es gilt der Kunst. Da haben persönliche Befindlichkeiten keinen Platz.”  APA Nachr.

Zur vorzeitigen Vertragsauflösung durch Welser-Möst meint der Operndirektor Meyer im Publikumsgespräch vom 1.12.2014 „dass jeder sein „Sackerl“ an gegenseitigen Beschwerden hängen hatte, jetzt aber keine Aufrechnungen oder gar juristische Anfechtungen erfolgen, sondern ein Klima entstehen sollte, dass auch wieder eine „Aussöhnung“ und Wiederkehr für den Dirigenten ermöglichen kann. Er, Meyer, hat auch eine solche Aussöhnung mit Maazel geschaffen und ist glücklich darüber, diesem Mann noch knapp vor dessen Tod höchste Ehrungen zu Teil werden hat lassen“

Horst Stein

Horst Stein, als “Erster Dirigent” eher im verkannten Eck.

Gleich darauf bringt in einem Interview NEWS vom 4.12.2014 wieder die Meinung des Staatsoperndirektors: Welser-Möst, der Bereitschaft zur Rückkehr als Gast bekundete, solle warten,“bis es reif ist. Die Tür steht offen“ so Dominique Meyer, will aber nicht einmal das Dirigat der mit den Salzburger Festspielen vereinbarten Koproduktion von Richard Strauss´ „Liebe der Danae“ anno 2016 bestätigen!

Dazu aus einem Interview mit dem Dirigenten in der Presse vom 24.1.2015:
Gibt es auch Pläne für eine Rückkehr an die Staatsoper?
Ich würde gerne wieder kommen, schon allein wegen des Orchesters. Dominique Meyer hat mehrfach gesagt, er würde nichts dazu tun, um meine Rückkehr zu verhindern. Aber dazu müsste er mich engagieren“
Gibt es aktuell Gespräche? Nein“

Eine journalistische Notiz zum Thema Wiener Staatsoper war in der OPERWELT 2/2015 zu lesen. Da verrät ein gewisser Gerhard Persché als Schmankerl aus der Wiener „Gerüchteküche“ ebenfalls etwas vom Rückkehrwillen Franz Welser-Mösts, allerdings als oberster Chef am Ring, wobei in weiser Vorsicht dieses Datum vom Ablauf des Vertrages mit Dominique Meyer abhängig gemacht wird. Beispiele von Pultstars, die an diesem Haus bereits Direktoren waren, gäbe es genug, meint der Redakteur der Opernwelt: Mahler, Weingartner, Schalk, Strauss, Krauss, Böhm, Karajan und Maazel.
Da wird also, von wem immer, ein erster, zaghafter Versuch aus der Gerüchteküche (wer immer da dahinter stecken möge) lanciert, um ein viel zu frühes Nachfolgespiel zu eröffnen. Denn der Vertrag mit Dominique Meyer endet erst mit der Saison 2019/2020 und viele der zu früh Angetretenen haben den langen Weg auf den Direktionssessel nicht mehr geschafft.
Meyer hat also noch ein halbes Jahrzehnt und er ist trotz Überschreitung der Hälfte seiner Amtszeit noch keine „lame duck“, eine lahme Ente wie etwa zurzeit der Amerikanische Präsident eine darstellt.

 Facit

Joan Holender

Joan Holender wäre dieser “Coitus interrupus” nicht passiert, meint er.

Eine Beziehung zweier kultivierter und in der Kultur beschäftigten Herren blieb auf der Strecke, deren erkaltete Zwangsehe wahrscheinlich zur beiderseitigen Erleichterung zerbrach.
Der Eine mit seinem einst so sorgsam, sogar auf den Besetzungszetteln gehüteten, neuen Titel und dem vertraglich vereinbarten aber offenbar missachteten Mitspracherecht, zog in die Welt.
Der Andere mit der Fixierung auf seine Alleinverantwortung bleibt zurück und konnte die frei gewordenen Dirigate mit staunenswerter Effektivität neu besetzen. Und mittendrin das Staatsopernorchester, welches aus geschäftlichen Erwägungen sein Bedauern und sein Lob vorsichtig und sorgfältig abwägt und nach beiden Seiten verteilt, denn es weiß, wie nahezu unantastbar die eigene betriebstechnische und künstlerische Stellung im Haus aber auch in der internationalen Musikszene ist und die man nicht gefährden und von jeglichem außerkünstlerischem Streit freihalten möchte.

 

Die Zwischenpointe dieser vorläufig nicht enden wollenden Geschichte: Welser-Möst probt für seine Cleveländer „Daphne“ in Wien und Direktor Meyer stellt ihm dafür seinen Probesaal zur Verfügung. Nur heißt dieser Direktor mit seinem Vornamen nicht Dominique sondern Robert und befehligt die Wiener Volksoper!

 

Fortsetzung wahrscheinlich
Peter Skorepa
MERKEROnline

 

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WIEN / Staatsoper Matinee POP MEETS OPERA mit Conchita Wurst

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POP und OPERA gemeinsam an der Zugabe mit no na Traviatas Brindisi

POP und OPERA gemeinsam mit der Zugabe:  No na Traviatas Brindisi. Rechts FLOREZ singend, Conchita WURST und Aida GARIFULLINA mit Blickfang

Wiener Staatsoper
POP MEETS OPERA am 17.Mai 2015

 

 

Keine Frage, aus der Sicht eines bescheidenen Klassikhörers war der Versuch, mit dieser Matinee, auf der Bühne der Wiener Staatsoper eine Auswahl von Sängerinnen und Sängern des Ensembles der Wiener Staatsoper mit einer Anzahl von Vertretern der sogenannten U-Szene zusammen zu spannen ein gelungener, weil erstens unterhaltsam und interessant und weil zweitens mit der Erfahrung einer solchen direkten “Konfrontation” verbunden.

Aida GARIFULLINA

Aida GARIFULLINA

Sei an dieser Stelle zunächst dem Erfinder dieser Art der Veranstaltung gedankt, einer Idee, die dem gerade jetzt in Wien stattfindenden Eurovisions Song Contest geschuldet ist. Der Pressechef der Staatsoper Mag. André Comploi hatte diese Idee und die Wiener Oper beschickte die Matinee mit einer Schar von Sängerinnen und Sängern aus ihrem Ensemble, um deren Beiträge mit jenen von Teilnehmern des Songcontests zu mischen.

Großes Lob für die Veranstalter: Keine Eröffnungsreden von Politikern oder sonstigen Wichtigtuern, Barbara Rett war dafür da, mit wohltuender Zurückhaltung diesmal und fast zur Gänze in Englisch durch das Programm zu führen.

 Fazit des ganzen Vormittags jedenfalls: Der sogenannte Pop, zumindest in der Soft-Ausführung der Beiträge konnte es spielend mit den Darbietungen der Klassik aufnehmen und die Nummer “Rise like a Phönix” in der kammermusikartig klingenden Begleitversion wurde für Conchita Wurst auch in diesem Haus ein Triumph. Von der Wirkung dieser so raffiniert verstärkten Stimme, von diesem mitreißenden Vortrag muss auch ein Klassikfan, ein Opernfan überhaupt, schon wegen seines Gespürs für theatralische Wirkung, völlig kapitulieren. Das ging unter die Haut.

Da war von der Klassik-Seite her, trotz des Einsatzes karätiger Namen aus dem Ensembles nur Juan Diego Florez in der Lage, wirkungsvoll Paroli zu bieten. Nein, nicht mit seinem Beitrag aus dem Land des Lächelns, diese Herzverschenkung in historischer Armausstreckung war zwar nach dem Geschmack älterer Operettenliebhaber, wirkte aber trotz des Jubels und trotz der blendenden Verfassung des Tenors in diesem Rahmen fürchterlich altbacken. Nein, es war der Moment, als der Peruaner seine Gitarre nahm und bekanntes Lateinamerikanisches von sich gab, “Hadern” also, wie etwa Besame Mucho oder Granada. Da tobte das Haus, so wie zuvor bei Conchita.

Einer der Besucher, ein Begleiter einer Pressevertreterin in der Reihe vor mir, war sich nicht zu blöd, bei Beginn von Dein ist mein ganzes Herz laut zu stöhnen und einen Jammerlaut von sich zu geben, unter den Sitz zu kriechen und sich ostentativ die Ohren zuzuhalten. Erst die neben ihm sitzenden beiden Herren, ein Komponist und ein Kritiker (Namen der Red. bekannt) machten ihn auf die Unmöglichkeit der störenden Situation aufmerksam, er verließ darauf den Saal und ließ seine SMS-schreibende Begleiterin zurück. Ist diese Altklassik schon so unerträglich geworden, ist Toleranz ein verschwindendes Wort geworden oder war das störende Verhalten dieses Rüpels etwas einmaliges gewesen. Der propagierte Brückenbau hat zumindestens in diesem einen Fall nicht funktioniert. Der Beitrag von Florez war für alle Umsitzenden jedenfalls empfindlich gestört worden.

Entnehmen sie bitte der angefügten Programmfolge die einzelnen Beiträge, ich kann den Vertretern der Klassik Lob aussprechen für das Bemühen, sich gegen die raffiniert arrangierten Beiträge des sogenannten Pop mit ihren Opernarien durchzusetzen. Nur die beiden Herren Pecoraro setzten sich mit ihrem Gloria gekonnt ab und Valentina Nafornita machte dem Song Art is calling for me alle Ehre. Adrian Eröd mußte den absagenden Alessio Arduini ersetzen, Daniela Fally trat krankheitsbedingt nicht an und Aida Garifullina war nicht nur ein Ohrenschmaus, sie war auch die Augenweide dieser Matinee!

 

 Das war die Programmabfolge nach der beachtlichen Eröffnung durch das Bühnenorchester der Staatsoper:

Pecoraro & Pecoraro “Gloria“ | Mario Pecoraro; Mario Pecoraro, Patrick Lamb gemeinsam mit dem Wiener Landesjugendchor

 Aida Garifullina “O mio babbino caro” aus Gianni Schicchi | Giacomo Puccini. Klavier: Thomas Lausmann

 The Philharmonics “Zauberflötenphantasie“ (Finale) | Pablo de Sarasate, Arr.: Tibor Kovác

 Nina Sublatti (ESC-Teilnehmerin aus Georgien) “Dark desire“ | Nina Sublatti

Adrian Eröd (statt Alessio Arduini) *Largo al factotum” aus Il barbiere di Siviglia | Gioachino Rossini. Klavier: Thomas Lausmann

 Molly Sterling (ESC-Teilnehmerin aus Irland) “Build Fireworks Again“ | Molly Sterling, Greg French gemeinsam mit The Philharmonics

 Wiener Comedian Harmonists “Veronika“  bis “O sole mio“ | Walter Jurmann; Fritz Rotter, Eduardo di Capua

 John Karayiannis (ESC-Teilnehmer aus Zypern), feat. Ioanna Avraam “One Thing I Should Have Done” | Mike Connaris, John Karayiannis gemeinsam mit The Philharmonics

 Valentina Nafornita “Art is calling for me” aus The Enchantress | Victor Herbert. Klavier: Thomas Lausmann

 Mørland & Debrah Scarlett (ESC-Teilnehmer aus Norwegen) “A Monster Like Me” | Kjetil Mørland gemeinsam mit The Philharmonics

 KS Juan Diego Flórez *Dein ist mein ganzes Herz“ aus Das Land des Lächelns | Franz Lehár gemeinsam mit The Philharmonics sowie außer Programm
 Lateinamerikanische Schlagerlieder mit eigener Gittarrenbegleitung

 Boggie (ESC-Teilnehmerin aus Ungarn) mit “Wars For Nothing” | Sára Hélène Bori; Áron Sebestyén, Boglárka Csemer gemeinsam mit der Opernschule für Kinder der Wiener Staatsoper

 Conchita Wurst “Rise like a Phoenix“ | Alexander Zuckowski, Julian Maas, Robin Grubert; Charley Mason gemeinsam mit The Philharmonics

 The Philharmonics “K.u.k. Rhapsodie“ (Finale) | Tibor Kovác und Frantisek Jánoska nach Johann Strauss

 Zugabe | alle Künstlerinnen und Künstler “Libiamo ne’ lieti calici” aus La traviata | Giuseppe Verdi

 Moderation: Barbara Rett

 Die Wiener Staatsoper dankt der Firma Bösendorfer für die Zurverfügungstellung des Konzertflügels.

 

Peter Skorepa
Bericht und Fotos
MERKEROnline

 

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WIEN/Staatsoper Publikumsgespräch mit Direktor Meyer 13.Juni 2015

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Nach den Publikumsgespräch von Fragestellern umlagert: Dominique Meyer

Nach den Publikumsgespräch von Fragestellern umlagert: Dominique Meyer

Publikumsgespräch in der Wiener Staatsoper

Dominique MEYER
und Thomas PLATZER stellen sich dem Publikum

Wiener Staatsoper – Mahlersaal     13.Juni 2015

 

Einleitend berichtet Dominique Meyer von der gelungenen Generalprobe des „Tempest“, sie war „irrsinnig schön“, mit einer Musik die „direkt Emotionen schafft“ und zum „Klang der Philharmoniker passt“! Dass diese im Anschluss daran noch zu zehn zusätzlichen Probeminuten bereit waren, zeigt das Interesse und die Verbundenheit des Orchesters zu dem Komponisten Thomas Adès und dieser Musik, jedenfalls waren „alle Beteiligten nach der Generalprobe glücklich“.

Dann holte der Direktor zum Thema „Ring“ aus, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Wiener Staatsoper zwei Ring-Durchgänge inmitten des Repertoirebetriebes schaffte, „ohne in Schieflage“ zu geraten oder den Betrieb um die Serien herum stillzulegen, wie es in anderen Häusern notwendig ist.

Kritik konzentrierte sich auf die Hörnerneinsätze im Rheingold. Der Hornsolist hatte sich die Hand gebrochen und verursachte eine Umbesetzung in der Gruppe, was leider zu hörbaren „Ketteneffekten“ führte.

Der Idee eines Spezialisten (Es handelt sich bei diesem um den direktoralen Vorgänger Meyers und dessen jüngsten Meinungsbeitrag in einem Interview in der Tageszeitung KURIER), überhaupt ein eigenes Opernorchester zu gründen, stößt auf wenig Verständnis beim Chef des Hauses: Welches Orchester könne heute mit nur sieben Orchesterproben in dieser Qualität in den Ring einsteigen, welches Orchester steht für den Repertoirebetrieb von nahezu 60 Stücken – darunter mehrere neue Stücke – und mit der bekannt geringen Anzahl von Proben – darunter einige Werke sogar ohne Probenotwendigkeit – zur Verfügung.

(Anmerkung: Die derzeitige Situation verbindet mit vertraglicher Regelung und personeller Verflechtung die beiden Organisationen Orchester der Wiener Staatsoper und die Wiener Philharmoniker d.Red.)

Auch zum Thema der Substituten in den Orchestern (In dem vorerwähnten Interview ebenfalls ein süffisant zelebriertes Kapitel) besteht Direktor Meyer auf eine Klarstellung.

Substituten werden nach Regeln eingesetzt, bei Gastspielen der Philharmoniker aufgeteilt auf die Fehlstellen in beiden Orchestern, also zu gleichen Anteilen!

Die Substituten sind erfahrene Spieler, in erster Linie aus dem Kreis der pensionierten Orchestermitglieder („Da kommen große Musiker zurück, die wir mit Handkuss nehmen“) und aus dem Kreis des Bühnenorchesters, wobei die Mitglieder der Bühnenmusik von der selben Jury ausgewählt werden, die bei der Musikerauswahl für das andere Orchester dabei sind. Werden junge Musiker eingeschult, sitzen diese jedenfalls neben erfahrenen Musikern. „Es ist ein gutes System und es wird immer nach den besten Möglichkeiten gesucht, erforderliche Substituten einzusetzen. “Ich erledige diese Probleme durch Gespräche in meinem Büro im Haus und nicht mit großen Zeitungsinterviews“ kann sich Meyer als Seitenhieb nicht verkneifen.

 Die Saison klingt mit Giovanni, Cardillac und dem vom Pech verfolgten Rigoletto aus. Das Regieteam und der Komponist, Thomas Adès haben für die noch ausstehende Premiere des „Tempest“ alles getan, um eine Besetzung aus dem Hausensemble zu ermöglichen, Ausnahmen sind die Partien des mit akrobatischen Einlagen versehenen Ariel mit dem hohen Sopran Audrey Luna und dem in Wien schon bekannten Countertenor David Daniels. (Zu Letzterem siehe in den Interviews im Online-MERKER     )

 Nicht ohne die „so ausgeglichene Persönlichkeit“ des „weltbesten“ kaufmännischen Geschäftsführers Thomas Platzer zu loben, kommt Meyer auf das Pekuniäre zu sprechen:

Die Einnahmen liegen mit rund zwei Millionen über Soll, die Sitzplatzauslastung ist mit 99,4% weiterhin stabil, und mit einer Erhöhung der Kartenpreise würde das Verhältnis der Anzahl lokaler Besucher zu angereisten Besuchern – diese liegen bei etwa 30% der Kartenkäufer – aus dem Gleichgewicht bringen, denn die Nachfrage aus dem Ausland ist groß, auch von den diversen Wagner-Verbänden.

Weiterhin gibt es viele Anfragen nach Gastspielen, Japan ist wieder in Vorbereitung mit Walküre, Rosenkavalier, Figaro und der Kinder-Zauberflöte. 350 Mitglieder des Hauses sind da, ohne Störung des Gesamtbetriebes, unterwegs.

Nächste Saison ist ein Werther in Oman geplant, Pläne gibt es für den Europäischen Raum mit kurzen Gastspielauftritten, der Tristan wird in Barcelona aufgeführt und Gastauftritte von Ensemblemitgliedern sind auch heuer wieder bei allen Festivals nachgefragt.

 Ein Fotobuch über die schon historisch-aktuelle Tosca ist aufgelegt, geplant sind als nächstes eines für Boheme und eines für den Rosenkavalier.

 Nach dem Freiwerden der Rechte nach den Erben von Claudio Abbado wird ein Mitschnitt des Maskenballs mit Pavarotti herauskommen, die Fanciulla des Hauses ist ebenfalls zu erwarten.

 Auf DVD ist eine Ariadne unter Thielemann in Vorbereitung, aufgezeichnet in der hohen Qualität des Life-Streams und mit dem Equipment des Hauses, d.h. Kameraeinstellung und Schnitt erfolgt nach den Erwartungen eines Opernbesuchers und nicht nach artifiziellen Merkmalen eines Filmregisseurs oder einer Sportveranstaltung.

Bei ORFEO erscheint auch ein Portrait von Nina Stemme.

 

Der FRAGENTEIL behandelte zunächst die Kartenpreise, deren Erhöhungen unter der Inflationsrate liegen. Tatsächlich hinkt die Höhe der Subvention nach, die Pariser Oper kann über eine Subvention von ca. 120 Millionen verfügen, die Staatsoper muss mit rd. 50 Millionen auskommen und hält trotzdem Ihren hohen Standard Anzahl der Aufführungen und dem Angebot an Künstlern. Auch die hohe Nachfrage soll nicht Anlass einer Erhöhung werden.

Einzig die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes muss an die Kartenkäufer weitergegeben werden, ein Betrag je Saison immerhin in der Höhe von rd. Einer Million Euro, das sind die Kosten einer ganzen Produktion.

Den Rest der Fragen betrafen persönliche Animositäten von Besuchern, deren Lösung kaum im Bereich der Direktion liegen. Oder soll der Direktor selbst für Zustände auf dem öffentlichen Gut vor der Oper sorgen? Etwa die Forderung nach einem Rauchverbot vor der Übertragungsleinwand, oder Eindämmung kostümierten Kartenverkaufes) oder das Einschalten von Handys während der Aufführung. (Anm.d.Red.: Hier ist allein die Courage der Umsitzenden gefragt, das einstellen zu lassen).

„Es gibt Momente, in denen man weiß, dass es keine guten Lösungen gibt“ so der Direktor.

 Mit dem Hinweis auf den immerhin hohen Stellenwert Sir Simon Rattles als Chef der Berliner wies Meyer einen Vorwurf zurück, diesen Dirigenten für den Ring engagiert zu haben, auch verwies er auf viele neue und schöne Sichtweisen innerhalb dessen Interpretation. Und mit der Aufzählung der Auswahl an Dirigenten versuchte Meyer eine Dame im Publikum zu überzeugen, dass deren Abwesenheit in der Staatsoper wegen des Fehlens zweier ihrer Dirigierlieblinge ein überspitztes (so in etwa) Argument wäre.

Peter Skorepa
Online-MERKER

 

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Audrey LUNA : Mit dem Sturm in höchste Höhen

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Thomas Adés Erfolgsoper „The Tempest“, die vor mehr als einem Jahrzehnt in London uraufgeführt wurde, war nun auch in Wien zu sehen. Die Oper basiert auf Shakespeares „Der Sturm“. Wie auch in New York inszenierte der Kanadier Robert Lepage.

Aus Anlass der Derniere der Premierenserie luden wir die Sängerin und Darstellerin des Ariel, die amerikanische Sopranistin AUDREY LUNA zu einem Interview, welches am 25.Juni 2015 in der Wiener Staatsoper stattfand.

Sie war als einzige aus der MET-Besetzung der dortigen Erstaufführung nach Wien gekommen und begeisterte Presse und Publikum gleichviel. “Als Zerbinetta zum Quadrat”, als “Clou der Produktion” mit einer Art “Helium Tessitur” bezeichnete man sie auf den Kulturseiten, man bewunderte sie ob ihrer “stimmlichen Turnübungen” auf dem dreigestrichenen G und wegen ihrer “begeisternden Souveränität”. Und sogar in unserem gestrengen OnlineMERKER war die Rezensentin von diesem “Über-Drüber-Wahnsinn” hingerissen.

 

Ein stimmlicher Drahtseilakt in der Wiener Staatsoper:  AUDRI  LUNA

Mit einem stimmlichem Drahtseilakt in der Wiener Staatsoper zum Erfolg: AUDREY  LUNA

 

Vom Wiener Stehplatz in höchste Höhen !

 

Frau Luna, sind Sie das erste Mal in Wien ?

Ich war schon einige Male hier, das letzte Mal 2011 für ein Vorsingen. Aber als ich 19 Jahre alt ware habe ich ganze 3 Monate hier verbracht, im Zuge eines Musikstudienprogramms, dass von meiner Universität in Oregon organisiert wurde. Erst vor ein paar Tagen habe ich meine Gastfamilie von damals wieder besucht, sie waren auch gestern in der Vorstellung.
Ich erinnere mich, dass ich damals bei meinem Aufenthalt sehr viel herumgekommen bin, wir machten Ausflüge nach Salzburg … usw. In der restlichen Zeit bin ich fast jeden Tag in die Staatsoper gekommen und habe mir auf Stehplatz alles angesehen. Das war großartig für mich, denn ich war noch so jung und hatte noch viele offene Fragen in meinem Leben; ich wusste zwar, dass ich singen wollte, war aber unsicher, ob ich genug Talent haben würde, um daraus eine Karriere zu machen. Hier, auf dem Stehplatz der Wiener Staatsoper konnte ich 3 Monate lang jeden Abend Leuten zusehen, die es geschafft hatten und ich lernte viele Opern kennen. Ich war im Herbst/ Winter hier, ich erinnere mich, dass ich sehr viel Wagner gesehen habe, unter vielem Anderen auch eine Tosca-Produktion und eine Zauberflöte und vieles mehr.
Es war natürlich sehr surreal nach diesem Einstieg jetzt mit einem Engagement an das Haus zurückzukehren – ich habe auch noch niemanden hier davon erzählt (lacht).

