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ZUM 150. GEBURTSTAG VON GUSTAV KLIMT

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14. Juli 2012:  150. GEBURTSTAG VON GUSTAV KLIMT

Superstar „Der Kuss“

Man sagt Klimt und denke an Gold und Ornamente. An den „Kuss“ und schöne Frauen. An Erfolge und Skandale. Auf dem Kunstmarkt sind seine Gemälde Hunderte von Millionen Dollar wert. Rund um den 150. Geburtstag bestätigt sich, was man längst weiß: Die österreichische Kunst hat keinen spektakuläreren Exponenten als Gustav Klimt. Dabei wollte der Mann der Superlative nichts anderes sein, als das, was er war: einfach ein Künstler.

Von Renate Wagner

Er hat nie sich selbst gemalt, und das sagt etwas aus. Das Selbstbildnis ist ein Kunstgenre, das kaum ein Maler verschmäht hat. Gustav Klimt hat sich immer nur für andere interessiert, kaum für sich selbst. Das scheint in einer Welt der egomanischen Genies eine Rarität: das bescheidene Genie. Ein Mann, der in seinem langen blauen oder braunen Malerkittel versinkt und so wenig von sich persönlich hermacht. Die Mitwelt rieb sich in den künstlerischen Auseinandersetzungen der Epoche an ihm wund. Klimt blieb in seinem Atelier, wo immer es ihm möglich war.

Er war ein Arbeitstier. Sein Geheimnis war sein Talent, war seine Phantasie, war seine Schöpferkraft, die Können und Wollen zu so singulärem Wirken zusammen brachte. Das Talent zeigte sich schon bei dem Jungen in der Schule. Und die Eltern, bescheidene Handwerker, ermöglichten ihrem am 14. Juli 1862 geborenen Sohn Gustav die Aufnahmeprüfung in die Kunstgewerbeschule – weil er so auffallend gut zeichnete.

In der Kunstgewerbeschule bereits fand Gustav einen Freund namens Franz Matsch. Und dann kam auch der um zwei Jahre jüngere Bruder Ernst an die Schule, auch er ein hoch Begabter. Und weil die drei Geld verdienen mussten, fanden sie sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, die sie „die Künstler-Compagnie“ nannten und die Gustav Klimt früh auch mit den Gesetzen des Marktes vertraut machte.

Denn wenn man schnell, gut und verlässlich arbeitete, dann waren die achtziger und neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts – künstlerisch geprägt vom Historismus-Rausch der Welt Hans Makarts – eine goldene Zeit für bildende Künstler. Die Gebäude der Ringstraße entstanden, der Bauboom übertrug sich auf die gesamte Monarchie, es gab nahezu mehr Arbeit als Künstler. Heute noch kann man im linken Stiegenhaus des Burgtheaters den Nacken recken und dort Fresken von Gustav Klimt sehen. Das Kunsthistorische Museum hat das Klimt-Jahr benützt, um eine Balustrade zu errichten, die erlaubt, die Klimt-Malereien des großen Stiegenhauses ganz aus der Nähe zu betrachten.

Ein ähnlicher Hochbau ermöglicht es in der Secession, im Klimt-Jahr seinem legendären Beethoven-Fries so nahe zu kommen wie noch nie. Aber dieses Kunstwerk war später, aus dem Jahre 1908. Da hatte Gustav Klimt schon die „Teamarbeit“ mit Bruder (er starb 1892) und Freund hinter sich gelassen und war – ja, nahezu schon zum Superstar geworden.

Nicht erst in unserer Medienwelt ist ein Skandal die beste Art und Weise, sich der Öffentlichkeit einzuprägen: Klimt hatte Mitte der neunziger Jahre den Auftrag erhalten, die „Fakultätsbilder“ für die neu errichtete Universität zu malen –Allegorien für Philosophie, Medizin und Jus (der Auftrag für die Theologie ging an Franz Matsch, mit dem er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zusammen arbeitete). Den Herrn Professoren gefielen schon Klimts Entwürfe nicht, die ihnen viel zu radikal waren, zu nackt (nicht im Rubens-Makart-Sinn auf erotisch-sinnlich und platt-verführerisch, sondern sphinxartig-fremd) und vor allem viel zu düster, keine hymnischen Verherrlichungen der Wissenschaften, wie sie der Historismus geliefert hätte, sondern kryptische Meisterwerke schon im dezidiert neuen, umstrittenen „Jugendstil“, dem die Fakultätsmitglieder noch nicht gewachsen war. Die Bilder wurden nie an der Decke des großen Festsaales angebracht, Klimt kaufte sie nach langen Jahren zäher Kämpfe zurück. Sie sind in den letzten Kriegstagen verbrannt – es gibt nur noch die Skizzen. 2005 und nun im Klimt-Jahr wieder hat man Reproduktionen an den Stellen angebracht, wo sie einst vorgesehen waren und nie hingelangt sind…

Auch der Beethoven-Fries von 1908, für uns heute ein singuläres Meisterwerk, wurde von vielen Zeitgenossen heftig abgelehnt (nicht nur unter dem Vorwand der „Pornographie“ – Klimts Phantasie, in der die Monster und das Böse ihren Platz haben, ist für konventionelle Gemüter einfach zu verstörend).

Dies waren nur zwei der vielen Erregungen rund um die „Secession“, jene neue Kunstbewegung des Fin de Siècle, die sich auch ihr eigenes spektakuläres Gebäude mit dem goldenen Kuppeldach schuf und in der Zeitschrift „Ver Sacrum“ ihre Theorien klarlegte. Das Klimt-Jahr, das alle Museen auch in seinen Dokumenten stöbern lässt, zeigt das Auf und Ab der damaligen Kunstszene, als ein Teil der „Neuerer“ sich von dem Künstlerhaus-Verband und seinem Konservativismus abwandte, die „Secession“ gründete und den neuen Stil als „Jugendstil“ bezeichnete – Gustav Klimt war Mitbegründer und erster Präsident.

Keiner hat nachdrücklicher diese Welt der Stilisierung (mit besonders starker Ornamentik), kryptischer Symbolik, fast expressionistischer Ausdruckskraft, dabei immer wieder impressionistischer Zartheit verkörpert wie Gustav Klimt mit seinen Werken. Ob seine ätherischen Damenporträts wie die „goldene  Adele“, die auch jenseits künstlerischer Erwägungen als Restitutionsfall weltweit Schlagzeilen machte, mit 135 Millionen Dollar das damals teuerste Gemälde der Welt war und heute in New York zuhause ist, ob seine vor allem im Salzkammergut geschaffenen Landschaften – Gustav Klimt führt seine Betrachter bis heute in eine irisierende, immer wieder erstaunliche Welt optischer Wunder, wie nur ein außerordentlicher Künstler sie erdenken kann. „Der Kuss“, 1907 als Höhepunkt seiner „goldenen Periode“ entstanden, lockt auch heute noch Tausendschaften von Touristen täglich ins Obere Belvedere, wo man dieses Schmuck-, Prunk- und Paradestück hütet.

Klimt schuf Werk um Werk als unermüdlicher Arbeiter in seinen Ateliers, erst in der Josefstadt, dann in Hietzing (eine Villa mit Nebenhaus in einem Garten, die im Klimt-Jahr endlich renoviert und im September endgültig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll). Was in diesen Ateliers geschah abgesehen von nachweislicher Arbeit (Klimt hinterließ neben den Gemälden Tausende von Zeichnungen) – der sportliche Maler hat nicht nur mit seinen männlichen Modellen gerungen, er ist auch zahlreichen seiner weiblichen Modelle immerhin nahe genug gekommen, so dass stets die Rede von 15 unehelichen Kindern war, die er hinterlassen haben soll (die Klimt-Forschung hat angesichts des Jubiläums noch einmal nachgefasst und kann angeblich nur sechs bestätigen – immerhin). Zwei Söhne von Marie Zimmermann, einem seiner berühmtesten Modelle, sind verbürgt. Und etliche der schönen Damen der Gesellschaft wie Sonja Knips, Serena Lederer oder Adele Bloch-Bauer riskierten ihren Ruf damit, sich von Klimt porträtieren zu lassen – denn man sagte ihnen sofort ein Verhältnis mit ihm nach.

Dabei war der Frauenheld absolut kein Salonlöwe, und im Grunde lebte er in einem Frauenhaushalt (umsorgt von der Mutter, die 1915 starb, und seinen zwei Schwestern) und führte äußerlich ein absolut bürgerliches Leben. Seine „ewige Geliebte“ war Emilie Flöge, die ihrerseits eine Exponentin der modernen Kunst war, indem sie in ihrem Modesalon die korsettfreien, fließenden Reformkleider propagierte und vertrieb. Er hatte sie 1891 kennen gelernt, und sie blieben ein Paar bis zu Klimts frühem Ende. Das wunderschöne Gemälde, das er von ihr schuf, verkaufte er allerdings bald – angeblich weil es ihr nicht gefiel. Heute ist das Wien-Museum glücklicher Besitzer des Meisterwerks. Apropos Frauen: Dass Klimt 1899 ein zweijähriges Verhältnis mit der jungen, schönen, aggressiven Alma Schindler unterhielt, die später Gustav Mahler heiratete, lief so nebenbei…

Klimt reiste ungern, gerade, dass er sich nach Brüssel aufmachte, um jenes Palais Stoclet zu sehen, das Josef Hoffmann für den reichen Industriellen erbaute und für das er beauftrag worden war, Innendekorationen zu schaffen. Im Sommer war es etwas anderes, sich von Wien wegzubegeben. Ab 1900 bis 1916, zwei Jahre vor seinem Tod (der Weltkrieg erlaubte dann nicht mehr viel „Sommerfrische“) gönnte Klimt sich gut zwei Monate am Attersee – auch zur Arbeit, aber ebenso zur Erholung. Er brauchte die Natur, den See, die Abwechslung. Er hat hier nicht nur – wie immer – viel gearbeitet, sondern nahm sich Zeit und Ruhe zum Schwimmen, zum Rudern, zum abendlichen Kegeln.

Wir sind mit Klimt-Fotos nicht reichlich bestückt, ein paar Porträtfotos, um die niemand herumkam, wenig sonst. Nur die Sommer am Attersee sind eine Ausnahme. Da wurde „geknipst“. Hier erleben wir Klimt am See, im Boot (selbstverständlich auch im Malerkittel), das Ruder in der Hand, beim Spazierengehen, mit Bekannten, und immer wieder mit Emilie, die in ihren weit flatternden Gewändern an seiner Seite einherschwebt. Ein besonders interessantes Foto zeigt ihn dabei, wie er den Attersee durch das Fernrohr betrachtet.

In die Gegend ist er durch Emilie gekommen – ihr Bruder war der Schwiegersohn des Tischlermeisters Paulick, der sich in Seewalchen eine Sommervilla gebaut hatte. Klimt verbrachte hier viel Zeit, aber er wohnte mit Emilie auch in der Brauerei Litzlberg, ab 1908 dann in der Ortschaft Kammer, die er so unvergleichlich in vielen Ansichten gemalt hat, ab 1914 in Weißenbach am Attersee. Er hat das Salzkammergut genossen und als Künstler reichlich seine Inspirationen daraus bezogen. Man kann sagen, dass Klimt seinen Themenschwerpunkt der Landschaftsmalerei dem Salzkammergut verdankt: Denn in Wien allein hätte er nie diese imposante Fülle von Naturgemälden schaffen können.

Wenn das Leopold Museum, diese Klimt-Hochburg, nun an seinem 150. Geburtstag in Kammer am Attersee ein Klimt-Dokumentationszentrum eröffnet, gibt es reichlich Material, das bei dieser Gelegenheit noch weit ausführlicher zu bearbeiten ist, als es bisher geschah. Das Zentrum befindet sich an jener Schlossallee, die er in einem seiner berühmtesten Landschaftsgemälde festgehalten hat, in der genialen „Allee vor Schloss Kammer“ – und auch der See, Apfelbäume oder Blumen inspirierten ihn hier. Klimt hat die Entwürfe für den Stoclet-Fries in Brüssel in der Villa Oleander in Kammer geschaffen – auch sie werden in dem neuen Ausstellungszentrum zu sehen sein.

Es wird in Kammer zu dem Zentrum auch einen Klimt-Shop geben und damit einen Eindruck davon vermitteln, was dem Wien Museum in seiner Klimt-Ausstellung ein eigener „Programmpunkt“ war: das Merchandising. Es ist schier unglaublich, wie die Motive von Gustav Klimt verarbeitet und vermarktet werden. „Der Kuss“ auf Tasche, Schirm, Halstuch, Krawatte, neuerdings auch auf Bonbonschachteln, Emilie Flöge auf Kaffeetassen und Marmeladegläsern, Klimt-Muster auf Schuhen, zu Ohrringen verarbeitet, Klimt-Wein und Klimt-Tee, selbst Klimt-Adventkalender – es gibt nichts, was es nicht gibt. Über Geschmack lässt sich in diesem Fall nicht streiten, denn er spielt nicht mit. Aber als Zeichen für übergroße, gut verkäufliche Popularität ist es wohl zu nehmen.

Der Künstler, der im Jänner 1918 einen Schlaganfall erlitt („Emilie soll kommen“ sollen seine letzten Worte gewesen sein) und am 6. Februar 1918 starb, wurde am Hietzinger Friedhof begraben, wo er heute noch ruht. Seine großen Zeitgenossen wussten, was sie verloren hatten. Die Nachwelt weiß, was sie an Gustav Klimt hat. Sie sollte nur jenseits von „Kuss“ und schönen Ornamenten genauer hinsehen. Es lohnt sich, den „ganzen“ Klimt in seiner genialen Komplexität zu betrachten.

 
 Foto: Manfred Werner

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WIENER STAATSOPER & CO. MONATSRÜCKBLICK FEBRUAR 2013

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Wiener Staatsoper und Co.

MONATSRÜCKBLICK

Februar 2013

 

1. In eigener Sache

Um die Berichte aus der Wiener Staatsoper über die Aufführungen jeweils eines Monates abzurunden, hat sich unser Chefredakteur zu dieser magazinartigen Erweiterung entschlossen und mich damit beauftragt. Es soll nicht den Tageskommentar ersetzen oder konkurrieren, sondern innerhalb des Berichtzeitraumes eine Themenergänzung sein. Anregungen, Kritik, Lob oder Tadel erbitte ich an mich unter skorepa@hotmail.de weiterzuleiten.

 

 2. Ka Göd, ka Musi

Wir sollten uns nicht wundern, wenn die maßgeblichen Herren aus der Führungsriege der Wiener Staatsoper und der Bundestheater bei der Mitte März fälligen Programmpressekonferenz nackt erschienen, um gemeinsam das Lamento über den erst jüngst wieder mit 4,2 Mio Euro aufgebesserten Budgetrahmen anzustimmen. „Wir stehen jetzt nackt da!“, so der Bundestheatergeneral Dr. Georg Springer, was aber die Direktion des „Ackergauls“ (O-Ton H.v.Karajan) am Opernring nicht hindern wird, die neue Saisonplanung vorzustellen und die Karten zum Verkauf anzubieten. Die Rituale sind alt, die Politik und deren verlängerter Arm, die Bürokratie, die haben das Haus noch nie im Regen stehen lassen – es geht ja um das Prestige der Republik bzw. um Ansehen und Renommée der gerade an der Macht befindlichen Politiker – wohl aber geht es manchmal auch um einen nicht genehmen Direktor und dessen Wunsch nach einer Vertragsverlängerung oder wenigstens nach einem Ehrenjahr, wie es einst Direktor Drese gerne zugestanden bekommen hätte. So einer blitzt dann mit seinen Wünschen ab.

Rund 300 km westlich von Wien, bei den Salzburger Festspielen gehen derzeit ähnliche Spielchen vor sich. Die Saison 2013 wird bereits verkauft, da nimmt ein Mitglied des Kuratoriums Anlauf zu einem Intendanten-Bashing und verlangt eine finanzielle Überarbeitung der Planungskosten, weil die begleitende Kontrolle zu dem limitierten Budgetrahmen von 60,0 Mio Euro eine drohende Überschreitung von rund 5,0 Mio Euro wittert.

Da wie dort wird von den Direktionen die Politik, die in Form der Aufsichts-oder Beiräte oder ähnlichem ausgetrickst, mit dem Wissen, dass die Finanzfeuerwehr in Form außerplanlicher Zuschüsse bereit steht. Spätestens dann, wenn Neuwahlen die alten Politiker fortgeschwemmt haben werden.

In Salzburg steht ein Intendant in der Kritik, der kaum auf seinem Sessel warm geworden, schon unter strenger Beobachtung des Salzburger Bürgermeisters steht. Schon 2004 hat man Ähnliches das „festspielpräludierende Intendanten – Waderl – Beißen“ genannt. Damals ging es um Nebengeschäfte des Intendanten Dr. Ruzicka, ihn trafen die merkwürdigen Misstöne der „Kleinen Machtmusik“ von Bürgermeister Dr. Schaden, der damals dem Leiter des wohl größten Festival des Kontinents zumutete, während der Dauer dieses „die Stadt möglichst nicht zu verlassen“. „Stechuhrmentalität“ war die Antwort Ruzickas auf die etwas skurril anmutenden Forderungen. Es war derselbe Dr. Schaden, der Jürgen Flimm im Hinblick auf dessen Wünsche nach vorzeitiger Vertragsauflösung ausrichten ließ, „dass er sich das abschminken könne“. Und jetzt geht der schon erwähnte Fight Schaden versus Pereira in die nächsten Runden. Die Lösung wird halt wie immer eine „österreichische“ werden. Salzburgs Politiker werden vor den Wahlen im Mai wegen einer eventuellen Überschreitung in dieser Höhe nicht allzu viele Wellen schlagen, steht ihnen doch selbst schon wegen weitaus höherer Spekulationsbeträge das Wasser bis zum Hals.                                                                                                         

Der Salzburger Bürgermeister scheint jedenfalls nirgendwo spekuliert zu haben.

P.S. vom 7.3.2013:  Im Kuratorium zeigte man gestern noch zweifelhafte Einigkeit. Die Lösung klang nach: “Waschen wir ihnen noch einmal den Pelz, bevor wir die beiden, Präsidentin und Intendant, nass machen.” Wer allerdings Bürgermeister Schaden zum Feind hat, der braucht sich um seine Zukunft in Salzburg keine Sorgen mehr zu machen, der hat keine mehr.” Quasi für das Kuratorium sprechend schloss heute Schaden eine Verlängerung des Intendantenvertrages für Pereira über 2016 hinaus definitiv aus. La comedia non é finita.                                                                                           

P.S.

Doch zurück nach Wien:

 3. Das Repertoire im Februar

 


Tara Erraught als “Cenerentola”. Foto: Barbara Zeininger

Zunächst gab es da aus der auslaufenden Premierenserie von LA CENERENTOLA noch vier Vorstellungen mit der umstrittenen Titelrollendarstellerin Tara Erraught (im Online-Merker  im Jänner behandelt, dazu auch ein Bericht vom 1.2.). Die Jugend und der Ehrgeiz und die bisherigen Auftritte (siehe auch das Interview von Renate Wagner) der Mezzosopranistin lassen den Schluss zu, dass sie in ihr Fach mit einigem Erfolg hineinwachsen wird, allen Unkenrufen zum Trotz. Dass unser Haus, das ja ein erstes sein will, für seine großen Premieren den Ansprüchen eines solchen, die musikalische und gesangliche Interpretation anlangend, nicht gerecht wurde, das ist zusammen mit der nicht gerade sehr humorvollen Regiearbeit bedenklich, wäre doch gemäß Bundestheatergesetz „die Stellung im Kreis der führenden Häuser zu erhalten und weiter auszubauen“(§2,Pkt 4).
Nun wurde diesmal nicht nur von diversen Foren sondern auch von professioneller Kritik das „Match“ zwischen Theater an der Wien mit seinem köstlichen LE COMTE ORY von Rossini gegen die Staatsoper mit ihrer CENERENTOLA eindeutig mit 1:0 gewertet
.