Wo in den U.S.A. sind sie aufgewachsen ?

Ich bin in Oregon geboren und aufgewachsen, habe dann in Ohio studiert und wohne nun seit ungefähr 8 Jahren in Hawaii … das ist nun mein Zuhause für mich.

Wie sind sie mit Musik in Berührung gekommen ?

Bei mir in der Familie ist niemand wirklich musikalisch, aber meine Mutter, die als Kindergärtnerin arbeitet, hat sehr früh erkannt, dass ich ein gewisses Talent in diese Richtung hatte – ich war schon immer gerne im Mittelpunkt (lacht.) Sie förderte mich schon früh  und ich absolvierte eine Reihe ausserschulischer Aktivitäten – Violine, Flöte, Piano, Gesang, Ballett – und nach und nach zeichnete sich ab, dass das, was mich am meisten interessierte, eben der Gesang war. Ich bin meiner Mutter da wirklich sehr dankbar, sie war Alleinerzieherin und hat mir mit ihrem kleinen Lehrergehalt all diese Ausbildungen ermöglicht. Ich wusste schon sehr früh dass ich auf einer Bühne stehen wollte, mit ungefähr 16 Jahren wurde mir dann klar dass ich Opern singen wollte. Dann kam aber eine lange Phase in der ich nicht wusste, ob mein Wunsch in Erfüllung gehen würde.

Wie sah ihre Ausbildung dann aus ?

Als ich zehn Jahre alt war begann ich private Gesangsstunden zu nehmen und studierte dann ziemlich lange am Cincinnati Conservatory of Music weiter Gesang. Meine Gesangslehrerin damals war Barbara Honn, mit der ich bis heute zusammenarbeite.

Wann war der Moment, bei dem Ihnen klar wurde, dass eine Karriere in der Oper für Sie möglich wäre ?

Ich war 2007/2008 die Zweitbesetzung der Königin der Nacht an der Pittsburgh Opera in Pensylvania. Als die Erstbesetzung krank wurde wurde ich gebeten die ganze Aufführungsserie zu singen. Diese Abende bekamen einige Aufmerksamkeit in der Presse und sehr bald danach wurde ein Agent auf mich aufmerksam und nahm mich unter Vertrag. Mein nächstes Engagement führte mich dann nach Hawaii, wo ich eben heute noch lebe … ein weiterer Meilenstein war dann 2009 der Renata-Tebaldi Wettbewerb in San Marino, wo Leonore Rosenberg, die Castingbeauftragte der Metropolitan Opera, in der Jury saß. Sie meinte, ich müsse unbedingt für diese Rolle in Thomas Adès neuer Oper vorsingen – so kam ich zu „Ariel“ ! Ich hatte fünf Wochen Zeit, um mich auf die Rolle vorzubereiten. Als ich die Musik das erste Mal in den Händen hielt erschien es mir unmöglich, so etwas zu singen, aber natürlich wollte ich es ausprobieren, immerhin ging es um die Metropolitan Opera (lacht). Also ging ich zu einer Korrepetitorin und wagte einen Versuch – und tatsächlich traf ich alle hohen Töne. Die Wochen der Vorbereitung waren dann ein langsamer Prozess in der ich mehr und mehr Sicherheit in der Rolle gewann und immer überzeugter davon wurde, dass mir das gelingen könnte. Es ging weniger darum meine Technik zu ändern, als mir langsam mehr und mehr zuzutrauen.
Das Vorsingen war dann auch gleichzeitig das erste Mal dass ich auf der Bühne der Met stand, ich sang fast die gesamte Rolle vor – am Ende engagierten sie mich für die Aufführungserie, die dann erst drei Jahre später – 2012 – standfand. Davor gab man mir aber die Gelegenheit, mich in anderen Rollen an der Met vorzustellen, 2010 machte ich dort mit der Königin der Nacht mein Debüt, 2011 sang ich die  Nayade in „Ariadne auf Naxos“ und 2012 dann den Ariel im „Tempest“.
Bevor ich an der Met als Ariel debütierte, stand ich in dieser Rolle aber zuerst in einer konzertanten Aufführung in Rom auf dem Podium. Geleitet wurde sie ebenfalls von Thomas Adès ; dann war ich in Quebec und schlussendlich an der Met zu hören.

Die Rolle ist ja sehr herausfordernd – müssen Sie da anders mit ihrer Stimme umgehen als sonst ?

Nein, eigentlich nicht, ich brauche keine speziellen Aufwärmübungen oder Ähnliches, ich muss die Stimme nur etwas höher „platzieren“. Was ich aber bemerkt habe ist, dass meine Stimmbänder in dem Zeitraum, in welchem ich den Ariel singe oder probiere, an Kraft gewinnen – es fällt mir danach viel leichter, andere hohe Partien zu singen (lacht). Auf mich kommen manchmal nach der Vorstellung Leute zu, die sich große Sorgen um meine Stimme machen, weil sie sich nicht vorstellen können, dass man die Partie des Ariel unbeschadet übersteht, dabei ist es tatsächlich so, dass Ariel meine Arbeit leichter gemacht hat, meine Stimme war nie besser (lacht) !
An Aufführungstagen schone ich mich natürlich, aber das liegt daran, das Ariel ein so aktiver Charakter ist und den halben Abend über die Bühne läuft, das fühlt sich oft wie ein Halbmarathon an …

Die Choreographie ist ja wirklich aussergewöhlich, wie lange dauerte da die Vorbereitung ?

Oh, ich war nie besonders sportlich, ich wusste also absolut nicht ob ich dem gewachsen sein würde. Aber die Zusammenarbeit mit dem Choreograph und seiner Assistentin in Quebec war großartig, sie brachte mir Yoga und Pilates näher, was mir für die physische Aneigung der Rolle von großem Nutzen war. Auch hier war es ein Prozess der langsamen Annäherung: ich musste erst begreifen dass dieser „Opernsängerkörper“ auch tanzen konnte ! Dieser neue Umgang mit meinem Körper tat mir wirklich sehr gut, es war toll meine eigenen Grenzen neu zu definieren und kennenzulernen.

Sie singen sehr viel Zeitgenössisches …

Ja, seit meinem Engagement als „Ariel“ scheinen mich die Leute vor allem in Modernem zu sehen, davor habe ich aber ausschließlich klassische Sachen gesungen. Ich mag die zeitgenössischen Opern sehr, die Rolle der Miss Mao in „Nixon in China“, die ich in Kansas City und Dublin gesungen habe, ist eine meiner Lieblingsrollen, sie ist eine so grausame schreckliche Person, aber sie hat einfach die beste Musik! Aber ich singe daneben auch sehr viele klassiche Konzerte, es ist doch einfach wichtig für die Stimme, auch weiter Repertoirw des Belcanto zu singen.  

Wie ist die Arbeit mit Thomas Adès – es geschieht doch selten, einen Dirigenten zu haben, der auch der Komponist der Musik ist ?

Im Grunde macht das keinen Unterschied. In meinem Kopf denke ich natürlich die ganze Zeit, dass das hier seine eigene Musik ist – aber Adès selbst ist so entspannt und vermittelt so eine angenehme ruhige Präsenz, dass sich die Zusammenarbeit nicht sonderlich von jener mit anderen Dirigenten unterscheidet …

Empfinden Sie einen Unterschied in der Arbeit hier in der Staatsoper und der Metropolitan Opera ?

Nun, die Staatsoper ist kleiner, sonst sehe ich aber keine Unterschiede. Die Mitarbeiter hier sind großartig, die Damen im Kostüm und in der Maske sind wirklich wundervoll, ich fühle mich sehr wohl.

Wie sieht ihr nächstes Saison aus ?

Im Oktober werde ich die Wiederaufnahme des Tempest hier in Wien singen, 2016 bin ich dann in Oslo für die Rolle “The Wife“  in der Oper “Elysium” von Rolf Wallin unter der Regie von David Pountney, darauf freue ich mich natürlich sehr.
Und dann werde ich mit Thomas Adès neuer Oper „The Exterminating Angel“ unterwegs sein, die im Sommer 2016 in Salzburg Premiere hat.

Gibt es eine Verbindung zu dem Film von Bunuel ?

Ja, es ist eine Adaptation des Filmstoffes. Ich bin auch schon sehr gespannt.

Und welche Musik hören Sie privat ?

Ich bin beruflich so von Musik umgeben, dass ich privat eigentlich die Stille sehr schätze. Ich höre also kaum Musik sondern höre eher Podcasts … ansonsten recherchiere ich viel auf YouTube, aber ich höre eher zeitgenössiche Kollegen an als alte Aufnahmen.  

Gibt es Rollen, die sie in den nächsten 10 Jahren noch gerne singen würden ?

„La Fille du Regiment“ würde mich sehr interessieren, ebenso die Elvira in den „Puritani“. Und dann noch die Ophelia.

Haben Sie eine Lieblingsrolle ?

Ich liebe „Lakmé“, die ich in Montréal gesungen habe, ebenso die Giulietta aus „I Capuleti e i Montecchi“. Leider werden diese Stücke nicht sehr oft gespielt, aber die beiden würde ich wirklich gerne wieder singen.

Und welche Hobbies haben Sie ?

Meine Kleine hier ist mein Hobby (lacht und zeigt auf ihr Hündchen). Roxy ist drei Jahre alt und begleitet mich überall hin, wir entdecken gemeinsam die Orte an denen wir gerade sind .

Haben Sie einen Lieblingsort in Wien ?

Ich habe viel Zeit in Oberlaa verbracht, dort ist es herrlich, sich zu entspannen. Und ganz besonders mag ich die Parks in Wien, ich liebe es in Ihnen spazierenzugehen.

Und zu Hause ist es aam schönsten! Audreys Wohnsitz ist Hawaii

Und zu Hause ist es am schönsten! Audreys Wohnsitz ist Hawaii !

Gibt es schon Pläne, die sie wieder an die Staatsoper zurückbringen ?

Wir sind im Gespräch, aber dazu kann ich noch nichts Konkretes sagen.

Und in welchem Sternzeichen sind Sie geboren?

Ich bin eine Waage-Geborene, aber ich glaube nicht an Astrologie.

In den letzten Jahren sind sie unglaublich viel herumgekommen – ist da manchmal der Wunsch nach mehr Ruhe ?

Nein, ich liebe diesen Beruf und habe sehr früh gewusst, was damit verbunden ist. Außerdem fühle ich mich sehr schnell an verschiedenen Orten daheim und mach auch das Unstete an diesem Leben. Meine Freunde und Familie sind in Hawaii, aber es gibt ja Gott sei Dank Skype !

 

Wir bedanken uns bei Frau Luna für das Gespräch und wünschen ihr auch in der letzten Vorstellung der Premierenserie viel Erfolg.

 

Das Gespräch mit der Künstlerin führte Ella Gallieni
Für die Gestaltung des Interviews verantwortlich: Peter Skorepa
Das Interview fand in den Räumen der Wiener Staatsoper und in englicher Sprache statt

 

Hinweis auf weitere Auftritte in Wien:

Frau AUDREY LUNA wird in der zweiten Serie von IL TEMPEST am 12., 16. und 18. Oktober 2015 wieder den ARIEL verkörpern, Christopher Maltmann ist in diesen Aufführungen als Prospero angesetzt.

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POESIE FÜR KINDER UND EIN TRAUMSCHIFF FÜR DIE SENIOREN

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DIESMAL NICHT STAATSOPER, SONDERN FESTSPIELE (die Staatsoper schlummert bis in den September hinein! )

POESIE  FÜR  KINDER  UND  EIN  TRAUMSCHIFF  FÜR  DIE  SENIOREN

 Seefestspiel Mörbisch kontra Opernworkshop St. Andrä-Wördern: Großes Werbespektakel oder ein regionaler Bildungsauftrag für die Jugend?

 Eine Glosse von Meinhard Rüdenauer

 Dies ist jetzt kein seriöser, kein wirklich erlaubter Vergleich. Doch trotzdem, es muss bei unserer derzeitig so profillosen und allzu oft an Verkaufsquoten orientierten Bildungs- und Kulturpolitik in Österreich darüber nachgedacht werden: Heute fließen die Steuergelder überwiegend in den Kulturkommerz, in populäre Events, in Tourismus-Attraktionen, die sich groß bewerben und einigermaßen auch verkaufen lassen – oder müsste doch dem kulturellen Bildungsauftrag für die jungen Menschen ganz eindeutig der Vorzug gegeben werden?

 M ö r b i s c h : Am Ufer des westlichen Neusiedlersees gelegen. An die 2.260 Einwohner und dazu die überdimensionierte Seebühne mitten im Schilfgürtel. Für Johann Strauss´ “Eine Nacht in Venedig” werden auch heuer wieder die Besucher mit Bussen in langen Autoschlangen angekarrt.

S t.  A n d r ä – W ö r d e r n : Am Rande des nördlichen Wienerwaldes gelegen. Zirka 7.780 Einwohner und Naturschönheiten auch hier, wie die vormals so gern durchwanderte romantische Hagenbachklamm. Und im Sommer …. “Oper unter Sternen” mit Opernworkshop für Fünf- bis Vierzehnjährige und einer “Jungen Sommerakademie”.

Bildergebnis für mörbisch am see

Mörbisch/ Seebühne

 Zum Neusiedlersee zuerst, nach Mörbisch: Die Langzeit-Intendanz von Verkaufsgenie Harald Serafin und seine großsprecherischen “Mekka der Oper” oder seine flippigen “Lets Mörbisch”-Werberufe klingen noch sanft nach. Sind diese von Serafin durch gezielte Marketingstrategien erarbeiteten früheren Erfolge im Sinne eines Kulturtourismus noch zu halten, vielleicht gar zu übertreffen? Seine Nachfolgerin als Intendantin, Sopranistin Dagmar Schellenberger, wählt ebenfalls solche Stücke aus, in denen sie  sich als ordentliche Gesangsdiva präsentieren kann. Der Szenenbeifall am Premierenabend dieser herrlich melodienseligen Operette des Johann Strauss ist jedoch eher bescheiden ausgefallen. Viel aufgezwirbelte Action, viel Hin und Her und lange Abgänge der gewaltigen Schar an Mitwirkenden, eine kaum auch echte Spannung aufkommen lassende, eher verwirrende dramaturgische Bearbeitung. Insgesamt ist ein passables Produkt mit bunter, abwechslungsreicher Szenenfolge zu sehen. Wohl ansprechend für ein breites Publikum, welches sich auch ohne ein besonders stimmiges oder poesievolles Musikerlebnis zufrieden geben kann.

 Aber auch – noch viel mehr als früher?  – Werbung, Werbung, Werbung – Werbung überall im weiten Areal. Die für Events ausgerichteten großen neuen Zubauten zur Seebühne wirken zwar wie nüchterne Sporthallen, sprechen nicht gerade für ein gepflegtes burgenländisches Architektur–Feeling. Doch wohin der Blick auch fällt: Den Werbesprüchen kann man nicht entkommen. Slogans für einen Happy Drink, Bio natürlich; für ein anspruchsvolles (“das”) Autohaus; für prickelnde oder stille (“sind tief”) Wasser; für eine ganz, ganz spezielle Boxenstraße, die unsere “Herzen höher schlagen” lässt; für ein Romantik-Hotel in Rust ….. viel, viel mehr noch. Alles klar, hat schon seinen Wert. Die Präsentationen der Winzer mit ihren erstklassigen Weine der Region gehören sicherlich hierher. Bitte, noch dazu, als besonderer Werbegag, direkt auf der Bühne sogar: Eine Kreuzfahrten-Linie (www.XXXkreuzfahrten.at) mit dem Trend zur Empfehlung “mediterraner Lebensart” sponsert mit, dass aus Guido, dem liebeshungrigen Herzog von Urbino, Mitte des 18. Jahrhunderts, der jetzt namenlose Käpten eines luxuriösen Ozeanliners mit dem XXX-Logo am Bug und mit dem Namen “Herzog von Urbino” geworden ist. Und dieses weiße Monstrum taucht da mit seinem riesigen Aufbau auf der Drehbühne auf und erregt ein bisschen Staunen, stört aber wohl doch die Ansätze zu einer poetischen venezianischen Operetten-Idylle.

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St. Andrä Wördern/ Burg Greifenstein

 Jetzt in den Wienerwald, nach St. Andrä-Wördern: 10 Jahre wird hier nun schon am Hautplatz “Oper unter Sternen” gezeigt. Filme nur. Mit Eberhard Wächter und Otto Schenk in der “Fledermaus”, mit Anna Netrebko in “La Bohème”. Auch “Singing in the Rain” oder “Udo!”, unser Udo Jürgens, gehören dazu. So klein das Budget auch ist, lokale Sponsoren helfen mit. Wie der Gasthof “Zum lustigen Bauern” oder das “Entdecken sie FACE!” –Studio mit seinen Anleitungen zu effektivem Gesichtsmuskel-Aufbau und für einen rosigen Teint. Doch Titus Hollweg, der Initiator und Manager all dieser künstlerischen Aktivitäten hier, ist nicht an Kulturtourismus interessiert, sondern an einem geistig-künstlerischen Aufbau für junge Menschen, für die Kinder, für die Jugendlichen der Region. Ein Anliegen, um welches man sich heute trotz einiger Ansätze in ganz Österreich weit intensiver bemühen müsste. An fünf Tagen wurde von Hollwegs Team eine originelle Musical-Version, eine textlich angedeutete, vereinfachte und mit vielen Coversongs beschwingt-beschönte Kürzestversion von Hugo von Hofmannsthals “Jedermann” erarbeitet. Nicht so betitelt, doch so eine Art “Swinging Yederman for Kids”. Geglückt!

 Nochmals: St. Andrä-Wördern kontra Mörbisch ist keine erlaubte Gegenüberstellung. In St. Andrä-Wördern wird versucht, den heimischen jungen Menschen geistiges zu vermitteln, ihnen mit  Kultur und Poesie eine aufbauende Kraftnahrung zu geben. In einer Zeit, in der von der Wirtschaft geklagt, dass so viele Schulabgänger nicht richtig zu lesen oder schreiben vermögen. Der Mörbisch-Besucher mit den alten Strauss-Hits im Ohr scheint dadurch beglückt, das sich ein Traumschiff in den Neusiedlersee verirrt hat  – weder von capitano Schettino auf Grund gesenkt und auch kein von der Libyschen Küste angeschwemmter verrostet Kahn hier gestrandet ist – und sich Bella Venezia dem Massentourismus und unerotischen Liebesspielen nicht entziehen kann. Auf den Punkt gebracht: Die Vermarktung gelingt in Österreich, hat Vorrang im politischen wie kulturellen Denken. Doch um aus der akuten Bildungsmisere heraus zu kommen und die jungen Menschen mit verfeinerter Kreativität oder wenigstens einE Spur etwas vergeistigterem Denken zu stärken – da werden wir, allzu oft jedenfalls, mit Ratlosigkeit konfrontiert.

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Abschied von einem ganz Großen

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JON VICKERS   1926 bis 2015

Jon Vickers

Jon Vickers

Jonathan Stewart Vickers, CC, Dr. Mus.,  kanadischer Heldentenor. Er wurde in Toronto ausgebildet und debütierte 1956 in London, dann 1958 bei den Bayreuther Festspielen als Siegmund, einer seiner Paraderollen.

Geboren: 29. Oktober 1926 (Alter 88), Prince Albert, Kanada Gestorben: 11. Juli 2015

Ehepartnerin: Henrietta Outerbridge (verh. 1953–1991)

YOUTUBE – Auschnitt aus Verdis OTELLO

 

 

JON VICKERS ZUM GEDENKEN

Ein Beitrag von Heinrich Schramm-Schiessl

 

Es war der 1. Oktober 1975 in der Wiener Staatsoper, als sich das Wiener Publikum bei einer „Othello“-Aufführung mit einem Sänger versöhnte, dem bis dahin ein eher großer Teil kritisch gegenüberstand, oder, formulieren wir es positiv, der nur von einem eher kleinen Teil des Publikums enthusiastisch, aber dafür umso treuer geliebt wurde – Jon Vickers. Ich gehörte zu letzterer Gruppe und habe ihn in vielen Diskussionen immer wieder heftig verteidigt. Das Problem war, dass es nicht genügte ihn zu hören, sondern man musste ihn einfach erleben, und dieses Erlebnis kannten damals viele nicht (mehr), da er nach Ende der Ära Karajan nur ganz wenige Abende in Wien auftrat. An diesem Abend kamen schon in der Pause, nach einem mit Giuseppe Taddei fuliminant gesungenen Rache-Duett, viele Stehplatz-Kollegen zu mir und sagten „Du hast recht!“. Das ganze hat sich dann ein Jahr später bei einem „Tristan“ im Dezember 1976 noch verstärkt. Leider hat er diese Partien, die zusammen mit dem Canio im „Bajazzo“ mit seine besten waren, jeweils nur einmal in Wien gesungen. Vickers kam bald nach Beginn der Ära Karajan an die Wr. Staatsoper und debutierte am 8.1.1959 als Siegmund in der Walküre. Ab da sang er regelmäßig, wenn auch im Gegensatz zu anderen großen Sängern nicht ganz so häufig einen Großteil seiner wichtigen Partien. Sein „Unglückstag“ war der 25.5.1962, als er bei der „Fidelio“-Premiere einen eher rabenschwarzen Abend hatte. Allerdings war er keineswegs so schlecht, wie viele damals getan haben. Dabei war gerade der Florestan eine Rolle, in der er seine gesamte Gestaltungskraft auf eindrucksvollste Weise zur Geltung bringen konnte. Besonders der Moment, als sich Leonore zu erkennen gibt, wurde von keinem anderen Sänger so berührend dargebracht wie von ihm. Gundula Janowitz, die den Fidelio mit ihm in Orange gemacht hatte – von dieser Produktion gibt es übrigens eine DVD – schilderte das in einem „Opernfreunde“-Gespräch einmal so: „In dem Moment hat er nur mehr einenen Gedanken: Wie bringe ich meine Frau hier heil heraus!“.

Nach den großen Erfolgen als „Othello“ und als „Tristan“ kam er dann doch wieder öfter, wenn auch leider trotzdem zu selten nach Wien und brachte es auf insgesamt 69 Abende, wobei er den Canio mit 14 mal am öftesten sang. Dieser Rolle galt auch sein letzter Auftritt in Wien am 3.2.1987. Ich erinnere mich an diese Vorstellung noch sehr genau. Seine Stimme hatte nicht mehr die Gewalt früherer Jahre, aber wie er bei „Sperai, tanto il delirio“ fast in ein Pianissimo verfiel, lief es einem eiskalt über den Rücken. Jeantte Pilou sagte einmal, Vickers war der einzige Canio, bei dem sie sich wiklich gefürchtet hat. Es waren gerade die leidenden, getretenen und unglücklichen Menschen, die er so hinreißend darstellen konnte. Seine in dieser Richtung wahrscheinlich eindrucksvollste Partie war der „Peter Grimes“. Leider habe ich ihn in dieser Rolle nie „live“ auf der Bühne erlebt, aber die DVD, die es davon gibt, belegt das bis ins letzte Detail. Meine Schlüsselerlebnisse mit Vickers erlebte ich in Salzburg. Sein Siegmund und sein Tristan – unvergesslich sein „Kurwenal, siehst du es nicht“ – bei den Osterfesrtspielen blieben für mich nie wiedergekehrte Sternstunden und seit ich ihn im Sommer 1970 das erste Mal als Othello erlebte, hat mir eigentlich kaum jemand mehr in dieser Rolle wirklich gefallen. Was ich ungemein bedaure ist, dass das an sich geplante „Wozzeck“-Projekt unter Karajan nie zustande kam, denn diese Rolle wäre ihm auf den Leib geschrieben gewesen. Dass das nämlich auch ein Tenor singen kann, hat schließlich Gerhard Stolze von 1969 bis 1971 in Wien bewiesen.

 So ist mit Jon Vickers wieder ein ganz Großer der goldenen Opernära von uns gegangen. Zum Glück sind viele seiner Aufführungen auf Ton- und Bildträger erhalten geblieben.

 Heinrich Schramm-Schiessl

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WIEN : Wiener Staatsoper: Früher Startschuss um den Thron

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NEWS eröffnet das Meyer-Nachfolgespiel

 

Dominique MEYER, ein Direktor zum angreifen

Dominique MEYER, ein Direktor zum angreifen

 

Einer muß ja anfangen damit, die so schrecklich opernlose Zeit in Wien zu überbrücken. Heinz Sichrovsky vom NEWS beginnt in seiner aktuellen Glosse “Spitzentöne” (NEWS-Ausgabe 28 vom 11.7.2015) – wie früh eigentlich noch – schon zur Halbzeit dem amtierenden Direktor des Wiener Spitzentoninstitutes zwar nicht ans Bein, aber vor die Tür zu pinkeln.

Zwar gesteht er Dominique Meyer saubere Arbeit zu, auch Erfolg bei der Auslastung der Sitzplätze – nur ein nordkoreanisches Wahlergebnis ist noch hochprozentiger – da können die Intendanten anderer Institute nur vor Neid erblassen. Aber was wäre ein umtriebiger Schreiber, der nicht das Gras zu säen instande ist, welches er nun, zu gegebener Zeit, wachsen hört.

Natürlich sammelt Meyer glühende Kohlen auf seinem Haupte für so manche Repertoireentscheidung – die Neueinstudierungen der kommenden Saison zeigen nur wenig Ambitioniertes und viele sehen den Einsatz eines raren Spitzendirigenten für eine Märchenoper als Vergeudung künstlerischer Ressourcen an – aber deshalb steht vor Antritt seiner zweiten Halbzeit der Direktor in Wien nicht mit dem “Rücken zur Wand”, wie sein Intimfeind aus der Münchner Oper meint, hat doch der Kritisierte sein Standbein auf mehr als fünf Dutzend spielbereiten Repertoireopern stehen. Natürlich spielt ja das Münchener Pendent Meyers bereits im Nachfolgespiel um Österreichs höchsten Kulturthron mit entsprechendem Einsatz seiner Wortmeldungen mit, ohne zu Bedenken, dass diejenigen, die sich zu früh aus der Deckung rühren auch dem frühen Verschleiß zum Opfer fallen. Auch ist er ja bis 2018 an der Bayerischen Staatsoper vertraglich gebunden und daher einer derjenigen, die laut NEWS “ihre Verzweiflung in Grenzen hielten, demissionierte Meyer vor der Aussicht einer vierjährigen Periode als lame duck”. Und wie schlimm für den Kritiker aus München, dass für Meyer ja auch nach entsprechender Bewerbung eine Verlängerung seines Vertrages nicht aussichtslos wäre. Da wiederum erfahren wir von NEWS, dass der amtierende Direktor darüber noch keine Entscheidung getroffen hätte, “doch scheint seine Ablöse erwünscht”. So genau weiß das wieder der Redakteur.

Keine Frage, dass bei einmal getroffenen Entscheidungen Benachteiligte eine Antistimmung fördern, was bei der Empfindlichkeit von singendem oder künstlerischem Personal zu verstehen ist und dass von so manchem und mancher die oft ungerecht und harsch wirkende Strenge des Vorgängers im Haus am Ring überraschend als Tugend gegenüber dem amtierenden Chef ausgespielt wird.

Da gibt es tatsächlich eine größere verwundbare Stelle bei Meyers Amtsführung: Der unrühmliche Abgang seines Generalmusikdirektors und die daraus herauslesbaren negativen Diagnosen über das künstlerische Niveau. Diese beeinträchtigen die Würdigung  der direktoralen Erfolge empfindlich. Ein wenig erinnert das – zugegeben, ein etwas hochgegriffener Vergleich – an den Abgang Karajans, an dem Hilbert und einige seiner Nachfolger sich die Zähne daran ausbissen, die künstlerische Lücke zu schließen.

Keine Frage, es wäre für Meyers Nachruhm in der Historie der Wiener Staatsoper wichtig, die Aussöhnung mit Welser-Möst selbst herbeizuführen, als diese durch Nachfolger einfädeln zu lassen.

Es gibt übrigens nicht wenige, die schon zu wissen glauben, dass erstmals eine Frau an der Spitze des führenden Kulturtempels Österreichs nicht mehr auszuschließen wäre. Es muss sich diese jedoch noch an anderen – allerdings nicht so stürmischen Gestaden – bewähren. Nächstes Jahr soll die Nachfolgeregelung für die Staatsoperndirektion über die Bühne gehen.

 

Peter Skorepa
OnlineMERKER
Foto (c) Skorepa

Das Bild der Staatsoper mit Genehmigung
des Künstlers Karl Goldammer

 

 

 

 

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Münchner Opernfestspiele : Ein Dramolett von Thomas Prochazka

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REFLEXIONEN   FESTSPIELE  2015

MÜNCHEN

 

Keine Frage, THOMAS BERNHARD hatte seine Dramolette sogar für das Burgtheater salonfähig gemacht, also bekommt THOMAS PROCHAZKA für ein Dramolett sogar im OnlineMERKER seinen Platz:

 

Opernfestspiele. Ein Dramolett.
 
München, Café Rischart am Viktualienmarkt, knapp vor 10:00 Uhr früh
 
Intendant (in hellem Leinenanzug mit rosa Hemd, Sonnenhut und dunkelbraunen Mokkassins, kommt von hinten auf den bereits wartenden Kritiker zu, schlägt ihm jovial auf die Schulter): Guten Morgen! Na, was war das für ein Erfolg gestern! Famos! Ganz famos!
 
Intendant (läßt sich in einen der Plastik-Rattan-Fauteuils fallen, hält die vorbeieilende Kellnerin kurzerhand am Rockzipfel fest): Eine Melange, mein Kind! (Gibt ihr einen freundschaftlichen Klaps auf das Hinterteil. Dann zum Kritiker): Sie müssen zugeben, wir haben unseren Ruf als Opernhaus des Jahres eindrucksvoll verteidigt! Das soll uns der kleine Franzos’ in Wien erst einmal nachmachen! — Und alles mit Münchner Kräften besetzt — bis auf den Waldner, da durfte ein Österreicher ran, wegen dem Lokalkolorit! Ha, ha, ha… (Lacht über seinen eigenen Witz.)
 
Kritiker von Welt (fingert am seidenen Halstuch im offenen Hemdausschnitt herum): Ich bitte Sie! Diese Inszenierung? Für dieses Werk, dieses leicht schwachbrüstige Operngeschöpf, wo die Liebe eine Ware ist, dieses nirgendwo so geliebte, anderswo als operettiger “Rosenkavalier”-Abklatsch verschmähte Stück? In dem Bühnenbild vom Sohn des größten Mandryka-Interpreten überhaupt: Da wohnen die Waldners im Keller, aber Zdenka singt munter: “Wie soll ich seine Augen sehen, er schaut ja nicht herauf!”
 
Intendant (überrascht): Ja? Wirklich? Ich weiß nicht… Wissen ‘S, für sowas habe ich meine Leute. — Ihr Kritiker seid aber auch pingelig! Das ist doch für die Storyline völlig uninteressant, wo die wohnen! (Unterbricht sich.) Wichtig ist: Die Leute haben gejubelt! Keine Buhs! Und das bei einer Festspiel-Première! Das soll mir dieser Franzose da in Wien…
 
Kritiker von Welt (fällt ihm ins Wort): Und im dritten Aufzug, bevor Arabella Mandryka das Glas Wasser reicht, da singt sie in — warten Sie mal, gleich hab’ ich’s (fördert aus seiner Hosentasche einen zerknitterten Zettel zutage) — ich hab’ mir das von einem Orchestermusiker aufschreiben lassen, weil: Ich kann ja keine Partitur lesen…
 
Intendant (überrascht): Sie auch nicht? Da haben wir ja schon wieder etwas gemeinsam! Der Laufenburg soll das aber angeblich können.
 
Kritiker von Welt: Seine Wiener “Elektra” sah nicht so aus…
 
Intendant (lachend): Ach, der auch nicht? Lustig! Der gute Uwe! Aber wie man sieht, wir Intendanten kommen auch so zurecht. — Daß diese musikwissenschaftlichen Kenntnisse auch immer so überbewertet werden. Unsereins ist doch Manager, nicht wahr? Mich hat die Musik schon nicht interessiert, da war ich noch Burgtheaterdirektor! Es geht um die Szene, verstehen Sie! Um die Darstellung! Der Rest ist Nebensache.
 
Kritiker von Welt (dreht den zerknüllten Zettel in der Hand): Also, um auf den dritten Akt zurückzukommen: Arabella singt (liest den Text ab) “und diesen unberührten Trunk / kredenz’ ich meinem Freund  / den Abend / wo die Mädchenzeit zu Ende ist für mich.” In E-Dur, steht da, in der Liebestonart. Und dann schüttet sie ihrem Bräutigam das Wasser ins Gesicht? Wenn das der Mickisch hört, dreht er durch!
 
Intendant (enthusiastisch wie ein kleines Kind begeisternd auf und ab wippend): Das ist doch genial, was dem Dresen da eingefallen ist, wie? Die emanzipierte Frau am Beginn des 20. Jahrhunderts! Auf diesen Regie-Einfall sind wir ganz besonders stolz!
 
Kritiker von Welt (allmählich verzweifelt): Ja, aber das ist ja alles falsch… Das steht ja alles nicht in der Partitur!
 
Intendant (herablassend): Ach was, Partitur! Die können Sie ohnehin nicht lesen, haben Sie gesagt! (Nimmt einen Schluck Kaffee, schüttelt sich.) Aber der Petrenko hat schon toll dirigiert. Es haben alle zugleich begonnen und aufgehört!
 
Kritiker von Welt (entgeistert): Petrenko? Der hat ja gar nicht dirigiert, der probt ja in Bayreuth…”
 
Intendant (überrascht): Nicht? Stimmt! Jetzt, wo Sie’s sagen! Ich hab’ mich auch schon gewundert, warum er plötzlich so groß war, der Petrenko. Und warum er die ganze Zeit Schwyzerdütsch geredet hat!
 
Kritiker von Welt (fassungslos): Sie wissen wirklich nicht, wer dirigiert hat?
 
Intendant (eilig): Aber sicher doch, aber sicher doch. Das war der … der… — aber ist ja egal. So gut war’s eh nicht. Ah, jetzt fällt’s mir wieder ein: Das war doch der … der … der Dingsda, der Oberösterreicher, welcher möcht’, immer, der hat bei mir vorher auch schon ein Strauss-Konzert dirigieren dürfen…”
 
Kritiker von Welt (fasst sich vor Entsetzen mit beiden Händen an sein seidenes Halstuch und ringt nach Luft): Das beste an diesem Konzert war das Programmheft!
 
Intendant (erstaunt): Finden Sie? Also, ich hab’ mir’s nicht angehört. Sie wissen ja, mich stört die Musik! Aber wenn ich dann 2020 im Opernhaus des Jahres aufhöre, werde ich ihn als Generalmusikdirektor mitnehmen nach Wien, den Oberösterreicher…”
 
Kritiker von Welt (nach einigen Sekunden der Schockstarre): Aber … aber da war der ja schon einmal GMD — bis die Philharmoniker einen neuen Vorstand wählten. Danach schmiß er ziemlich schnell hin…
 
Intendant (zuckt ennuiert mit den Achseln): Ach ja, die Wiener! Herzig! Der Franzos’ mit seiner Liebe zum Ballett: Geh’n ‘S, hören’s mir auf: Wen interessiert denn schon Ballett? Da kann man doch die Klepper und den Dresen und den Konwitschny nicht als Regisseure engagieren! Das wichtigste ist das Theater, verstehen Sie? Theater!!! (Trinkt die Melange aus, welche sich als “Großer Kaffee” entpuppt hatte.) Die Wiener schaffen es ja in zwei Probespielen nicht einmal, einen neuen Konzertmeister zu engagieren. Und dabei traten, wie man mir erzählte, zur Auswahl Leute an, die seit Jahren in dem Orchester spielen! Also, erzählen ‘S mir nichts! (Schüttelt den Kopf.) Nein, nein, für Wien ist der Oberösterreicher gut genug. Und wenn ich einmal wirklich etwas Tolles hören will, fahr’ ich nach Berlin. Zum Barenboim.
 
(Vorhang.)
 
Thomas Prochazka

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Die MERKER-Online Rezension – Gedanken von Thomas Prochazka

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Was kann eine Rezension im MERKEROnline leisten?

Wer für den MERKEROnline Rezensionen schreibt, muss vor allem eines sein — schnell, denn Nichts altert so schnell wie die Neuigkeiten von gestern.

Während Vertreter der großen Tageszeitungen (und manchmal auch anderer elektronischer Medien) noch an ihren Bleistiften kauen, kann man im MERKEROnline bereits eine, manchmal sogar zwei Meinungen lesen. Dass diese oft konträr ausfallen, ist auch darauf zurückzuführen sein, daß nicht alle Rezensenten ihre Zelte auf der Galerie aufschlagen (und ihnen daher herzlich gleichgültig ist, ob die seit Jahren gesperrte Dachterrasse wieder geöffnet ist). Der Höreindruck in der dritten Reihe einer Parterre-Loge wird auch naturgemäß ein anderer sein als z.B. in der ersten Reihe einer Proszeniumsloge, im Stehparterre oder eben auf der Galerie. Trotzdem wird man wohl alle Plätze als gleichberechtigt ansehen müssen.

Wer die Berichterstattung im MERKEROnline über einen längeren Zeitraum verfolgt, erkennt rasch, dass die Rezensenten unterschiedliche Schwerpunkte setzen: Da weigert sich der eine, überhaupt von unbefriedigenden Aufführungen und Sängerleistungen zu berichten, da nimmt’s der andere mit der Tonartensymbolik und den Partiturangaben besonders genau, während ein dritter die Intentionen des Regisseurs in den Vordergrund stellt und ein vierter nur mit Superlativen sein Auskommen findet. — Der kundige Leser weiß darum.

Über alldem schwebt allerdings eine einzige, große Frage: Was soll, was kann eine Rezension im MERKEROnline leisten?

Im Gegensatz zu den Tageszeitungen lesen den MERKEROnline vor allem Opernbegeisterte und -interessierte. Kann man darob einen höheren Wissensstand betreffend Regiehandwerk und Stimmtechnik als bei Tageszeitungslesern voraussetzen? Soll eine Rezension im MERKEROnline sich vor allem mit den gesanglichen bzw. gesangstechnischen Aspekten befassen? Oder muss die theatralische Wirkung einer Aufführung (zumal bei einer Neuproduktion) im Vordergrund stehen?

Soll man Sängerleistungen mit heutigen Maßstäben messen und in Lobeshymnen ausbrechen oder die Vergangenheit — welche sich beim genaueren Hinhören oftmals als gar nicht so glorreich entpuppt wie so oft behauptet — im Hinterkopf behalten? Ist es statthaft, alte, liebgewonnene Studioaufnahmen mit heutigen Live-Erlebnissen zu vergleichen? Darf nur, wer „die“ Cotrubas oder „die“ Gruberova (um den Damen ihre Wiener Adelstitel nicht vorzuenthalten) als Gilda auf der Bühne gesehen hat, Vergleiche mit heute auftretenden Sängerinnen anstellen?

Dazu gesellen sich ethische und gesellschaftliche Fragen: Darf man über eine Aufführung berichten, ohne die Partitur/den Klavierauszug studiert und sich nach bestem Wissen und Gewissen vorbereitet zu haben? Ist es moralisch vertretbar, Mitwirkende eine Produktion zu interviewen und dann diese Produktion zu rezensieren? Gilt selbiges auch für Aufführungen, in welchen Sänger mitwirken, mit welchen man geschäftliche oder private Beziehungen unterhält?

Darf man heute noch Rezensionen mit der — manchmal verkürzenden, aber großteils treffsicheren — Knappheit z.B. eines Kurt Blaukopf, Franz Endler oder Karl Löbl verfassen? Oder soll man ähnlich feuilletonistisch agieren wie jene, die z.B. von Tosca zu Tosca eilen und nach immer neuen szenischen Umsetzungen gieren? Ist es fahrlässig, sich nicht auf jede Rezension entsprechend vorbereitet zu haben; — etwa, weil man gestern der Eröffnung in Bayreuth beiwohnte und heute aus Salzburg berichten soll?

Sind — nicht zuletzt auch im Wunsch, seiner Leserschaft die eine oder andere neue Erkenntnis zu bieten — längere Erklärungen seitens des Rezensenten gefragt, dem großen Leonard Bernstein nacheifernd, dessen Ausspruch „I love watching people learn.“ einem für immer im Gedächtnis bleiben wird?

Fragen über Fragen also, welche nicht nur die freiwilligen Enthusiasten beim MERKEROnline betreffen, sondern welchen sich auch professionelle Berichterstatter bzw. deren Chefredakteure immer wieder auf’s Neue zu stellen hätten.

Von einer idée fixe sollte man sich allerdings verabschieden: Dass unbezahlte Rezensenten für oder wider die Leitungen von Häusern schreiben, um den Direktoren zu helfen oder zu schaden. Diese Vorstellung ist zwar charmant, aber das hieße, den Einfluss der Berichterstattung im MERKEROnline zu überschätzen. Oder?

Thomas Prochazka
MERKEROnline
21. September 2015

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Wiener Staatsoper EISERNER VORHANG 2015/2016 Dominique Gonzales-Foerster

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Kaspar Mühlmann-Hartl (art in progress) Elisabeth Smith (Helen Frankenthaler Foundation) DOMINIQUE GONZALES-FOERSTER, Prof.Kathrin Messner (art in progress) Dominique Meyer

Kaspar Mühlmann-Hartl (art in progress) Elisabeth Smith (Helen Frankenthaler Foundation) DOMINIQUE GONZALES-FOERSTER, Prof.Kathrin Messner (art in progress) und Dominique Meyer bei der Vorstellung der neuen Gestaltung für den „Eisernen“. Die Künstlerin präsentiert

Wiener Staatsoper
HELEN & GORDON von Dominique Gonzales-Foerster
Eiserner Vorhang 2015/2016

Von Peter Skorepa

Das Bild von HELEN Frankenthaler inmitten ihrer Bilder stammt von dem ersten schwarzen Fotographen, GORDON Parks (1912 bis 2006), der es in das Redaktionsteam des Life Magazins schaffte. Das war 1957, Helen Frankenthaler (1928 bis 2011) war Amerikas bedeutende Vertreterin der Farbfeldmalerei und des abstrakten Expressionismus. “Inmitten ihrer Gemälde sitzend weist der Körper der Künstlerin darauf hin, dass die Malerei ihr Raum ist. Sie ist also ihr Subjekt und nicht ihr Objekt. Jedoch ihr Körper ist in Ruheposition und vermittelt nicht die physische Kraft des Nahkampfs, der dieser Malerei innewohnt”. (Élisabeth Lebovici)
Dieses Foto ist nun Vorlage für die diesjährige Gestaltung des Eisernen Vorhangs durch museum in progress, ein Reenactment, welches durch die Strassburger Künstlerin Dominique Gonzales-Foerster (* 1965) vorgenommen wurde. Ihr vielseitiges Werk umfasst Fotographie, Video, Installationen, Bildhauerei, Performance, Design und Land Art. “Indem Sie die Dramatik einer Fotografie aufzeigt, welche die “Frau” und die “Künstlerin” ausstellt, erneuert und aktualisiert sie die ästhetische, aber auch politische Herausforderung einer Praxis der Fluidität” (Èlisabeth Lebovici)

Das Bild für den Eisernen 2015/2016 von Dominique Gonzales-Foerster ((C)Michael Pöhn

Das Bild für den Eisernen 2015/2016 von und mit Dominique Gonzales-Foerster (C)Michael Pöhn

Dazu ein Artikel im Standard

Vergleichen Sie dieses Bild mit dem Original von 1957 (siehe Bilder zu Helen Frankenberger) Einer Wiedergabe im MERKEROnline stehen das Copyright der Getty Images und die vielen amerikanischen Anwälte im Weg.