 

Was wäre aus dem Februar ohne einen Placido Domingo geworden, seine Qualität dominierte den Monat. Um ihn herum eine leidlich gute Sängerschar und ein ausgezeichneter Dirigent in den vier Vorstellungen des SIMON BOCCANEGRA. Schade, dass die Mitschnitte für den Rundfunk erst jetzt gemacht wurden, denn um den in Bestform befindlichen Star scharte sich in den vorhergegangenen Serien ein vielleicht um Grade stimmigeres Ensemble. Der Online-Merker war diesmal immerhin mit fünf begeisterten Kritiken dabei. (Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn)

 

Die drei Vorstellungen der MADAMA BUTTERFLY wurden von den Redakteuren nicht besucht, vielleicht in Unkenntnis einer Umbesetzung der Rolle des leichtlebigen Marineleutnants. Der junge und attraktive Tenor Jorge de Leon aus Teneriffa ist international schon dabei, im Spintofach in die Rollen etwa eines Cura oder Alagna hineinzuwachsen. (Foto: M.Pöhn)

 

Im eigentlichen Paraderepertoire des Hauses, nämlich bei Richard Strauss, konnte die Staatsoper wieder drei Mal mit der SALOME glänzen, unterstützt von Camilla Nylund als viel gelobte Tetrarchentochter und dem neuen Zisternenbewohner, James Rutherford. Peter Schneider war der von der Merker-Heft-Redaktion zu Recht so umschwärmte Dirigent. Alle drei Vorstellungen wurden Online beschrieben. (Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn)

Ein BALLO IN MASCHERA beendete dessen Serie. Singt er oder singt er nicht, das war immer die Frage bei Roberto Alagna, der in der vorausgegangenen Vorstellung arg indisponiert war. Letztlich trat er doch an, siegte, vielleicht nicht auf allen Gesangslinien, aber er hatte einen guten Abgang „derstemmt“. Um ihn statt der vorgesehenen  Frau Radvanovsky die interessante Einspringerin aus Bulgarien, Gabriela Georgieva als Amelia und ein eher blasser Beitrag des Baritons Gabriele Viviani. (Alles in einer Online-Kritik vom 3.2. zu lesen)

 

Über eine der beiden TOSCA-Aufführungen, jener vom 25.2. wurde im Online-Merker berichtet, eine der typischen Füllaufführungen in dieser Dauerinszenierung, mit Maria José Siri als Floria Tosca und Claudio Sgura als Scarpia, die Hausdebütanten und Alexandrs Antonenko mit einem Rollendebüt als Cavaradossi. Ihm kann man als Radames in der kommenden Neueinstudierung der AIDA wieder begegnen. (Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn)

 


Wer will da nicht der Verführte sein? Valentina Nafornita, Adam Plachetka. Foto: Barbara Zeininger

Und da gab es noch, eingerahmt vom Opernrepertoire, Ballettabenden und der höchstwahrscheinlich weitaus lustigeren Kinderzauberflöte den WIENER OPERNBALL. Ohne die Berechnung zu kennen, müssen wir davon ausgehen, dass der angegebene finanzielle Überschuss bei diesem Ereignis wirklich 1,1 Mio Euro beträgt. Da ja keine Beträge aus Zuschüssen in die Kalkulation eingeflossen sein können und die laufenden Kosten der Schließtage auch enthalten sein werden, kann man wie immer sagen: Der finanziell erfolgreichste Abend an der Wiener Staatsoper. Die künstlerische Linie des Hauses war jedenfalls durch das Ballett und vor allem mit dem Sängerpaar Valentina Nafornita und Adam Plachetka wirklich gut vertreten. Die Darbietungen der beiden hatten Geschmack und Qualität und hoben sich damit vom restlichen wichtigtuerischen Gehabe dieser Veranstaltung nur positiv ab.

 

4. Über den Tellerrand hinaus

 Erfolge lassen sich weder herbeireden, noch erzwingen und als fertige Früchte fallen sie keinem in den französischen Gärten in den Schoß!
Die Serie der Da Ponte-Opern nach dem nur mäßigen Erfolg des GIOVANNI und nach der eher desaströsen NOZZE DI FIGARO zu beenden, war die beste Entscheidung. Dazu haben wir jetzt noch eine TRAVIATA aus demselben Stall der Provence, so neu aber so unansehnlich, wie es die alte Lebedame am Ring schon seit Jahrzehnten war. Mehr Mut zu hauseigenen Entscheidungen im Kernrepertoire, verehrter Herr Direktor. Wenn man schon Mozart einkaufen muss, dann wenigstens gute Ware. Gerard Mortier, das ist der mit dem großen Mundwerk aus Belgien,  hat im Grunde eine gar nicht so aufregende Entscheidung für seine COSÍ FAN TUTTE gefällt, damit aber gleich voll ins Schwarze getroffen. Es muss ja nicht gleich ein Haneke sein, dessen Probebedingungen für das Theater an der Wien gar nicht erst annehmbar waren, aber mehr Mut, mehr Risiko müssen am Ring Einzug halten dürfen. Es fallen im italienischen Repertoire in Wien nur wenige Inszenierungen auf, die in Bezug auf Nachhaltigkeit ihre Qualität haben. Auch wenn sie typische Kinder ihrer Zeit sind, so haben die Entwürfe etwa von Zeffirelli, Schenk, Ponnelle und aus jüngerer Zeit Marelli wenigstens eine theatralische Wirksamkeit, auch wenn diesen Regiearbeiten eine gewisse Angestaubtheit nachgesagt werden kann. Also mehr Mut zu Eigenständigem, Neuem und Nachhaltigem.

Und da wir nicht ständig zwischen Wien und New York pendeln können, vermitteln uns wenigstens die Kino-Übertragungen überraschende Erkenntnisse aus der MET: Auch dort hat der „Trash“ – wie die Amerikaner dazu sagen – Einzug gehalten, die jüngste Aufführung des RIGOLETTO hat bewiesen, dass mehr szenischer Mut auch bei diesem Publikum anerkannt wird. Und beim PARSIFAL stellt sich an der MET ebenfalls wie in Madrid ein Haneke-Effekt ein. Francois Girard, der Regisseur des Parsifal, kommt aus der Filmbranche, seine bisher einzige opernaffine Arbeit war die Regie bei Stravinskys Ödipus Rex. Filmregie geht grundsätzlich geradlinig an den Stoff heran, denkt an detailreiche Personenführung und phantasiert in großen Bildern, alles Eigenschaften, die dichte Opernregie erwarten ließen und im Parsifal der MET auch die Erwartungen eingelöst haben. Der Online-Merker hat drei Eigenberichte eingestellt.

Peter SKOREPA/5.3.2013
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Wiener Staatsoper & Co. MONATSRÜCKBLICK März 2013

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Wiener Staatsoper & Co.

MONATSRÜCKBLICK

März 2013

 

1. In eigener Sache

Die in der Spalte REFLEXIONEN erscheinenden Monatsrückblicke werden die Berichte aus der Wiener Staatsoper über die Aufführungen jeweils eines Monats abrunden und gesammelt präsentieren. Diese Rückblicke sollen nicht den Tageskommentar ersetzen oder konkurrieren, sondern innerhalb des Berichtzeitraumes eine Themenergänzung sein.                                       

Dem Ehrgeiz nach optischer Verbesserung folgend, darf ich, um ein besonders attraktives Bild der Wiener Staatsoper an die Spitze des Artikels stellen zu können, mit freundlicher Genehmigung des bekannten Malers KARL GOLDAMMER, ein Foto von dessen Gemälde „Die Wiener Staatsoper“ verwenden.                                                                                                        

Für die Anbringung der entsprechenden Links zu MERKER Online Artikeln fehlt noch,die entsprechende technische Anbindung, wir arbeiten daran.                    

Anregungen, Kritik, Lob oder Tadel erbitte ich an mich unter skorepa@hotmail.de .

 

2. Das Repertoire im März

 Zwei Absagen und ein Hexenschuss sorgten für entsprechenden Adrenalinausstoß in der Direktionsetage, dazu noch ein, in den Foren verrissener, gesanglich   rekonvaleszenter Tenorliebling, das alles brachte im März-Repertoire viel Spannung und viele Diskussionen.

Beide Absagen von wichtiger Sängerr zeigte die Schwächen von Jubelfestivitäten auf: Wo zaubert man so schnell im Verdijahr einen vazierenden, herzeigbaren Radames her? Wer kann überhaupt im Wagnerjahr einen Parsifal zu Ostern entbehren und ihn nach Wien verleihen? Beim Würstelstand am Westbahnhof waren sie nicht anzutreffen, so wie einst ein mit Erfolg gesuchter Wotan.

Und dann noch der Hexenschuss unseres Generalmusikdirektors Franz Welser-Möst, der damit ungewollt beweisen konnte, dass seine Absage für Salzburgs „Cosí“ zu recht erfolgte. Die Anhäufung seiner Dirigate in Wien mit fünf schweren Werken innerhalb von acht Tagen und noch den entsprechenden Proben dazu, das führte zwangsläufig zu einer solchen Situation am achten Tag! Bei allem Verständnis für die an den Tag und auch wahrscheinlich an den Abend und an die Nacht gelegte Freude an künstlerischer Tätigkeit, für einen nachvollziehbaren Drang nach beruflicher Selbstbestätigung und auch voller Bewunderung für diesen Einsatz, dieser Leistungsumfang sollte nicht nur von einer Person getragen werden. Da muss man davon auch etwas abgeben können, selbst wenn neben der Arbeit – schweren Herzens womöglich – auch künstlerische Erfolge dabei geteilt werden müssen. Dem Zeitgeist entspricht es ja, wenn auch auf kulturpolitischem Sektor durch überzogenes Leistungsdenken, durch organisatorische Notwendigkeiten Postenkumulierungen und letztlich Allmacht entstehen. Gerade die reisenden Maestri unterliegen dieser Sucht zum Karajanismus gerne und nach Cleveland scheint es mit dem Flieger nur ein Katzensprung zu sein. Wir wollen Sie eigentlich gesund und ausgeruht in Wien haben, verehrter Maestro!

In Erwartung des GMD

 

 

Die Wiederaufnahme

 AIDA   14.,17.,20. und 23.März  

Das war noch nicht da: Vier Tenöre für eine Aida-Serie mit 4 Vorstellungen. Aleksandrs Antonenkos Absage machte diesen Einsatz von Einspringern notwendig: erst einmal der fesche und höhensichere Spanier Jorge de Leon, dann Hector Sandoval, der Mexikaner, darauf Piero Giuliacci, der Römer mit der Pavarotti-Figur und zuletzt Mikhail Agafonov, der Moskauer. Das „Hauptereignis des Abends“ war jedoch Kristin Lewis, die attraktive dunkelhäutige Aida.

Kristina Lewis, die Aida für vier Feldherren

Das späte Rollendebüt von Olga Borodina wurde wegen der von den Rezensenten vernommenen Höhenproblemen allgemein bedauert, hingegen ihre tolle Tiefe bewundert, während Markus Marquardt als Amonasro zu leichtgewichtig empfunden wurde. Pinchas Steinberg kehrte an die Staatsoper zurück, schien aber nicht mehr über den notwendigen Biss zu verfügen. Er schlug nur wenig Feuer aus der Musik, und die, nur lähmende Langeweile ausstrahlende Szene tat ihr Übriges. Nach der zweiten Vorstellung gab es einen Schlussapplaus von genau drei (!) Minuten. Und das nach einer Aida! Ein neuer Minusrekord. Dafür stellte Peter Dusek am letzten Abend „Pop-Konzert Gejohle fest.“     Vier Rezensionen sind Online

Der erste der vier Feldherren: Jorge de Leon

LA TRAVIATA   9.,12. und 15.März

Die Schwierigkeiten Rolando Villazons, gesanglich wieder Fuß zu fassen, waren nicht zu überhören. Weniger für die Kritiker der Tageszeitungen als für unsere Hauseigenen. Nur Renate Wagner erwischte einen tollen Abend des Mexikaners. Und es machte ihr auch das exaltierte, dafür aber extrem ausdrucksbetonte Singen von Marlis Petersen nichts aus. Auch Fabio Capitanucci wurde unterschiedlich bewertet. Dafür wurde heftig gerätselt, ob der Tenor nicht doch gleich wieder absagen würde. Aber er hielt durch. Paolo Carignani überzeugte am Pult, die Inszenierung dafür niemanden.          Drei Rezensionen sind Online

Marlies Petersen und Rolando Villazon, noch mit Frühlingsgefühlen im zweiten Akt

 

 

DON GIOVANNI   2.,5.,7. und 10.März

Abdrazakov und Schrott, Herr mit renitentem Diener

Die erste der drei revolutionären Figuren des Monats, der Revolutionär für freien Sex, aber weniger für Frauenfragen. Trotzdem hat er sich nicht so eine hässliche Höllenfahrt verdient wie in dieser Inszenierung („Rutschbahn in die Hölle“ gem. G.Freund). Am Beginn stand letztlich kein Mord, sondern Notwehr mit Todesfolge (es gilt die Unschuldsvermutung), Donna Anna war sowieso ein äußerst bereitwilliges „Opfer“, die Heirat mit Donna Elvira wahrscheinlich nur deren Einbildung. Zerline ließ sich gerne verführen und ihr Verlobter hat sich die Prügel verdient. Bleibt lediglich Störung der Totenruhe wegen Singens auf einem Friedhofsgelände. Für die vielen falschen Versprechungen werden sich die anderen 2.062 „Opfer“ aus Scham wohl nicht mehr melden. Ildar Abdrazakov war ein souveräner Giovanni, Erwin Schrott drangsalierte seinen Herrn über Gebühr, Marina Rebeka ragte bei den Frauen heraus, Vèronique Gens als Elvira war den Kritikern zu farblos, ebenso Tae-Yoong Yang und Sylvia Schwarz als das Bauernpärchen, Louis Langrée eher nur Solidität am Pult.

Fünf Rezensionen sind Online

LE NOZZE DI FIGARO   13.,16. und 19.März 

Zweimal Stimmluxus: Fally´s Barbarina und D`Arcangelo´s Graf

Der zweite Revolutionär des Monats ist Figaro, der bei seinem Herrn dessen Autorität in Frage stellt und dessen vermeintliches Schenkelrecht an seiner Verlobten bekämpft und mit List die gräfliche Hoheit austrickst. Ein absolut stimmiges Ensemble war am Werk, allen voran Adam Plachetka und Ildebrando D`Arcangelo als Diener und Herr, dazwischen die feinen Damenstimmen von Malin Hartelius, Anita Hartig und Rachel Frenkel als Gräfin, Susanna und Cherubino und nicht zuletzt Daniela Fally als Luxus-Barbarina. Wieder Louis Langrée am Pult, er ist in den Berichten des Print-MERKERs nicht unumstritten. Die nach wie vor angefeindete Regie von Jean-Louis Martinoty muß sich als „eklatant misslungen“ (G.Freund) bezeichnen lassen.                  Eine Rezension ist Online

Rachel Frenkel und Anita Hartig

 

WOZZECK  27.und 30.März

 Der dritte Revolutionär im März ist der Autor dieses Opernstoffes, Georg Büchner, er ist aber auch der Verfasser jener berühmten sozialkritischen Kampfschrift „Der hessische Landbote“ mit dem berühmten Slogan: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ Was könnte er heute schreiben? Wohl „Friede den Harz IV Empfängern! Krieg den Börsen, den Spekulanten und den Aufsichtsräten!“

Wozzeck mit Hauptmann: Keenlyside und Pecoraro

Die Aufführungen von Alban Bergs „Wozzeck“ kamen in sämtlichen Berichten und Tageszeitungen sehr gut bis hervorragend weg, Franz Welser-Möst bereitete die Partitur in ihrer ganzen Dramatik auf, ein sehr gutes, homogenes Sängerensemble war zu hören. Die Kombination des Wiener Ensembles mit den Wiener Philharmonikern war immer schon bei diesem Stück eine Garantie für höchstes Niveau und ist es auch mit einer durchmischten Sängerschar geblieben.

Anne Schwanewilms mit Gary Lehman

Das Haus war bummvoll. Viel Applaus für Welser-Möst und für Simon Keenlyside, der einen, in seinem seelischen Gefängnis leidenden völlig überzeugend darstellte und sang (eine „Patientenakte“ lt. Dominik Troger). So schön und erfolgreich kann heute Atonales schon sein!

Drei Berichte sind Online

 

 

PARSIFAL   28.und 31.März

Als „perfekter Einspringer“ (Dominik Troger) erwies sich Christopher Ventris am 28.3., den Ersatz für den weiterhin absagenden Jonas Kaufmann am 31.3., Christian Elsner, bezeichnet Renate Wagner als „matt“, so wie bei ihr der Regiearbeit von Christine Mielitz ein „provokant hässlich“ verpasst wird. Zumindest war der Ersatztenor Nr.2 so manchem Klangrausch des Orchesters nicht gewachsen. Auch die Kundry der Evelyne Herlitzius wurde sehr unterschiedlich aufgenommen. Singt sie für Renate Wagner „mit den trockenen Resten einer Stimme  so klingt sie für Dominik Troger „mehr verhärmt, als erotisch“, aber während es ein „Gesang an der Grenze der menschlichen Stimme“ für Maria und Johann Jahnas war, vernahm Ernst Kopica gar „eruptive Spitzentöne“ in voller Pracht, „eine verrückt gewordene Lucia“. Gegen die Salzburger Aufführung zu den Osterfestspielen attestiert derselbe Kritiker der Regie der Wiener Staatsoper im Vergleich „einen klaren Punktesieg“. Wer im Salzburger Festspielhaus war oder sich im TV mit dieser Übertragung konfrontierte, der müsste dem Ergebnis eigentlich nur zustimmen!

Der erste Einspringer, Christopher Ventris mit Evelyne Herlitzius

Die anderen Sänger ernteten durchwegs Lob, manchmal mehr davon, wie etwa Kwangchul Youn und Wolfgang Bankl als Gurnemanz und Klingsor, aber auch weniger, wie der Amfortas von Tomasz Konieczny.

Und nach einem „schier unglaublich schönen ersten Akt“ (R.Wagner) von Welser-Möst musste dieser w.o. geben und der Solokorrepetitor James Pearson dirigierte nach kurzer Zwangspause mit Akt 2 und 3 die Vorstellung äußerlich souverän zu Ende. („Die abgewendete Katastrophe“, so Wagner, und etwas salbungsvoller aber dem Sujet angemessener mit „Schock und Erlösung“, so Jahnas)        Vier Berichte sind Online

Evelyn Herlitzius, Thomasz Konieczny und Kwangchul Youn

L`ELISIER D`AMORE    1.,4.und 8.März

In Rollendebüts: Ailyn Pérez und Stephen Costello

Das erste Füllstück im Dreierpack. Ailyn Pérez, die mit Preisen verwöhnte Sängerin aus Illinois mit Wurzeln in Mexico war als Adina hochgelobt und  feierte mit dem Belcore namens Markus Werba ihr Haus-Rollendebüt, und der Venezianer Lorenzo Regazzo hatte sein Rollendebüt als Dulcamara, die großen Rollenvorgänger konnte er nicht zur Gänze erreichen. Yves Abel war der verlässliche Dirigent dieses Dauerbrenners.

Ein Bericht ist Online

IL BARBIERE DI SEVILLA   18.,22.und 25.März

Das zweite Füllstück ist als “vergnügliche Vorstellung“ gelungen, in welcher alle Mitwirkenden diese Buffa „überzeugend umsetzten“. In der 387. Vorstellung dieser Inszenierung war der Veteran Alfred Sramek in der Rolle des Bartolo zu sehen (immerhin ist er schon 33 Jahre im Einsatz in Sevilla), und ist Vesselins Kasarova als Mezzo-Rosina, Adrian Eröd als quirliger Figaro, Javier Camarena als schönstimmiger Almaviva und Sorin Coliban als dröhnender Basilio zu begegnen gewesen. Guilliermo Garcia Calvo stellte mit seinem Dirigat die „Cenerentola in den Schatten“. (alle Zitate D.Troger)

Adrian Eröd als Hans Dampf in allen Gassen Sevillas

 

Die Bezeichnung „Füllstück“ ist nicht abwertend gemeint. Mit solchen Inszenierungen kann man vor allem durch Einsatz von Kräften aus dem Hausensemble, aufgewertet mit einem oder mehreren Gästen die entstandenen Lücken in der Planung gut füllen und sind obendrein beim Publikum wegen ihrer konventionellen Art beliebt, aber auch nicht zuletzt bei den Kostenfuchsern in in der Buchhaltung.   Ein Bericht ist Online

 

3. Das Programm der Wiener Staatsoper 2013/2014

Wohin steuert der Raddampfer ?

 

Am 19.3. fand die Programmpressekonferenz von Direktor Dominique Meyer für die Saison 2013/2014 der Wiener Staatsoper statt. Auffallend an dem Spielplan – zu dessen Studium und persönlicher Suche nach Lieblingsstücken und bevorzugten KünstlerInnen auf die Homepage und die Broschüren des Hauses verwiesen sei – ist der Paradigmenwechsel bei der italienischen Oper. Hat bisher die Direktion Dominique Meyer mit wenig Erfolg versucht, recht hektisch die Erbschaft ihres Vorgängers, aber auch jene aus früheren Zeiten zu sanieren – zunächst bei Mozart (Figaro und Giovanni), dann bei Verdi (mit einem ebenso langweiligen Don Carlo wie dessen verstaubter Vorgängerinszenierung) – leider natürlich zu Lasten eines interessanteren Spielplans, beginnt sie jetzt neue Wege zu gehen. Mit der Fanciulla del West und der Adriana Lecouvreur kommt erstere nach langem wieder auf den Spielplan, letztere überhaupt zu Erstaufführungsehren. Endlich interessante Erweiterungen im italienischen Fach. Für die ein oder andere Neuheit bei Verdi oder gar einem Trovatore hat es wieder nicht gereicht. Zugegebenermaßen läuft die Sanierung beim deutschen Fach besser an: der Tristan wechselt heuer, der Lohengrin nächste Saison, hoffentlich spannend und nachhaltig.

Wer aber auf dem Plan der kommenden Spielzeit die Aufführungsziffern mit früheren Jahren vergleicht, wird feststellen, das zB. in der Saison 2007/08 immerhin 241 reine Opernabende (ohne Kinderopern oder sonstige Aktivitäten) stattfanden, in dieser und der nächsten Saison jedoch nur mehr 224 bzw. 226 Opernabende angesetzt sind. So sank auch die Anzahl der Wagnerabende in den gleichen Zeiträumen von 33 auf 19 bzw 23, bei Verdi von 47 Abenden 2007/08 auf 37 in der kommenden Saison. Bei Strauss ist eine ähnliche Entwicklung: Waren es 2007/08 noch 25 Abende, so sanken diese 2012/13 auf 21 und 2013/14 auf 16 Abende. Das sind vielleicht nur kleine Schritte eines Schwundes, aber doch Zeichen schleichender Sparpolitik.