Die alljährliche und  zeitlich limitierte Verhängung des Eisernen in der Wiener Staatsoper ist vom Vorgänger Direktor Meyers, Joan HOLENDER intiert worden. Interessant dazu ein Artikel in der Presse über den Gestalter des Vorhangs für den Wiederaufbau 1955, Rudolf EISENMENGER, dessen ihm vorgeworfene Nähe zu den nationalsozialistischen Behörden (diese siehe in WIKIPEDIA) als zumindestens verharmlosend dargestellt ist. Lesen Sie selbst.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Wiener Staatsoper REFLEXIONEN September 2015

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Karl Goldammer Staatsoper Wien

REFLEXIONEN September 2015      1.Teil

Auf vielseitigem Wunsch aus dem Kreis unserer Leserschaft nehme ich gemeinsam mit Thomas Prochazka und dessen Mithilfe die REFLEXIONEN der Wiener Staatsoper wieder auf und wir sammeln monatlich in Form eines MAGAZINS die Berichte über die einzelnen Premieren, einzelne Serien oder Einzelveranstaltungen in Form von Auszügen der bei uns im MERKEROnline, aber auch Auszüge von in der Tagespresse erschienenen kritischen Artikel.            – Peter Skorepa

 

 

 

Inhalt des ersten Teil der September-Reflexionen:

Rigoletto
Der fliegende Holländer
La Traviata
La Cenerentola

 

 

Giuseppe Verdi: „RIGOLETTO“ 

Späte Reue Rigolettos: Ambrogio MAESTRI mit Aleksandra KURZAK als Gilda

Späte Reue Rigolettos: Ambrogio MAESTRI mit Aleksandra KURZAK als Gilda

Giuseppe Verdi: „RIGOLETTO“ 4., 7., 10. und 13. September 2015
11 — 14. Aufführung in der Inszenierung von Pierre Audi

„Mit einem ‚Rigoletto‘ in die Saison zu starten, ist eigentlich eine ‚sichere Bank‘“, eröffnete Dominik Troger seine mit „Willkommen im Opernalltag“ betitelte Rezension. „Eigentlich“, denn „sogar der Chor im ersten Bild erzeugte keinen Schwung. Die Sänger fanden im Spiel nicht recht zusammen, und Rigoletto, unübersehbar von Ambrogio Maestris ‚Falstaffkörper‘ gespielt, bewegte sich träge zwischen den Höflingen. […] Maestri bemühte sich gesanglich um Differenzierung, aber die leisen, zärtlichen Töne, etwa in den Zwiegesprächen mit Gilda, bereiteten im Mühe, im Finale sogar mit einem kurzen Anflug von Heiserkeit […] Insgesamt mangelte es an einer weicheren, noblen und farbenreichen Abschattierung seines Gesanges […].“ Elena Habermann hingegen befand in einer Vorabmeldung: „[…] Ambrogio Maestri in der Titelrolle sang fabelhaft […]“, während Wolfgang Habermann in seiner Rezension dieser Ansicht nicht ganz folgte: „[…] Seine stimmliche Gestaltung wächst aus einer sorgfältigen Konzentration auf den Text und er verblüfft oft, wie sehr er seine Stimme zurücknehmen kann, auch wenn er da zweimal leichte Probleme hatte.“ Peter Skorepa berichtete von der Aufführung am 13. September: „Ambrogio Maestri kann naturgemäß die außerordentliche Gestaltung der Titelrolle des unglücklichen Premierensängers nicht ersetzen, sein Spiel bleibt in minimalistischer Mimik und einigen Handbewegungen stecken […]. Dafür geizt Maestri nicht mit seinem enormen baritonalen Material, läßt Stentortöne mit achtbarem Squilloeffekt auf die Höflinge niedergehen ohne zu vergessen, seiner Tochter ein einfühlsamer Duettpartner mit ausgezeichneter Diktion zu sein.“ Karl Gaulhofers und Theresa Selzers Urteil in der Tageszeitung „Die Presse“ lautete: „Die große Enttäuschung aber war der Rigoletto des Ambrogio Maestri. […]“

Celso ALBELO als Gualdie Maldé mit Aleksandra Kurzak

Celso ALBELO als Gualdie Maldé mit Aleksandra KURZAK

„Die Gilda der Aleksandra Kurzak profitierte von der gesanglichen Virtuosität der Sängerin und einigen schönen, lang gehaltenen Piani, die etwa dem Schlussteil des ‚Caro nome‘ ein verträumtes, arabeskes Flair verliehen — das vom leicht kühlen Timbre ihres Soprans und von teils nicht mehr so ‚lupenreinen‘ Spitzentönen aber wieder etwas entzaubert wurde“, las man im „unaufgeregten Bericht“ (© Anton Cupak) Dominik Trogers, während Wolfgang Habermann der polnischen Sopranistin bescheinigte, „[…] nach einer tadellos gesungenen Arie […] vor allem mit einem wunderbar gesungenen ‚Tutte le feste’ und einem großartigen Diminuendo im Schlussduett [zu] überzeugen.“ Peter Skorepa meinte: „Fern von jedem Soubretten-Klischee gab Aleksandra Kurzak eine innige Gilda mit lyrischen Tönen und sanft verklingendem Pianissimo in ihrer Arie. Dass sie nur eine Minimalversion der Schlussverzierung sang, tat der Leistung keinen Abbruch […].“ Oder, kurzgefaßt, in Elena Habermanns Worten: „[…] die Kurzak ist als Gilda einfach Spitze […].“ „Celso Albelo als dritter Herzog von Mantua (in dieser Inszenierung) hat die ideale Stimme für diese Partie. Auf der einen Seite kann er die Wurzeln Verdis im italienischen Belcanto in den Verzierungen der großen Arie im dritten Bild mit leichter Stimme und perfekten Piani gestalten, hat aber auch metallisch klingende Höhen zur Verfügung“, wußte Wolfgang Habermann zu berichten. Dominik Trogers Urteil lautete: „Celso Albelo […] sang einen in der verdischen Melodie durchaus verwurzelten Herzog, der in der Eleganz und Erotik des Timbres und der Ausführung aber einige Wünsche offen ließ. Die Spitzentöne wurden jedenfalls zu nachdrücklich serviert, der Schluss der ‚beweglichen Frauenherzen‘ war für meinen Geschmack an der Grenze zur Outrage.“

 

 

 

 

MAESTRI mit der Maddalena von Elena MAXIMOVA

MAESTRI mit der Maddalena mit dem Schulmädchencharme von Elena MAXIMOVA

Last but not least schrieb Teilnehmer „Argus“ im MerkerOnline-Forum: „Albelo wirkt tatsächlich ein wenig ungeschliffen, hat beispielsweise den Beginn von ‚La Donna…‘ nicht richtig erwischt, aber durchaus Potential für zukünftige Aufgaben.“ — Richtig, als vierzigjähriger Sänger zählt man ja schließlich noch zum Nachwuchs. Darf also der Verfasser dieser Zeilen und der die Diskussion im MerkerOnline-Forum lostretenden Rezension auf seiner Meinung beharren, daß Albelo an diesem 4. September an seine stimmlichen Grenzen stieß? Auch, wenn Elena Habermann kurz und bündig befand: „Celso Albelo sang einen sensationellen Duca, so belcantesk habe ich das ehrlich noch nie gehört […].“ Vielleicht sollten wir die Definition von „Belcanto“ noch einmal nachschlagen? Dem Urteil Wolfgang Habermanns zufolge übertraf bei Elena Maximova als Maddalena „deren optische Wirkung immer noch den musikalischen Eindruck“, und Dominik Troger war „schon bei der Premiere“ nicht von Frau Maximovas „südländischem Temperament zu begeistern“ gewesen. In Peter Skorepas Diktion las es sich so: „Elena Maximova ist eine Maddalena mit Schulmädchensex zum Liebhaben und ihr Bruder, Michele Pertusi, scheint kaum gefährlich als gedungener Mörder.”

 

Michele PERTUSI als

Michele PERTUSI als Bravo in der Gewandung eines Rechtsgelehrten

Zu Michele Pertusi fiel Dominik Troger ein, dieser „gab den Sparafucile als schönsingenden, harmlosen ‚Notar‘“, und der Rezensent verband seine Beobachtung am 4. September mit dem Wunsch: „Möge der Sänger in den Reprisen den Meuchelmörder in sich entdecken.“ Und Evelino Pidòs Dirigat? Dieses wurde von den meisten Rezensenten für gut befunden, z.B. von Peter Skorepa: „[…] Evelino Pidò lieferte einen in den Tempi zügigen Verdi ab, die Betonung lag sehr auf der Dramatik etwa jener des Gewitters im letzten Akt, mehr zu verspürendes Brio und federnde Leichtigkeit für den Frauenverführer wäre ein Gewinn für die Wiedergabe.“ Der Teilnehmer „Argus“ stellte im MerkerOnline-Forum fest: „Das Dirigat von Pido war vermutlich so, wie es sich Verdi für dieses Werk vorgestellt hat.“ Da wollen wir hoffen, daß dem Komponisten nie der Live-Mitschnitt aus Florenz vom 19. November 1966 zu Ohren kommt: Welche Flexibilität und Elastizität Carlo Maria Giulini da dem Orchestra del Teatro Comunale di Firenze zu entlocken vermochte, wie er mit den Sängern atmete, verzögerte, antrieb, kurzum, ihnen ein ausgezeichneter Begleiter war, das ist mindestens um eine Klasse besser und lohnt sich nachzuhören. Vielleicht sollten wir die Diskussion danach noch einmal aufnehmen? Interessant auch, daß die Kritiker der „Presse“ sich vor der Veröffentlichung ihrer Rezension an den einen Tag zuvor erschienenen Berichten im MerkerOnline orientierten: „Hausherr Dominique Meyer, auch nicht frei von Aberglauben, stufte den Fluch zur ‚schwarzen Katze‘ herab.“ Über die „schwarze Katze“ konnte man allerdings nur auf dieser Website lesen. Aber ist es nicht schön, wenn „Die Presse“ beim MerkerOnline abschreibt, um nur ja ein im Trend liegendes Urteil zu fällen?    -Thomas Prochazka

 

 

 

 

 

 

 

Richard Wagner „DER FLIEGENDE HOLLÄNDER“

VOLLE greift nach der vermeintlichen Erlösung,

Michael VOLLE greift nach der vermeintlichen Erlösung, rechts Hans Peter KÖNIG

Richard Wagner “DER FLIEGENDE HOLLÄNDER” 5., 8., und 11. September

“Im September geben die Wiener Philharmoniker traditionellerweise Konzerte bei den BBC Proms in London und dem Lucerne Festival. In der Staatsoper setzt man zu dieser Zeit Werke mit kleinerem Orchester an, verstärkt durch Substituten. Wiener Opernfreunde wissen, daß sie gut bedient werden, wenn dann der eben erst in Pension gegangene Michael Werba an die Position des zweiten Fagotts zurückkehrt. Und wirklich, mit ihrem “Steuermann” Rainer Küchl und unter „Kapitän“ Peter Schneider am Pult navigierte man mit traumwandlerischer Sicherheit durch die Stürme in Wagners Partitur” schwärmt Thomas Prochazka über die Mannschaft des Holländers.

"Kapitän" Peter SCHNEIDER

„Kapitän“ Peter SCHNEIDER

Fastenzeit für Wagnerianer! Eingebettet in italienischer Oper und anderen Werken muß der Wagnerfreund bis Jänner auf die nächsten Stabreime aus Richards Werkstatt warten. “Zum Saisonstart setzt die Staatsoper auf „Rigoletto“ und auf den „Fliegenden Holländer”, dabei geht die stärkere Wirkung wohl eindeutig von der Richard Wagner-Oper aus. Nicht zuletzt weil die Seemanns-Ballade von einem grandiosen musikalischen „Käptn“ geleitet wird. Peter Schneider – Prototyp eines „Kapellmeisters“ von der Art, die früher Horst Stein oder Berislav Klobucar personifizierten” schwärmt auch Peter Dusek vom Hauskapellmeister mit langjähriger Bayreuth-Erfahrung. “Und es ist bewundernswert, mit welcher Selbstverständlichkeit der Maestro die wagnerischen Unwetter entfesselt. Nuanciert, ausbalanciert, mal tosend, mal zurückhaltend” so Valentin Lewisch. “Wie dieser Lieblingsdirigent so vieler Sänger dem Orchester die zahlreichen piani und pianissimi, welche auch in dieser Partitur schlummern, zum Leben erweckte, ließ seine Kollegen von der Abteilung „Italienische Oper“ schlecht aussehen” legt Thomas Prochazka noch ein Schäuferl nach.

MERBETH und Michael VOLLE

Ricarda MERBETH und Michael VOLLE

Endlich auch in Wien als Holländer zu sehen und zu hören. Michael Volle, der vor dreizehn Jahren bei uns als Adeliger begann (Figaro-Graf), ehe er in der Handelsmarine anheuerte. Er “ist ein hinreißender Holländer. Die Stimme strömt und füllt das Staatsoper-Rund, das Timbre erinnert an Theo Adam, die Spitzentöne bereiten ihm keinerlei Schwierigkeiten. Vielleicht ist er sogar zu „gesund“, zu vital” meint Peter Dusek. “Michael Volle sang und spielte ihn weniger selbstbewußt als Bryn Terfel, aber mit mehr Verzweiflung. Dies ließ seine Stimme in den pianissimi des Gebets das eine oder andere Mal zittern, tat aber dem Gesamteindruck keinen Abbruch” so hörte es Thomas Prochazka.

Zu Ricarda Merbeth schreibt Peter Dusek: “Sie hat in der berühmten Ballade einige Mühe mit dem Wechsel von Forte zu Piano, es fehlt ihr an somnambuler Selbst-Hypnose.” Dazu Thomas Prochazka: “Stark im Ausdruck, schon in der Ballade vom „Fliegenden Holländer“ und erst recht im großen Duett mit demselben, wissen Wiener Opernfreunde, was sie an Frau Merbeth haben.”

“Ein Erik der Extraklasse ist Herbert Lippert. Er legte die Rolle mehr in Richtung Belcanto denn als Heldentenor an. Aber der Vortrag ist perfekt, das Spiel sympathisch”, das fand Peter Dusek. Thomas Prochazka jedoch meinte zu dieser Leistung: “Darf man besorgt und – mit den besten Intentionen – vorschlagen, dass er und das Besetzungsbüro sich darauf verständigen sollten, die Partie des Erik in Wien nicht weiter zu verfolgen?” Zwei Kritiker, zwei völlig differente Meinungen und Hörerlebnisse an zwei unterschiedlichen Tage. “Als Steuermann verschlief Thomas Ebenstein einmal mehr die Ankunft des Holländerschiffes. Er wächst an und mit dieser Partie” stand noch bei Prochazka, aber auch dieses über den Daland: “Hans-Peter König, der mit dem gestrigen Abend seine Debut-Serie im Haus am Ring beendete, liegt die Partie des Daland viel besser als jene des Rocco im vergangenen Salzburger Festspielsommer… Interessant auch, daß seine Stimme eine Anlaufzeit benötigt, um richtig warm und voll zu tönen.” Und aus der Sicht von Peter Dusek: “Bleiben noch der etwas zu blasse und unpersönliche Daland des Hans-Peter König und die eher schwache Amme von Carol Wilson”

“Die Staatsoper unterstrich mit dem gestrigen Abend jedenfalls einmal mehr eindrucksvoll jene Kompetenz, welche man sich so sehr auch bei Mozart und Verdi wünschte”

Und von Karl Gaulhofer und Theresa Selzer stand in „Die Presse“ zu lesen : „In der Titelpartie debütierte Michael Volle: ein Holländer, der ganz dem düsteren Sujet Wagners entspricht. Mit kräftiger Stimme singt er bis in die tiefen Lagen ausdrucksstark, beschreibt mit nuancierter Dynamik die innere Spannung zwischen der Freude über die endlich erreichte Erlösung und der lähmenden Furcht vor neuerlicher Niederlage durch Untreue. Als Senta beweist Ricarda Merbeth vor allem durch vibratoreiche, nie zu schrille Spitzentöne, wie entschlossen sie sich mit weiblicher Kraft gegen ihren einstigen Liebhaber Erik (Herbert Lippert) stellt, der seinen Willen agil bis in höchsten Tenorhöhen artikuliert“

Peter Skorepa

 

 

Giuseppe Verdi „LA TRAVIATA“

Irina LUNGU

Irina LUNGU und Pavol BRESLIK verliebt. Ein Betriebsunfall im Kurtisanendasein.

Giuseppe Verdi “LA TRAVIATA” 9., 12., 17. und 21. September

“Es kann kein Zufall sein, dass diese Traviata-Serie mit dem Holländer alterniert. Hatte doch die Inszenierung des Jean-François Sivadier gehofft, mit dem Ende des Festivals von Aix erlöst zu werden und wurde dann durch die Übernahme in das Repertoire der Staatsoper dazu verflucht, in regelmäßigen Abständen wieder auf der Bühne zu landen und auf die Erlösung durch Publikumszuspruch zu hoffen. Doch furchtbar eitler Wahn, sie bleibt ein Bremsklotz für eine lebendige Aufführung, der nur durch eine exzellente musikalische Gestaltung möglicherweise überwunden werden könnte”. Soweit Wolfgang Habermann in seinem Bericht zu dieser Traviata-Serie.

Irina LUNGU

Irina LUNGU

 

Die russische Sopranistin Irina Lungu hatte sich schon einmal dem Wiener Publikum im Theater an der Wien in dieser Rolle vorgestellt. “Ihre Violetta klang schon im ersten Akt krank”, stellt dazu Thomas Prochazka fest, “mit scharfen, unfokussierten Höhen, unsauberen Koloraturen und Problemen in der Atemtechnik.” Hingegen schrieb Renate Wagner: “Dennoch – ein punktgenaues, lange gehaltenes hohes E zur Krönung der Arie und ein absolut ergreifendes Sterben sind nicht wenig für eine Rolle, zumal man eine attraktive, schlanke Frau auf der Bühne sieht.” Und W.Habermann meint: “Mit ihrem dunkel timbrierten Sopran, der in allen Lagen gleichmäßig anspricht, sauberen Koloraturen und wunderbar ruhig gestalteten Piani kann sie überzeugen.”

Pavol Breslik gab mit dieser Vorstellung sein Wiener Rollen-Debut als Alfredo. Auch ihm gelangen vor allem die piani-Stellen”…aber mit “viel zu sparsam eingesetztem Legato” so Th.Prochazka, dafür W.Habermann mehr aus der Sicht der Ästethik zu einer Beurteilung kommt: “Pavol Breslik hat zwar einen durchtrainierten Körper, trotzdem gelingt es ihm nur selten, die Stimme ruhig zu führen und so ist das Parigi, o cara eine mehr als zittrige Sache.” “Jedenfalls sitzen Höhen und Ausbrüche, und darstellerisch legte er sich gewaltig ins Zeug.” lobt Renate Wagner, während Daniel Wagner in der Wiener Zeitung überhaupt ins Schwärmen gerät: “Der Abend gipfelte auch dank des neuen Alfredo in einem authentisch intensiven Finale: Pavol Breslik debütierte in effektvoller Manier, ausgestattet mit klarer Linie bis in den Diskant.”

 

 

 

Carlos ALVAREZ

Carlos ALVAREZ

Carlos Álvarez sang nach 1997 erstmals wieder Giorgio Germont in Wien; und das um eine Klasse besser als alle seine – oft jüngeren – Kollegen.” Urteilt positiv Th.Prochazka über den Bariton, während W.Habermann in der nächsten Vorstellung zu einem andern Ergebnis kommt: “Carlos Alvarez als Vater singt das ganze Duett mit Vorsicht und lässt sein Edeltimbre nur in einer Einheitslautstärke erklingen. Doch in der Arie hilft alle Vorsicht nichts und er kann sich nur mit einem gewagten Notausstieg aus der Kadenz retten.”

“Die Comprimarii des Abends waren durchaus unterschiedlich bei Stimme, die Inszenierung kommt einem immer dümmer vor, je öfter man sie sieht” meint lakonisch Renate Wagner. “Und so wurde in der schlichten Inszenierung von Jean-François Sivadier die absolute Unabänderlichkeit des Seins deutlich” philosophiert dagegen in der Wiener Zeitung Daniel Wagner, während Wolfgang Habermann die praktischen Vorteile erwähnt: “So kann Zoryana Kushpler als Flora zeigen, dass sie nach wie vor eine sexy Figur hat und viel Bein zeigen, Aura Twarowska eine betuliche Annina gestalten”

Michael Schønwandt trat nach 14-jähriger Abwesenheit wieder ans Pult des Staatsopernorchesters. Schon nach dem Preludio war klar: Eine längere Abwesenheit wäre zu verschmerzen gewesen. So undifferenziert, dabei zu laut, musizierten die Damen und Herren im Graben schon lange nicht mehr” meint etwas säuerlich Thomas Prochaska, aber “die negativen Beurteilungen, die Dirigent Michael Schønwandt bei „Merker“-Kollegen erhielt, kann man nach diesem Abend nicht bestätigen. Däne hin oder her, der Mann hat tiefes Verständnis für Verdi” kontert Renate Wagner, dazu auch Daniel Wagner in der Wiener Zeitung: “Mit viel Raffinesse in den Stimmen, spannender Tempowahl und passenden Rubati trug er mit dem engagierten Staatsopernorchester zu einem besonderen Abend bei.” Und für W.Habermann “könnte das Orchester vor allem die Vorspiele beseelter spielen.”

Und das Résumé über diese Serie von Thomas Prochazka lautet: “Vom Anspruch, das international erste Haus für Verdi zu sein, ist die Staatsoper derzeit allerdings weit entfernt. Und diese Erkenntnis schmerzt.”

“Ungewohnt in der jetzigen Direktion ist, dass in die Regie eingegriffen wird. In der Premiere hatte am Schluss zuerst Annina (aus unerfindlichen Gründen) zusammenzubrechen, ehe zum letzten Akkord auch Violetta starb. Frau Twarowska erlebte das Ende aber aufrecht stehend.” Das stellte W.Habermann abschließend fest. Dazu als redaktionelle Ergänzung: Dieser Brauch begann schon unter der Direktion Holender, da sei nur als Beispiel erwähnt der Entfall der Pantomime zu “I Pagliacci”, welche Ponelle zum Vorspiel erfand oder Eingriffe in die Ausstattung etwa bei der wenig erbaulichen Regie der letzten “Forza del Destino”. Viel wesentlicher und von positiver Intention war der Eingriff in die Gestaltung der Titelfigur der laufenden Traviata, deren anfänglich und bei der Premiere noch demonstrierter Drogen-und Alkoholmissbrauch sich in die stückimmanente Grundkrankheit der Lunge rückverwandelte, was der Darstellung wieder mehr Mitfühlen statt Peinlichkeit einbrachte. Hier sei den dafür Verantwortlichen (Direktion, Dramaturgie, Abendregie) Dank ausgesprochen.

Peter Skorepa

 

 

Gioacchino Rossini: „LA CENERENTOLA“

Wem würde bei dieser

Wem würde bei diesem Aschenbuttel nicht das nicht Herz aufgehn: Margarita GRITSKOVA fleht jedoch bei Pietro SPAGNOLI vergebens um die Ballkarte

Gioacchino Rossini: „LA CENERENTOLA“ 16., 19., 23. und  26. September 2015
23. bis 26. Aufführung in der Inszenierung von Sven-Erich Bechtolf

„Ein ‚rising star‘ in der Titelrolle – Margarita Gritskova ist drauf und dran, zu einer [der] wichtigsten Entdeckungen der Ära von Dominique Meyer zu werden“, schwärmte Peter Dusek von der Aufführung am 16. September 2015: „[…] Die Stimme ist größer geworden, die Tiefe wird mit mehr ‚Brusttönen‘ versehen, die Höhe ist strahlend und metallisch. Dazu kommen perlende Koloraturen, eingelegte Verzierungen und stupende Läufe. Kurzum: Margarita Gritskova, die seit 2012 Ensemble-Mitglied der Staatsoper ist, kann in dieser Rolle mit Vorgängerinnen wie Christa Ludwig, Agnes Baltsa oder Elīna Garanča mithalten.“

Vom hübschen Entlein zur faszinierenden Ballattraktion.

Vom hübschen Entlein zur faszinierenden Ballattraktion. Benjamin BRUNS hat als stimmschöner Chauffeur alle Chancen.

Ähnliches berichtete Wolfgang Habermann von der Vorstellung am 19. September: „Der große Lichtblick in dieser Aufführung war die Angelina von Margaria Gritskova. Die junge Russin hat[te] bereits im Frühjahr vorigen Jahres ihr Rollen-Debut […]. Schon damals konnte sie überzeugen, aber es scheint, als hätte ihre Tiefe noch an Breite und Wärme gewonnen, ohne dass die stupenden Koloraturen Schaden genommen hätten. Dabei ist sie im Spiel sehr locker und (soweit möglich) natürlich[,] und ihr gebührt zweifelsfrei die Krone des Abends.“

Benjamin BRUNS

Benjamin BRUNS steuert  in seiner Prinzenrolle als falscher Chauffeur direkt in die Frauenherzen

Wilhelm Sinkovicz schrieb in der Tageszeitung „Die Presse“: „Was Stimmschönheit und Koloraturgewandtheit angeht, schlägt ihn (Anm.: Benjamin Bruns) an diesem Abend nur noch Margarita Gritskova in der Titelpartie: Diese Cenerentola bezaubert in Erscheinung und stimmlicher Modulationsfähigkeit: Vor allem vermag sie Rossinis abwechslungsreiche melodische Figuren immer aussagekräftig aufzuladen, ob sie das traurig’ Lied der armen Dienstmagd singt oder der Euphorie einer soeben entflammten jungen Frau Ausdruck verleiht.“

Damit endeten die Gemeinsamkeiten aber schon. Während der „Presse“-Berichterstatter davon schwärmte, „dass auch die heikelsten Partien auf Spitzenniveau aus dem Ensemble besetzt werden können, auch die subtilen Schattierungen in den Quintetten und Sextetten, die Rossini so kleinteilig liebevoll ausgearbeitet hat […]“, konstatierten die MERKEROnline-Rezensenten Wolfgang Habermann und Peter Dusek durchwachsenes Niveau bei den übrigen Sängern.

Ersterer nannte die Dinge beim Namen: „Aber wer kann Benjamin Bruns erklären, dass diese Partie für ihn eine Amor fou ist. Seiner Stimme fehlt die Agilität für den Tenore di grazia, und da helfen die sicher platzierten Acuti auch nichts. Bei seinem Diener Dandini steht die Sache leider nicht besser. Gabriel Bermúdez scheint zu viel zu wollen. Sein Gesang klingt verquollen, die Koloraturen sind verwaschen[,] und er kann eigentlich nur mit sympathischem Äußeren und quirligem Spiel zu punkten. Im Duett ‚Zitti, zitti, piano, piano‘ waren beide Sänger so klanglos piano, dass ich mich an Fischleins Nachtgebet erinnert fühlte.“

 

 

 

D

Der wirkliche Chaffeur Gabriel BERMUDEZ

Dies lag wohl daran, daß „die Qualität eines Opernhauses daran zu messen ist, wie eine solche Aufführung hinter den Kulissen vorbereitet wird und wie punktgenau sie dann realisiert wird […]“, wie uns Wilhelm Sinkovicz zu erklären wußte. Aber vielleicht haben wir da etwas falsch verstanden, verfügten seiner Meinung nach die Sänger, allen voran Benjamin Bruns, der „mit dem Prinzen Ramiro so etwas wie seine Paraderolle gefunden“ hat, „über das rechte Stilgefühl wie auch über das nötige technische Vermögen, ihre Stimmen sogar über weite Phrasen hin zu zügeln.“ Es ist schon bemerkenswert, was professionelle Journalisten so alles hören, das ihren für Gottes Lohn berichtenden Kollegen vom MERKEROnline entgeht…

„Nett, hübsch aber letztlich doch zu ‚leichtgewichtig‘ sind die bösen Stiefschwestern – Hila Fahima als Clorinda und Juliette Mars als Tisbe“, las man bei Peter Dusek. „Wirklich schwach war hingegen der neue Alidoro des Marco Vinco. Waren es die Nerven beim ersten Auftritt an der Wiener Staatsoper, er distonierte, klang fahl und indisponiert.“ Wolfgang Habermann vergab für die Schwestern ein „zufriedenstellend“, Wilhelm Sinkovicz ein „rechtschaffen zickig“. Er attestierte Hila Fahima als einzigem Sopran allerdings „Grandezza und [eine] schön aufblühende[r] Stimme“.

„Die Belcanto-Opern zählen nicht zu den Lieblingswerken des Orchesters.“ Dieser Satz Wolfgang Habermanns sollte der Direktion zu denken geben, denn „um hier Rossini-Fieber zu erzeugen, wäre ein Motivator notwendig. Michael Güttler ist aber ein solider Dirigent, der nicht das Feuerwerk zünden kann.“ Wahrscheinlich wird man sich im Haus am Ring aber an die „Presse“-Kritik halten, wo über des Dirigenten Leistung lesen stand: „Der Dresdner ist ein souveräner Kapellmeister, der mit sparsamen Gesten schon in der Ouvertüre das Staatsopernorchester auf die rechte Gangart einschwört […].“

Thomas Prochazka

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WIEN : Die Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955 Glanz und Elend der AUSTRIAN CORONATION

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"Oh namenlose Freude"

„Oh namenlose Freude“ Anton DERMOTA und Martha MÖDL

 

Als Auszug aus dem Buch DIRIGENTEN, STARS und BÜROKRATEN von Viktor Reimann
Ein Artikel des MERKEROnline aus der Serie „Die Wiener Staatsoper nach dem Wiederaufbau“

Zusammengestellt und redigiert von Peter Skorepa

 

 

AUSTRIAN CORONATION

 

„Ich hatte Gelegenheit, den Tempel der Kunst zu sehen, den das musikliebende Wien, ohne ein Opfer zu scheuen, gebaut hat. Ich habe das Gefühl, im größten Operntheater und auf der vollkommensten Bühne gewesen zu sein, welche die Menschheit jemals erkannt hat.“ Kein Geringerer als Dimitri MITROPOULOS sprach diese Worte, als er zum ersten Mal das neuerrichtete Opernhaus am Ring betreten hatte. Der Wiederaufbau der Wiener Staatsoper war Österreichs größte kulturelle Tat nach 1945. Er trug symbolischen Charakter, da er in den Anfangszeiten der Besetzung des Landes durch fremde Truppen aufgenommen, im Augenblick der wiedererlangten Freiheit aber vollendet worden war. Der Tag der Operneröffnung galt vielen als der eigentliche Befreiungstag.

Stellt der Staatsvertrag einen Glücksfall dar, das jahrelang erhoffte und kaum mehr erwartete Geschenk weltpolitischer Entspannung so offenbart die neuerrichtete Oper, was Österreich aus eigener Kraft zu leisten vermag. Sie schließt auch den Bogen zur Vergangenheit und tröstet über den Verlust politischer Größe hinweg. Ein Stückchen Weltmacht ist in ihren Mauern verblieben, eine Macht, die deshalb dauernder wirkt, weil sie keine Wunden schlägt. So kann man auch das Gefühl verstehen, das den Direktor dieses Hauses überfiel, als er am Vormittag des 5. November die Schlüssel „in Ergriffenheit, in Andacht und Demut“ in Empfang nahm. „ O Gott! – o welch ein Augenblick!“

Am Abend aber standen Hundertausende Wiener im Nieselregen rund um die strahlend erleuchtete Oper, um die Auffahrt der 800 Luxuslimousinen zu bestaunen und der Aufführung zu lauschen, die durch Lautsprecher aus dem Inneren des Hauses übertragen wurde. 300 Millionen Rundfunkhörer und mehrere Millionen Fernsehteilnehmer erlebten diese „Austrian Coronation“, wie man das Fest in den Tagen der großen Worte und des patriotischen Hochgefühls zu nennen pflegte. Nach der Aufführung aber tanzten die Wiener auf den Straßen und in den Lokalen die ganze Nacht hindurch.

Baustellenbesuch durch Maria JERITZA, links von ihr ist Karl FRIEDRICH zu erkennen

Baustellenbesuch durch Maria JERITZA, links von ihr ist Karl FRIEDRICH zu erkennen

 

Die Eröffnungsvorstellung am 5. November 1955 mit Beethovens „Fidelio“ hatte den Fehler vieler großer Galaaufführungen. Sie litt unter der Nervosität der Mitwirkenden und dem gesellschaftlichen Übergewicht. Man mußte dabei sein und man mußte gesehen werden. Reichtum und Macht gaben deshalb den Ton an. Dagegen verschwand die geistige Repräsentanz. Für die wenigen aber, die man aus ihren Reihen eingeladen hatte, wie Komponisten, Intendanten, Ehrenmitglieder der Staatsoper und Witwen von Theaterdirektoren, bezahlten einzelne Industrielle, was kein feiner Zug der Bürokratie eines Staates war, der opferfreudig des Hauses 260 Millionen Schilling für den Wiederaufbau des Hauses aufgebracht hatte. Die einzigen Frei-Billets erhielten 300 Journalisten, von denen zwei Drittel Auslandsblätter vertraten. Die Schar der Politiker führte US- Außenminister Dulles an, die der Diplomaten die US-Botschafterin in Rom, Claire Bouthe Luce. Die Wirtschaft repräsentierten vor allem die Ölkönige (Mc Gregor) und die Könige der Autobranche (Henry Ford, Firestone, Nordhoff). Der Adel stellte etliche Fürsten, Grafen und Barone. Aus der Schar der Künstler ragten die Ehrenmitglieder der Staatsoper wie Lotte Lehmann, Helene Wildbrunn, Maria Nemeth, Anny und Hilde Konetzni, Gusti Pichler, Bruno Walter, Alfrede Piccaver, Hans Duhan und Emil Schipper hervor, aber auch Wilhelm Backaus, Leopold Stokowski, Attila Hörbiger und Paula Wessely. In schönen Kleidern glänzten Eva Bartok und Winnie Markus. Den geistigen Adel stellten Oskar Kokoschka, Gian Carlo Menotti, Max Liebermann, Gottfried von Einem und Dimitri Schostakowitsch und mit rot-weiß-roter Krawatte. Er und Ivan Michailowitsch Tschulakin, Direktor des Großen Theaters in Moskau, kamen ohne den vorgeschriebenen Frack. Die Aufführung selbst ging zu ihrem Glück im Trubel unter. Die Wiener Kritiker übten Milde, um das festliche Ereignis nicht zu trüben. Die markanteste Kritik gab Schostakowitsch: „Orchester und Dirigent — sehr gut Solisten — gut bis befriedigend. Inszenierung — mangelhaft. Bühnenbild — viel zu grau und eintönig. Am Schluß singt das Volk wie in einem Oratorium, obwohl die Musik dynamisch ist und eine Handlung anzeigt.“ Zweifellos rettete die von Gustav Mahler stammende und oft gelästerte Einführung der Leonorenouverture III zwischen dem Jubelduett und der Schlußszene die Stimmung und damit auch die Aufführung Martha Mödl in der Titelpartie war darstellerisch großartig, aber gesanglich der Partie nicht gewachsen. Anton Dermota als Florestan sang gut, doch fehlte ihm wieder die Persönlichkeit, um die Rolle ganz auszufüllen. Auch Ludwig Weber als Rocco und Paul Schöffler als Pizarro blieben unter ihren sonstigen Leistungen. Irmgard Seefried (Marzelline) und Waldemar Kmentt (Jaquino) waren vorzüglich, dagegen fehlte Karl Kamann zum Minister das Format. Die Philharmoniker unter Böhm musizierten hinreißend. Die Inszenierung Heinz Tietjens und die Bühnenbilder von Clemens Holzmeister ließen schöpferische Vitalität nur wenig erkennen. Die Aufführung konnte weder erschüttern noch erheben.

Somit war die Operneröffnung als gesellschaftliches Ereignis in jeder Hinsicht gelungen. Auch die patriotische Note kam voll zum Erklingen. Künstlerisch aber blieb eine Enttäuschung zurück. Man wollte es sich nur nicht eingestehen, weil man zu viel Geld, zu viel Vorschußlorbeer und zu viel Stolz, vermengt mit einem Tropfen Überheblichkeit, investiert hatte. So wartete und hoffte man auf die nächsten Ereignisse.

Das große Freiheitsfest zu Höchstpreisen

Das große Freiheitsfest mit den Höchstpreisen

 

DER FALSCHE PLAN

Der 2. Tag der Eröffnung, Sonntag der 6. November, brachte Mozarts „Don Giovanni“, mit dem das Opernhaus 1869 eröffnet worden war. Die Mozartoper erwies sich für eine Galavorstellung geeigneter als Beethovens Werk. Nur machte die große Gesellschaft nicht mehr mit. Sie hatte sich am Abend vorher mit Kleid, Schmuck und Orden gezeigt und hatte sich in das goldene Opernbuch eingetragen, um künftigen Generationen kundzutun, in wessen Händen 10 Jahre nach Kriegsende Macht und Reichtum lagen. Die Bundestheaterverwaltung hatte falsch spekuliert. Sie wollte zwei Eröffnungsvorstellungen und setzte deshalb für beide Abende die gleichen Preise an. (siehe untenstehender Anhang) Am 5. November nun betrugen die Einnahmen S 2,593.670. —, am 6. November aber nur S 1,341.210. —, also fast um die Hälfte weniger .

Der künstlerische Erfolg dagegen war größer. Der Mangel eines durchdachten szenischen Konzepts, der Tietjens Arbeit kennzeichnete, ließ die Lösung von Schuh-Neher im „Don Giovanni“ besser erscheinen als sie tatsächlich ist. Leider erkrankte Schuh schon im Frühherbst und konnte deshalb nicht persönlich überwachen, wie seine Ideen auf der Bühne verwirklicht wurden. Für ihn mußte der Hausregisseur Josef Witt einspringen. Dadurch mangelte der Inszenierung von Anfang an das Wertvollste, das Schuhs Mozartinterpretationen auszeichnet: die Personenführung. Was man der Aufführung jedoch ankreidete, war ihre Eintönigkeit. Man schrieb den zweiten Tag der Operneröffnung und noch immer hatte man nichts von dem technischen Wunderwerk der Opernbühne gesehen, die den Berichten zufolge einzigartig in der Welt sein sollte. Neher und Schuh boten eine Einheitsdekoration.

Die zahlreichen Szenen der Oper spielen sich immer vor der gleichen Dekoration ab. Die einzige Abwechslung ist ein Zwischenvorhang, vor dem die großen Arien gesungen werden, was aber als Stilbruch angesehen werden muß. Zehn Jahre lang hatte man die Mozartinterpretationen der Bühnenzwillinge Schuh-Neher im Theater an der Wien so sehr bewundert, daß man im neuen Haus Wunderns überdrüssig wurde.

Die musikalische Darbietung ließ wieder keinen Wunsch offen. Die Philharmoniker unter Böhm gingen abermals als Sieger des Abends hervor. George London war dämonischer Don Giovanni, Erich Kunz spielte seinen publikumswirksamen Leporello. Anton Dermota als Don Ottavio bestach durch seinen vollendeten Gesangstil. Walter Berrys frischer Masetto und Ludwig Webers ergreifender Komtur ergänzten das erstklassige Männerquintett. Bei den Frauen gab Sena Jurinac der Gestalt Elviras edle Züge. Ihre große Es-Dur-Arie zählte zu den schönsten Eindrücken der Aufführung. Eine gleichwertige Leistung bot Irmgard Seefried als Zerline, während Lisa della Casa als Donna Anna zwar die vollkommene Schönheit verkörperte, doch gesanglich überfordert schien. Alles in allem konnte man von einem schönen Opernabend sprechen. Die Grenze zum großen Opernerlebnis überschritt aber auch diese Aufführung nicht.

Die folgenden Ereignisse bewiesen, daß der Plan, den man entworfen, auf falschen Überlegungen beruhte. Noch zu Hilberts Zeiten hatte der damalige Vizedirektor der Oper, Dr. Reif-Gintl, einen Plan ausgearbeitet, der zur Eröffnung nur zwei Opern vorsah. In der Folgezeit sollte alle drei bis vier Wochen eine Premiere stattfinden, dazwischen aber im Theater an der Wien weitergespielt werden.

Dieser Plan war zweifellos gut. Er rechnete ein, daß die Menschen keine Maschinen sind.

Drei Gründe verhinderten jedoch seine Durchführung.

Er war zu Hilberts Zeiten entworfen worden.

Man sollte der Welt die einmalige Sensation von acht Premieren im neuen Opernhaus innerhalb von vier Wochen bieten.

Böhm hatte eine persönliche Abneigung gegen das Theater an der Wien, weil der Beginn des internationalen Aufstieges dieses Theaters als Opernhaus in die Zeit seiner tiefsten menschlichen Demütigung fiel.

Nun sollten acht Edelsteine die Krönung zieren, doch erwiesen sich die wenigsten davon als lupenrein. Trotz halbjähriger Probenzeit stöhnte das technische Personal unter der Überbeanspruchung. Da die Bühne nach den modernsten, aber damit auch neuesten Richtlinien gebaut worden war, wagten weder Bühnenbildner noch Regisseure Experimente. Man griff deshalb auf alte Konzepte zurück.

Wo trotzdem die technischen Möglichkeiten der Bühne stärker ausgenutzt wurden, mangelte es an der geistigen Bewältigung des Stoffes. Die enttäuschende Bilanz ergab, daß man sieben neue Operninszenierungen herausbrachte, die szenisch zum größten Teil veraltet waren.

Damit erhielt aber für die nächsten fünf Jahre ein Großteil der bedeutendsten Repertoireopern ein szenisches Gepräge, das die Wiener Oper auf dem Gebiet der Inszenierung kaum über den Rang einer Durchschnittsbühne hob.

Die Eröffnung der Wiener Staatsoper schenkte der Welt keine bahnbrechende Wiener Opernkunst. Man gab um des gesellschaftlichen und publizistischen Rummels willen eine künstlerische Aufgabe preis.

Die Krise Böhm, die der „Austrian Coronation“ folgte, war nur der Katzenjammer nach einem Fest, auf dem man sich zuviel zugemutet hatte. Schuld daran war die Überschätzung der eigenen Qualität. Herbert von Karajan, der für den künstlerischen Teil der Eröffnung des neuen Salzburger Festspielhauses im Jahre 1960 verantwortlich zeichnete, hatte aus der Geschichte der Eröffnung der Wiener Oper gelernt. Er zeigte sich sowohl als Planer als auch im Erfassen der Möglichkeiten seinem Vorgänger in Wien turmhoch überlegen.

DER PREMIEREN-REKORD

Die dritte Premiere, Richard Strauß´ „Die Frau ohne Schatten“, fand am Mittwoch, den 9. November, statt. Wieder gab es einen Triumph des Orchesters unter Böhm. Wieder enttäuschten Bühnenbild (Emil Preetorius) und Inszenierung (Rudolf Hartmann). Man übernahm einfach die Münchner Inszenierung und ihren jugendstilmäßigen Rahmen, ohne die Wirkung der Münchner Aufführung zu erreichen, da bei der Übersiedlung nach Wien viele Nuancen verlorengegangen waren. Leonie Rysaneks blühender Sopran war das Ergebnis des Abends. Ihre Kaiserin wurde von keiner Sängerin seither erreicht. Christl Goltz überspielte zwar, doch hatte ihre Färberin Persönlichkeit und Faszination. Auch Elisabeth Höngen als Amme bot eine eindrucksvolle Leistung. Die Männer dagegen standen den Frauen weit nach. Ludwig Weber gab den Barak, Hans Hopf den Kaiser und Kurt Böhme den Geisterboten. Die Wahl des Werks mit seiner Traumlandschaft und seinem Humanitätsideal war ein glücklicher Griff, wie die Aufführungen der folgenden Jahre bewiesen. An den Glanz des philharmonischen Orchesters mußte Richard Strauß gedacht haben, als er die aufwühlenden Orchestersteigerungen komponierte.

Der 11. November brachte Verdis „Aida“ in der Inszenierung Adolf Rotts und den Bühnenbildern Robert Kautzkys. Diese Inszenierung fand die heftigste Ablehnung, obwohl die Aufführung zur größten Erfolgsoper im neuen Haus wurde. „Aida“, so lautete der Tenor der Kritiken, „ist die unmusikalischeste Inszenierung, die man in Wien in den letzten Jahren gesehen hat. Verdi verlangt gleißende Helle, hier aber herrscht ägyptische Finsternis.“ Nur Heinz Füssl im kommunistischen „Abend“ versuchte eine Ehrenrettung: Es ist, als ob nicht die Oberpriester, sondern unberührbar erhabene Götter die Schicksale lenkten. Man sieht nicht nur, sondern man spürt Antike.“

Später fand Rotts Leistung noch „einen warmen Verteidiger in der Person des französischen Philosophen Gabriel Marcel, der eine Aufforderung, nach der Pause wegzugehen, mit den Worten ablehnte: „Wo denken Sie hin! Zum erstenmal höre ich das Werk wirklich vollendet — und da soll ich mir das Vergnügen rauben, es endlich zur Gänze kennenzulernen?“ Dabei war damals die Besetzung mit Camilla Williams (Aida), Georgine Milikovic (Amneris), Josef Gostic (Radames) und Karl Kamann (Amonasro) zweitklassig gegenüber der Premierenbesetzung.

In ihr sang Leonie Rysanek die Aida. Selbst als ihr Organ in der Triumphszene Chor und Orchester sieghaft überstrahlte, hatte der Klang noch die Wärme eines Frühlingstages. Der Rysanek kam nur George London als Amonasro nahe. Hans Hopf (Radames), Gottlob Frick (Ramphis) und Oscar Czerwenka (König) boten gute Durchschnittsleistungen. Jean Madeira als Amneris sah zwar könglich aus, doch ihrer Stimme fehlten Adel und Höhe. Raffael Kubelik dirigierte zum ersten Mal Verdis „Aida“, war vor allem die Sänger zu spüren bekamen. Von einem italenischen Brio merkte man die ganze Aufführung nichts. Dem Liebling der Wiener, der sie mit Dvorak und Smetana in einen Melodienrausch versetzt, gelang es von diesem Abend an nicht mehr, die Wiener Kritik gänzlich zu versöhnen.

Die größte Enttäuschung bereitete aber die Premiere von Wagners „Die Meistersinger“ am 14. November. Der Dirigent Fritz Reiner, der Regisseur Herbert Graf und der Bühnenbildner Robert Kautzky spielten zusammen, um eine illusionslose Aufführung zustandebringen. Richard Kralik schrieb in der „Presse“, daß sich hier kein neuer Stil offenbare, sondern nur der alte ruiniert sei. Der erste Akt ginge noch an, doch der zweite sei ein konfuses Treppen- und Winkelwerk, die Festwiese aber ein anonymer Sportplatz. Über Fritz Reiner äußerte sich die Kritik, er habe viel Routine, aber wenig Herz und Klangsinn. In der Tat war das Orchester, das in den vorangegangenen Aufführungen alle Triumphe für sich gebucht hatte, nicht wiederzuerkennen. Es spielte völlig glanzlos.

Wer die Meistersinger-Premiere im Theater an der Wien am 30. November 1949 unter Clemens Krauss in ihrer Beschwingtheit, ihrem Duft und ihrer Festlichkeit erlebt hatte, mußte zutiefst verletzt sein. Waren die Wiener bis zum 14. November geneigt, verschiedene Entschuldigungen für die mißglückten Aufführungen gelten zu lassen, so ließen sie nun ihrem Groll freien Lauf. Paul Schöffler, dessen Sachs einer der ausgeprägten und reifsten Leistungen auf der Opernbühne darstellt, rettete, was zu retten war. Dagegen quälte sich Hans Beirer als Stolzing und erlitt auf der Festwiese vollends den Sängertod. Hier half ihm auch sein strahlendes Aussehen nichts mehr. Irmgard Seefried war ein bildhübsches Evchen, gesanglich auf der Höhe, doch schnippischen Wesens und keinesfalls eine verliebte Bürgerstochter. Ein Kabinettstück: der Beckmesser von Erich Kunz. Frick (Pogner), Dickie (David), Braun (Kothner) und Anday (Magdalena) erwiesen sich als verläßliche Ensemblemitglieder.

Die letzten drei Premieren brachten durchwegs Erfolge. Richard Strauß` „ Der Rosenkavalier“ am 16. November mit Bühnenbildern von Robert Kautzky, der die Rollerschen Entwürfe geschmackvoll modernisierte, und in der Regie von Josef Gielen, der das Werk jedoch zu sehr in Einzelheiten auflöste. Hans Knappertsbusch war der überlegene Dirigent, der im Gegensatz zum Regisseur mit souveräner Ruhe die Lichter dort setzte, wo sie das Wesentliche offenbaren. Höhepunkte: Sena Jurinac als Oktavian, wohl der beste der Welt, und Hilde Güden als Sophie mit kultiviertem Spiel und ausgefeilter Gesangstechnik. Maria Reinings Feldmarschallin griff mit ihrer Darstellung ans Herz, doch machte sich bei ihr eine Reihe stimmlicher Mängel bemerkbar. Kurt Böhme als Ochs spielte zu sehr aus, wirkte vulgär und brachte sich dadurch um den stürmischen Erfolg, den er in dieser Rolle unter Krauss bei den Salzburger Festspielen 1953 erzielt hatte.