4. Über den Tellerrand

Bei der Programmpressekonferenz der Wiener Volksoper für die Saison 2013/2014 verteidigte Direktor Robert Mayer das Abweichen von seiner eisernen Doktrin für deutsche Texte in welschen Opern unter dem Hinweis auf die Übernahme einer Inszenierung, die in Bonn im (oh Pfui!) italienischen Original gelaufen ist. Das ist ein charmanter Schmäh von ihm, denn niemals wird er jemanden erklären können, wieso in einem vorhandenem Bühnenbild und einer fertigen Regie ausgerechnet nach einer Verschickung über eine Luftlinie von rund 727 km ein italienischer Trovatore nicht doch zu einem deutschen Troubadour werden kann. Wahr ist viel mehr, dass diese Situation dem Herrn Direktor hilft, von einer nur scheinbar in Stein gemeißelten Ansicht abzuweichen. Man findet heute einfach keine Sänger und Sängerinnen mehr, die Verdi extra auf Deutsch einstudieren, nur um im wohl einzigen Opernhaus des deutschen Sprachraumes die Landessprache benützen zu müssen. Die letzte Bastion, die Komische Oper in Berlin, bekennt sich jetzt vorletztendlich zur Originalsprache, so dass die bisherige direktionale Zwangsmaßnahme am Währinger Gürtel in ihrer Art ein Einzelphänomen im deutschen Sprachraum geworden ist.

Schon im Hinblick auf den §2, dem kulturpolitischen Auftrag im Bundestheatergesetz, in welcher die mit Monatsvertrag engagierten Solisten zum Auftritt in beiden Häusern zu verpflichten sind, könnten Künstler in, im italienischen Original gesungenen Werken jeweils in beiden Institutionen ihr Repertoire und ihre Reputation erweitern.

Ob die Erweiterung des Repertoires ausgerechnet in Richtung „Fidelio“ eine Not wendet, wird nach dem Ergebnis zu beurteilen sein. Auf alle Fälle ist es wieder ein Doppel mit dem Haus am Ring! (Das Doppel mit dem Theater an der Wien war ein temporärer Einzelfall.) Bestenfalls ist der sinnvolle Austausch mit Sängern beider Häuser möglich, allenfalls stehen dem aber differente Fassungen im Weg.

Peter SKOREPA   5.4.2013

Das Titelfoto mit freundlicher Genehmigung

des Künstlers, Herrn Karl GOLDAMMER

Sämtliche Bühnenfotos: Staatsoper/M.Pöhn

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REFLEXIONEN : Die Wiener Staatsoper im April 2013

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Wiener Staatsoper & Co.

MONATSRÜCKBLICK

April  2013

 

 1. Das Repertoire im April

 „Wenn das Haus die künstlerischen Muskeln spielen lässt“ titelt man im KURIER unter Hinweis auf das vielfältige Repertoire im April. Viele der Vorstellungen waren auf hohem Niveau besetzt, auch wenn es oft nur der einmalige Einsatz eines einzigen „Stars“ in einer Serie im Jahresablauf bedeutete. So ist La Netrebko weiterhin ein nur rarer Gast in Wien und Elina Garanca konnte diesmal überhaupt nur eine Vorstellung wahrnehmen, wobei hier die Staatsoper mit Vesselina Kasarova als „Ersatz“ noch Glück hatte.

 

Die Wiederaufnahme:

LA FILLE DU RÉGIMENT   28. April

Alexandra Kurzak, die neue Marie

Im April 2007 lief eine ungemein erfolgreiche Serie dieser Donizettioper, damals gleich mit neun Vorstellungen, allerdings hielt der damalige Direktor das Werk künstlerisch für zu leichtgewichtig, um es in eine dauerhafte Repertoireposition einzugliedern. Der diesmal sich wiederholende Erfolg strafte ihn aber Lügen und die Folgebesetzung konnte mindestens ebenso reüssieren, wie jene vor sechs Jahren. Alexandra Kurzak „sang die Marie mit großem Einsatz, ihre Komödiantik bestach ebenso wie ihre sicheren Höhen“.(Online, Marksteiner)“. „Atemberaubend ist der Einsatz, den Alexandra Kurzak als Marie bringt“ und „John Tessier wirkt wie ein dümmlicher Junker Bleichenwang …. aber vor allem singt er, wie mannem Donizetti-Tenor erwartet“ (Online,R.Wagner). Kurz und gut, diese Wiederaufnahme war ein Erfolg, nicht zuletzt auch durch die Mitwirkung des köstlich-komischen Carlos Álvarez als Sulpice, der sich hörbar nicht mehr mit einer Stimmkrise herumschlagen musste. Die etwas stocksteife Kiri Te Kanawa, die nicht jene Persiflage einer abgetakelten Diva auf die Bühne brachte wie ihre Rollenvorgängerin, weil sie noch zu viel an figürlichem und stimmlichem Reizen zu verteidigen hatte und diese offensichtlich nicht einer billigen Komödiantik opfern wollte.

 

Guillermo García Calvo war ein authentischer musikalischer Leiter des Abends. Die Leistung des Staatsopernchors, der ja bei den meisten Regien eher zu einem Herumstehtheater verurteilt ist, die ist diesmal besonders wegen seiner detailfreudigen, solistischen Gestaltung hervorzuheben.

 

(Zwei Besprechungen finden Sie im Online-MERKER)

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Carlos Alvares als Sulpice, ein Regimentsvater in Nöten

 

WOZZECK   2.4.2013

Anne Schwanewilms und Simon Keenlyside

 Die letzte Aufführung der im März begonnenen Serie  fand unter der intensiven Leitung des Einspringers Dennis Russel Davies statt, im Online-MERKER war Kurt Vlach von der Leistung Simon Keenlysides und vor allem jener Wolfgang Bankls überzeugt, aber auch jener Gary Lehmanns als Tambourmajor und Norbert Ernst als Andres. Etwas kritischer beurteilte er Herwig Pecoraro („mehr feixender Mime denn Offizier“) und zeigte sich enttäuscht von Anne Schwanewilms Marie, die „extrem berechnend“ auftrat, die ihre stimmlichen Möglichkeiten manchmal überschritt. „Die Liebe zu ihrem Kind nahm man ihr nicht wirklich ab.“ Zuletzt kommt der Berichterstatter vollends über dieses Werk ins Schwärmen: „ Ich würde diese Oper ja ohne mit der Wimper zu zucken … mit den kompletten Belcanto-Opern und einem Großteil der Verdi- und Puccini-Werke tauschen“ Man kann diese Äußerung nur der unmittelbaren Wirkung des Werkes zuordnen, besser ist da schon sein Vorschlag, pro Saison einen Schwerpunktmonat „20.Jahrhundert“ einzuplanen und verweist auf die vielen dazu vorhandenen und herzeigbaren Inszenierungen an unserem Haus.

 (Die Besprechung finden Sie im Online-MERKER)

 

 

FIDELIO   3.,6. und 10.April

Das „Hohelied der Liebe“ ist ein Dauergast im Repertoire und für zumindest einen Durchlauf pro Saison in der Version von Otto Schenk immer gut. Sollte jemandem die Regie zu bieder sein, der kann es ja ab nächster Saison an der Volksoper versuchen. Zwischendurch hat uns ja auch das Theater an der Wien mit nur mäßigem Erfolg die sog. Freiheitsoper vorgesetzt. Dubletten und gar „Terzetten“ derselben Werke sind bei uns trotz schwindender Förderungsmittel noch immer an der Tagesordnung. Für unsere Online-Schreiber (M&J.Jahnas) war die Aufführung am 3.4. ein „musikalischer Leckerbissen“, am 6.4. gar „namenlose Freude“. (Immerhin attestiert der KURIER am 19.3. der Konkurrenz im Theater an der Wien „keine Spur“ einer solchen Freude in der Wiedergabe unter Harnoncourt und unter der Regie von Föttinger). Mit Anja Kampe als Leonore, Walter Fink als Wendehals, Falk Struckmann als Pizarro und Valentina Nafornita als verliebte Büglerin war unter dem sicheren Adam Fischer ein solides Repertoire angesagt.

Lance Ryan als Florestan

 

Lance Ryan konnte dem Bericht zufolge als Florestan „diesmal die Mindestanforderung der Wiener Staatsoper nicht erfüllen“. Das entfachte eine Forumsdiskussion, wo solche Mindestanforderungen quasi in den Stein des Hauses gemeißelt wären. Prompt erfüllte der Tenor diese in der zweiten Vorstellung, „die schöne, leicht metallische Stimme kam sicher und technisch gut geführt und erzeugte genau die Stimmung zwischen Hoffnung und Verzweiflung“, die „schier unglaubliche Steigerung war eingetreten“. Kritiker im Zwiespalt zwischen Vorurteil und Hoffnung. Dafür sang der Chor „zum Niederknien“, und dabei täuschen wir uns nie.

 (Die beiden Besprechungen finden sie im Online-MERKER)

 

 

PARSIFAL   4.April

Diesmal war es endlich so weit. „Jonas Kaufmann: Der vierte Parsifal ist der Ideale“ titelte der KURIER.

Sowohl der Online-MERKER (Botz) mit „feinster lyrischer Tongestaltung“ als auch OperinWien (Troger) mit „starken dynymischen Abstufungen … mit seinem schön gefärbten baritonalen Timbre“ und auch im KURIER mit „Aber sein Timbre ist atemberaubend schön, die Farbenpracht seiner Stimme ist gewaltig“ überschlug sich die Kritik förmlich, ohne zu überhören dass neben einem ungemein heldischen „Amfortas! Die Wunde“ auch eher zurückgenommene, der Rekonvaleszenz geschuldete Töne zu hören waren. Was derzeit die allgemeine Begeisterungsfähigkeit für Kaufmann, das scheinbar so Unentbehrliche an ihm, das so universell im deutschen wie im Italienischen und französischen Fach Wirkungsvolle ist, das erinnert ein wenig an die jungen Jahre eines Domingo. Nach dem ins baritonale Ausgedinge abgewanderten Mexikaner wüsste ich derzeit keinen besseren Universalisten für den verwaisten Tenorthron als diesen deutschen Tenor.

Kaufmann und Herlitzius

Und nach dem wagemutigen Einspringen des Solokorrepetitors James Pearson, einem gelernten Dirigenten, war diesmal Adam Fischer zur Stelle, für die Kritik eine Interpretation nicht mit unbedingter Perfektion aber mit lebendigem Gesamteindruck (Troger), mit stimmiger Innenspannung (Botz) und ist geradezu euphorisch zu beurteilen (Korentschnig, KURIER). Und wieder war zu hören die unheimlich intensive Kundry der Evelyn Herlitzius, ein schönstimmiger Gurnemanz in Indianerverkleidung von Kwangchul Youn, der leidensintensive Amfortas von Tomasz Konieczny und der drastische Klingsor des Wolfgang Bankl.

 (Zwei Besprechungen finden sie im Online-MERKER)

 

 

 

RIGOLETTO   8.,11.und 14.April

Nicht nur im Macbeth bewies Simon Keenlyside, dass er über die Zwischentöne für zwielichtige Gestalten Verdis verfügt. Von Wozzeck zu Rigoletto: Eine Außenseitertour durch die Jahrhunderte laut D.Troger. Zu erwähnen, dass es ihm aber dabei an reichlichem Material für das üppige Strömenlassen der Stimme gebricht, wurde nicht überhört. „Kratziger Verismo“ bei R.Wagner, mangelnde Sinnlichkeit wird bei OperinWien (Troger) diagnostiziert, die vom Sänger durch Kalkül ersetzt wurde. Schauspielerisch traf er jedenfalls den Nerv wie etwa im Finale beim Empfang der Leiche, vermeintlich jener des Entführers, wenn Erregung zum Triumph und dann zum eiskalten Grauen umschlägt, wenn der „Untote“ aus der Ferne sein „La donna é mobile“ trällert. (frei nach Troger)

Matthew Polenzani im stilsicheren Ambiente eines Renaissancefürsten

Mit Olga Peretyatko debütierte eine junge Russin, mit einigem Erfolg, ohne allerdings das einbringen zu können, was man auf Grund der Vorausreklame von einer Nachfolgerin der Netrebko erwarten dürfte und Matthew Polenzani hat im Online-MERKER bei Marksteiner einen „wunderbar leichten Tenor“ der „Wohlklang verströmt“ und „auch in der Höhe voll da ist“. Nicht jeder hörte das so. Anders Kurt Rydl, der sich nicht um Wohlklang bemühte, sondern mit seiner durch Jahre gegerbten Stimme drauflos orgelte, Tremolo inbegriffen. Das Dirigat von Jesús López Cobos zeichnete sich durch Uneinheitlichkeit aus: schleppende Leerläufe und überdosierte Dramatik lösten einander ab. Bei Lukas Link im Online-MERKER kann man sich allerdings von einer Steigerung zum Ende der Serie hin überzeugen lassen. Ein völlig naturgemäßer Vorgang, wenn man davon ausgeht, dass jede vorhergehende Vorstellung gleich auch die Probe für die nächste ist!

 

(Vier Beiträge sind im Online-MERKER)

 

EUGEN ONEGIN   12.,15.,18.und 22.April

Netrebko-Hvorostovsky

Gleich sechs Kritiken stehen im Online-MERKER für diese Serie zur Verfügung. R.Wagner schwärmt für diesen von „originalen Russen“ besetzten Glücksfall, die auch noch das Niveau und – notabene auch die Namen mitbrachten, es ist eine „Lyrische Ekstase“ für Dominik Troger gewesen, M&J.Jahnas schreiben von „Premierenstimmung im Repertoire“, für Botz war es ein „Ereignis, wie man es nur selten erlebt“, während bei Jo Mark Anna Netrebko „kam, sah und siegte“. Nur Lukas Link stand da im Abseits und fand als Fazit für den Abend ein: „Enttäuschend“.

Aber die „Publilumsbefragung“ endete mit eindeutigem Jubel zugunsten dieser Besetzung, für die Regie wäre das nicht so positiv ausgefallen, der anhaltende Schneefall, die Permafroststimmung, die nerven das Auge, auch wenn die Regie methaphorisch seelische Kälte darstellen wollte. Zu sehr erinnerte auch mich das an den heurigen Winter und das lästige Schneeschaufeln.

Jedenfalls wurde fast durchgehend auf höchstem Niveau gesungen, die positiven Kritiken bemängelten auch nur Kleinigkeiten. Ohne Frage hat Anna Netrebko in russischen Rollen jetzt schon höchstes Niveau erreicht, lebt der etwas steife Darsteller Dmitri Hvoroskovsky nach wie vor von seinem schönen Timbre, ist Dmitry Kortschak an der Staatsoper endlich in seinem Fach angekommen. Und mit Fortschreiten der Serie ersang sich Konstantin Gorny mit seiner spröden Stimme letztlich auch noch die „Platzreife“ in diesem Haus. Um diese Hauptdarsteller herum erwies sich unser Hausensemble äußerst herzeigbar. Und Andris Nelsons war deren eminent wichtiger Begleiter.

(Sechs Kritiken sind im Online-MERKER)

 

Kwanchul Youn als König und Alexandru Moisiuc als Großinquisitor

DON CARLOS   9.,13.,17. und 21. April

Der französischen Fassung mit seiner interessanten Inszenierung von Peter Konwitschny waren von Anfang an Hindernisse auf den Weg gegeben, die einen vollen Erfolg bis heute verhindern. Zunächst hat die unselige und selbst gestellte Forderung, jede Note der französischen Fassung zu spielen, zu der letztlich doch nur dümmlichen und die Vorstellung verlängernden Pantomime „Ebolis Traum“ mit der untermalenden Ballettmusik geführt. Dann ist die Ausweitung des Autodafé-Bildes mit einer Pause davor und danach mit einer weiteren Verweildauer verbunden. Und die Absage von René Pape für die Premiere hat bis heute zu keiner einzigen einigermaßen zwingenden Besetzung für die Rolle des einsamen Herrschers mehr geführt. Das trifft auch für Kwangchul Youn zu, der zwar stimmlich passabel war, aber nur mit wenig Persönlichkeit auf der Bühne agierte. Youhoon Lee wurde im Laufe der Serie durch Jean-Pierre Furlan ersetzt und George Petean erwies sich diesmal uneinheitlich in Form. Schon immer war es besser um die Damen bestellt, Iano Tamar und Nadja Krasteva waren Elisabeth und Eboli. Einmal sprang als Eboli Laura Brioli ein, sie sang von der Seite und wurde optisch von der Abendspielleiterin ergänzt. Bertrand de Billy dirigierte. Letztlich wäre eine gesangliche Auffrischung und Kürzung dieser Inszenierung ein Vorteil für schmerzende Hinterteile.

 (Eine Kritik vom 13.4. ist Online)

 

LA BOHÉME   19.,23.,26.und 29.April

Wieder berichten M&J.Jahnas von „Repertoire auf höchstem Niveau“, schwärmt Sieglinde Pfabigan, die Chefredakteurin des Print-MERKERS von einem „Dirigentischen Puccini-Glück“, während meine Wenigkeit aus der 50-jährigen Aufführungsgeschichte Online plaudert.

Kristine Opolais als Mimi

Wer wird diese Produktion je auswechseln wollen, allenfalls könnte man eine interessante Zweitproduktion als Alternative einmal laufen lassen. Oder billiger, man könnte die Volksopernproduktion in der Kupfer-Regie mit interessanten Sängern wieder ins Laufen bringen. Immerhin hat darin ein Botha in Wien seine Karriere begonnen. So lieb und lustig es bei Zeffirelli am Dachboden zugeht, eine heutige Lesart ist auch in Wien längst überfällig! Das spricht natürlich nicht gegen diese Serie mit dem wunderbaren Beczala, der hübschen und innigen Kristine Opolais, dem überzeugenden Marco Caria als Marcello und der eloquenten Anita Hartig als Musetta. Und einen Dirigenten wie Andris Nelsons wünscht man sich öfter, sicher auch ein Wunsch der Mimi dieser Serie, die ist nämlich privat die Frau an der Seite dieses Mannes, dem sie beruflich als „einen Kollegen auf Augenhöhe“ begegnet.

 (Drei Berichte sind Online)

 

 

WERTHER   20.,24.,27.und 30.April


Roberto Alagna und Elina Garanca

 

War es für Peter Dusek eine „grandiose Wiederaufnahme“, so war für Lukas Link im Online-MERKER das Debüt von Roberto Alagna in Wien schon etwas spät angesetzt. Beide Herren waren sich über die außerordentliche Leistung von Elina Garanca natürlich einig. Doch die Absage der Lettin brachte wieder Vesselina Kasarova ins Spiel, die ab der zweiten Vorstellung quasi aus dem Flugzeug heraus auf die Bühne ging und die weiteren Vorstellungen mit der ihr eigenen und schon oft gezeigten hohen Qualität rettete. Sogar Kurt Vlach geriet Online ins Schwärmen. Da Alagna in dieser französischen Partie sogar besser als sonst zur Geltung kam und mit der Einspringerin gut harmonierte, war die Serie gerettet. Ein Hausschatz im Ensemble ist natürlich Daniela Fally, Tae-Joong Yang schon weniger. Bertrand de Billy war in seinem Element. Direktor Meyer meinte einmal bei einem Publikumsgespräch, für die französische Oper kein Faible zu haben, eine Aussage, die man angesichts dieses Werkes nicht ganz nachvollziehen kann.

 (Vier Berichte sind Online)

 

POLLICINO   28.April  Kinderoper, Premiere

Nicht nur diese Kinderoper von Hans Werner Henze hatte Premiere, auch die große Bühne der Wiener Staatsoper feierte eine Premiere als Schauplatz eines musikalischen Werkes für die Kleinen. (Die bisherigen Zauberflöten fanden ja mitten im Zuschauerraum statt) Renate Wagner packte noch einmal die restlichen, erhalten gebliebenen, kindlichen Anteile ihrer Seele aus und erfreute sich einer gelungenen Produktion, was sie auch Online für uns nachvollziehen konnte.

Endlich auch auf der großen Bühne: Grellbuntes Märchen für unsere Jüngsten. POLLICINO von Hans Werner Henze

 

2. Über den Tellerrand hinaus

 Linz hat ein neues Musiktheater, dazu einen Auszug aus einem Beitrag von Dr.Otto Brusatti in der Presse vom 15.4.2013 über die Eröffnung:

„Österreich – Musikland Nummer eins! Man hat hierorts neben tollem Know-how Komponistinnen und Komponisten, die zwar halb verhungern, die aber besser sind, als fast der Rest der Welt.

Allein, die Eröffnungsoper zu Linz: Neues (?) vom Philip Glass, der mit dem Eröffnungsteam ein Monopol hat, komponierend wie niemand sonst mehr (außer offenbar in Linz), als Novum (sic – es klang wie vor 25 Jahren). Eine voll austauschbare Minimal-Oper (nach Handke, ein Text?, der lieber hier nicht kommentiert wird, arrangiert sicherheitshalber vom Intendanten selbst.)