Am 25. November fand die letzte Opernpremiere statt und wurde die Krönung des Opernfestes. Die Aufführung von Alban Bergs „Wozzek“ hinterließ den geschlossensten Eindruck. Nehers Bühnenbilder und Schuhs Inszenierung steigerten die Stimmung des Werkes ins Visionäre, womit sie sich mit der Musik trafen, die trotz ihrem strengen Formengebäude visionär ist und etwas von der Wirkung einer musikalischen Atombombe hat. Die Philharmoniker unter Böhm spielten ihre moderne Lieblingsoper mit der gleichen Hingabe wie eine Straußoper. Die Besetzung ließ keinen Wunsch offen. Walter Berrys Wozzek verdeutlichte Not und Vision des Unterdrückten. Dazu sang er die Partie, sang sie sogar noch dort, wo das Singen nicht mehr möglich scheint. Christl Goltz als Marie, erregend in ihrer weiblichen Brutalität, Karl Dönch als Doktor, voll skurriler Dämonie, und Peter Klein als tragikomischer Hauptmann boten eine vollkommene Leistung. Mit 28 Vorhängen übertraf die Aufführung alle vorangegangenen.

Den Abschluß des Opernfestes bildete ein Ballettabend am 29. November. Er brachte insofern eine angenehme Überraschung, als das Stiefkind der Wiener Oper, das Ballett, plötzlich einen starken Daseinswillen bekundete. Der Erfolg des Abends war „Der Mohr von Venedig„,ein Ballett von Erika Hanka, die auch die Choreographie führte. Die Musik von Boris Blacher bietet zwar keine Ballettmusik, dafür aber eine interessante musikalische Deutung des Othello-Stoffes. Die spannensten Szenen sind die zwischen Othello und Iago, die mit Willy Dirtl und Richard Adama ideal besetzt waren. Christl Zimmerls Desdemona strahlte jugendlichen Liebreiz aus. Vor der Pause gab es „Giselle“ in einer sehr konventionellen Choreographie. Die Bühnenbilder zu den Balletten schuf Georges Wakhewitsch und wurde seitdem in Wien heimisch. Die musikalische Leitung hatte Heinrich Hollreiser, damals von Publikum und Kritik gleichermaßen geschätzt.

RÜCKBLICK AUF DAS OPERNFEST

Innerhalb von dreieinhalb Wochen hatte man 8 Premieren herausgebracht, eine Leistung, die einem Rekord gleichkam. Auch finanziell war das Opernfest ein Erfolg. Vom 5. November, dem Beginn, bis zum 5. Dezember, dem Ende des Opernfestes, hatte man mit insgesamt 29 Aufführungen und einer Matinee 9,994.060 Schilling eingenommen. Die Durchschnittseinnahme von 29 Vorstellungen bei normalen Preisen beläuft sich auf 2,5 Millionen Schilling. Trotz diesem finanziellen Erfolg war die Klage nicht zu überhören, daß die Wiener die Galapreise nicht zahlen konnten. Deshalb mußte eine große Anzahl von Karten verschenkt werden. Fast 4 Millionen Schilling, also 40%, stammten aus den Einnahmen der beiden ersten Aufführungen in der Preiskategorie I, als die teuersten Plätze 5000 Schilling kosteten. In der Preiskategorie II (von 40 bis 2000 Schilling) fielen die Premieren von „ Die Frau ohne Schatten“ und „ Die Meistersinger“. Diese brachte 394.600 Schilling, jene erzielte eine Einnahme von 432.660 Schilling. Die Premiere von „Aida“ in der Preiskategorie III (von 35 bis 1600 Schilling) brachte es auf 535.650 Schilling. Die Premiere vom „Rosenkavalier“ erzielte 583.984 Schilling, obwohl oder vielleicht auch weil sie in der Kategorie IV (von 30 bis 1100 Schilling) fiel. In die Kategorie V (von 25 bis 800 Schilling) setzte man die Premiere von „Wozzek“ und den Ballettabend. Die Einnahmen von „Wozzek“ betrugen 101.810 Schilling, die des Balletts 163.530 Schilling. Für den Großteil der Wiederholungen wählte man die Kategorie VI (von 14 bis 240 Schilling).

Dazu kam noch die Matinee am 13. November, mit einem Kassenrapport von 243.060 Schilling. Bruno Walter dirigierte die Wiener Philharmoniker und den Staatsopernchor. Das Solistenquartett stellten Hilde Güden, Elisabeth Höngen, Erich Majkut und Gottlob Frick. Auf dem Programm stand Beethovens IX.

Die höchsten Einnahmen nach den beiden Eröffnungsvorstellungen erzielte „Rosenkavalier“, obwohl er nur in die Kategorie IV fiel. Daraus kann man ersehen, wieviel Karten in den anderen Vorstellungen verschenkt wurden. Ebenso kann man ersehen, daß die Verantwortlichen aus Snobismus, bloß um des gesellschaftlichen Aufwandes wegen, nicht nur die künstlerische Seite vernachlässigt, sondern auch den eigentlichen Opernbesucher von der „Austrian Coronation“ ausgeschlossen und zum Zaungast degradiert hatten.

Die künstlerische Bilanz aber war die: Von acht Inszenierungen entsprachen nur drei (Wozzek, Rosenkavalier und der Ballettabend) allen künstlerischen Ansprüchen. Die anderen boten zum Teil veraltetes Theater oder richteten sich gegen den Geist der Musik. Sie sind auf Jahre hinaus Ursache, daß selbst herrliche Opernabende keinen ungetrübten Genuß bereiten. Böhm hatte es versäumt, Regisseure vom Rang eines Wieland Wagner und eines Günther Rennert einzuladen, um auch von der Inszene her die Wiener Oper in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen. Böhms Zusammenarbeit mit Tietjen bewies, daß er zum Geschehen auf der Bühne kein richtiges Verhältnis hat, zweifellos ein Mangel für den künstlerischen Direktor eines Theaters.

Doch nicht genug damit. Auch der so erfolgreiche Dirigent Böhm ließ den Direktor Böhm im Stich. Damit, daß er vier Premieren selbst dirigierte, bewies er seine geringe ökonomische Begabung. Abgesehen davon, daß er sich körperlich überforderte und gleich nach dem Opernfest erkrankte, nahm er sich auch jede Möglichkeit, den Aufgaben des Direktors nachzugehen. Das aber rächte sich später schwer. Eine dem Dirigenten zu verzeihende, dem Direktor aber verhängnisvolle menschliche Schwäche verhinderte Böhm, eine erfolgreiche Dirigentenauswahl für das Opernfest zu treffen. Man hatte zwar Victor de Sabat und Dimitri Mitropoulos als Aida-Dirigenten eingeladen, doch der eine war zu krank und der andere mußte anderer Verpflichtungen wegen absagen. Auch sandte man Karajan briefliche Einladungen, den Rosenkavalier zu dirigieren, doch von Karajan kam keine Antwort. Mit nachhaltigem Ernst hatte man jedoch nichts betrieben.

Böhm wollte allein in der Sonne stehen. Knappertsbusch, dem prädestinierten Dirigenten für die „Meistersinger“, übertrug man bloß zwei Rosenkavalier-Aufführungen. Sein Erfolg glich einem Triumph. Die beiden Gastdirigenten aber, Kubelik und Reiner, versagten. Es fehlte also, sowohl was die Auswahl der Regisseure als auch was die der Dirigenten betraf, der weit vorausplanende Kopf. Böhm wollte der Direktor des Eröffnungsfestes sein. Er überlegte nicht, daß erst der Alltag über eine Qualität als Direktor entscheiden werde. Der Alltag aber sah trübe aus.

DER KATZENJAMMER

Am 19. Februar 1956 schrieb Josef Wechsberg in der „New York Herald Tribune“ unter dem Titel „Vienna Opera Disappoints“: Böhm is an able conductor, but he has neither the great personality of a Mahler, the artistic drive of a Schalk or the administrative ability of a Clemens Kraus.“

Was war geschehen? Böhm hatte erklärt: „ Ich stand immer auf dem Standpunkt, daß nicht Festabende, sondern der gute Qualitätsdurchschnitt das Gesamtniveau eines großen Opernhauses ausmachen.“ Wie hatte er nun für den guten Qualitätsdurchschnitt, wie für ein ständiges Ensemble vorgesorgt? Die Stars des Ensembles zerflatterten nach dem Opernfest in alle Windrichtungen. Immerhin standen zur Verfügung an Frauen: Goltz, Güden, Höngen, Stich-Randall, Streich, Madeira, Lipp und Loose; an Herren: Schock, Dermota, Schöffler, Kunz, Böhme und Klein. Dazu kamen die erst aufstrebenden Künstler wie Ludwig, Rössel, Berry, Czerwenka und Wächter. Doch mit den Leuten wurde nicht geprobt, da die Regisseure nicht mehr in Wien anwesend waren. Der Direktor hatte sich um nichts gekümmert. Man war zufrieden, jeden Abend eine Vorstellung herauszubringen.

So besaß man weder ein Startheater noch ein Ensembletheater

Die Wiener nannten wieder das schönste Opernhaus der Welt ihr eigen, doch dieses bot die mäßigsten Aufführungen in seiner Geschichte. Die acht Werke des Opernfestes reichten für das Repertoire nicht aus, um so weniger, als ein Teil der Werke wegen Sängermangel nicht aufgeführt werden konnte. Man half sich damit, Aufführungen aus dem Theater an der Wien zu übernehmen. Auch das geschah sorglos. Man hatte beim ersten Mal Glück als die Übersiedlung der „Boheme“ keinen Schaden davontrug. Die Premiere erfolgte am 8. Dezember. Die Besetzung mit Güden als Mimi und Loose als Musette und dem Männerquartett-Terkal. Schöffler, Berry und Czerwenka war vortrefflich. Hollreiser dirigierte das seinerzeit von Krauss glänzend einstudierte Werk. Dann aber kam das Debakel. Verdis „Troubadour“ und „Ein Maskenball“ mußten bald nach ihrer Premiere abgesetzt werden. Bühnenbild und Inszenierung wirkten völlig veraltet. Wegen der geringen Anzahl von Proben machten auch die Sänger einen verlorenen Eindruck. Dazu kam der stimmliche Niedergang von Carla Martinis, die im „Maskenball“ die Amelia sang. Die Presse rief nach dem Direktor. Doch dieser war nicht in Wien. Verschiedene Kreise, die ebenso verschiedene Ziele verfolgten, bereiteten nun den Sturz des abwesenden Direktors vor. Die Fäden liefen beim Leiter der Bundestheaterverwaltung, Ernst Marboe, zusammen. Er zog sie geschickt, ohne selbst in den Vordergrund zu treten. Der eigentliche Vorstoß kam von der Presse, insbesondere den Boulevardzeitungen, die ein Opfer für den Götzen Staatsoper forderten. Böhms Sturz lag in der Luft, doch wich man vor der letzten Entscheidung noch zurück.

 

*****

 

Soweit die Buchauszüge im MERKEROnline über die AUSTRIAN CORONATION, die Eröffnung der Wiener Staatsoper nach dem Wiederaufbau des – Gott sei Dank – nicht zur Gänze zerstörten Hauses am Ring.

Literaturnachweis: Viktor Reimann DIRIGENTEN, STARS und BÜROKRATEN (Glanz und Abstieg des Wiener Opernensembles) 1961. Viktor Reimann, 1915 bis 1996, Österr. Journalist,  war unter anderem von 1956 bis 1960 Pressesprecher der Bundestheaterverwaltung.

 

Für weitere Artikel sind noch die Kapitel „Sturz der Direktion Dr.Karl Böhm“ und „Karajans Einzug in die Wiener Staatsoper“ in den REFLEXIONEN des MERKEROnline in Arbeit.

Veröffentlicht sind in den REFLEXIONEN bereits Der Boheme Skandal 1963(Peter Skorepa) und Der Anfang vom Ende der Ära Karajan 1964 (Heinrich Schramm-Schiessl)

 

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Die Kartenpreise der beiden Eröffnungsvorstellungen FIDELIO und DON GIOVANNI :

Die Preise der beiden Aufführungen waren: Parkettsitze von S 2.000,– bis S 5.000,– Parterresitze 1.Reihe S 2.300,–, 2.bis 4.Reihe S 1.800,–, eine Loge im Parterre und ersten Rang kostete S 17.000,– im zweiten Rang S 12.000,–, Mittelloge 1.Reihe S 4.000,–, 2.Reihe S 2.000,–, Proszeniumlage 1.Reihe S 3.000,–,  2.Reihe S 2.000,–. Der Balkon war für die Presse reserviert. Sitze auf der Galerie erhielt man um S 50,– (2. Reihe ganz Seite) bis zu S 600,–.

Die Stehplätze kosteten S 20,– und S 30.–.

Die Vermögenden unter sich auf den besten Plätzen! Über Geld redet man nicht in diesen Kreisen, auch nicht über Gold. Daher singt man auch nicht darüber: Die sogenannte Goldarie des Rocco im „Fidelio“ wurde daher gestrichen!

P.S.

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Wiener Staatsoper REFLEXIONEN Oktober 2015

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Karl Goldammer Staatsoper Wien

Wiener Staatsoper

REFLEXIONEN
Oktober 2015

 

 

Im Wesentlichen stand der Oktober 2015 im Zeichen der Neuinszenierung von Verdis „Macbeth“ und den Auftritten zweier Diven, einer mit einer großen Vergangenheit in ihrem eigentlichen Fach, der dramatischen Koloratur und einer, die derzeit in die großen und dramatischen Fächer aufzusteigen beabsichtigt. Edita Gruberova ist die eine, die wiederholt ihrer Karrieredauer und ihrem Alter immer noch beachtliche Leistungen abtrotzt, Anna Netrebko ist die andere, die ihre Visite diesmal im russischen Fach absolvierte. Beider Gastspiele fanden positiven bis stürmischen Beifall in den Rezensionen und beim Publikum. Wermuthstropfen fanden sich in den Berichten leider immer wieder in den Beurteilungen der jeweiligen Partner unserer Gastdiven, die deren gesanglichem Niveau kaum Paroli bieten konnten.

Aber lesen sie selbst:

Die Neuinszenierung

 

                 Giuseppe Verdi  MACBETH       

      Premiere 4.Oktober 2015

Im Morden vereint

Im Morden vereint

 

 

Einig war man sich über die Notwendigkeit, die Scharte auszuwetzen, die der brachiale Eigensinn einer Regisseurin geschlagen hatte und der letztlich zu einem wirtschaftlich enormen Schaden geführt hatte. Schließlich fand man seitens der Opernleitung die Absetzung bereits der zweiten Serie als dringend erforderlich. Da reagierte also der damalige Direktor schnell, um den Ausfall an Einnahmen zu verhindern, eine gewisse Mitschuld an dem Debakel ist ihm allerdings bei der Auswahl von Frau Nemirowa für die Regie und vor allem bei der Beurteilung der zu erwartenden Risken nicht abzusprechen. Ein Brausebad mitten auf der Bühne für den schottischen König etwa, kann in unserer Stadt nur zu einer großen „Hetz“ für das Publikum mit entsprechendem Skandal ausarten. Und schon stockte der Vorverkauf. Zurück blieb ein teurer Haufen Abfall!

“Denkt man an den verantwortungslosen Umgang mit „Macbeth“ in der vorangegangenen Inszenierung der Wiener Staatsoper zurück, so besitzt man nach dieser Premiere nun eine Aufführung, die Hand und Fuß hat, die die Geschichte erzählt und sich vorzüglich fürs Repertoire eigenen wird.“ meinte Renate Wagner und Heinrich Schramm-Schiessl schrieb dazu „Seine (Holenders) damalige Regie-Favoritin Vera Nemirowa machte sich mit ihrer Inszenierung im Grunde über das Werk lustig.“

Und Wagner weiter: „Wenn Christian Räth wieder einmal auf eine Welt moderner Diktatoren in Uniform zurückgreift, ist das zwar eine nicht gerade neue Lösung, passt aber zweifellos gerade zu dieser Geschichte“, und ein zweifelnder Schramm-Schiessl: „Man könnte mit dieser Inszenierung durchaus leben, wenn er diese nicht, dem Wahn des zeitaktuellen Theaters verfallen, das Werk ins Heute in eine nicht näher definierte Diktatur verlegt hätte, was schon derart abgedroschen ist, dass es einfach nicht mehr originell sein kann.“

„Interessant und souverän ist vor allem der Umgang mit den Hexen (Pausenkommentar: „Arbeitshexen mit Umbauverpflichtung“)“ bei Renate Wagner.

 

"Hexen mit Umbauverpflichtung"

„Arbeitshexen mit Umbauverpflichtung“

„Und so zeigt er keinerlei tiefgreifende Neudeutungen sondern eine klar erzählte Geschichte in einem hässlichen, grauen Betonbunker, dessen graue Wände sich verschieben und drehen lassen und so mit einigen Treppen und Gängen versehen, immer neue Räume, wie in einem blutigen Gefühlslabyrinth entstehen lassen.“ schreibt Helmuth Mayer.

Tatiana Serjan

Tatiana Serjan

„Dass eine Grau-in-Grau-Welt, auch wenn sie ihre Elemente intelligent stets neu formiert, nach und nach etwas öde wirkt“  musste Wagner feststellen und  „…man ist in einer geschlossenen Burg, die immer wieder an den Führerbunker gemahnt, die Natur hat hier keine Funktion, selbst der Wald von Birnam wird am Ende nur mit Strichen an die Wand gezeichnet….der tote Banquo erscheint nicht als sichtbarer Geist, sondern nur als Schatten-Silhouette an der Wand, doch das reicht“

„Der sich öffnende Vorhang gab denn auch den Blick frei auf das Innere eines Bunkers häßlich und öde“ ist auch Thomas Prochazka mit den anderen einig, und „In der Banquet-Szene forderte Macbeth die Gäste auf, Platz zu nehmen; — allein, außer zwei Thronsesseln gab es keine Sitzgelegenheiten. Dass das brindisi mit nur einem Trinkpokal auskam, überraschte da schon gar nicht mehr.“ 

Mayer  meint: „Räths gegenwartsnahe Regie ist in heutigen Uniformen und Roben viel zu wenig packend,“ und „Schlüsselszenen wie die Ermordung Banquos und dessen Erscheinungen beim Festbankett werden verschenkt. Der Wald von Birnam wird mittels mit weißer Kreide auf die Wände gezeichneter Strichbäumchen symbolisiert.“ 

Hingegen findet Wolfgang Habermann „Dabei gelingen Räth vor allem mit den Schattenspielen auch durchaus beeindruckende Szenen, beispielsweise wenn der Schatten des Titelhelden schon während Macbeth noch am Fuß der Treppe mit sich ringt, die Treppe zum Königszimmer hinaufsteigt. Auch die Erscheinung Banquos während des Bankettes ist mit Schatten wirksam gelöst.“

 

George Petean

George Petean

George Petean sang seinen ersten Macbeth und hat die Rolle in unglaublich kurzer Zeit erarbeitet. Den allergrößten Teil des Abends ist er (als Macbeth) verwirrt, geängstigt und überfordert von der Situation: vor allem ein herumirrender Schwächling, der auch stimmlich nicht wirklich auftrumpfte. Die Ausstrahlung des überlebensgroßen Bösewichts, die Milnes, Bruson oder Nucci mühelos mitbrachten, hat er nicht.“ So der Bariton bei Renate Wagner, aber „er verfügt an sich über eine schöne, gut geführte Stimme, die allerdings nicht wirklich ein spezifisches Timbre hat. Leider blieb er gestalterisch etwas blass, insbesonders in der Mordszene des zweiten Bildes“ ist Schramm-Schissl weniger kritisch.

 

 

Mayer bringt es auf den Punkt: „Darstellerisch ist er aber ein ziemlich harmloser, teils ungelenker und zu wenig böser Macbeth. Ein Macbeth mit Hauspatschen und Schlafmantel in einer Hexenszene ist nicht wirklich zum Fürchten sondern wirkt lächerlich“  

Und bei Dominik Troger liest man: „Macbeth ist doch ein Feldherr, und er müsste in der gesanglichen Ausgestaltung farbenreicher zu Werke gehen. Die Regie hat zudem die Nachgiebigkeit von Macbeth unterstrichen, seine Ängste, seine Verwirrung, und ihm nicht einmal einen heroischen Tod gegönnt.“ 

Und das Diktum von Pochazka über Petean lautet letztlich: „Und ab dem dritten Akt fand Herr Petean wieder zurück zu jener Art der Produktion einzelner Töne, welche kenntnisreiche Opernfreunde bereits an der Rechtfertigung seines Engagements als Marquis Posa zweifeln ließen. Muß man wirklich darüber diskutieren, ob „Pietà, rispetto, amore“ — nie schreibt Verdi hier mehr als mezzoforte vor — legato gesungen werden soll?“

Tatiana Serjan

Tatiana Serjan

 

 

Über Tatiana Serjan sagt Frau Wagner: „Dass die Höhen oft „verschleiert“ kamen, manches gelegentlich fast misstönend – ja, da kann man sich auf Verdi berufen. Ihre Intensität machte sie jedenfalls zum Publikumsliebling des Abends.“ Und Prochazka kompetent: „Frau Serjans Stimme entspricht den Wünschen des Komponisten wie wahrscheinlich keine andere seit Mara Zampieri: Dramatisch, attackiert sie von der ersten Phrase an und schont sich nicht. Leider trüben wiederholtes Distonieren, verpasste Einsätze und übermäßiger Portamento-Gebrauch ihre Darbietung.“ Und Mayer: Sie singt bei ihrem Hausdebüt mit beeindruckender Riesenstimme, hoher Dramatik, ungefährdeten Spitzentönen aber auch Sinnlichkeit und vielen feinen Tönen, vor allem in der Nachtwandlerszene.“  Und das Lob ergänzt noch W.Habermann: „…wie sie die zweite Strophe des Brindisi nach der ersten Banquo-Erscheinung wie leicht verunsichert sotto voce ansetzt, das hat Klasse…In der großen Nachtwandelszene weiß sie auch die Stimme fahl zu färben. Eine große Leistung !“ 

 

Furlanetto

Ferruccio Furlanetto

„Ferruccio Furlanetto in Uniform ist ein Banquo von Format, wenn seine Stimme an diesem Abend auch nicht immer gleichmäßig auf der Höhe ihrer Schönheit und Fülle war.“  So Wagner, und dazu Prochazka „Furlanetto gebührte als Banquo die Sängerkrone des Abends.“

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„Bleibt noch die undankbare „Hauptrolle“ des Macduff zu erwähnen, der in Jorge de Leon einen etwas ungeschlachten Tenor fand“ meint Troger und Prochazka weiß ähnlich negatives über den feschen Tenor zu berichten: „Mit stark tremolierender Stimme wurde er den technischen Anforderungen seiner Partie nur selten gerecht. Macduffs Romanze „O figli, o figli miei“ — großteils im piano bzw. pianissimo notiert — erklang im forte, zu feinerer Differenzierung ist diese Stimme nicht (mehr) fähig.“

Ergänzend ist bei Mayer zu lesen: „Mehr als solide erlebt man die kleinen Rollen mit Jinxu Xiahou als schönstimmigen Malcolm, Ivan Beaufils als Fleance, Jongmin Park als Spion sowie Donna Ellen als Kammerfrau.“  Und dazu zuletzt „Der Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung: Thomas Lang) ist nicht immer eines Sinnes, bei den Damen (speziell bei den Hexen) hin und wieder sogar inhomogen, weil einzelne Stimmen immer wieder hervorstechen.“

 

 

„Alain Altinoglu packte das Werk in dramatischen Passagen kräftig an, versäumte aber, die langsamen Teile mit der nötigen inneren Spannung zu versehen. Musikalisch hing der Abend immer wieder durch, und wenn in der Szene, wo Macbeth zum Mord schreitet und vom Mord zurückkommt, beide Herren an meiner Seite, der rechts und der links, geradezu selig schliefen, stimmt etwas nicht. Der geniale Gänsehaut-Charakter der Musik vermittelte sich bestenfalls stellenweise.“ Schreibt ohne Gänsehaut Renate Wagner.