Das Stück selbst ist für andere Theater kaum vorstellbar. Herumgebrülle, sprachverhunzend, Minimal-Musik für Nostalgiker.

Können Sie sich vorstellen, etwa in Lyon oder Manchester, eröffnet man ein angeblich nationales „Neues Musiktheater“ nicht mit einer Auftragsproduktion für französische oder britische Schaffende? Undenkbar. Ach ja, die vorgebliche, oft sehr schlimm und penetrant klingende Oper des Herrn Glass heißt „Spuren der Verirrten“.

 

 Peter SKOREPA

Alle Bühnenfotos der Wr.Staatsoper: Michael Plön
Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer
Lob oder Tadel an skorepa@hotmail.de

Wien, am 9.5.2013

 

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REFLEXIONEN Die Wiener Staatsoper im Mai 2013

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Wiener Staatsoper & Co.

MONATSRÜCKBLICK

Mai  2013

 

 Das Repertoire im Mai

Dominique Meyer rief den Mai zu einem „Tenormonat“ aus, eine heikle Sache bei der bekannten Absagelust dieser Spezies von Sängern. Aber er hatte Glück, alle kamen und sangen, den stimmbandfeindlichen Wetterbedingungen zum Trotz, ob nun einer mit gleich neun hohen C´s um sich warf wie John Tessier, einer mit schweren Brocken aufwartete wie Stephen Gould oder ein debütierender Frauenverführer wie Vittorio Grigolo. Für Simon O`Neill gab es vom Stück her sowieso einen Wonnemond und Giordani und Cura sind ja robuste Herren und für Alagna sind französische Opern überhaupt Heimspiele, sein oftmaliges Erscheinen auf der Staatsopernbühne wurde schon als „Alagna-Festspiele“ apostrophiert. „Tenorfrühling“ titelte der PROLOG für den Mai nicht zu unrecht.
Als Sängerin des Monats darf man die herausragende Nina Stemme des Ring-Durchganges nennen, ein neuer glänzender Stern am Brünnhildenhimmel (“Walküre sorgt für wohlige Wonneschauer” titelt poetisch Die Presse) und die überraschendste Leistung am Pult kam vom Hausdebütanten Daniel Harding, so wie er das Holländerschiff sicher und energisch steuerte.

Garanca mit Urkunde und “ihrem” Direktor

 

 

 

 

 

Ein mit Spannung erwartetes Hausdebüt fand endlich doch statt: Elina Garanca brachte als Carmen alle ihre Möglichkeiten ein, genug von ihrem stimmlichen Reiz und erst recht von ihren äußerlichen Reizen und von ihrem bekannt dezenten und intelligenten Spiel erst recht – enttäuschte aber die Mehrzahl ihrer Kritiker, konnte fast keinen so recht von „ihrer“ Carmen überzeugen. Dass der männliche Teil der Kritiker unter ihr jederzeit gerne zum Don José würde, das steht in einer anderen Partitur. Die „Österreichische Kammersängerin“ hat sich diesen Titel nach 132 Auftritten in 15 Partien schon längst verdient und die Ernennung wurde ihr am 24.Mai im Teesalon der Staatsoper überreicht.

 

 

LA FILLE DU RÉGIMENT  1.,4.,7.und 13.Mai

Kurzak, Tessier und Alvarez bei bester Laune

Nach sechs Jahren Abwesenheit war die geglückte Inszenierung von Laurent Pelly wieder zu sehen, von einem Stück, dem der damalige Direktor die Repertoiretauglichkeit wegen der angeblich zu seichten Handlung nicht zutraute. Auch überraschte Aleksandra Kurzak als nahezu perfekte Nachfolgerin von Natalie Dessay.

Aleksandra Kurzak kein "verpatzter Bub"

„Schon alleine die Tatsache, dass Aleksandra Kurzak nicht wie ein „verpatzter Bub“ aussah, sondern doch sehr weibliche Rundungen hat, hatte auf die Personenführung der Marie erheblichen Einfluss“ erkannte Kurt Vlach sofort mit scharfem Kennerblick in seinem Bericht. Dominik Troger nennt das „gesunde Robustheit“ was sich da so dem männlichen Auge bietet.Und die Tenöre: „Der Vergleich, der einfach anzustellen ist – bei Flórez ist der Aufschwung zu den hohen Noten fließend, John Tessier musste sich das ein wenig erarbeiten“. Vlach stellte „Unrundes“ fest im Übergang vom Brustregister in die Kopfstimme. Und Dominik Troger fehlte bei Tessier „ein wenig das Feuer dahinter“, „die hohen „C´s“ klangen überraschend unspektakulär, so als würden sie noch ein bisschen Sonne brauchen um ganz aufzublühen.“ Kein Wunder bei diesem Wetter im Mai! Viel zu lachen gab es mit dem köstlich-karikierenden Carlos Alvarez mit Glatze und Kugelbauch. Da es in einem Opernhaus meist wenig zum lachen oder wenigstens etwas zum schmunzeln gibt – die „Schmähs“ im „Barbiere“ und in der „Italiana“ oder dem „Elisier“ sind eher schon altbacken und da die neue „Cenerentola“ schon in der zweiten Serie „nicht wirklich prickeln darf“ (was da der Kurier so schön umschreibt, kann man auch als „fad“ bezeichnen) – ist für gute Laune im Haus derzeit nur in dieser gelungenen Wiederaufnahme unter dem Spezialisten Guillermo Garcia Calvo am Pult gesorgt. Wie man noch in einem schon respektablen Alter gut aussehen und auch noch beachtliche Gesangskostproben abliefern kann, bewies Kiri de Kanawa, so eine Humorbombe wie die Caballé ist sie nicht.

 Zur Kritik Kurt Vlach

 

DER FLIEGENDE HOLLÄNDER   2.,5.und 9.Mai

Daniel Harding bei Windstärke 11

„Tatsächlich hat der umstrittene Daniel Harding noch nie an der Wiener Staatsoper dirigiert und stellte sich mit einem ausgezeichneten Repertoire-„Holländer“ ein.“ Soweit Renate Wagner, welche die Ausformung der orchestralen Passagen, den Kontakt zur Bühne, die aufgepeitschte Dramatik Richard Wagners genauso lobt, wie die „liebevolle Begleitung“ der Spielopernanteile in diesem Werk. Lob in allen Kritiken auch für die intensive Anja Kampe („ihre stimmlichen Fähigkeiten schienen quasi endlos“ so Jahnas) und den mit Stimmschönheit aufwartenden und „Maßstäbe setzenden“ und „dieser Rolle auch schauspielerisch viel Energie einhauchende“ Stephen Gould. Während Benjamin Bruns ein gelungenes Debüt als Steuermann allgemein zugestanden wurde, war die Meinung über Stephen Milling als Daland unterschiedlich. Das Erstaunen über die Tatsache, dass fragwürdige Interpretationen in unserem Rechtssystem besser geschützt sind als das Original selbst, das schneiden M&J Jahnas unter Hinweis auf die Gruppensex-Szene und die sinnlose   Selbstverbrennung in ihrer Kritik an. Das wollen sie nämlich entfernt wissen.

Als Holländer angeschlagen: Juha Uusitalo

Ein eigenes, eher tragisches Kapitel ist der „wobbelnde Holländer“ (K.Vlach) von Juha Uusitalo, den die Direktion in Kenntnis und Wissen um die latente Rekonvaleszenz auf die Bühne ließ. Es war beschämend, als in der dritten Vorstellung der für dieses Haus so verdiente Künstler bei den Schlussvorhängen ein Buhkonzert über sich ergehen lassen musste, mit einer entsprechenden „Ansage“ hätte diese Peinlichkeit vermieden werden können.

lesen Sie die Kritik von M&J Jahnas , Kurt Vlach , Renate Wagner

LA TRAVIATA   8.,11.,14.und 17.Mai

Maria Kovalevska, die Violetta Valery

 

 

 

Er soll an die 100 Opern und 250 symphonische Werke im Kopf abgespeichert gehabt haben und Puccini schrieb über ihn: „Toscaninis Interpretationen sind ein Wunder und sein unvergleichliches Gedächtnis eine kosmische Offenbarung“. Ob das einem besonders gut ausgebildeten inneren Teil des Schläfenlappens, dem Hippocampus, geschuldet war oder ganz einfach der Kurzsichtigkeit des genialen Dirigenten, das kann heute nicht mehr geklärt werden, fest steht, dass Marco Armiliato dem Beispiel folgend ebenfalls ohne Partitur die Abende leitete, Renate Wagner vergleicht das mit einer Kanufahrt im Wildwasser ohne Rettungsweste. G.Freund erinnert auch an Karajans Dirigate ohne Partitur und attestiert Armiliato „Werkkennntnis“, die jene „vieler gefeierter Pultwachler weit übertrifft“.

Über das Debüt von Maria Kovalevska herrschte allgemeine Zufriedenheit, weil sie vor allem vom Regiekonzept etwas abwich, dass sie zu einer „eindimensionalen betrunkenen Heulsuse“ machen will. Mit ihrem attraktiven Äußeren „nahm man ihr den Erfolg im horizontalen Gewerbe auch eher ab“ (G.Freund) Doch halt, das klingt nach Gürtelmilieu und Laufhaus, die Dame war eine anerkannte Mätresse und von der Gesellschaft hofiert.

Vittorio Grigolo, der Latin-Lover

„Dunkel timbriert, sehr kräftig und höhensicher“ die Stimme von Vittorio Grigolo, Renate Wagner verfällt auch dem Charme dieses „Latin Lovers“, einem „Archetyp des italienischen Tenors“, wie uns Direktor Meyer versichert. Und für Dominik Troger kommt das Debüt von Thomas Hampson als Germont-pere mit einer „mehr lautstark gefrönten Sangeskunst“ eigentlich zu spät, „ein bösartig bellender Papa“ (R.Wagner) mit „geradezu enthusiastischem Publikumsecho“ (Freund). Insgesamt war diese Serie als eine Aufwertung dieser wenig gelungenen Inszenierung durch persönlichkeitsstarke Leistungen am Pult und auf der Bühne zu verstehen.

Dazu die Kritiken von Dr.Georg Freund , Dominik Troger , Renate Wagner

 

DER RING DES NIBELUNGEN  12.,15.,19.und 22.Mai

Ain Anger und Stephen Gould

Gewaltig der Mythos, gewaltig die Anforderungen an die Interpretinnen und Interpreten, lang die Liste der Rollendebüts, die diesmal dieses Monsterwerk stemmten. Wie sehr sich doch die beiden Jahresregenten unterscheiden. Kann man sich Weihrauchumnebelung bei Verdi vorstellen, der eher auf seine ökonomischen Erfolge in seiner Landwirtschaft stolz war, der so sachlich und oft distanziert über seine Musik sprach, der als sein größtes Werk das Altersheim für Künstler in Mailand bezeichnete? Aber sogar für den sonst so sachlichen Kurier wird das „Rheingold“ zu den ersten gelungenen FEIERSTUNDEN für Wagner. Das hätte „Ihm“ gefallen, dem Helden und Schurken, dem Besserwisser, der Rampensau, dem Judenhasser, Schuldenkaiser mit der Gottesanbeterin an seiner Seite. Der da so großzügig mit seinen Einschätzungen umgeht, der muss es ja wissen, arbeitete er doch gemeinsam mit Joshua Sobol an einem Stück über den verehrten Meister: Paulus Manker nennt es „Wagnerdämmerung“. Es wird zu keiner Dämmerung kommen in dieser „Reise ins Gehirn – ohne Visum“, das Faszinosum Wagner wird auch durch die Beschäftigung mit „einem solchen Unsympathler“ allein nur durch dessen „unterirdischen Droge“, seiner Musik, unbeschädigt bleiben. „Bei unserem Parcours ist man mittendrin und kommt hoffentlich trunken heraus“, so Manker.

Auch aus dem Ring in der Staatsoper konnte man trunken herauskommen, nicht zuletzt durch die musikalische Klammer unserer Philharmoniker unter dem GMD  Franz Welser-Möst. Sonderleistungen erbrachten eine zu einer Idealbrünnhilde gereifte Nina Stemme („Eine konkurrenzlose Brünnhilde der Gegenwart“ so NEWS), ein schon wesentlich in die Partien des Wotan und Wanderers hineingewachsener Tomasz Konieczny und ein Stephen Gould in beachtlicher stimmlicher Form, der “wichtigste Siegfried unserer Zeit“ so Direktor Meyer.

Nina Stemme. die gefeierte Brünnhilde

Für den Online-Merker begleitete uns Dominik Troger mit seinen Rezensionen durch die einzelnen Abende.

Rheingold, zur Kritik Dominik Troger
Walküre, zur Kritik Dominik Troger
Siegfried, zur Kritik Dominik Troger
Götterdämmerung, zur Kritik Dominik Troger

 

ANDREA CHENIER   16.,21. und 24.Mai

José Cura in großer Pose

Was in der „Traviata“ beim Merker-Online Bewunderung auslöste, reichte in der Kronenzeitung eher für einen boshaften Hinweis an den Dirigenten: „Fabio“ Armiliato möge sich „wieder einmal die Partitur aufs Pult zu legen um Blicke hineinzuwerfen“. Nun scheint Herrn Thomas Gabler von diesem Blatt entgangen zu sein, dass der Sänger mit dem Vornamen Fabio zum Dirigieren eher weniger geeignet ist, aber doch einen achtbaren Chenier auf die Bühne gestellt hätte. Da hätte er sich beim gleichnamigen Dirigenten mit dem Vornamen Marco über zu große Lautstärke gleich beschweren können! Renate Wagner sieht zwar auch Marco Amilliato beim dramatischen Aufschwung ganz vorn, aber attestiert ihm ansonsten eine stilsichere Interpretation „mit Fingerspitzengefühl und jahrzehntelanger Erfahrung“.

José Cura, wenn man von seiner Arie im letzten Bild absieht, „holterdipolterte gänzlich stillos durch die Rolle die durchaus Belcanto vertrüge. Nur im 4.Akt, ganz kurz in “Come un bel dí di Maggio”, zeigte er, dass er auch in mezza voce eine einheitliche Gesangslinie hören lassen kann.“ (R.Wagner). Nur für Martina Serafin als Maddalena herrschte trotz Schärfenneigung  Zustimmung bei der Kritik über ihr Rollendebüt, während Marco Vratogna als Gerard über einen hörbar vielseitigen Bariton verfügte, denn Renate Wagner beschrieb diese Stimme als äußerst trocken, flach und resonanzlos. So viel auf einmal, da hatte ihre Frage, ob nicht Marco Caria, der Roucher der Serie in dieser Rolle besser geklungen hätte, durchaus Berechtigung. Am 21.Mai fand die 100. Aufführung in dieser Schenk-Inszenierung statt und reihte sich damit in den Reigen der Dauerbrenner dieses Hauses und auch dieses Regisseurs ein.

Lesen Sie mehr bei Renate Wagner

 

TOSCA  18.Mai

Marcello Giordani, hoffentlich beklext er nicht den schönen Anzug. Malen nach Ziffern für Anfänger

Die Chefredakteurin der Heftausgabe des „Neuen Merker“ warf sich diesmal persönlich für den „Online-Merker“ ins Abendkleid, um für einen „exquisiten italienischen Dirigenten“ zu werben, „dessen vermehrter Einsatz uns ungemein freuen würde“. Sie befürchtet – höchstwahrscheinlich zu recht – dass Marco Armiliato, der „musikalische Monatsregent ein viel zu guter Dirigent ist, um bei uns eine Premiere zu bekommen“. Teilen wir also die Besorgnis mit Sieglinde Pfabigan, obwohl ein Dirigent, der uneitel genug ist und im Repertoire das „nachdirigiert“ was die Pultstars hinterlassen haben und dabei seinen eigenen musikalischen Stempel hinterlässt, der ist für ein Repertoirehaus ebenso unerlässlich, manchmal sogar wichtiger als der große Name am Pult der Premiere.

Und Norma Fantini brachte es sogar so weit, durch ihre Intensität sich selbst und auch unsere berichtende Zuhörerin mit ihrem so genannten Gebet zum Weinen zu bringen. Eine Lobeshymne auch für Marcello Giordani, „einem Sänger, der nie etwas falsch macht“. Marco Vratogna spielte „seine Sterbeszene mit durch Mark und Pein dringenden Hilferufen und Schmerzensschreien aus“.

Hier die Kritik von Sieglinde Pfabigan

 

CARMEN     20.,23.,26. und 30.Mai

Ah! Carmen! ma Carmen adorée!

“Die Carmen als Elina Garanca”

Nichts erregt so sehr die Gemüter als die Interpretation einer zu den bekanntesten Opernfiguren zählenden Rolle wie der Carmen, wenn diese den allgemeinen Klischee-Vorstellungen der Vorlage nicht gerecht wird. Um dieses Geschöpf aus Prosper Mérimées Phantasie mit den „berauschend duftenden Jasminblüten im Haar, Papelitos rauchend, von seltsamer wilder Schönheit“ darzustellen, da muss man offenbar schwarzhaarig sein, auch rassig und mit zigeunerhaftem Aplomb auftreten. Kann da auch eine kühl wirkende Blondine aus dem Norden, eine raffiniert-zärtliche Brünette ohne dem allzu die Hüften schwingenden oder männermordenden Auftritt reüssieren? In diesem, diese Fragen stellenden Sinn, fielen auch die Kritiken zum lange erwarteten Debüt von Elina Garanca als Carmen an der Wiener Staatsoper aus. Von einer nicht zu „erkennenden Figur mit Profil und Linie“ sowie „kein Naturereignis, eher eine Geschmacksfrage“ (Renate Wagner) über „vom Spiel und Persönlichkeit her so gar keine Carmen“ (Lukas Link) und „sie wäre keine Sexbombe und will es gar nicht sein“ (als Befundung durch unseren Hochwürden M.R.Botz) war eher Ablehnung zu spüren. J.Marksteiner „vermisste den berühmten Funken, der von der Bühne auf das Publikum überspringen“ sollte, für Georg Freund blieb die „Künstlerin als Carmen merkwürdig blass, kühl und distanziert“, wobei er zugesteht, dass diese Rolle überhaupt eine unauslotbare wäre. Soweit die kritischen Anmerkungen im Online-Merker, die natürlich alle fundierte Erklärungen beinhalten. Eher hält sich bei Dominik Troger die Beurteilung zwischen „blendendem Outfit und schönem, aber kontrolliert wirkendem Gesang“ und viel „Konstruiertem und Statischem“ die Waage. Er vermisst „Spanischen Pfeffer“.

Elina Garanca mit Roberto Alagna

Zum richtigen Frauenversteher wird da Kurt Vlach, er erkannte das schauspielerische Talent der Garanca an den kleinen Gesten und gesteht ihr Erotik zu, denn er hört bei ihr unter der Oberfläche einen – intellektuellen – Vulkan brodeln. Wieder „eine echte Interpretation“, das steht für Wilhelm Sinkovicz von der Presse außer Frage, diese Carmen lotet für ihn in der Kartenszene Seelentiefen aus.

Ins Lob geriet diesmal der fast alle Kritiker überzeugende Don José des Roberto Alagna, ebenso Anita Hartig als Micaela, während Massimo Cavaletti als Escamillo nur wenig zu begeistern vermochte. Bertrand de Billy sagte man den Ehrgeiz nach,“einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellen zu wollen“: eine „Carmen der Extreme“, „er sprengte mit den Philharmonikern los, wie mit einem Rassepferd“. Na ja, eigentlich sind die ja ein Rassepferd!

Georg Freund würde, der mangelhaften Aussprache der französischen Originaltexte wegen, gerne wieder die von Ernest Guirauds einst für die Wiener Uraufführung nachvertonten Rezitative verwendet wissen. Sie waren auch an der Staatsoper bis in die 70er Jahre in Verwendung und hatten durchaus ihren eigenen Charme. Im heutigen Opernbetrieb haben sich die gesprochenen Originaltexte durchgesetzt, Gäste im Repertoirebetrieb werden sich solchen zusätzlichen Einstudierungen nicht stellen wollen und bei Einspringern wäre das Chaos perfekt.

Diese Kritiken sind zu lesen : H.Schramm-Schiessl , Martin Botz , J.Marksteiner , Kurt Vlach , Lukas Link , R.Wagner , G.Freund

 

Die Aufführungen der ZAUBERFLÖTE  am 3.und 6.Mai wurden Online nicht rezensiert.

 

 Über den Tellerrand hinaus

 

WIENER FESTWOCHEN
im Theater an der Wien  

IL TROVATORE
Finale eines Verdi-Zyklusses

 

„Nicht aller guten Dinge sind drei“ meinte der KURIER zum Finale des Verdi-Zyklusses, den die Wiener Festwochen in den Räumen des Theaters an der Wien durchführten – als Hinweis also auf die volle künstlerischen Verantwortung seitens des Veranstalters sei das so gesagt. „Ein dröge pinselnder Kapellmeister steht exemplarisch für den beschämenden Festwochen-Troubadour“. „Von einer brüllenden und kreischenden Provinzbesetzung“ ist die Rede, die „in einen trotteligen Comic verwickelt wird“. Ich will wegen dieser Zitate dem NEWS-Schreiber nicht jene Eigenschaften unterstellen, die auf der selben Seite, aber in einem völlig anderen Zusammenhang, von ihm platziert wurden, nämlich „Verstopft, verbittert, freudlos“. Aber wenn die Mehrheit der Besucher dieser Vorstellungsserie applausfreudig und zufrieden das Haus verlässt, dann gerät so ein Kritiker leicht in den Geruch dieser Unterstellung.

Manricos wilder Haufen

 Luna als Scharfrichter:

 Tatsächlich konnte man eine vom Regisseur Phillip Stölzl witzig choreographierte, mit Anklängen an alle Stile und gleichzeitiger parodistischer Züge penibel und detailreich erarbeitete Aufführung des „Trovatore“ sehen, mit phantasievollen Kostümen und Beleuchtungseffekten. Die für die Größe dieses Theaters stimmige, naturgemäß in Details zu bekrittelnde Besetzung, hörte sich jedenfalls weder „brüllend noch kreischend“ an. In der Berliner Staatsoper sollen unter anderen Anna Netrebko und Placido Domingo in dieser „vertrottelten Comic“ antreten, denn das Stück wird koproduziert. Wie diese gestandenen Herrschaften auf die Anforderung einer peniblen und komplizierten Bewegungsregie reagieren werden, das wird noch spannend. Dass man Daniel Barenboim dort mehr Italianitá zutraut, liegt auf der Hand. Gegen ihn ist Omer Meir Wellber noch ein Azubi und der Staatskapelle Berlin kann das RSO nicht so schnell das Wasser reichen.

Zur Kritik von Dominig Troger , Renate Wagner und Peter Skorepa

 

Wer Wagner will walle gen Wels

Richard Wagner Festival Wels:  TANNHÄUSER  Premiere 18.5.

So waltete auch die Chefredakteurin des Heft-Merkers Dr. Sieglinde Pfabigan ihres “Amtes”, um über den heurigen Tannhäuser in Wels zu erzählen:

Alles gemäß Textbuch verortet. Der Tannhäuser in Wels: 3.Aufzug mit Marterl, Clemens Unterreiner mit Klampfe und Astrid Weber

Welch wahre Wagner Wunder in Wels unsere Sieglinde Pfabigan erlebt hat, das kann nur sie selbst so schildern, linken sie sich ein in den Bericht über diese Premiere des TANNHÄUSER aus dem Klein-Bayreuth in Oberösterreich. Zum Bericht

 

Peter SKOREPA

Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Plön,
für das Theater an der Wien: Mathias Baus,
Foto Daniel Harding: Die Presse
Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher

Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer.
Anregungen an skorepa@hotmail.de

Wien, am 8.6.2013

 

 

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REFLEXIONEN Die Wiener Staatsoper im Juni 2013

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 Wiener Staatsoper & Co.

MONATSRÜCKBLICK

 JUNI  2013

Die Neuinszenierung

Nina Stemme mit dem vermeintlichen Todestrank, links Peter Seiffert

 TRISTAN UND ISOLDE  13.Juni. (Premiere), 18., 22., 26.und 30.Juni

Peter Seiffert, Nina Stemme

Noch nie wurde von den Wiener Opernfreunden die neue Inszenierung eines Stückes so herbeigesehnt (!) wie die eine von „Tristan und Isolde“, nachdem es vor zehn Jahren Günter Krämer gelungen war, gemeinsam mit dem Bühnenbildner Gisbert Jäkel den Raddampfer (oder was immer das damals hätte sein sollen) in Cornwalls Sand zu setzen. Es war schon allerhöchste Zeit, denn mit  Franz Welser-Möst oder Christian Thielemann stehen uns schon sein längerer Zeit zwei aus dem Kreis der  wohl interessantesten Dirigenten zur Verfügung, die sich eine entsprechende optische Begleitung ihres Dirigats verdient hätten. Unser GMD hatte immerhin ein Debüt, „dessen Deutung sich unter die Unvergesslichen reiht“ (News), dessen stringentes und final ausgerichtetes Dirigat durch eine nicht zu überhörende Ausreizung der Dynamik und der Tempi zugunsten einer äußeren Spannung stellenweise zu einer stimmlichen Überbeanspruchung der beiden Titelrollensänger führte. Mit Nina Stemme, „im Besitz der Vollkommenheit“, stellte sich ein Traum von einer Isolde ein und entsprach allen an sie gestellten Erwartungen. „Phänomenal, in der Operngeschichte womöglich einzigartig ist Nina Stemmes Isolde. Bruchlose Schönheit des Singens bei unerschöpflicher stimmlicher Fülle, Poesie, Erotik und Hingabe der Gestaltung: Besser ging das nie“ So überschlägt sich H.Sichrovsky im News förmlich und vergisst, dass es da einmal eine Birgit Nilsson gegeben hat – soweit zum „womöglich einzigartig.“ Bei einem Musical-Casting wäre Peter Seiffert durchgefallen, ein älterer Hüne, der neben der zarten Stemme schon mehr als väterlich wirkt, beinahe auch neben seinem königlichen Auftraggeber. Allerdings, die Stimmen der beiden Hauptprotagonisten haben wenigstens eine kontinuierliche Entwicklung aufzuweisen und einen zielgerichteten Aufbau hinter sich, der es ihren Besitzern ermöglicht, auch ohne heldentenoralem oder hochdramatischem Aplomb die wohl schwierigsten aller Wagnerpartien so scheinbar mühelos als „Reise durch alle Emotionen“ (Nina Stemme) wiederzugeben.

Der MERKEROnline ist mit sieben Kritiken vertreten, fünf davon sind unten abrufbar, einig sind sich alle in der Beurteilung des Traumpaares, einhellig wird die Neuinszenierung begrüßt, wobei nach dem „Unglück“ vor zehn Jahren die Beurteilung für das neue Team David McVicar als Regisseur und Robert Jones als Ausstatter unterschiedlich ausfällt. „Ordentlich und repertoiretauglich“, „keine Meisterleistung“, „Rampensingen“, „werkgerecht“ (alles Online) bis hin zu „platt, deutungs-und geheimnislos“ (News). Renate Wagner verweist immerhin auf eine „wunderschöne Inszenierung“, in der es „ungemein präzise Zeichnungen der Charaktere und Situationen“ zu finden gäbe, während M&J. Jahnas meinen, dass sie den Tristan so inszenierten – “wenn sie könnten”.

 Warum man so beharrlich seitens des Hauses die schon stattgefundene „Vorarbeit“ durch Aufführungen mit dem gestalterischen Team in Japan verheimlicht, bleibt ein Rätsel. Deren offensichtlich Reste hatte man als sogenannte Choreographie von Andrew George im Programmheft angekündigt, die Begeisterung über diese asiatisch anmutenden Bewegungen der Matrosen und Soldaten hielt sich allgemein dafür in Grenzen, obwohl sie durchaus formale Eleganz aufwiesen und hier übliches Stehtheater alt aussehen ließen. Trotzdem, für Fritz Tront im Merker-Heft „eine glatte Ohrfeige für jeden im Publikum“, der auch Details am Schiff und die Burg Kareol als nicht Textbuchgerecht auswies, letztlich auch den tatsächlich befremdlichen Spaziergang Isoldes in den Tod (?) zurück in den Bühnehintergrund bemängelt.

Zur Kritik von R.WagnerDominik Troger , H.Schramm-Schiessl , Ernst Kopica , M&J. Jahnas

 

 Die musikalische Neueinstudierung

Schwieriges Casting für Renée Fleming zwischen Markus Eiche und Michael Schade

 CAPRICCIO  20.Juni (Premiere), 24.und 27.Juni

Dem Vernehmen nach soll dieses Werk 1942, für die Uraufführung nur deshalb ohne Pause durchkomponiert und auch so gegeben worden sein, um rechtzeitig den Opernabend vor den auch in der Nacht einsetzenden Fliegeralarmen und Fliegerangriffen in München fertig zu werden. Wie auch immer, mit der ersten großen Hitzewelle des heurigen Jahres, in dem Dirigat Christoph Eschenbachs, das „im Schneckentempo“ und als „pathetische Trauerrede“ dahinschlich, wurde diese pausenlose Darbietung zu einer konditionellen Anforderung für die Zuschauer. Da könnte man doch… Aber selbst Hans Peter Nowak vom Merker Heft schien unter dieser Länge von zweieinhalb Stunden gelitten zu haben, wüsste aber nicht, wo diese Zäsur für eine Sektpause anzubringen sei.

Kurt Rydl als alter Routinier La Roche

Kurt Rydl als Theater-Routinier La Roche

Mit dem Einsatz von Kurt Rydl als Laroche wurde, allen beckmesserisch-merkerischen Anmerkungen zum Trotz wieder ein Sänger aufgeboten, der über die wünschenswerte Persönlichkeit und Autorität verfügt, um diesen schickanederischen Prinzipal darzustellen, auch wenn die stimmlichen Mittel schon abgenutzt dahintremolieren. Ging man doch einst keineswegs nur wegen einer Janowitz oder einer Della Casa, sondern auch wegen eines Paul Schöffler in dieses Stück! Und der war in seinen späten Jahren naturgemäß auch nicht mehr in Höchstform.

Für Glücksgefühle sorgen „die vollendete Einheit von Wort und Ton“ für P.Jarolin im Kurier, für ihn und für alle unsere Onliner ist die Gräfin der Fleming „von Weltformat“, berührend, intensiv, zauberhaft.“ Für Renate Wagner „die ideale Gräfin schlechthin“, „mit strahlend sich öffnenden Höhen“. Für Kurt Vlach mit der Einschränkung geringer Textverständlichkeit, er bemängelt auch, dass ihre Stimme nicht mehr so „creamy“ wäre, wie die amerikanischen Kritiker dazu sagen. Und M&H.Jahnas bewundern Angelika Kirchschlager als Clairon, die mit der Fleming „gesanglich, schauspielerisch und optisch auf Augenhöhe, und an Wortdeutlichkeit nicht zu überbieten ist.“ Die Rezenssionen berichten vom ausgezeichneten Ensemble, von einem musikalischen Kleinod, das der regelmäßgen Pflege bedarf.

Zur Kritik von R.Wagner , D.Troger , K.Vlach , M&J.Jahnas

 

 Das Repertoire im Juni

 

Neben der Premiere für das Wagnersche Extremliebespaar und der Neueinstudierung der zarten Töne von Strauss in der Wiederaufnahme des Streites zwischen Wort und Musik kam das restliche Programm des Monats Juni etwas ins Hintertreffen. Allerdings war vieles dabei, welches letztlich zu einem beachtenswerten Saisonschluss beitrug und das Niveau der Wiener Staatsoper als eines der führenden Repertoirehäuser Europas nicht in Frage stellte. Verdi allerdings hätte sich ebenso über die viele mediale Aufmerksamkeit einer Neuinszenierung eines seiner Werke in seinem Jubeljahr gefreut, so wie es Wagner durfte. So ist Verdi zwar ein ständiger, hinsichtlich seiner Inszenierungen aber meist nur glanzloser Gast in unserem Haus. Direktor Meyer wird noch einiges für das Repertoire und dessen Inszenierungen in den nächsten Saisonen zu tun haben, auch mehr Mut  zum Risiko zeigen müssen um den Ausspruch von Gérard Mortier zu entkräften, dass „die Wiener Staatsoper zur Zeit in der internationalen Musikwelt nicht existent ist“ (Mortier in einem Interview vom Februar dieses Jahres)

 

Die böse Partie: Nafornita, Gritskova und Vater Corbelli

LA CENERENTOLA   1., 5., 8.und 10.Juni

Das graue Mauserl: Rachel Frenckel

Das graue Mauserl: Rachel Frenkel

 

 

 

„Wenn Rossini nicht wirklich prickeln darf“ ätzt der sonst so wohlgesonnene Kurier schon jetzt in der zweiten Serie über eine Produktion, die schon altbacken auf die Welt kam und jetzt Abo für Abo ihre Kosten abzuarbeiten hat.

Dabei wäre die neue „Cenerentola“, Rachel Frenkel, die eher wie ein scheues Reh wirkte allein damit eigentlich rollendeckend, gesanglich ist sie jedoch nur „ordentlich, aber ohne Feuer“ (so Peter Dusek). Da beherrschen doch die beiden bösen Schwestern mehr die Bühne, als es Rossini lieb wäre. Und Alessandro Corbelli wäre nicht mehr ins große Haus einzuladen, meint Dusek im Heft und schließt mit der Feststellung: „Dem Touristen-Publikum hat´s gefallen und die Kassa war voll.“       

 

 CARMEN   2.Juni

Blond und kuschelig, Garancas Carmen wird oft angezweifelt. Alagna zweifelte da nicht lange!

Nur der Heft-Merker kann für die letzte Aufführung der Carmen-Serie mit einem Bericht, und zwar von Johann Schwarz aufwarten: Er sieht Elina Garanca „als kokette Person, die um ihre Reize weiß“, allerdings bemängelt der Rezensent insbesondere im 3.Akt das Fehlen eines „gewissen Fatalismus, der sie ihren Tod voraussehen lässt“, weiters vermittelte sie den Eindruck, „dass sie sich von ihrem vormaligem Liebhaber ohne Gegenwehr töten lässt“. Und Anita Hartig soll als aktives Bauernmädchen dieser Rolle die gewisse, in ihr haftende Larmoyanz genommen haben. Das schauspielerische Temperament Roberto Alagnas bestach auch diesmal, beim Stimmlichen besonders die ausdrucksstarken und bronze gefärbten Fortetöne. Warum man gegen dieses Temperamentbündel wie diesen Roberto Alagna den schwächelnden Escamillo eines Massimo Cavaletti einsetzt, bleibt ein Rätsel, stört aber die libidinöse Balance des Stücks erheblich. Spürt man so etwas im Besetzungsbüro so wenig?

So endet eine Serie mit dem lange erwarteten Einsatz einer Carmendarstellerin, deren stimmliche  Erwartungen noch am ehesten erfüllt wurden, deren Abweichungen von einer lange gehegten, fast normierten Vorstellung hinsichtlich der Haarfarbe, des Auftretens und des Charakters für Irritationen und Diskussionen sorgte.

 

 

 

 

TOSCA   6., 9.und 12.Juni

Gut unterwegs ins sechste Lebensjahrzent: Roberto Alagna mit Martina Serafin

Ein Hoch zum 50er: Roberto Alagna

Mit dieser Serie schloss sich eine Trilogia Robertiana, die auch formgerecht in der ersten Tosca gefeiert wurde, als die Philharmoniker beim Solovorhang ein Happy Birthday für Roberto Alagna anstimmten und Direktor Mayer ihm Blumen zu seinem 50er überreichte. Die Trilogie bezieht sich auf die von ihm in den letzten Wochen gesungenen Partien des Werther, des Don José und jetzt des Cavaradossi. Immerhin schwärmt Renate Wagner von ihm und stellt fest, „mit welcher Sicherheit Alagna in seinen Rollen steht, ein Gestalter, der sich voll einbringt, genau weiß, was er tut, sich aber nie nach Routine anfühlt, sondern nach spontanem, echtem Einsatz.“ Eine schöne Geburtstagsepistel für einen Sänger, für den Ausdruck und stimmliche Emphase Vorrang vor belkantoseliger Introvertiertheit haben, ein Sänger, der sein Herz auf der Zunge trägt, „er garantiert immer ein großes Publikumsecho.(Sieglinde Pfabigan)

Umso mehr vermisst Renate Wagner bei Albert Dohmen den heiligen Schrecken, den sein Erscheinen in Sant`Andrea della Valle hervorrufen sollte („wer den nicht im ganzen Zuschauerraum verbreitet, soll gleich wieder gehen“, so ihre freundliche Aufforderung). Nun, in diesem Punkt hat sie Recht, der Schrecken ist an dieser Stelle ja, wie für so viele andere Details von Puccini in diesem Werk, hineinkomponiert, der sollte sitzen, Erwartungshaltung hin oder her. Allerdings, da warf sich Sieglinde Pfabigan für den Sänger drei Tage später ins Feuer und attestiert bei ihm einen „beachtlichen Bassbariton von Anbeginn bis zum finalen „Muoio!“ mit klarer Diktion und guter Phrasierung, im Auftreten eine Autorität.“ Wen hat Renate Wagner nun da angeregt?

Dan Ettinger attestiert man „einen gewissen Hang zur Lautstärke“ (R.Wagner), dafür aber auch „konzentrierte Dramatik im zweiten und dritten Akt, “wobei auf der Engelsburg aber ein orchestraler Gewaltakt stattfand, der die auch darin enthaltene Poesie zu kurz kommen ließ.“ (S.Pfabigan)                                                                    Zur Kritk von R.Wagner

 

IL BARBIERE DI SIVIGLIA   7., 10.und 14.Juni

Camarena stolz auf seine neue Rosina: Margarita Gritskova

Diesmal war es ein Serienbeginn ohne den Titelhelden “als notwendigen spititus rector“ meint Johann Schwarz im Merker-Heft, Nicolay Borchev „ist weder stimmlich noch darstellerisch in der Lage, den Figaro auszufüllen.“ „Ein braver Burli und nicht ein fadenziehender Pfiffikus“. Seine Stimme „kam schon bei der Auftrittskavatine kaum über das Orchester“ und ist „letztlich nicht bemerkenswert, weder im Legato, noch im Parlando“. Erst in der letzten Aufführung kam mit Markus Werba „ein Figaro mit jungenhaftem Charme, viriler Stimme und lockerem Spiel auf die Bühne“.(W.Habermann) Und bei dem gräflichen Tenor, Javier Camarena war „der Applaus nach seiner Bravourarie so heftig, dass die Billeteure wieder einmal dachten, die Oper sei zu Ende und die Türen aufrissen.“ (E.Habermann)

Einig waren sich alle über das überaus gelungene Debüt von Margarita Gritskova als Rosina, einer Aufsteigerin aus dem Ensemble der Wiener Staatsoper, „kokett, temperamentvoll, hervorragend, wunderbar, bildhübsch, apart“ sind so die Attribute der Kritiker für Auftreten und Gesang.

Michael Güttler am Pult wird um die Generalprobe und die Premiere zum „Tristan“ herum eine erfolgreiche Umschiffung aller Klippen attestiert. Er wird wissen, dass er dieses Lob an die Kämpfer im Graben weiterzuleiten hat.

 

DIE WALKÜRE   16.und 23.Juni

Vorzügliches Service für den späten Gast: Johan Botha und Anja Kampe

Inzwischen weiß man es ja, oder man kann es aus den Kritiken herauslesen, Peter Schneider ist als Dirigent von den Merkerianern hochgeschätzt, er ist das, was man eigentlich als einen inoffiziellen Ehrentitel für einen Orchesterleiter bezeichnen könnte: ein Kapellmeister. Einer reinsten Wassers, der mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung, vor allem in Bayreuth seit 1981 zu einer herausragenden Stütze auch an der Wiener Staatsoper zählt, deren Ehrenmitglied er ja auch ist.

Schneider „sorgte in jedem Moment für die unerlässliche Balance, die es nicht zum Kampf zwischen Sängern und Orchester kommen ließ. Die Spannung entstand aus dem differenzierten Geben und nehmen zwischen Bühne und Graben.“ (Johannes Schenke) Er „zündete ein Feuerwerk in der gewohnten Farbenpracht“ (Otmar Seemann). Eine „hörbare Allgegenwart“ Schneiders als Anwalt der Sänger und souveräner Klangformer im Orchester“ ergab „eine schöne, abgerundete Aufführung. In der übernächsten Saison wird Peter Schneider wieder für Parsifal- und Salome-Termine dem Haus zur Verfügung stehen.

Ansonsten boten die beiden Abende eine solide Ensembleleistung mit Kampe (als Einspringerin für Serafin), Botha und Anger zu ebener Erde und mit Konieczny, Dalaymann und Fujimura im ersten Stock.

Zur Kritk von M&S.Jahnas , J.Schenke , O.Seemann

 

ROMÉO ET JULIETTE   21., 25.und 28.Juni

Wiens neue Julia, Sonya Yoncheva

Wem das Wagnersche Epos vom unglücklichen Liebespaar zu schwülstig war, der konnte auf die italienische Version unglücklicher Liebe mit französischem Esprit und shakespearhafter Tragik ausweichen: Gounods Meisterwerk aus dem mittelalterlichen Verona in neuzeitlicher Lichtregie. Zu den besten Romeos zählt derzeit ohne Frage Piotr Beszala, „in den oberen Regionen fast ohne Makel“ (Marksteiner), „er stellte keinen feurigen, südländischen Romeo auf die Bühne, sondern einen noblen, eher zurückhaltend wirkenden jungen Mann“.(Dominik Troger).

An seiner Seite debütierte Sonja Yoncheva als Juliette. “Am Opernhimmel strahlt ein neuer Stern” titelte der Kurier seinen Bericht. “Sie überraschte mit forschem Auftreten, glasklaren Spitzentönen und einem beachtlichen Stimmvolumen“.(Marksteiner) Mit „Animo vorgetragene Passagen, in denen ihre Mittellage durchaus betörend klang“ realisierte Dominik Troger, die wieder abgelöst wurden durch Stellen, in denen „kurzwelliges Vibrato überdeutlich bemerkbar“ wurde, „das der Stimme für meinen Geschmack zu viel von ihrem jugendlichen Reiz nahm“. (Dominik Troger) Über die Nebenrollensänger berichteten die Merkerianer nicht viel Positives, gerade Dan Paul Dumitrescu fühlte sich in der Rolle des Laurent wohl. Aber der Neue im Ensemble, Gabriel Bermudez konnte als Mercutio nicht reüssieren.