„Neben zu lauten und knalligen Aktschlüssen gab es lange Passagen, in denen das Orchester mehr in düsterer Stimmungsmalerei verharrte.“ So Troger und weiter bei Prochazka

„Des Öfteren vermisste man die federnd leichte, geschmeidige Führung und die Schroffheit, welche die Interpretationen eines Claudio Abbado, Riccardo Muti (Salzburg 2011!) oder Giuseppe Sinopoli auszeichneten.“  Ja früher.

Renate Wagner freut sich schon „…wenn eines Tages (hoffentlich) Anna Netrebko und andere ganz große Kaliber hier durchmarschieren und dem intelligenten Grau der Szenerie durch den Glanz ihrer Stimmen große Opernfarbe geben.“ …und dazu können wir nur alle zustimmen.

Und das Resümee von Dominik Troger : „Für den künstlerischen Anspruch der Wiener Staatsoper ist eine gute, unspektakuläre Repertoireaufführung als Premiere schon ein bisschen „minimalistisch“ konzipiert.“ 

Peter Skorepa

Ein Link zumTrailer von MACBETH aus der Wiener Staatsoper

Und hier die Links zu den ausgewählten Rezensionen dieser Premiere im MERKEROnline von:

Renate Wagner
Schramm-Schiessl
Thomas Prochazka
Helmuth Mayer
Wolfgang Habermann
Dominik Troger

 

Gaetano Donizetti   ANNA BOLENA

Die GRUBEROVA

Die GRUBEROVA inmitten ihres Gefolges

 Gaetano Donizetti: »ANNA BOLENA«

  1. – 23. Oktober 2015
  2. – 18. Aufführung in dieser Inszenierung

Nach einem Staatsoperngastspiel in Japan präsentierte sich Edita Gruberova nun auch den Wiener Opernfreunden als Anna Bolena. »Ein Jahrhundert-Ereignis und vielleicht sogar der Bühnenabschied im Haus am Ring«, bejubelte Peter Dusek die Leistung der Primadonna in der letzten Vorstellung dieser Serie mit einer Träne im Knopfloch.

Gritskova

Margarita Gritskova

»Bemerkenswert, wie diese Sängerin, die vor 45 Jahren im Haus am Ring […] debütierte, nun an der Schwelle zum achten Lebensjahrzehnt stehend, diese erforderliche Palette an Farben und Schattierungen in ihren Gesang legen kann und dabei vereinzelt schon auftretende Manierismen im Anpeilen von Tönen vergessen läßt«, wahrte hingegen Peter Skorepa in seinem Bericht vom 14. Oktober die Courtoisie. Wolfgang Habermann wurde deutlicher: »Die Sängerin polarisiert ihr Publikum: Während der eine Teil so viele Glückshormone produziert, dass er den Einsatz für den Applaus nach der großen Arie ›Al dolce guidami‹ verpasst, leidet oder lacht je nach Gemütsverfassung der andere Teil. Eine zahlenmäßige Abschätzung der Größe traue ich mich nicht zu geben.«

 

Den Vogel schoß jedoch Katharina Wappler ab, als sie in der »Wiener Zeitung« schrieb: »Das Verblassen der Sangeskünste der Koloratursopranistin aus Bratislava ist unüberhörbar. Beim Zuhörer kommt das Zittern mit jedem Auftritt der Protagonistin und vermehrt sich, je höher ihre Töne sind. Ihre Koloraturen wirken angestrengt, im Piano ist wenig an Substanz da. Ihre Stimme trägt sie nicht mehr durchgehend […].« — So, meine verehrten Damen und Herren, liebes Publikum, erschreibt man sich als Kulturjournalistin in Wien Bekanntheit.

Sonia GANASSI

Sonia Ganassi

»Ein Glücksfall […] die junge Russin Margarita Gritskova als Smeton. Ein wunderschönes Timbre, ein erfrischendes Spiel — hier wächst ein Super-Talent heran«, las man’s bei Peter Dusek, während Peter Skorepa mit unnachahmlicher Liebenswürdigkeit mit seiner Einschätzung der restlichen Besetzung nicht hinter dem Berg hielt: »Neben ihr, der wohl Ältesten unter den Protagonisten, konnte nur die Jüngste in der Runde, Margarita Gritskova, als Smeton mit ihrem jugendlichen und lebendig eingesetzten Sopran noch gefallen. Auch kommt die spielerische Leichtigkeit dieser Figur der schlanken und gut aussehenden Sängerin entgegen.«

»Sonia Ganassi war eine Seymour mit profunder Tiefe und gelegentlichen kleinen Problemen in der Höhe«, urteilte hingegen Wolfgang Habermann, und auch Karl Gaulhofer in der Tageszeitung »Die Presse« fand: »Dass auch der zweite Kulminationspunkt der Donizetti-Oper, das Duett mit der Rivalin Seymour, zum großen Moment geriet, ist Sonia Ganassi zu verdanken. Mit ihrem variantenreichen Mezzo durchschritt sie souverän alle Höhen und Tiefen der Gefühle und Tonlagen.«

Bei Celso Albelo, dem Sänger der Tenorpartie, schieden sich die Geister, doch hatten die Herren unterschiedliche Vorstellungen besucht. »Celso Albelos lyrischem Tenor liegt zartes Schmachten weit mehr als Schmettern in lichten Höhen, weshalb man ihm den Percy eher abnimmt als zuletzt den Herzog im Rigoletto«, berichtete Karl Gaulhofer von der ersten Vorstellung, während Wolfgang Habermann nach dem 14. Oktober befand: »Auch bei Celso Albelo wäre wohl eine Ansage notwendig gewesen. Im ersten Akt kämpfte er wacker gegen die Frösche bei den Cs. In der Pause schien er sich aber erholt zu haben und hatte weder in der Arie noch in der Cabaletta diese Probleme.«

Gruberova Gritskova

Edita Gruberova und ihr „Anbeter“ Margarita Gritskova

»Eine echte Enttäuschung« war für Karl Gaulhofer »der böse König des Abends: Marco Vincos Bass tönte stumpf und viel zu leise. […] Die Buhrufe am Schluss waren leider verdient.« Offenbar Anzeichen einer sich ankündigenden Indisposition, denn »zu Beginn ließ sich Marco Vinco wegen einer Verkühlung entschuldigen«, schrieb Wolfgang Habermann über die darauffolgende Vorstellung, »aber er brachte den Abend, auf Sparflamme singend, unfallfrei über die Runden.«

»Es wird immer gesagt, dass das Orchester den Belcanto-Opern gegenüber wenig Begeisterung hegt«, reflektierte Wolfgang Habermann seine anläßlich der September-Aufführungen von La Cenerentola getane Aussage. »Wenn aber Evelino Pidò am Pult steht, so kann man dieses Gerücht nicht bestätigen. Hier klingt es aus dem Graben auf einmal differenziert und spielfreudig, wie es auch diesen Werken ansteht.«

Thomas Prochazka

 

Ballett: »Herzog Blaubarts Burg«, »Fool’s Paradise«, »The Four Seasons«

The Four Seasons

The Four Seasons

 

Ballett: »Herzog Blaubarts Burg«, »Fool’s Paradise«, »The Four Seasons«

Premièren-Serie 29.Oktober bis 10. November 2015
Choreografien von Stephan Thoss, Christopher Wheeldon und Jerome Robbins

»Blaubarts Geheimnis als Hors d’oeuvre könnte auch ein Endspiel sein. Ist es aber nicht«, eröffnete Meinhard Rüdenauer seine Rezension über ein ›Delikates Menü in drei Gängen‹, welches die jüngst Ballett-Première im Haus am Ring für ihn war: »[…] Thoss hat sein Geheimnis schon sehr, sehr dicht gearbeitet, und mit seiner auf virtuose Tanzgymnastik und ständigen Bewegungsfluss ausgerichteten Phantasie erlaubt er den Tänzern, immer wieder mit hunderterlei verblüffenden Positionen eindringliche Wirkungen zu erzielen.«

Ulrike Klein besuchte die zweite Vorstellung am 31. Oktober: »Inmitten von Dunkelheit tanzt als wärmendes Licht Alice Firenze die liebende Frau Judith, die unermüdlich bemüht ist, ihren Mann Kirill KourlaevBlaubart, aus den spinnengleichen Fängen seiner Mutter Rebecca Horner und den Leichen/Schatten der Vergangenheit zu befreien, und auch dessen Alter Ego Andrey Kaydanovsky, zu bekämpfen.«

»Kirill Kourlaev — a dancer that understands what dramaturgy is all about, possesses a very unique presence on stage. He dominates this difficult character in all its small details even if, in his own words, he is sometimes scared of it«, berichtete Ricardo Leitner über die männliche Hauptpartie aus der Première, vergaß aber auch der kleineren Rollen nicht: »Rebecca Horner, a dancer with a strong tendency to one-dimensional characterizations, compensated this lack with aggressiveness interpretating the character, just to overact it. […] Her Bluebeard’s Mother was too threatening, too much.«

Avraam Peci

Ioanna Avraam und Eno Peci

Über Fool’s Paradise, die erste Hauptspeise‹, schrieb Meinhard Rüdenauer: »Christopher Wheeldon bietet hier fein sublimierenden erotischen Tanz zum Genießen. Trotz verführerischer Bodysuits kein Frischfleisch: Die Duftigkeit dieser Körperschau scheint zu einem Trip in eine ätherische nächtliche Traumwelt verleiten zu wollen.«

Ricardo Leitner empfand den Mittelteil als »the surprise of the evening even if Joby Thalbot’s music tend to portray a very strong pathos. […] The choreography is so well idealized that it is nearly impossible to concentrate on single performances instead of on the group. Simply pure harmony.«

»Die Choreographie wirkt, als spielten Kinder: frei von Zwang, die pure Lust am Leben, an der Liebe und am Zusammenspiel«, urteilte Ulrike Klein. Und weiter: »Ioanna Avraam und Eno PeciKiyoka Hashimoto und Davide DatoGala JovanovicGreig Matthews und Richard Szabo sowie Olga Esina mit Roman Lazik sind die Bewohner dieses Paradieses. Mit dem ersten Betreten der Bühne wird sofort spürbar, wer hier die Königin im Reich ist: Olga Esina tanzt derzeit auf dem Zenith ihrer Karriere.«

In Ricardo Leitners Worten las sich das so: »Olga Esina’s precise performance [is] in full-command of her technique. Since quite a long time this strong dancer, that was once ironically called ›The Grace Kelly of Dance‹ (because people thought that she was cold and aloof) has been gaining ›a new aura‹.«

»The Four Seasons folgen nun als zuckriges Dessert — oder doch als zweite wohlschmeckende Hauptspeise? […] Ist dieses spritzige Divertissement nun eine Parodie auf das typisch zaristische Ballett oder bloß nur ein alter Hut? Beides wohl, dabei doch mit sehr, sehr viel feinem Humor, beschwingter Komödiantik und sicherer Musikalität gestaltet.«, lautete Reinhard Rüdenauers Befund.

»Robbin’s choreography is demanding. But definitely not one of his best«, befand Ricardo Leitner und sparte auch nicht mit kritischen Anmerkungen, etwa zu Mihail Sosnovschi and Maria Yakovleva, dem Ersten Paar im Frühling: »Mr. Sosnovschi, even if professional as always, danced through it this time quite emotionless, as if he was bored […]. Miss Yakovleva proved once more that she is a clever dancer. […] Even though very technically limited, she can hide these flaws and give a good impression because of her looks, ›mignon‹ physique and lively way. Viennese Audiences, still in need of learning much about Ballet, usually welcome her performances overseeing what should not be overseen.«

»Man freut sich geradezu auf den Herbst«, schrieb Ulrike Klein über Jerome Robbins Choreographie zur Ballettmusik Die vier Jahreszeiten aus Giuseppe Verdis Oper I Vespri Siciliani: »Hier gesellt sich zum Paar Liudmila Konovalova und Denys Cherevychko noch als erdiges Element der Faun, Davide Dato. Das tänzerische Feuerwerk, das diese drei Tänzer entzünden, überträgt sich auf die Zuschauer. Die Freude, dabei sein zu dürfen, ist nicht zu überhören.«

»Die ganze Kompanie versteht es in diesem dreiteiligen Tanzmenü, aufmerksam geführt von Dirigent Alexander Ingram, voll auftzurumpfen. Sehr gute Stücke, sehr gut getanzt«, lautete Meinhard Rüdenauers Resumée der Premiere.

Cherevychko  Konovalova

Denys Cherevychko und Liudmila Konovalova

In der Rezension der Vorstellung vom 3. November 2015 mit der Alternativbesetzung fand Reinhard Rüdenauer Zeit für ein paar grundsätzliche Gedanken: »Um allen Tänzern des Abends gerecht zu werden: Gewiss ist es weniger angenehm bestimmte Namen hervorzuheben. Alle Künstler, vor allem diese hier im beinharten Probenalltag gestählten Jungen, wollen auch Lob bekommen. Sie erbringen voll ihre geforderten Leistungen. Und wenn sich eine Ballerina benachteiligt fühlen mag: Dies ist allzu verständlich. Unterschwelliger Konkurrenz ist im Ballettsaal, bei aller Freundschaft, nicht zu entgehen. Doch der Topf ist groß; auch reich an Begabungen, die sich bei den Herausforderungen des wenig barmherzigen Betriebes nicht voll entwickeln oder durchsetzen können. Gerecht kann dem weder der Direktor noch der Connaisseur werden.« — Letzteres sollte man sich als Opern- und Ballettfreund immer wieder einmal bewusst machen.

Thomas Prochazka

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Wiener Staatsoper REFLEXIONEN Dezember 2015

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WIENER STAATSOPER Publikumsgespräch mit Dominique Meyer und Thomas Platzer

Studio Walfischgasse am 15. Dezember 2015

 

Thomas Platzer, Dominique Mayer. Foto: ORF

Thomas Platzer, Dominique Mayer. Foto: ORF (aus einem älteren Gespräch im Marmorsaal)

In seiner Einleitung stellte Hausherr Dominique Meyer fest, dass die neue Spielstätte Studio Walfischgasse der Wiener Staatsoper mehr Freiheit gäbe, da sie Parallelveranstaltungen zum großen Haus ermögliche. Dies sei in der Oper auf Grund der Einlaß-Regelung nicht möglich. Direktor Meyer sprach auch von einer bisher »schönen Spielzeit«, und dass viel geschehen sei im Zuschauerraum und den Büros.

Des Hausherrn Stellungnahme zur Neufassung des Bundestheater-Organisationsgesetzes mag einige überrascht haben: »Ich sehe eine sehr wichtige Neuigkeit in dem Gesetz, dass wir eine Dreijahresplanung haben. Wenn man budgetmäßig keine Sicherheit hat, ist es ein Problem. Es ist leider nicht so langfristig wie es sein soll, weil wir viele Sachen vier bis fünf Jahre im voraus planen sollen.«

Die finanzielle Seite sei nicht großzügig, »unser Budget ist sehr eng im Vergleich zu anderen Opernhäusern. Aber ich kann verstehen, dass die Regierung Probleme mit dem Budget hat, jeder muss seinen Beitrag leisten. In vielen Ländern hat man Kürzungen zu erleiden, hier hat man einen Zusatz von 14 Mio. EUR bekommen.«

Die letzte Spielzeit endete mit einem Einnahmenrekord von zum ersten Mal mehr als 34 Mio. EUR. Dies sei seit seinem Amtsantritt eine Steigerung von 6 Mio. EUR. Als Vergleich führte Herr Direktor Meyer wie bereits im Publikumsgespräch Mitte Juni die drei Berliner Opernhäuser an, welche gemeinsam um ein Drittel weniger einnehmen.

Es sei eine schöne Tradition, daß man täglich 580 Stehplätze zur Verfügung stelle, es gebe ein sehr gemischtes Publikum. »Ihr seid es alle gewöhnt, es war immer so. Ich komme aus der Fremde, dort ist es nicht so. Ich finde es schön, wenn man sich am Tag der Vorstellung dazu entscheiden kann, in die Oper zu gehen.« Er habe auch nicht im Sinn, die Eintrittspreise für die Stehplatzkarten zu erhöhen, nicht zuletzt, weil der Beitrag zu den Einnahmen eher gering sei. Die Auslastung des Stehplatzes sei um 4 bis 5 % gestiegen.

Dominique Meyer hatte auch eine gute Nachricht: »Wir haben einen Konzertmeister, einen sehr guten Konzertmeister: José Maria Blumenschein.« Herr Blumenschein gewann das Probespiel bravourös, es war kein Probespiel mit Orchester notwendig. Herr Blumenschein war bisher Konzertmeister des WDR Symphonieorchester Köln sowie des Orchesters der Bayreuther Festspiele. In der Jury saßen alle Konzertmeister bis auf Herrn Prof. Küchl.

Der Hausherr vergaß nicht zu erwähnen, daß sich auch ein paar Musiker des Staatsopernorchesters beworben hatten. »Auch die Jüngste im Orchester hat sich beworben und wurde Zweite beim Probespiel.« Die Zahl der Frauen im Orchester wachse regelmäßig, das gehe in einer »logischen, normalen Richtung«, da viel mehr Mädchen als Burschen an den Musikschulen studierten: »Wir müssen bald die Damengarderoben vergrößern.«

Bei den medialen Neuigkeiten erwähnte Dominique Meyer als erstes den Bildband zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper. »Es gibt nicht viel Text und bla bla bla, wo man sich wichtig macht

Die DVDs zu Puccinis La fanciulla del West und Undine sind soeben erschienen, für CD ist der Mitschnitt zu Verdis Un ballo in maschera unter Claudio Abbado in Vorbereitung.

Die Staatsopernproduktion von Humperdincks Hänsel und Gretel wird am 24. Dezember 2015 auf arte, am 27. Dezember in ORF2 und am 2. Jänner 2016 auf ORFIII ausgestrahlt: »Sie haben also keine Entschuldigung, das zu versäumen!« Eine DVD-Produktion ist in Vorbereitung, ebenso wie für Johanna Doderers Fatima oder von den mutigen Kindern (Uraufführung am 23. Dezember 2015 an der Wiener Staatsoper). Und Ballettfreunde dürfen sich sogar auf zwei »Zuckerln« freuen: Als dritte der Nurejew-Choreographien an der Wiener Staatsoper wird Ludwig Minkus’s Ballett Don Quixote ebenso vom ORF aufgezeichnet wie Manuel Legris’s erste Choreographie von Adolphe Adams Le corsaire (Première am 20. März 2016).

Dominique Mayer redet gerne mit „seinem Publikum“. Dieses Foto stammt aus dem vorjährigen Gespräch, noch im Mahler-Saal. Copyright: Peter Skorepa

Dominique Mayer redet gerne mit „seinem Publikum“. Dieses Foto stammt aus dem vorjährigen Gespräch, noch im Mahler-Saal. Copyright: Peter Skorepa

 

Thomas Platzer beantwortete eine Publikumsfrage zum Themenkomplex Live Stream und Kartenverkauf, dass er keine Kannibalisierung des Opernbesuchs durch den Live Stream erkennen könne. Die Zuseher würden eher zum Opernbesuch animiert. Die Staatsoper änderte ja kürzlich ihre Live Stream-Strategie und bietet nun das Jahres-Abonnement um EUR 159,– sowie ein Monats-Abonnement um EUR 16,90 an. Es gibt eine Vereinbarung mit A1, eine mit UPC ist in Vorbereitung. Die Live Streams der Wiener Staatsoper sind nun auch weltweit via Apple TV abrufbar. Dominique Meyer merkte an, dass es oberstes Ziel sein müsse, den Zugang zu den Streams so einfach wie möglich zu gestalten. Und im Gegensatz zum Internet ist bei einer Ausstrahlung via Fernsehkanal (A1,  UPC) die Datenmenge und damit die Qualität kein Problem.

Zum Spielplan der nächsten Saison verriet der Hausherr, dass es auch an der Wiener Staatsoper »Richard Strauss-Tage« geben werde: »Das ist schon programmiert. Mit großen Sängern!« Details waren Dominique Meyer auch auf Nachfrage nicht zu entlocken. Auf Die Frau ohne Schatten, das opus summum der Zusammenarbeit von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss und der Wiederkehr des 100. Jahrestags der Uraufführung am 10. Oktober 2019 angesprochen, erwiderte Direktor Meyer launig, dass er Jubiläen und Jahrestage nicht schätze.

Direktor Meyer würdigte auch ausdrücklich den erst kürzlich verstorbenen Peter Ulrich Bender, der sowohl die Kinderoper betreute als auch die Vorsingen organisierte. »Er hat mich immer zum Flughafen gefahren, hat mich noch drei Tage vor seinem Tod zum Flughafen gebracht… Wir waren alle traurig im Haus. Wochenenddienste, Abenddienste zu Weihnachten oder Silvester: Er hat immer diese Dienste gemacht, sodass jene mit Familie ruhig feiern konnten. Er war eine herrliche Persönlichkeit…«

Der Hausherr schloß seine Berichterstattung mit einem Bekenntnis: »Es ist immer noch dieselbe Freude, an diesem Opernhaus arbeiten zu dürfen. Ich bin so glücklich, daß ich so eine tolle Mannschaft habe! Wir bereiten für den Opernball ein Buch vor mit Fotos von Lois Lammerhuber. Ich mache selbst die Texte: Wie die Verwaltung der Oper arbeitet, oder wie man von einem leeren Blatt Papier zu einer Opernproduktion kommt.«

Die Veröffentlichung des zweiten Teils der Berichterstattung über das Publikumsgespräch ist für die Zeit um den Jahreswechsel geplant.

Thomas Prochazka
MerkerOnline
15. Dezember 2015

 

 

 

Die Wiener Staatsoper in ihrem Studio Walfischgasse (18.12.): EINE VERGNÜGLICHE STUNDE LEBEN MIT LOTTE INGRISCH

 

Lotte Ingrisch

Lotte Ingrisch

„Ich freue mich, nach dem Tod weitersingen zu dürfen“, funkte Alfred Sramek an Staatsopern-Dramaturg Dr. Andreas Láng. Angesagt war er, doch der beliebte Kammersänger musste seinen Auftritt für Lángs unterhaltsame „Vec Makropulos“-Gesprächsrunde im Studio Walfischgasse der Wiener Staatsoper kurzfristig absagen. Hat er ja noch viel, viel Zeit, sich auf sein Ständchen dann da oben für die himmlischen Heerscharen vorzubereiten.

Leos Janáceks gerade so erfolgreich einstudierte Oper über das Schicksal und die Sterbestunde der 337jährigen Elina Makropulos hat zur „Werden wir nach dem Tod noch musizieren?“–Diskussion mit der Schriftstellerin Lotte Ingrisch und dem Quantenphysiker Univ.Prof. Dr. Helmut Rauch angeregt. Und da Ingrisch schon bestens versteht, mit längst Verstorbenen zu kommunizieren, war viel interessantes über Nahtod-Erlebnisse, über die Bakterien im Menschen, über Lichtgestalten in allen Kulturen und die diesbezüglichen Erfahrungen ihres verstorben Komponisten-Gatten Gottfried von Einem zu hören. Und so einiges mehr über in energetischem Zustand empfange Botschaften aus einer überirdischenWelt: „Wir streben dorthin, wir haben alle eine wunderbare Zukunft dort!“ Munter und mit liebenswürdiger Intensität vorgetragen – doch auch zum Schmunzeln anregend.