Das Hauptinteresse galt vielen Besuchern dem Dirigenten Placido Domingo, vielleicht sogar seinem Dirigat. Breiten Klang und Unterfütterung mit hochromantischen Sound attestierte Dominik Troger, was die Eleganz dieser Musik etwas „verwässerte“. Für Lukas Link betonte er besonders die Dramatik unter Vernachlässigung der lyrischen Stellen in der Partitur.

Zur Kritik von J.Marksteiner , M.R.Botz , R.Wagner , D.Troger

 

Peter SKOREPA
Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Plön,
Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer
Anregungen an skorepa@hotmail.de

 

Wien, am  12.7.2013

 

 


 

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REFLEXIONEN Die Wiener Staatsoper im September 2013

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 Das monatliche Staatsopernmagazin als Service des MERKEROnlinestaatsoper

Wiener Staatsoper & Co.
MONATSRÜCKBLICK
September 2013

 

In eigener Sache

Mit ZVR-Zahl 192120 vom 25.5.2013 wurde der „MERKER-Online“ als „Verein zur Herausgabe einer Internet-Kulturzeitschrift“ in das Vereinsregister eingetragen. So wie der Zeitschrift des Merker-Vereins, dem Printmedium „Der neue Merker“, so stehen seitens der Wiener Staatsoper ab dieser Saison auch dem „MERKER-Online“ auf der Galerie Seite, 2. Reihe, für jede Vorstellung bis zu 2 Kaufkarten zum Erwerb zur Verfügung. Auflage ist die Verfassung von wenigstens je einer Rezension aus einer laufenden Opernserie (oder einer Einzelvorstellung). Zur Wahrung der Aktualität soll dieser Bericht spätestens zwölf Stunden nach der Vorstellung ins Netz gestellt werden.
Oder anders ausgedrückt: Was die Vorstellungen der Wiener Staatsoper betrifft, ist ab sofort der „MERKER-Online“ für seine Leser noch aktueller und vollständiger in seinen Berichten als bisher.

 

Das Repertoire im September

Wer das sommerliche Festspielgetriebe mit verfolgt oder dem gar beigewohnt hat, wird, nach Wien zurückgekehrt, feststellen dürfen, wie angenehm ruhig, ja unspektakulär der Opernbetrieb in Wien wieder Fahrt aufnimmt. Wenn man vom Versuch absieht, im Theater an der Wien Verdis Trovatore auf kuriose Art neu zu erfinden, ist die Bundeshauptstadt im Sommer frei von opernhaften Aufdringlichkeiten geblieben und die Daheimgebliebenen, aber auch die Menge an Touristen mussten bei Bedarf ihr Heil auswärts suchen. Ob sich da nun ein Austroamerikaner in einem Steinbruch an Puccini versuchte oder die üblichen kleinstädtischen, ländlichen oder klösterlichen Festspielorte herhalten mussten, es ist ein Vakuum an Opernveranstaltungen im zentralen Wiener Raum in den Sommermonaten feststellbar und ich denke an die Zeit zurück, als die Vorstellungen einer „Opernwerkstatt“ überlaufen waren.

Die Stückauswahl in der Staatsoper steuerte im September langsam einem Höhepunkt in der Gegenüberstellung zweier musikdramatischen Höhepunkte im Schaffen der beiden Jahresregenten zu: Wagners „Tristan und Isolde“ in Spitzenbesetzung und dazu auch noch frisch „herausgeputzt“, Verdis „Otello“ ebenfalls in großer Besetzung, allerdings in armseliger und nichts sagender „Pracht“ aus der Erbschaft des direktoralen Vorgängers von Dominique Meyer. Zu diesem Thema ist im neuen Heft-Merker Nr. 10/2013 anlässlich des Nabucco Berichtes zu lesen:

„Sage niemand, der MERKER hätte nicht hingewiesen auf den Notstand, in der Staatsoper, eine leider nur unzulängliche Anzahl  ansehnlicher Inszenierungen für Verdi in dessen Jubeljahr zur Verfügung zu haben. So ist bereits in einer Kritik vom 6.5.2011 zu lesen:
Das Jubiläumsjahr für Verdi naht, aber schwer wiegt das Erbe misslungener Inszenierungen aus der vergangenen Ära und nur wenig Herzeigbares hat das Haus derzeit für dieses Fest zu bieten! Zu diesem verunglückten “Nabucco” von Günter Krämer, der desaströsen “Forza”, dem unglücklichen “Macbeth” – einer reinen Geldverschleuderung – gesellen sich noch eine stinklangweilige “Aida” und ein optisch mißratener “Otello”. Da verbleiben lediglich ein etwas fragwürdig auf alt herausgeputzter “Ballo in maschera”, ein “Rigoletto”, der aus der Uraufführungszeit stammen könnte und der immerhin ansehbare “Falstaff” von Marelli. Und in der Frage, ob man das Verdi-Repertoire erweitern oder erneuern soll, hat sich Direktor Meyer momentan für letzteres entschieden und ersetzt nächste Saison bei “Traviata” und “Don Carlo” die öden Inszenierungen durch hoffentlich ansehnlichere bzw. interessantere. Und für Steins “Simon Boccanegra” kann sich eigentlich nur erwärmen, wer die Vorgängerversion von Strehler nicht mehr gesehen hat.”
La speranza, che delude sempre: In der Zwischenzeit wurde die längst verstaubte “Traviata” gegen eine fragwürdige und der fade “Don Carlo” gegen eine vorgestrig anmutende und daher wiederum fade Inszenierung ausgetauscht. Jahrgangskollege Wagner hat da die weitaus besseren Karten: Während der “Tristan” in musikalisch und optisch herzeigbarem Rahmen aus der Dunkelheit befreit wurde und Aussicht auf einen neuen Lohengrin besteht, muss sich das kompositorisch wohl reifste Gegenstück zu Wagner, Verdis “Otello” im Jubeljahr weiterhin die Misshandlung durch die Unregie von Christine Mielitz gefallen lassen“. (soweit das Zitat aus dem Heft-Merker 10/2013)
Gerade ein Repertoirehaus wie die Wiener Staatsoper benötigt über einen längeren Zeitraum brauchbare (was aber nicht heißen soll, phantasielose oder vermurkste!) Inszenierungen des Kernrepertoires und gerade für die Herstellung oder den Einkauf solcher Regiearbeiten ist jede Direktion in der Verantwortung! Das muss und darf aber nicht in der Knebelung künstlerischer Leistungen führen, insgesamt also alles gefährlicher als eine Fahrt zwischen Skylla und Karybdis.

 

La Traviata

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Massimiliano Giordano und Kurzzeittraviata Aleksandra Kurzak

Aleksandra Kurzak feierte ihr Rollendebüt, im Frühjahr erst konnte sie einen großen Erfolg als Fille du Régiment für sich verbuchen. „Kurzak lässt, wenn sie (die Partie) durchhält, schöne Piani hören, kann die Koloraturen – und bietet den Rest der Rolle offensiv mit flackernder Stimme und einem gänzlichen Mangel an Feingefühl und Raffinesse an. Wenn eine Violetta ihren letzten Spitzenton im ersten Akt schwänzt, weiß sie, was sie tut – es sind auch andere Töne nicht völlig gut geraten, so Renate Wagner. Nun ist dieser Spitzenton nicht in der Partitur notiert, daher auch nicht zu „schwänzen“, aber er ist zu singen, wenn man Weltklasse werden will. “Manch zart gesungene Passage vermochte starke Emotionen zu wecken,” meinte Dominik Troger. Aber vielleicht war die Kurzak bereits etwas angeschlagen, jedenfall kam bald darauf die Absage und Desirée Rancatore sprang in der nächsten Vorstellung ein: „Rancatore’s Zugang zu der Rolle war – nicht nur stimmlich – schon ein recht forscher. Das war keine fragile Traviata, kein Mädchen mehr, sondern bereits eine selbstbewusste junge Frau, die von ernsthafterer Natur war.“ (Lukas Link)
“Violetta Nummer drei kam mit Marina Rebeka zum Zug. War im ersten Akt noch eine gewisse Unsicherheit in den Koloraturen zu hören – dieser war das von Verdi gar nicht notierte, aber immer wieder erwartete hohe Es als Schlusston ihrer Arie wohl zum Opfer gefallen – so gewann sie in den Folgeakten Sicherheit und musikalisches Profil in der dramatischen Auseinandersetzung mit dem Vater ihres Liebhabers. Und erst recht war das Leid in der Todesstunde glaubhaft gespielt und gesungen” (Peter Skorepa) “Dass sich mit der Rebeka als Titelheldin entgegen dem ursprünglichen Regiekonzept nicht dem Alkohol hingab, brachte diese verkorkste Inszenierung etwas mehr ins Lot.”

Erziehungsmaßnahmen bei den Germonts: Papa Keenlyside und Giordano

Erziehungsmaßnahmen bei den Germonts: Papa Keenlyside und Giordano

“Entweder war der Tenor des Abends, Massimo Giordano, gesundheitlich angeschlagen, das hätte einer “Ansage” bedurft, oder sein Stimmmaterial steckt derzeit in einer Krise.”… „Besonders im Finale meinte Giordano ins Brüllen verfallen und seine Kollegen vokal dominieren zu müssen. Das ist wohl auch der Grund warum sich beim Schlussapplaus unter ein paar Bravos für ihn auch ein deutliches Buh gemischt hat. Dieser Alfredo war nicht jedermanns Geschmack“ (Lukas Link)
Simon Keenlyside ist genau der Mann, die „Herumsteh-Partie“ des Vaters Germont interessant zu machen. Wenn er zu Violetta kommt, ist der gute Mann schlechtweg wütend, dass er sich da mit der Freundin (um nicht zu sagen: Nutte) des Sohnes herumstreiten muss, und er behandelt sie wirklich unschön.” (Renate Wagner) Der guten Ordnung halber: Trotz der inszenatorisch gebotenen zeitlichen Verlagerung, eine Nutte ist die Violetta ja nicht, sie wäre immerhin als Kurtisane einzustufen. „Der Hang zum psychologischen Ausreizen der Charaktere stößt für meinen Geschmack bei Verdi prinzipiell an gewisse Grenzen: Keenlysides etwas „gedrückte“ und defensive Körperhaltung, die zwängliche Art wie er den Mantel über den Sessel legte, seine Stirnschweißabtupfen im Gespräch mit Violetta.“ so gutachtet Dominik Troger.
Marco Armiliato, wie immer ohne Partitur, hatte einen rabiaten Abend, in dieser „Traviata“ ging es auch vom Orchester her heftig zu. Aber warum sollte es aus dem Orchestergraben „delizioso“ erklingen, wenn die Sänger nicht so singen?“ (Wagner) Immerhin dirigierte Armiliato auswendig, also nach dem Spruch „lieber die Partitur im Kopf, als den Kopf in der Partitur“. Die meisten der heutigen Dirigenten bevorzugen eine Mischform: Sie arbeiten mit Partitur, aber kleben nicht ständig mit den Augen auf den Seiten, sondern fixieren mit Blicken die einzelnen Gruppen oder Solisten.
Unlängst begegnete ich einem Menschen, dem diese Inszenierung ausnehmend gut gefallen hat! Er hatte das Stück allerdings zum ersten Mal gesehen!

 

Carmen

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“Schau mir in die Augen, Kleiner” Rinat Shaham und Roberto Alagna

„Jö! Eine Carmen mit wirklich dunkler Stimme. Mehr noch – mit einer geradezu aufregenden Tiefe“ Renate Wagner überschlägt sich förmlich vor Begeisterung über Rinat Shaham, der jungen Israelin. „Diese Frau hat keine Sekunde Mühe, die berühmte Zigeunerin zu sein. Stellenweise agiert sie mit einer Leidenschaftlichkeit, die man auf der Bühne lange nicht erlebt hat – was im zweiten Akt zwischen ihr und Alagna abging, erzeugte wirklich Siedehitze“. Das fand ich auch, denn „wo Roberto Alagna draufsteht, da ist auch Roberto Alagna mit aller Leidenschaft drinnen, mit allen Sensorien für Liebe, Hass und Theatralik.”
„Weniger gut fiel das Hausdebut des französischen Bassbaritons Laurent Naouri aus – knochentrockene Stimme, die in der großen Arie nicht einmal übers Orchester kam, als Persönlichkeit kaum vorhanden.“ schrieb Renate Wagner und da konnte ich nur einstimmen:„Sein berühmtes Auftrittslied klang schlimm und erst im Duett mit Carmen fing er sich einigermaßen. Naouri heißt dieser Franzose, ist Partner der Dessay und hat eine ganze Latte von Hinweisen auf Rollen und Opernhäusern im Programm stehen. Hoffentlich empfiehlt er sich damit nicht für weitere Engagements an diesem Haus.” Nicht ganz einig war man sich über Anita Hartig als Micaela, aber „Dan Ettinger hat geradezu liebevoll die zahllosen Möglichkeiten der „Carmen“-Musik von der lockeren Spritzigkeit bis zur Hochdramatik ausgereizt.” (Wagner) Fraglos zählt diese Carmen Zeffirellis weiterhin mit zu den großen Kassenmagneten dieses Hauses, welches auch Dank des Touristenstromes, der, dem Golfstrom gleich an den Stufen des Opernhauses vorbeiführt, eine sagenhafte Auslastung von 99,2% aufweist. 

 

 Tosca

Da kann man Scarpia verstehen! Gibt es eine attraktievere Floria Tosca? DIE Gheorghiu und ihr Marcello Alvares

Da kann man Scarpia verstehen! Gibt es eine attraktivere Floria Tosca? DIE Gheorghiu und ihr Marcello Alvares

„Keine Frage, Angela Gheorghiu hat schon einen guten Riecher dafür, mit welcher Attitüde sie aufzutreten hat, wie sie die Stilisierung zu einem Gesamtkunstwerk schafft“ habe ich in meiner Kritik festgestellt, allerdings meinte ich auch einschränkend, dass zur Vollkommenheit einer Diva ein wenig mehr an stimmlicher Präsenz vonnöten wäre, als sie zu geben bereit ist. „Angela Gheorghiu hat bei ihrer ersten Wiener Tosca offenbar nichts dem Zufall überlassen, sogar bei der Auswahl der Kostüme dürfte sie mitbestimmt haben. Das Hütchen, das die Sängerin im ersten Akt zu tragen beliebte, sorgte im Pausenfoyer allerdings für unterschiedliche Meinungen…Denn in dieser Tosca pochte nicht das Herz einer Leben, Liebe und Leid heroisierenden Primadonna, sondern das einer sensiblen Frau: seelenvoll, vielleicht sogar bigott, Verletzungsschmerzen in hysterische Ausbrüche ableitend, trotz ihrer fragilen Persönlichkeit aber stabil und stark genug, um unter dem Druck der Ereignisse alle Mittel auszuschöpfen“ so urteilt Dominik Troger treffend beobachtend. Wer sich allerdings die Damenmode dieser Zeit näher ansieht, wird über dieses „Hütchen“ nicht erstaunt sein.

Auf Spurensuche

Auf Spurensuche: Zeljko Lucic

Über Marcello Alvares befindet Renate Wagner: „Alle dramatischen Höhepunkte von „La vita mi costasse“ über „Vittoria“ bis zu den Ausbrüchen im dritten Akt gelangen fabelhaft und souverän“.
Zeljko Lucic, der darstellerisch ein hintergründiger Widerling war (man hat schon fürchterlichere, auch eindrucksvollere gesehen…), hielt es weit mehr mit Belcanto als mit veristischem Gebrülle. Nur beim „Te Deum“ hätte man ihm mehr Nachdruck gewünscht“, so Renate Wagner. Und Lukas Link meint: „Natürlich ist es nicht falsch wenn ein Scarpia beim ersten Hören nicht gleich wie ein Schurke klingt. Lucic‘ Scarpia ist nicht der offensichtliche Fiesling sondern kommt etwas subtiler daher.“

„Damit dieses so reüssieren konnte“, so Wagner, „brauchte es einen Maestro vom Schlag des Marco Armiliato, der Tosca und Cavaradossi etwa bei ihrem Mezzavoce-Liebesduett im ersten Akt geradezu auf den Händen trug, im übrigen aber das Orchester zum gewaltig dramatischen Mitgestalter des Ganzen machte, ohne den Sängern Forcieren abzuzwingen. Ein ausbalanciertes Meisterstück, in dem die Philharmoniker wieder einmal Puccini-himmlisch klangen“.

 

Otello

José Cura und Anja Harteros.

José Cura und Anja Harteros.

Es ist nicht alltäglich, dass sich bei der Sängerbesetzung dieser drei Hauptrollen eine so passende Zusammenstellung ergab wie in dieser Serie. José Cura erweist sich „als der richtige Kraft-Sänger für diese Rolle, die einen wirklich potenten „schweren“ Tenor verlangt. Da kann er sein Höhenmetall schonungslos einsetzen. Im übrigen bändigte er seine Stimme erfolgreich, manches, wie seine beiden großen Verzweiflungsarien, gelang wirklich überzeugend“. Was Frau Wagner hier beschreibt war tatsächlich eine Zurücknahme so mancher musikalischen Freiheiten, die man immer José Cura nachsagen konnte. Seine Darstellung war von geradezu klassischem Zuschnitt, vermischt mit afrikanischen Spuren.

Dimitri Hvorostovsky

Dimitri Hvorostovsky

Und Dominik Troger analysiert genau die Leistung von Dmitri Hvorostovsky: „Jago als Machiavellist, der das gesanglich ausgefeilt dargebrachte „Credo“ als zynischer „Philosoph“ präsentierte, beim Nachdenken über Gott und die Welt fast schon in „Denkerpose“ verfallend. Insofern schien dieser Jago an Otello ein Exempel zu statuieren, ein Rationalist der Gefühle, ein glatter und analytischer Mephisto, ein Kalkulator des Bösen“.
„Aber es ist nicht nur die überzeugende intrigante Pose allein, die diesen Jago so eindrucksvoll machte, sondern auch der Bariton mit hartem Kern. Wenn sich der alte Opernfreund, wenn es erlaubt ist, an den gnomartigen Aldo Protti als grimmig-idealen Jago erinnert, so zeigte Hvorostovsky jedenfalls, wie elegant man die Rolle auch darstellen kann“. So kramt Renate Wagner in ihrer Erinnerung an den kleinen Bariton mit der Riesenstimme, der sich über das „gnomartig“ ja nicht gerade freuen wird, wo immer er sich jetzt befindet.
„Die immer ungemein präsente Anja Harteros kann nicht nur ein Schicksal, sondern auch „Seele“ singen, und in der mehr als einer Viertelstunde, die ihr Verdi im vierten Akt allein auferlegt, erfüllt sie das mit allen stimmlichen und ausdrucksmäßigen Differenzierungskünsten“.(Renate Wagner)
“Dan Ettinger dirigierte nicht seinen ersten „Otello“ am Haus, also wusste man schon, was einen erwarten würde: eine (zu) knallige, teils spannende und gut auf Höhepunkte abgestimmte Orchesterbegleitung,” so Dominik Troger.

 

Tristan und Isolde

Peter Seiffert und Linda Watson: Von Wagners Klangmassen unbeeindruckt

Peter Seiffert und Linda Watson: Von Wagners Klangmassen unbeeindruckt

Peter Seiffert ist für meinen Geschmack derzeit der weltbeste Tristan. Da sitzt jeder Ton, jede Nuance, jede Phrase. Er vermag seine Stimme, besonders im zweiten Akt im Liebesduett mit geradezu lyrischer Italianità zu führen und ist dann im dritten Akt, eine große Herausforderung für jeden Tristandarsteller, zu gewaltigen Verzweiflungsausbrüchen fähig, ohne an Stimmvolumen zu verlieren! Ihm zur Seite stand in Linda Watson eine mehr als ideale Isolde, die alle Nuancen dieser Figur überzeugend verkörpert“ So schwärmt Harald Lacina. Und Wolfgang Habermann zeigt sich schon kritischer bei der Amerikanerin: „Sie ist vom ersten Ton weg die Hochdramatische, die mit großem Druck und beeindruckender Lautstärke loslegt. Mit diesem Druck nimmt auch das Vibrato von Akt zu Akt zu und der Liebestod ist höchstens zweithöchste Lust“. „Schade nur, dass Dirigent Franz Welser-Möst sie bei den Zeilen „in des Weltatems wehendem All“ mit dem Fortissimo spielenden Orchester regelrecht zudeckte, sodass diese Zeilen im Rausch der Musik untergingen. Ein forte hätte da genügt!“ hörte Harald Lacina da richtig, während ihn „Janina Baechle enttäuschte als stimmlich verquollene Brangäne“. „Der neue Kurwenal von Markus Eiche dagegen ist ein echter Gewinn. Mit kraftvollem, nie forciertem Bariton gibt er den treuen Begleiter Tristans“ so G.Habermann.

“Darauf, dass „Sternstunden nicht inflationär sind und man festhalten muss, dass der Abend, von ganz wenigen Abstrichen abgesehen, in sehr guter Erinnerung bleiben wird“, dem kann man Harald Lacina beipflichten. Die musikalische Seite dieser Serie wurde auch in der Presse positiv gewürdigt, über die Regie, die sich frei von Gedankenblässe zeigt, herrscht wenig Einigkeit. „Es vermag szenisch nicht abzuheben“ (Daniel Ender, Standard), allerdings „Man kann sich den musikalischen Höhenflügen jetzt ungestört hingeben“ (N.N. Die Presse), jedoch „statisch-groteske Mondlandschaft“ (Daniel Wagner, Wiener Zeitung) oder „Die Regie von David McVicar, der außer Rampensingen nichts anzubieten hat. (Marion Eigl, Kurier)

 

Nabucco

 

Für die kühlen Nächte in Babylon: Lucic als pelzverbrämter Nabucco

Für die kühlen Nächte in Babylon: Lucic als pelzverbrämter Nabucco

„Povero Verdi an diesem Abend in der 63. Aufführung dieser Inszenierung von Günter Krämer. Seine Regie versagt vor den Höhepunkten des Werkes kläglich, samt der kargen Bühne von Manfred Voss und Petra Buchholz und dem bereits abgedroschenen Versuch von Falk Bauer, Kostüme und Ausstattungsartikel des 20.Jhd. als neuartige Idee zu verkaufen. Ob damit zum Ausdruck kommen sollte, dass gerade im vergangenen Jahrhundert das Schicksal dem jüdischen Volk einen unvergleichlich grauenvollen Höhepunkt gebracht hat? Das ist mit so einer harmlosen Regie nicht getan, ja es eignen sich m.E. Verdis Kabaletten und Walzer für dieses Thema nicht, wenn man vielleicht von vom Va Pensiero absieht, jene Chorstelle, die immer wieder unter die Haut geht“. (Skorepa) „Leidtragend ist nicht nur das Publikum, sondern sind auch die Sänger, die es in einem Rahmen wie diesem so unendlich schwer haben, zur Wirkung zu kommen“. Auch mit „Paolo Carignani am Dirigentenpult, der einfach nur Durchschnitt lieferte“ meint Renate Wagner, die die Wirkung bei der Besetzung vermisst. „Am wenigsten beim Titelhelden, denn Zeljko Lucic hat zumindest – was man sonst von kaum jemandem an diesem Abend sagen konnte! – eine wirklich schöne Stimme. Aber es wurde nach dem Scarpia auch beim Nabucco wieder klar, dass es sich bei diesem edel strömenden Bariton letztlich um eine lyrische Stimme handelt“. Und weiter bei Renate Wagner: „Mit Jennifer Wilson gab eine jener fülligen Amerikanerinnen die weibliche Hauptrolle, die die Bühnen der Welt mit unterschiedlicher Qualität bevölkern. Gewiss, die Abigaille ist eine Mörderpartie, aber solche Unlust, hier zuzuhören, empfand man selten. Jennifer Wilson lieferte eine durch und durch wacklige Leistung, und die mit Gewalt gepressten Spitzentöne misslangen geradezu durchwegs. Auf der Haben-Seite landete schließlich doch noch der Ukrainer Vitalij Kowaljow als Zaccaria: Nachdem man die längste Zeit meinte, dass es sich hier wirklich nicht um einen profunden Bass handelt, „zündete“ er seine große Szene nach dem Gefangenenchor dermaßen an, dass seine Figur doch noch Eindruck hinterließ“.

Verdis Urteil über diese Inszenierung seines ersten Welterfolges könnte nur lauten: „Ah, vergogna!

 

 

Simon Boccanegra

Der Korsar in edlem Weiß: Thomas Hampson und als dessen Tochter

Der Korsar in edlem Weiß: Thomas Hampson mit Tamar Iveri

 Einige Auszüge aus Renate Wagners Bericht: „Thomas Hampson hat seinen Wien-Boykott wieder aufgehoben, worüber man froh sein kann, zumal der Simone eine seiner besten Rollen ist. Stimmlich hatte er einen glanzvollen Abend, dass man Minimales nicht beanstanden will: Der nach wie vor kraftvolle Bariton (nur selten forciert) strömt wunderschön, die Ausdrucksnuancen beeindrucken. Ferruccio Furlanetto ließ seinen Bass zumal im Vorspiel ganz herrlich samtig strömen und schafft es immer wieder, der Stimme später – da ist er schließlich, 20 und mehr Jahre später, ein alter Mann – einen fahlen Klang zu geben. Joseph Calleja sang seinen ersten Gabriele Adorno in Wien, und man hätte sich gewünscht, diesen Tenor, der doch leider ein seltener Gast an der Staatsoper ist, in einer wirkungsvolleren Rolle zu erleben. Tamar Iveri begann ihre Amelia mit zarten, schwebenden Tönen, die Hoffnung erweckten, aber es gelang ihr einfach nicht, dies auch für die Höhen durchzuhalten. Alain Altinoglu: Der Reichtum an Gefühlsschattierungen in Verdis Musik, wo sich schwebende Lyrik und exzessive Dramatik abwechseln mit reich differenzierten Stimmungswerten dazwischen, ist nicht ganz leicht zu realisieren.“
„Die Sterbeszene spielte Hampson nicht so theatralisch wie andere Rollenvorgänger, die sich plötzlich zu Boden werfen. Nein“, meint Lukas Link, „dieser Boccanegra starb leise und fast unbemerkt, in dem er sich beinahe in Zeitlupe in den Schoß seiner Tochter Amelia fallen ließ. Man fühlte sich schon fast an eine Pietà erinnert. Ein starker Schluss!“

 

Über die Stadtmauern betrachtet

Ein winziges Dramolett:
Schauplatz: Salzburg, Platz vor dem Dom
Zeit: 1920
Handelnde Personen: Hugo von Hofmannthal, Max Reinhardt und Bertha Zuckerkandl

Reinhardt (die räumliche Anordnung vor dem Dom ermessend, überwältigt): „Und die Glocken müssen auch mitspielen. Mit dem Abendsegen werden sie Jedermanns Erlösung verkünden.“
Hofmannsthal (zur Realität zurückfindend): „Wie aber die Finanzierung eines Unternehmens durchführen, das doch auf Kontinuität bedacht sein muss? Wir werden uns an den armen Staat wenden müssen. Eine schwierige Aufgabe.“
Reinhardt (vollkommen gleichgültig): „Irgendwie wird sich das Geld schon finden, das ist Nebensache.“

Max Reinhardt

Max Reinhardt

Das hat so Berta Zuckerkandl in ihren Erinnerungen aufgezeichnet und wurde von mir “dramatisiert”, es klingt so weit weg und ist doch so heutig. Der Staat ist heute viel reicher und tut dennoch so arm, wenn es um kulturelle Angelegenheiten geht. Reinhardt scheint damals so etwas wie der Peirera der Gründerväter dieses Festivals gewesen zu sein, mit all seiner Begeisterung und Maßlosigkeit. Und 1927-die Festspiele sind inzwischen schon etabliert- schreibt die Zuckerkandl in ihr Tagebuch: „Jede Kunstepoche hat ihre gesetzmäßige Entwicklung. Auch den Salzburger Festspielen wird eine Hochblüte und Spätzeit beschieden sein.“

Man kann es sich ausmalen, wo die Festspiele heute stehen, zumindest ist eine Baumpflege dringend angesagt um den in der Spätzeit angesammelten Wildwuchs zu kürzen. Eine Heckenschere her für die Arbeit Hinterhäusers!

 

Peter SKOREPA
MERKEROnline
Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Pöhn,

Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer
Anregungen an skorepa@hotmail.de

Wien, 7.10.2013

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Vor 50 Jahren, am 3.November 1963 Der BOHÈME – Skandal in der Staatsoper

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Zeitungsüberschrift am 4.November 1963 (Die Presse)

 

Der Judaskuss

Wiener Staatsoper, 3.November 1963, 18:57 Uhr

“Ich habe Romano mitgebracht. Er wartet draußen.” So Karajan knapp. Hilbert streckte sich unwillkürlich. ”Ich nehme ihn bei der Hand und führe ihn auf seinen Platz im Souffleurkasten.” Karajan nickte: ”Gehen wir.”

Hilbert folgte ihm. Draußen stand der Italiener.”Vieni, Signore”, sagte der Direktor, nicht ganz korrekt aber immerhin verständlich. Er nahm den Souffleur tatsächlich bei der Hand und wanderte mit ihm den Korridor entlang. Rasch sah er an seinem Rock hinunter. Das KZ-Häftlingsabzeichen – hatte er es angesteckt? Ja, es war da. Plötzlich wurde ihm klar, dass heute kaum noch jemand wußte, was es bedeudete. Was er nicht wußte  und auch nicht wissen konnte, war, dass in der gleichen Sekunde ein alter Logenschließer vor einem Ankömmling im Foyer einen tiefen Bückling machte und mit kläglicher Stimme warnte: ”Gehn S´ noch net hinein, Herr Bundespräsident, bitt schön, mir wissen ja no garnet, ob mir spielen.”

Hilbert blickte auf. Von der Hinterbühne her näherte sich der Inspizient. Der Direktor wandte sich an ihn, indem er auf Romano zeigte: Er möge dafür sorgen, dass der Mann seinen Platz im Kasten einnehme. Der Inspizient zögerte, zuckte die Achseln und deudete etwas vage auf die beiden Personalvertreter. Einer der beiden, dem es anscheinend auch nicht leicht fiel, gab sich sichtlich einen Ruck und stellte sich vor Hilbert: “Herr Direktor, wir haben sie gewarnt. Wenn dieser Mann seinen Platz im Kasten einnimmt, geht der Vorhang nicht auf.”

Hilbert war bis in die Lippen blass geworden. Jetzt versuchte er es mit einem Apell an das künstlerische Gewissen seiner Opponenten. Beschwörend begann er: “Aber meine Herren…” Es war sinnlos, und er wußte es…

Das Publikum wurde unruhig, das Gemurmel wurde lauter und lauter, einige begannen schüchtern zu klatschen. Andere riefen”anfangen”! Der Inspizient wiederholte ein paarmal: “Herr Direktor, bitte, wir können die Leut´ nicht länger warten lassen, ohne dass etwas geschieht,”

19:07 Uhr: Plötzlich war Karajan auf der Bühne. “Dann geben sie die Fußrampe hinein und zwei Scheinwerfer auf den Vorhang. Direktor Hilbert und ich werden hinausgehen und die Vorstellung absagen.” Draußen flammten die Lichter der Fußrampe auf, als das Publikum zwei Herren in Abendkleidung, den einen in Frack, den anderen im Smoking (Hilbert besaß keinen Frack) herauskommen sah. Es brauchte einige Zeit, bis es begriffen hatte, dass der eine Karajan war, dass der andere der Operndirektor Hilbert war.

Karajan, konzentriert und eiskalt, benutzte dieses Intervall, um seinen Direktor zu fragen: “Wollen sie sprechen?” Hilbert überraschte seinen Partner damit, dass er bejahte. Die zweite Überraschung folgte der ersten, als er jetzt in die Brusttasche seines Smokings griff und ein Papier, mit Schreibmaschine beschrieben, hervorzog und daraus vorzulesen begann. Nach den ersten zwei oder drei Sätzen ist es klar, dass die Vorstellung nicht stattfinden wird.”

Diese Streiflichter von der verhinderten Boheme-Premiere 1963, von Carl Merz für seinen Roman “Der Opernnarr” recherchiert und hier leicht gekürzt wiedergegeben, sind noch mit jener Pointe zu schließen, in welcher damals vor dem Vorhang der Staatsoper die Ereignisse tragikkomisch gipfelten: “In einer Regung”, so schreibt Carl Merz, “von der er nachher nie wird sagen können, wer sie ihm eingegeben hat, zieht Hilbert den Maestro an sich und drückt ihm einen Kuss auf die Wange, wie um dieses Bündnis für ewig zu besiegeln.” Ohne Zweifel, wenn man von dem nachfolgenden Umgang, den diese beiden Herren miteinander pflogen, zu berichten hat, dann war das ein Judaskuss.

 Vorgeschichte: “Die unheimliche Ehe” 

Herbert von Karajan umwarb Egon Hilbert. Da schien die Wiener Opernwelt wieder heil. Dahinter ein mächtiger Gegner des Maestros: Manfred Mautner Markof

1963: Herbert von Karajan umwarb Egon Hilbert. Da schien die Wiener Opernwelt wieder heil. Dahinter (halb verdeckt) ein mächtiger Gegner des Maestros: Manfred Mautner Markof

Nie hat das Schicksal zwei entgegengesetztere Charaktere zur Führung eines Opernhauses zusammengeführt, als 1963 die Herren Herbert von Karajan und Dr.Egon Hilbert. Und unterschiedlicher hätten wichtige Lebensabschnitte der beiden Skandalprotagonisten nicht sein können. Der eine, der zukünftige Stardirigent, brachte die ersten Karrierejahre vor und während des zweiten Weltkriegs erfolgreich hinter sich, gehätschelt und protektioniert durch den Berliner Politdschungel, abgesichert durch einen – wie er später erklärte – angeblich gedankenlosen Eintritt in die alles beherrschende Partei. Letztlich konnte man trotz seiner bekannt deutsch-nationalen Einstellung aus jenem, sogar zweifach vollzogenen formellen Eintritt in die NSDAP nicht mehr herauslesen, als eine Sorge um die eigene Karriere, auch Opportunismus genannt. Der andere, der musische Verwaltungsjurist, wurde allerdings sofort nach dem sogenannten Anschluss an das Deutsche Reich zusammen mit der Politprominenz der untergegangenen Republik in das KZ Dachau verschickt und blieb dort bis zu seiner Befreiung durch die Amerikaner inhaftiert. Dem einen, Karajan, gelang trotz anfänglichem Berufsverbots durch die Allierten nach dem Krieg die wohl glänzendste Karriere eines Musikers, die ihn bis an die Spitze nicht nur der prominentesten europäischen Orchester brachte, sondern auch auf den heimlichen Österreichischen Herrscherthron, den der Wiener Staatsoper. Der andere, Hilbert, sicherte sich dank der in den gemeinsamen KZ-Jahren mit vielen der späteren Politiker der jungen zweiten Republik geschlossenen Freundschaften einen ebenfalls einflußreichen Bereich, er wurde Chef der Bundestheaterverwaltung. Nur seine, als intrigant beschriebene Umtriebigkeit hatte er es zu danken, dass er später, im Konflikt mit seinen Ministern ins Römische “Exil” als dortiger Kulturattaché abgeschoben und erst nach einem halben Jahrzehnt wieder zurückgeholt wurde, um als Intendant der Wiener Festwochen inthronisiert zu werden. Immerhin hat er den verbleibenden Verdienst erworben, entscheidend zur Rettung des Theaters an der Wien als Opernbühne beigetragen zu haben.

Hilbert endlose Tiraden nervten Karajan, trotz dem noch ein gemeinsamer Kampf

Hilbert endlose Tiraden nervten Karajan, trotzdem noch ein gemeinsamer Kampf

Entnervt durch den Kampf gegen die traditionelle Bevormundung der Staatsoper seitens der Bundestheaterverwaltung kam es mit dieser 1962 zum offenen Konflikt, nachdem sie eine Lohnauseinandersetzung mit dem technischen Personal bezüglich Abgeltung der Überstunden im Alleingang ohne dem gerade abwesenden Chef des Hauses löste. Der bevorstehende Opernball war damit gerettet, aber Karajan schmollte, trat zurück, wurde  wieder dank der Reaktion des Publikums und der Presse zur Rückkehr bewegt und der Konflikt wurde mit der Gewährung einer Minimalautonomie innerhalb des Budgetrahmens und dem Einsatz eines Co-Direktors in Person Walter Erich Schäfers gelöst. Als dieser aus gesundheitlichen Gründen – was ja nicht verwundert – wieder in seine schwäbische Heimat zurückkehrte wurde die Vernunftehe Karajan-Hilbert geschmiedet, unverständlich für all jene, welche die Folgen der Unvereinbarkeit introvertierter Lebensführung mit extrovertierter Rastlosigkeit ahnen konnten. Und damit sind die Kontrahenten beim Boheme-Skandal angekommen.

 

Zeffirellis “Boheme” und der Maestro Suggeritore

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Gianni Raimondi und Mirella Freni, später auch in der Verfilmung zu sehen.

Die ungemein erfolgreiche Produktion der “Boheme”, die 1962 an der Scala unter der Regie von Franco Zeffirelli herauskam, war auch für eine Replik an der Staatsoper vorgesehen. Schon im Vorfeld kam es zu einem Konflikt mit der Mailänder Scala, als sich Karajan weigerte, den schon unterschriebenen Vertrag mit Giuseppe di Stefano zu erfüllen. Die Scala fügte sich dem Maestro, dem alternden Tenor sprach später ein Gericht die entgangene Gage zu und Gianni Raimondi stieg mit seinem “in tono” gesungenen hohen C als neuer Stern am Tenorhimmel auf. Doch jetzt tat sich in Wien ein weiteres Hindernis auf, welches sich eher als speziell ortsgebunden und betriebspolitisch darstellte, eine Retourkutsche für den Beamten- und Gewerkschaftsapparat der Staatsoper, ein sich aufschaukelndes Problem: Karajan engagierte für die Neuinszenierung erstmals einen sogenannten Maestro Suggeritore, einen weitaus intensiveren Mittler zwischen dem Dirigenten und den Sängerinnen und Sängern, wie er bis dato in unseren Breiten kaum bekannt war. Der Streit, ob dieser Sub-Maestro zum künstlerischen Personal zählt oder nicht – nur im ersteren Fall hätte die Direktion die freie Entscheidung über dessen Engagement gehabt – eskalierte bis zur Absage jener, zur fragwürdigen Berühmtheit gelangten Premiere am 3. November 1963. Dass einerseits hinter dem Verhalten von Teilen der Gewerkschaft die jahrelang aufgestaute Antipathie gegen das System Karajan stand, ja sogar eine unbewußte und unterschwellige Abneigung der Bürokratie gegen Künstlertum per se zum Ausdruck kam, führte zu diesem finalen Konflikt. Befremdlich ist aber auch die Haltung Karajans in Sachen des damals so umstrittenen Spezialisten, weil die bisherigen Aufführungen gerade dieser Puccini-Oper in Wien schon mehr als drei Jahre lang und mehr als fünfzig Mal in italienischer Sprache mit allen nur erdenklichen italienischen Gesangsstars und mit einem einheimischen Souffleur stattfanden. Die Haltung des künstlerischen Leiters war also mindestens so kontraproduktiv wie die seiner Gegner, was letztlich drei Tage nach der Absage die Vorstellung eines “Trovatore” und eine Woche nach dem Skandal die nachgetragene Premiere der “Boheme” bewiesen, die kamen sämtlich ohne irgendeine Hilfe aus dem “Kasten” aus und führten trotzdem zu einem Riesenerfolg!

Das Ende einer Ära

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Karajan, sichtlich vom Redeschwall seines Direktors genervt

Die “Ehe” Karajan-Hibert war von Anfang überschattet von den unterschiedlichen Ansichten und Auffassungen über die Führung des Hauses, am belanglosesten wohl noch in der Frage, ob Hilbert sich, wie er wollte, Staatsoperndirektor nennen dürfe oder aber ein Direktor der Wiener Staatsoper zu sein hätte, wie Karajan es meinte. Die Konflikte reichten vom Wunsch Hilberts, in Besetzungsfragen mitzureden, über die Rückkehr zum Ensembletheater alten Zuschnitts (gemäß Karajan ein Synonym für Gasbeleuchtung), zuletzt mit einem direkten Affront für Karajan, die Wiederaufnahme von dessen “Tannhäuser” just zu einem Termin anzusetzen, an welchem ein Konzert mit den “Berlinern” unter der Leitung Karajans im Musikverein stattfinden sollte. Nun halfen keine Vermittlungsversuche mehr, Karajan befreite sich von der Last und demissionierte endgültig, nicht ohne seiner Verpflichtung noch nachgekommen zu sein, eine wunderbare “Frau ohne Schatten” zu hinterlassen. Dass die Wiener Oper kein Pferd mehr wäre, sondern ein Ackergaul, das interpretierte der “Spiegel” aus einem Interview mit Karajan. Seine nächste und noch glänzendere Karriere begann. Und noch im Monat der Demission – in einer Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 2.Juni 1964 – wurde Karajan in der Frage der Beschäftigung eines Maestro Suggeritore uneingeschränkt recht gegeben.

Fast symbolisch für das Ende: Karajan scheint den Sessel zu räumen, Hilbert als letzter zu lachen, war aber letztlich der Verlierer.

Fast symbolisch für das Ende: Karajan scheint den Sessel zu räumen, Hilbert als letzter zu lachen, er war aber letztlich der Verlierer.