Österreichs großer Physiker Helmut Rauch war da schon ein bisschen anderer Ansicht. Behutsam wagte er zu widersprechen. Liebenswürdig gegenüber Ingrisch formuliert er: „Die physikalischen Fakten sprechen eine andere Sprache“. Und er erzählte, auch dem Laien verständlich, von Materie als konzentrierte Energie, über herumfliegende Moleküle, die Zusammensetzung des Weltalls. Entgegenkommend auch: „Es gibt lebendige und es gibt tote Atome. Und solche können sehr wohl wieder lebendig werden.“ Und weiter: „Wir müssen davon ausgehen, das wir noch andere Wellen, heute nicht bekannte, einmal erforschen werden können ….“ Lächelnd der Poetin zunickend: „Hängt wohl davon ab, welche Antennen der Mensch hat, welche Längenwellen ihm angeboten werden, welche er aufzunehmen vermag.“ Und da wir Lotte Ingrischs Antennen für diese Sequenzen auch gern vertrauen, hat sie uns im Opernstudio eine vergnügliche Stunde Leben vermitteln können.

Meinhard Rüdenauer

 

 
 
 

 
 
 
 

    

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Wiener Staatsoper REFLEXIONEN Jänner 2016

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Die REFLEXIONEN aus der WIENER STAATSOPER im Jänner 2015

Inhalt:

Wiener Opernballtratsch und Zukunftsperspektiven  Von Anton Cupak

 

 

Eine Opernballlady geht – andere wollen kommen

Anton Cupak über den Wechsel in der höchsten Ebene einer Opern-Organisatorin (Ein Artikel aus der PRESSEÜBERSICHT des MerkerOnline vom 22.Jänner 2016):

 

Wiener Opernballtratsch und Zukunftsperspektiven

Der  Rücktritt der Opernball-Organisatorin sollte eigentlich keine allzu großen Probleme auslösen. Dieser Job, obwohl dem Vernehmen nach ehrenamtlich, ist hoch begehrt und viele „Damen unserer Gesellschaft“ würden gerne in das Rampenlicht gelangen. Die derzeitige Situation ist aber – unnötigerweise – etwas pikant:
Der Philharmoniker-Vorstand Andreas Großbauer macht sich seit Monaten für eine Vertragsverlängerung des Staatsoperndirektors stark. Das ist das gute Recht des Herrn Großbauer als Privatmann (ob mit dem Orchester abgestimmt, weiß ich nicht), wenngleich ich es für vernünftig hielte, wenn sich die Philharmoniker aus dem Entscheidungsprozess heraushalten würden. Ich denke, dass der zuständige Minister keine Einsager braucht und sich auf breiter Basis beraten und informieren soll, auch unter Bedachtnahme der zur Verfügung stehenden Alternativen. Wir vom Online-Merker stehen für keine Kampagne zur Verfügung, weder für noch gegen den amtierenden Direktor. Meines Wissens nach haben auch die Philharmoniker bisher nie öffentlich in den „Wahlkampf“ eingegriffen.
Nun begab sich, dass die Frau des Philharmoniker-Vorstands, die eine PR-Agentur betreibt, für die Treichl-Nachfolge in das Spiel gebracht wird. Ich kenne Frau Großbauer nicht und es steht mir daher keine Wertung zu, auch kenne ich „den Markt“ zu wenig, um meinerseits Empfehlungen abzugeben. Ob aber die Parteinahme des Herrn Großbauer für den Staatsoperndirektor der Kür seiner Gattin zur Opernball-Lady zuträglich ist, wage ich zu bezweifeln. Wir leben in einer Zeit, die durch einige abschreckende Beispiele von sogenannter „Freunderlwirtschaft“ stark sensibilisiert ist, hätte sich Herr Großbauer nicht derart stark für den Staatsoperdirektor aus dem Fenster gelehnt, wäre eine Personalentscheidung eben dieses Direktors zugunsten der PR-Agentur-Chefin Maria Großbauer sicher einfacher, weil nicht mutwillig umstritten.
Ich kenne die Gerüchte bereits seit längerer Zeit, habe mich jedoch zurückgehalten. Ich vermute keine „Freunderlwirtschaft und gehe davon aus, dass alle Beteiligten die hehrsten und besten Absichten hegen. Ich spreche lediglich undiplomatisches Verhalten an – und das bei einem gelernten Diplomaten in einer wesentlichen Rolle in dieser heiklen Angelegenheit. So viel mir bekannt ist, entscheidet der Operndirektor über jene Person, die den Ball seines Hauses ausrichtet, das ist wie eine Besetzungsfrage.
Nun aber hat sich Frau Maria Großbauer zu Wort gemeldet – oder hat zumindest Journalisten nicht erfolgreich abgewehrt. Frau Großbauer zur „Tiroler Tageszeitung: Zu den Gerüchten, wonach sie die Nachfolge der scheidenden Opernball-Organisatorin Desiree Treichl-Stürgkh antreten soll, hielt sich Maria Großbauer beim Ball der Wiener Philharmoniker am Donnerstagabend bedeckt. „So ein Gerücht ist sicher ein Kompliment. Aber schauen wir einmal, es sind momentan viele Namen im Spiel“, sagte sie zur APA.
„Ich denke, dass sich viele Frauen sehr gut vorstellen könnten, die Organisation zu übernehmen. Das ist eine schöne und ehrenvolle Aufgabe. Schließlich ist die Wiener Staatsoper ja nicht irgendeine Institution“, sagte Großbauer. Gleichzeitig sehe sie darin auch eine große Herausforderung.
Maria Großbauer ist die Frau von Philharmoniker-Chef Andreas Großbauer und führt in Wien eine PR-Agentur.
Nun, ein Dementi klingt etwas anders. Dass Frau Großbauer beim Philharmonikerball von Journalisten befragt wird, stand zu erwarten. An Stelle von Frau Großbauer wäre ich krank geworden und hätte den Ball geschwänzt – auch wenn es der Philharmoniker-Ball ist. Nochmals, ich vermute überhaupt nichts, ich halte lediglich die Vorgangsweise für unglücklich und kontraproduktiv im Sinne der Ambitionen der Frau Großbauer

Frühere Artikel zu diesem Thema:

Früher Startschuss um den Thron

 

 

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Wiener Staatsoper REFLEXIONEN April 2016

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REFLEXIONEN aus der Wiener Staatsoper

Der Spielplan der Saison 2016-2017

Eine Analyse des neuen Saisonspielplanes 2016-2017 aus Anlass dessen Bekanntgabe in der Pressekonferenz im Marmorsaal der Wiener Staatsoper am 6.April 2016.

Thomas Platzer, Dominique Meyer. Foto: Peter Skorepa

 

DIE VERGEBENEN CHANCEN DER SAISON 2016/2017
von Heinrich Schramm-Schiessl

Ich möchte hier keine Gesamtanalyse der kommenden Saison machen und darüber jammern, welche Spitzensänger (wieder) nicht singen, wobei es natürlich schon merkwürdig ist, dass Joyce Di Donato, obwohl sie heuer einen Liederabend gibt, wieder nicht berücksichtigt wurde und Elina Garanca sich offenbar zusehends von der Staatsoper verabschiedet (Anm.d. Red.: in der nächsten Saison singt sie laut Dir. Meyer eine Premiere). Ebenso ist es natürlich traurig, dass Christian Thielemann in der kommenden Saison wieder fehlen wird.

Und da bin ich bereits bei den vergebenen Chancen. Das beginnt bei den Neuinszenierungen. Der „Trovatore“ war sicher überfällig und dass „Pelleas et Melisande“ wieder kommt ist mehr als erfreulich. Dass mit „Armide“ ein eher seltener Gluck kommt, mag zwar inteessant sein, aber gerade bei Gluck sehe die Notwenigkeit nicht,  die „Musiciens du Louvre“ zu engagieren, hier wäre z.B. ein Monteverdi („Poppea“ oder zur Abwechslung einmal der „Ulisse“) interessanter gewesen. Nicht unbedingt notwendig, auch wenn ich kein Freund der Mielitz-Inszenierung bin, ist der „Parsifal“ und ein totaler Unsinn ist die Neuinszenierung des „Falstaff“, zumal die Marelli-Inszenierung durchaus brauchbar war.

Stattdessen wäre z.B. die Erweiterung des Strauss-Repertoires sinnvoll gewesen. Es hat doch geheissen, dass die Salzburger „Danae“ nach Wien kommt – statt Welser-Möst hätte halt wer anderer dirigieren müssen. Auch die „Ägyptische Helena“ wäre eine Möglichkeit. Hier hätte Thielemann dirigieren können, der damit vor längerer Zeit in London einen großen Erfolg feierte. Mit Thielemann hätte man auch darüber reden können, dass er, wenn man im vorige Saison schon den Wunsch „Hänsel und Gretel“ erfüllt hat, wenigstens diese Saison eine Neueinstudierung des „Palestrina“ macht.

Ebenso hätte man die zwar auch nicht gelungene Inszenierung der „Favorite“ mit Garanca und Florez wieder aufnehmen können. Was Jonas Kaufmann, der mir egal ist, betrifft, so verstehe ich irgendwie das Murren seiner Fans, dass es wieder „nur“ der Cavaradossi ist. Wie wäre es gewesen, hätte man ihn rechtzeitig (!) gefragt, ob er sich nicht vorstellen könne, den Paul in der „Toten Stadt“ zu singen. Wenn man dann noch René Fleming, die Mariettas Lied bei ihrem Liederabend im Jahr 2012 hinreissend gesungen hat, für diese Produktion gewinnen hätte können, hätte man viermal ein volles Haus gehabt und hätte nicht die niedrigste der Opernpreiskategorien (S) nehmen müssen. Und wenn man für Joyce Di Donato schon keine Neuinszenierung parat hat, hätte man doch zumindest in der „Barbier“ und/oder „Cenerentola“-Serie ihr Wiener Bühnendebut ermöglichen können.

Das sind nur einige wenige Beispiele – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – mit denen man, hätte man ein bisschen mehr Phantasie, den Spielplan, der diesmal doch etwas bieder ausgefallen ist, attraktiver gestalten hätte  können.

Heinrich Schramm-Schiessl

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Zur Staatsopernsaison 2016/17

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I.
Ein guter Kompromiß — so eine alte Weisheit — gibt allen Beteiligten das Gefühl, Verlierer zu sein. Insoweit ist der Spielplan der Wiener Staatsoper für die nächste Saison ein Erfolg. Gleichzeitig bildet er trotz seiner weltweit wohl einzigartigen Vielfalt an Opern (man spielt immerhin 51 Werke aus dem Kanon, wogegen sich die Metropolitan Opera mit 26 bescheidet) und Ballettvorstellungen sehr gut die Zerrissenheit der heutigen Gesellschaft ab: Auf der einen Seite jene, welche von Oper und Konzert Ausgleich und Ablenkung von anstrengenden, ermüdenden Arbeitstagen hinter der Supermarktkassa oder der Werkstatt oder dem Büro erwarten, auf der anderen Seite jene mit der Maxime »Kinder, schafft Neues!« und der Forderung der Behandlung aktueller gesellschaftlicher Probleme auch auf Kosten der Kongruenz von Musik, Text und Handlung. Den einen kann es nicht genug Strauss- und Wagner-Aufführungen geben, die anderen verlangen nach Mozart und den italienischen Meistern. Dritte wiederum erwarten sich in Erfüllung des Gesetzesauftrags Uraufführungen und vermehrt Werke zumindest des späten 20. Jahrhunderts.

II.
Woran mißt man den Erfolg eines Opernhauses? An der Wahl zum »Opernhaus des Jahres« durch Kritiker auf Einladung einer Opernzeitschrift? Als Ergebnis der Berufserfahrungen jener, welche im Gegensatz zum Großteil des Publikums Werken wie Tosca oder La traviata schon lange nicht Neues mehr abgewinnen können und selten für ihre Karten bezahlen? An Umfrageergebnissen von Websites? An hervorragenden Kritiken gewagter Inszenierungen und/oder Uraufführungen (bzw. modernen Werken), die nur durch die »Zwangsverpflichtung« des Abonnement-Publikums akzeptable Auslastungen erreichen? An der Produktion von CDs und DVDs? Am Gewinn bzw. am Eigendeckungsgrad eines Hauses, wie bei anderen Unternehmen auch? (Eine detaillierte Übersicht der Auslastung der einzelnen Vorstellungen sowie der verkauften Karten im Haus am Ring findet der Interessierte übrigens im Geschäftsbericht für die Saison 2014/15 ab Seite 86.)

Und: Besteht nicht ein fundamentaler Unterschied zwischen Stagione- und Repertoire-Häusern? Kann, ja darf man diese über denselben Leisten scheren? Und was, bitte, ist »künstlerisch wertvoll«?

Es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken und danach den Spielplan der Wiener Staatsoper für die Saison 2016/17 noch einmal durchzusehen. Man wird beim zweiten, dritten Durchblättern feststellen, daß sich das eine oder andere Kleinod darin verbirgt.

III.
Das Auftreten Plácido Domingos als Marquis Posa in Don Carlo (11., 15. und 21. Juni 2017, mit Myung-Whun ChungKrassimira StoyanovaElena ZhidkovaRamón Vargas und Ferruccio Furlanetto) darf man ebenso wie seine vorgesehenen Dirigate von Roméo et Juliette (22., 25., 28. Januar und 1. Februar 2017, mit Aida Garifullina und Juan Diego Flórez) je nach Fan-Grad mehr oder weniger als »Zirkus« abtun. Aber: Ziemt es sich, dies Dominique Meyer zum Vorwurf machen, wenn das Engagement eines nach Reclams Opernlexikon im 83. Lebensjahr Stehenden immer noch für ein volles Haus sorgt?

Ähnlich mag man über Rolando Villazóns Rückkehr als Nemorino in L’elisir d’amore (22., 25. und 28. Juni 2017, mit Valentina Naforniţa und Bryn Terfel) urteilen. Über das Prädikat »künstlerisch wertvoll« wird man in beiden Fällen diskutieren können. Ausverkauft wird das Haus hier wie da sein.

Der Waliser singt übrigens neben einer zweiten L’elisir-Serie (5. und 10. Dezember 2016, u.a. mit Aida Garifullina) in zwei Ring-Durchläufen im Mai 2017 die Partie des Wotan; — übrigens die Erfüllung einer immer wieder gestellten Publikumsforderung. Mit Peter Schneider wird dabei ein langjähriger Bayreuth-Dirigent am Pult stehen, ebenfalls ein oft geäußerter Wunsch des Wiener Stehplatzpublikums, gerade nach eben gehörten Wagner-Vorstellungen unter der Stabführung des Ex-Generalmusikdirektors. Auch die restliche Besetzung des Ring des Nibelungen muß sich nach heutigen Maßstäben nicht verstecken.

IV.
Opern wie ElektraSalomeDer RosenkavalierLohengrin oder Tristan und Isolde sind im internationalen Vergleich von den Sängen her sehr gut besetzt. Gleiches läßt sich über Manon (7., 11., 13. und 16. November 2016, mit Frédéric ChaslinMarlis PetersenJean-François Borras und Adrian Eröd) sowie Werther mit Sophie Koch, Frédéric Chaslin, Ludovic Tezier und Adrian Eröd berichten. Die Besetzungen für Korngolds Die tote Stadt (9., 1., 15. und 20. Januar 2017, mit Camilla NylundKlaus Florian Vogt und Adrian Eröd), Peter GrimesKátja Kabanová oder Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk (22., 25., 29. April, 3. Mai  2017) unter Ingo Metzmacher müssen den Vergleich mit keinem anderen ersten Haus scheuen. Und Reimanns Medea, so ließen sich einige Reaktionen interpretieren, steht als Kernstück des internationalen Repertoires ohnehin auch in London, Milano, München, New York und Paris am Spielplan…

Alles in allem: Das ist nun ein »enttäuschender« Spielplan?

V.
Für Besucher der Publikumsgespräche von Dominique Meyer stellen die Neuproduktionen von Glucks Armide und Debussys Pelleas et Melisande ebensowenig Überraschungen dar wie die Wiederaufnahme von Händels Alcina während der Staatsopern-Tournee nach Japan im Oktober 2016. Auch die Première von Il trovatore — lies: die »Netrebko-Show« ab 5. Februar 2017 hatte der Hausherr schon vor drei Jahren für diese Spielzeit angekündigt. Daß für Dominique Meyer Parsifal mehr bedeutet als ein Fechtklub und die erotischen Disco-Phantasien einer deutschen Regisseurin, wird aufmerksam zuhörende Wiener Opernfreunde auch nicht überraschen. Nina Stemme wird neben Gerald Finley und Christopher Ventris ihre erste Kundry singen und Symon Bychkov am Pult stehen. Nur in Wien wird soetwas mit einem Gähnen zur Kenntnis genommen.

»Vorlieben und Notwendigkeiten«: Unter diesem Titel ließen sich die Premièren der kommenden Saison zusammenfassen.

VI.
Werke wie PalestrinaKarl V.Die florentinische TragödieIl viaggio a ReimsElisabettaCyrano de Bérgerac, aber auch eine Ägyptische Helena oder Intermezzo werden wohl nur eine Minderheit der Opernbesucher zu begeistern wissen. Wäre da nicht vorher an eine Repertoire-Erweiterung beispielsweise um FreischützDie Entführung aus dem Serail oder Fedora zu denken?

Offensichtlich gelang es auch noch niemanden, zwei Weltklassebesetzungen für Ernani zu finden. Denn dann, so Dominique Meyer in einem Publikumsgespräch im Jahr 2013, setzte er die existierende Produktion sofort an. Sollte uns das nicht zu denken geben?

VII.
Im Gerede sind auch die Abwesenden bzw. jene, die sich rar machen. Aber Hand auf’s Herz: Machte die Staatsoper nicht etwas falsch, wenn sie nur von den Abenden zehrte, an welchen — ohne Anspruch auf Vollständigkeit — eine Elīna Garanča, eine Anja Harteros, eine Joyce DiDonato oder ein Jonas Kaufmann auftreten? Joyce DiDonato, das nur am Rande, wird übrigens in der nächsten Saison an der Metropolitan Opera nur an einem Abend, im Rahmen der 50 Jahr-Gala, singen. Geht deshalb die (Opern-)Welt unter?

VIII.
Die Zahl der Stars, welche die großen Opernhäuser bereisen, umfaßte selten mehr als 20 bis 30 Sänger. Was allerdings bei der Durchsicht des Spielplans für 2016/17 auffällt und bedenklich stimmt, ist, daß in den letzten zwei Jahrzehnten der Mittelbau verloren gegangen zu sein scheint: Jene »zweite Garnitur« von Sängern, die rund um die Welt für gute und sehr gute Abende sorgte und deren Stimmen Opernfreunde auch heute noch binnen Sekunden an ihrem Timbre erkennen.

IX.
»Die sängerische Ausbildung in einem Ensemble ist verloren gegangen. Wenn heute ein junger Sänger im Fest-Engagement drei gute Kritiken bekommt, gibt es sogleich Angebote aus aller Welt.« (Jürgen Kesting, WAZ, 25. November 2014) Diese Beobachtung spiegelt sich auch in einzelnen Besetzungen der Wiener Staatsoper wider: Da werden Sänger aus dem Ensemble in ersten Partien angesetzt, die für viele (noch?) zu früh kommen. Da stolpert man über die Namen von Ensemble-Mitgliedern, die seit ihrem Engagement keinerlei stimmtechnische Weiterentwicklung erkennen ließen. Interessiert das niemand?

Hauptpartien in Mozart- und Verdi-Opern z.B. können kaum in jener Qualität aus dem Ensemble besetzt werden, welche man von einem international ersten Haus im täglichen Betrieb erwarten darf. Trotzdem werden in Wien immer wieder Ensemble-Mitglieder mit solchen Partien betraut… Darüber lohnte es sich zu diskutieren, nicht, ob Jonas Kaufmann in Tosca oder La fancuilla del West auftritt!

Wenn die musikalische Seite einer Aufführung sehr gut und mitreißend ist, ist es zweitranging, ob die Inszenierung von Margarethe Wallmann oder La Fura dels Baus stammt.

X.
»Prima la scena« heißt es heute, und das nicht ohne Grund: Die Verfechter des Prinzips »Prima la musica« sind rar geworden unter den Dirigenten. Und die Liste der für die nächste Saison eingeladenen Maestri läßt cum grano salis keine Verbesserung erwarten.

Gewiß, da finden sich Namen, die für Qualität bürgen, aber eben auch viele unbekannte. Man mag einwenden, daß immer noch ursprünglich Franz Welser-Möst und Bertrand de Billy zugedachte Abende umzubesetzen waren. Aber die Fragen bleiben: Wieso konnte man sich mit Riccardo Muti bislang nicht auf Auftritte in Wien einigen? Wieso gelingt es nicht, Maestri wie z.B. Antonio Pappano, Kirill Petrenko und Christian Thielemann für jede Saison für mindestens eine Produktion ans Haus zu binden? Wieso setzt sich im Besetzungsbüro der Wiener Staatsoper nicht endlich die Erkenntnis durch, daß hervorragende Maestri gute Sänger zu ungeahnten Höchstleistungen anzuspornen vermögen, umgekehrt aber mittelmäßige Dirigenten Probleme auch für erste Sänger schaffen?

Eigentlich — eigentlich sollten 80 % der Abonnement-Dirigenten der Wiener Philharmoniker auch an der Wiener Staatsoper (und da nicht nur für Premièren) am Pult stehen. Sich erfolgreich darum zu bemühen, wäre ein Zeichen gelebter Symbiose. Allein, im Orchestervorstand scheinen andere Dinge höhere Priorität zu genießen…

XI.
Auch wäre es hoch an der Zeit, die eine oder andere Mozart- oder auch Verdi-Oper mit noch wissenden Maestri neu zu studieren, bevor mit der fast abgeschlossenen Erneuerung des Staatsopernorchesters das Wissen und das Gefühl darum, wie diese Komponisten interpretiert werden sollten, komplett verloren geht. Daß man bei genauerem Hinsehen z.B. in München und New York mit denselben Problemen kämpft, tröstet da nur wenig.

XII.
Lohnte es sich nicht, sich um eine erste Besetzung zu bemühen, um Jean-Pierre Ponnelles wunderbare Inszenierung von L’Italiana in Algeri auch auf DVD für die Nachwelt zu erhalten? Der Rossini-Spezialist Alberto Zedda dirigiert ja immer noch in Pesaro — und soweit liegt Wien nicht entfernt, oder? Da vermißt man die Bereitschaft zum Ungewöhnlichen, zum Coup.

XIII.
»Ich habe nichts gegen ein buhendes Haus«, stellte Nikolaus Bachler vor kurzem in einem BR-Interview fest, »weil: Es stellt eine Reaktion dar. Das Schlimmste, was in der Kunst passieren kann, ist Beliebigkeit.« Es liegt an uns, dem Publikum, unsere Empfindungen in entsprechender Weise zu artikulieren. Das Verfassen von Kommentaren in diversen Opernforen wird dafür, so steht zu befürchten, nicht ausreichen. Die nächste öffentliche Gelegenheit für eine fundierte Auseinandersetzung abseits von Briefen, E-Mails oder dem spontanen, persönlichen Gespräch mit dem Hausherrn Dominique Meyer bietet das Publikumsgespräch am 31. Mai 2016.

Und wer weiß, vielleicht stünden am Ende dieser ins Gemeinsame mündenden Bemühungen noch attraktivere Spielpläne als jener der kommenden Saison?

Thomas Prochazka
MerkerOnline
9. April 2016

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