 

Das Ende eines Staatsoperndirektors

Unter den denkbar schlechtesten Umständen blieb Egon Hilbert zurück, der sich jetzt Staatsoperndirektor nennen durfte und damit als Alleinherrscher am Ring endlich sein Lebensziel erreicht hatte. Er hatte sich in seinem Kooperationsvertrag mit Karajan die Bestimmung einer Auflösung der Direktionsehe bei Ausscheiden eines Partners als gefinkelter Jurist für sich zu einer Kann-Bestimmung abschwächen lassen. So konnte er trotz Ausscheidens Karajans aus der Doppeldirektion im Amt bleiben. Aber er hatte das Publikum und auch den größten Teil der Presse gegen sich. Das Startheater wurde teuer erkauft, aber immerhin gewann er Otto Schenk als Oberregisseur und ließ Wieland Wagner inszenieren, er brachte wieder u.a. Sänger wie Nicolai Ghiaurov, Jess Thomas oder Jeanette Pilou, auch wenn diese unter dem Bann Karajans standen, besorgte dem Publikum mit Leonard Bernstein einen neuen Liebling und stockte das Staatsopernorchester auf. “All das half nichts. Die Mißerfolge schrieb man Hilbert zu, die Erfolge der unzerstörbaren Lebenskraft des Kolosses Wiener Staatsoper” so meinte Marcel Prawy. Die Lösung seiner privaten Probleme mit seinen beiden Ehen, jeweils mit einer anderen Frau geschlossen, die eine kirchlich, die andere standesamtlich, wurde in der Presse genüßlich breitgetreten. Das trug nicht unwesentlich zu seinem körperlichen Verfall bei, er konnte zum Rücktritt überredet werden, unterzeichnete die Urkunde und starb kurz darauf in seinem Dienstwagen.

 Die Rede vor dem Vorhang

Der Absage der Premiere am 3. November 1963 ging diese kurze Rede Hilberts voran, die er angeblich in mehreren Varianten schon vorbereitet hatte, ganz als “gelernter Österreicher” wie er später bekannte. Sie lautete im Wortlaut:

“Die Direktion dieses Hauses, also der Künstlerische Leiter und ich als Direktor, müssen ihnen mitteilen, dass die heutige Premiere leider nicht stattfinden kann, weil das Personal eben in den Streik getreten ist. Die Öffentlichkeit wurde durch die Nachricht alarmiert, dass der Künstlerische Betriebsrat des Hauses die Tätigkeit eines italienischen Souffleurs nicht duldet und deswegen ein Verfahren beim Arbeitsamt eingeleitet wurde, das noch in Schwebe ist. In Wahrheit handelt es sich aber um den Einsatz eines “Maestro Suggeritore”, wie er in Italien unerläßlich notwendig ist.

Die Direktion vertritt mit Recht den Standpunkt, dass es sich hier um eine rein künstlerische Entscheidung handelt, die nur die Direktion zu lösen in der Lage ist. Um aber nicht in den Verdacht eines Beharrens auf einen Prestige-Standpunkt zu kommen, hat sich die Direktion bereit erklärt, nach dieser Premiere neuerlich in Verhandlungen mit den zuständigen Stellen zu treten, um die Frage der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte in der Wiener Oper generell zu regeln, selbstverständlich bei voller Aufrechterhaltung der künstlerischen Freiheit der Direktion. Dieser schon vor einigen Tagen schriftlich an die Vertreter der Gewerkschaft übergebene Vorschlag wurde nicht akzeptiert.

Unter diesen Umständen sieht sich die Direktion, der Künstlerische Leiter und der Direktor, gezwungen, die Verantwortung für die ordnungsgemäße Führung der Wiener Staatsoper so lange abzulehnen, bis die künstlerische Unabhängigkeit dieser Institution eindeutig festgestellt ist.”

Der Wortlaut dieser Rede, zusätzlich auch mit allen Zwischenrufen und Beschimpfungen aus beiden Lagern (Hilbert konnte sich anfangs nur schwer Gehör verschaffen) ist im Online-Merker am Ende der Startseite bei der von Frau Hoyer veranlassten digitalisierten Zusammenfassung der Ära Karajan in Auszügen des Heft-Merkers nachzulesen. Seitens des Österreichischen Rundfunks existiert ein Mitschnitt dieser Ereignisse. (Hier danke ich für die Hinweise von Heinrich Schramm-Schiessl)

 

 Der Maestro suggeritore         

Obwohl der Arbeitsplatz der wohl kleinste im ganzen Haus ist – ich schätze die Grundfläche seines Bewegungsspielraums auf nicht einmal zwei Quadratmeter ein – geht von diesem Kammerl, hausintern ganz despektierlich “Kasten” genannt, eine der wichtigsten Tätigkeiten in einem Opernhaus aus, jene des Souffleurs, seit 1963 in unser aller Wissensstand als Maestro suggeritore bekannt geworden und seit Jahren schon mit der italienischen Berufsbezeichnung im Programm genannt und namentlich angeführt.  

In der Wiener Staatsoper arbeiten insgesamt vier solcher Souffleure, die ja seit jeher mehr sind als bloße “Einsager” für Textschwache. Sie sind ausgebildete Dirigenten mit abgeschlossenem Musikstudium und ausgebildet auf einem Instrument. Derzeit sind zwei Italiener, ein Österreicher und einer aus der Bundesrepublik an der Staatsoper beschäftigt, der Chef der Truppe ist

Mario Pasquariello

Mario Pasquariello in seinem Kasten unter der Bühne, einsam aber geliebt, unauffällig aber wichtig

Mario Pasquariello in seinem Kasten unter der Bühne, einsam aber geliebt, unauffällig aber wichtig

55, ein eher kleiner, schlanker Italiener, kein Nachteil bei den schmalen Verhältnissen unter der Bühne. Geboren in Livorno begann er sein Studium am Cello in Florenz, studierte auch privat Komposition ehe er dem vorauseilenden Ruf der Musikstadt an der Donau folgte und in Wien das Dirigieren studierte. Sein Lehrer war Karl Österreicher, ein Schüler und Assistent von Hans Swarowsky und damit mit der großen Tradition des Dirigierwesens dieses Lehrmeisters vieler Generationen vertraut.

Istvan Cserjan, der Chef der damaligen Souffleurgruppe wurde auf den frisch Ausgebildeten aufmerksam und lud ihn zu einem Hospitantenjahr ins Haus am Ring ein und hatte in ihm letztlich seinen Nachfolger gefunden.

Im Februar 1996 durfte Mario Pasquariello seine erste Vorstellung betreuen, natürlich unter den Augen seines Ausbildners, es war eine “Tosca”. Von den Sängern ist ihm nur einer in der Aufregung im Gedächtnis geblieben: Alfred Sramek, der gleich in der ersten Pause von Cserjan gefragt wurde, ob der neue Suggeritore positiv zur Geltung gekommen wäre. Sramek bejahte und Pasquariello folgte Cserjan nach.

Ein Maestro suggeritore ist bei allen musikalischen Proben dabei und lernt so auch die Schwachstellen bei Sängern besser kennen, bekommt die Einsätze – wenn überhaupt – über einen Monitor (früher über einen Spiegel) von dem hinter ihm befindlichen Dirigenten. Damit erfolgt die Weitergabe der Einsätze an die Sängerinnen und Sänger oder den Chor, wobei in der Regel alle Einsätze gegeben werden, auch jene, die vom Dirigenten aus welchen Gründen immer, nicht gegeben wurden. Ein Klavierauszug dient als Unterstützung.

Der menschliche Aspekt ist Herrn Pasquariello an diesem Beruf wichtig, die Suche und der Aufbau einer Beziehung, man muß die Künstler lieben können und eine entsprechende Chemie entstehen lassen.

Dass das oft schwer ist, bewies eine Vorstellung der “Meistersinger” in Florenz mit einem (soweit darf man es verraten) wirklich ganz prominenten Dirigenten, der partout nicht wollte, dass der Suggeritore Einsätze gibt, er sollte tatsächlich nur den Text einsagen. Erst als ein Bassist seine Einwände vorbrachte und der Dirigent flehte, den Einsatz gäbe doch er selbst, meinte der Sänger nur “Ach so?”

Die Dirigenten lernt er alle gut aus seinem Kasten heraus kennen, Peter Schneider kommt sofort als Antwort, wenn man ihn nach einem ganz besonders effizienten Maestro fragt, dessen Dirigat voll Übersicht, Unaufgeregtheit und Sängerunterstützung ist. Er bewundert den Generalmusikdirektor aber auch den so minimalistisch aber stilvoll dirigierenden Bruno Campanella.

Mario Pasquariello ist verheiratet mit Paola, einer Römerin, die er in Liberec bei Musikseminaren kennenlernte und hat zwei Kinder, den Audiotechnik studierenden Luca, 17, und Cecilia, 10, welche die Opernschule in Wien besucht.

 

Peter Skorepa
MERKEROnline
Die Auszüge derEreignisse um die Absage der Boheme-Premiere in der Wiener Staatsoper
entstammen dem Tatsachen-Roman “Der Opernnarr” von Carl Merz, Amalthea Verlag
1972.
Der besseren Lesbarkeit wegen sind die Anonyme für Karajan (im Roman de Zarunian)
und Hilbert (im Roman Pleinher) geöffnet.
Zum vertiefenden Selbststudium sind die Biographien u.A. von Häussermann, Endler, Löbl,
Osborne empfehlenswert, auch die digitalisierte Rückschau aus den MERKER Heftausgaben
aus der Karajan-Ära von Frau Hedda Hoyer (zu finden im MERKEROnline) ist lesenswert,
ebenso Viktor Reimanns “Dirigenten, Stars und Bürokraten” aus 1961. 
P.S.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Publikumsgespräch mit Dominique Meyer am 5.11.2015

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Publikumsgespräch in der Wiener Staatsoper

Dominique Meyer und Thomas Platzer stellen sich dem Publikum
Wiener Staatsoper – Mahlersaal    
5. November 2013

 

„So kann es nicht weitergehn !“

Dominique Meyer meinte, er äußere sich nicht gerne öffentlich über die anstehenden Finanzprobleme, aber die Staatsoper wartet dringend auf die Einsetzung der neuen Regierung, bzw. auf die Ansprechpartner innerhalb derselben. Er sagt, dass es in seinen 21 Jahren als Intendant an den diversen Bühnen, Theatern oder Opernhäusern noch nicht vorgekommen wäre, dass zwei Monate nach Beginn einer Saison noch kein beschlossenes Budget vorgelegen hat. Nach wie vor beträgt der Zuschuss der öffentlichen Hand seit 1999 unverändert 50 Millionen Euro, die Staatsoper hat bis jetzt die inzwischen eingetretenen Preis- und Lohnerhöhungen durch Auflösung der Reserven und durch eine sensationelle Auslastung verkraftet. Und das bei gleich bleibender Qualität und Anzahl der Aufführungen. Man könne nicht ständig die Eintrittspreise erhöhen.

Sollte die entsprechende Unterstützung der öffentlichen Hand in Form einer finanziellen Abgeltung der Kostensteigerungen ausbleiben, werden Maßnahmen in Form der Reduktion von Aufführungen und es werden in deren Folge eine Senkung der Qualität unvermeidbar werden. Das bedeute eine Änderung des Modells in der Führung eines qualitativ und quantitativ erfolgreichen Opernhauses, so wie es der Gesetzgeber eigentlich von ihm verlange.

 „Ich bin nicht der Kandidat für eine solche Umstellung“

 so Direktor Meyer ganz unverhohlen zu seiner Situation. Wenn die Regierung endlich eingesetzt ist und es zu den Verhandlungen mit den Verantwortlichen kommt, dann bittet Dominique Meyer sein Publikum, die Wiener Staatsoper dabei zu unterstützen und zu zeigen, dass es den Opernbetrieb so weitergeführt haben will

 Es kann nachgewiesen werden, dass von den Einnahmen der Wiener Staatsoper an den Staat direkt und ohne Umweg 34 Millionen Euro sofort wieder zurück fließen. Die Höchstgage für Sängerinnen und Sänger ist seit 1999 gleich geblieben, es ist nachweisbar, dass diese bei einem Antritt eines Engagements in Wien Geld verlieren gegenüber den Einkünften in ausländischen Häusern.

Vorher konnte Meyer auf die tolle Auslastung von 99,91 % auf dem Opernsektor in den ersten beiden Monaten der neuen Saison hinweisen, vor allem Dank der tollen „Fanciulla del West“. Auch wenn ihm das Wort „Streaming“ nicht gefällt, er glaubt an die Öffnung des Hauses in dieser Form, vor allem, wenn die Partituren mit automatischem Unblättern dazukommen wie etwa beim „Tristan“ im Dezember. Selbstverständlich werden Kinderopern ebenfalls mit einbezogen.

Manuel Legris bleibt dank der Vertragsverlängerung bis 2017.

Da im Gedenkjahr gleich neun Opern Verdis mit großartigen Sängern gespielt wurden bzw. werden, war es nur gut und richtig, auch dem Chor und dem Staatsopernorchester eine eigen gestaltete Gala für den Komponisten zu ermöglichen.

Neue CDs mit Aufnahmen aus dem Haus sind erschienen:

Lohengrin unter Böhm
Waküre, 1. Aufzug unter Welser-Möst
Der gesamte Ring unter Thielemann
Policino, die KinderoperErnani unter Ozawa
Don Carlo unter Karajan (Freni, Carreras, Cappuccilli usw) 1979

An neuen DVDs sind in Vorbereitung:

Capriccio mit Fleming
Das Städtchen DrumherumLa Fanciulla del West (Stemme, Kaufmann)

 An Ausstellungen ist geplant:

Im Haus: Verdi, kuratiert von Gebr. Lang
später: Lisa della Casa
Im Opernmuseum: Mirella Freni

Die Fragen des Publikums :

Ob die Stadt Wien wegen der doch immerhin vielen Touristen, die auch die Staatsoper zum Kommen animiert und die Geld nach Wien bringen, auch etwas zur Abdeckung der Kosten beiträgt. (Natürlich nicht, die hat ja ein eigenes Opern- und Musicalunternehmen)

Danach gefragt, versichern die beiden Herren, dass Generalprobenkarten ausnahmslos und völlig gratis an den Betriebsrat ausgegeben werden. Es werden von der Staatsoper selbst keine Generalprobenkarten verkauft!

Eine heitere Frage: Eine Dame will partout gerne nur zu den Höhepunkten eines Auftritts von Künstlern in den Zuschauerraum huschen (“Wie es früher möglich war”), und wenn es geht auf die Stehplätze, die von den Touristen bereits verlassen sind, auch mit der Stehplatz – Berechtigungskarte. Sie verspricht auch, sich auf leisen Sohlen (also ohne Schuhe) einzuschleichen.

Die heitere Frage Nr.2 : Einem oftmaligen Wien-Besucher aus Montreal stört das ahnungslose Klatschen der Touristen und meint, dass dagegen etwas zu unternehmen wäre. Spricht von so etwas wie eine Anzeige für den Applaus.

 

Peter Skorepa
MERKEROnline
5.11.2013

 

 

 

 

 

 

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Die Wiener Staatsoper im Oktober 2013

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Das monatliche Staatsopernmagazin als Service des MERKEROnlinestaatsoper

Wiener Staatsoper & Co.
MONATSRÜCKBLICK
Oktober 2013

 

Die Neuinszenierung

 
LA FANCIULLA DEL WEST   5.10., 8.10.,11.10.,14.10. und 17.10.

Maria Jeritza, die Wiener Uraufführungsminnie

Maria Jeritza, die Wiener Uraufführungsminnie im Dienst- mädchenoutfit und einem Riesen-mascherl

Der Erfolg dieser Premierenserie und natürlich der höchstwahrscheinlich glänzende Kassensturz lassen alle Fragen nach der Notwendigkeit dieser Erweiterung des Repertoires in den Hintergrund treten. Das Publikum erkennt langsam die Qualität Puccinis gerade in diesem, früher etwas abschätzig behandelten Werk, von welchem Heinrich Mann anmerkte, dass der Komponist hier angefangen habe “herb und ungefällig zu werden”. Puccini verortet sich hier musikalisch als Nachfolger der Großen des 19. Jahrhunderts mit dem gleichzeitigen Verweis auf die beginnende Moderne. Es ist die Mischung aus seiner musikalischen Sprache mit den Farbtupfern der Amerikanismen, mit dem sorgfältig dosierten Gaben an Sentiment aber auch mit der Härte und Wucht der innewohnenden Dramatik, die dieses Werk – hier muss man Heinrich Mann korrigieren – so gefällig machen!

„Sie sei zum Sterben zu stark, aber zum Leben zu schwach“ hat einmal jemand über Puccinis „Western-Oper“ gesagt und irgendwie stimmt das auch“ schreibt Schramm-Schiessl, und weiter: „in Wien hat sich das Werk allerdings lange großer Beliebtheit erfreut. Schon 1913, also drei Jahre nach der New Yorker Uraufführung, gab es die erste Produktion an der Staatsoper mit Maria Jeritza, Alfred Piccaver und Rudolf Hofbauer.“

„Alles ausverkauft, Sitzplätze, Stehplätze – die Fernsehübertragung, die ein großes Geschenk für alle Opernfreunde war, hat niemanden, der Karten ergattern konnte, davon abgehalten, live in die erste Staatsopern-Premiere dieser Saison zu kommen und einen stürmisch umjubelten Abend zu erleben.“ staunt Renate Wagner, Nina Stemme, die wundervoll durchglühte Isolde, muss hier im ersten Moment gegen die gewählte Optik spielen: die Jeans-Arbeitshose mit Latz, das Holzfällerhemd und vor allem die brennroten Locken, die eine Mischung aus Pumuckl und Pipi Langstrumpf aus ihr machen.“ Und über Jonas Kaufmann: „Mit seiner gaumigen dunklen Mittellage, über die sich die Spitzentöne schön und stark heben, ist er auch ein wahrlich kultivierter Sänger, und da es derer nicht so schrecklich viele gibt, genießt man es besonders…Der Applaus artete zum rauschenden Fest für alle aus.“

Nina Stemme als "Pumuckl"

Nina Stemme als “Pumuckl”, ohne Latzhose

Dazu noch Dominig Troger über Nina Stemme: „Ihre Glaubwürdigkeit litt allerdings ein wenig unter der jeansblauen Latzhose und vor allem unter ihren penetrant roten Haaren. (Es wird wahrscheinlich kaum eine Rezension der Aufführung geben, die nicht die Kindergeschichten-Protagonisten Pumuckl und Pippi Langstrumpf zitieren wird.)“ Und Jonas Kaufmann sang sich bei seiner ersten Staatsopern-Premiere mit seinem kaschmirschmeichelnden, dunklen Baritontenor in die Herzen des Publikums. In den lyrischen Momenten klang die Stimme schon sehr baritonal und nicht sehr durchschlagend, sobald er etwas Kraft hineinlegte, gesellte sich erst der Glanz hinzu, kein Erstrahlen, sondern ein tenoraler Schimmer, wie ein leicht glänzender Farbton, der sich über das satte baritonale Fundament legte. So gelangen Kaufmann schön gerundete, aus einer tieferen Basis herauswachsende Spitzentöne.“ Schwärmt hier Dominik Troger förmlich in allen ihm zur Verfügung stehenden Stimmfarben.

Franz Welser-Möst dirigierte schnörkellos, die  Dramatik ebenso voll auskostend wie die herben Sentimentalitäten in der Sängerbegleitung. Keine Frage: Tempo und Lautstärke sorgten mehr als oft für Spannung auch dort, wo die Sänger letztlich im Klangrausch überfordert wurden.

Fazit: Eine Produktion, die das Können des Ensembles bemerkenswert vorführte, eine Produktion die das Publikum vor allem auch der Spitzensänger wegen begeisterte und das nicht mit Konnotationen und Deutungen seitens der Regie überfordert wurde, also auch Kost für den Repertoirealltag.

17_La_Fanciulla_del_West

Genreszenen aus dem Goldgräbercamp. Minnie mit Latzhose und die Bibelrunde.

 

 Das Repertoire im Oktober

 

SIMON BOCCANEGRA   1.10. und 4.10.

 „Opernalltag, aber auf Festspielniveau“, titelte der Kurier über die „absolute Top-Besetzung“ dieser Serie, wobei man tatsächlich gerade bei diesem Werk in den letzten Jahren eine gewisse Beständigkeit an großen Namen feststellen kann. Allerdings traf diesmal den Tenor das Absagewetter: „Anstelle des erkrankten Joseph Calleja übernahm Stefano Secco die Rolle des Gabriele Adorno und erfreute mit schönem Timbre, mit guter Technik und einem nicht sehr großen, aber für den Gabriele durchaus ausreichenden Tenor.“ (Jahnas) Und mit Lukas Link weiter: „Diesmal war Hampson sehr unausgewogen, sein Bariton wirkte besonders zu Beginn erstaunlich blass und kraftlos, und er neigte zum gelegentlichen Forcieren. Erst im Finale konnte er seinen an sich schönen Bariton genau so strömen lassen. Als Figur war er da an diesem Abend viel überzeugender. Ferruccio Furlanetto als Fiesco hatte einen hervorragenden Abend. Der immerhin schon 64-jährige Italiener beeindruckte vom ersten Ton an mit kräftigem Bass, sang nuancenreich und mit großem Ausdruck. Als Figur war er stets glaubhaft und sein Bass kontrastierte hervorragend zum eher hell timbrierten Bariton von Hampson. Gemeinsam mit dem US-Amerikaner sorgte Furlanetto dann auch im Finale für packendes Musiktheater.“

Thomas Hampson und Tamara Iveri

Thomas Hampson und Tamara Iveri

 

 

IL BARBIERE DI SIVIGLIA  2.10. und 6.10.

"Urgestein" Sramek mit Coliban

“Urgestein” Alfred Sramek mit Sorin Coliban

“Das war eine Vorstellung,” meinte Kurt Vlach, „nach denen man mit einem Lächeln nach Hause geht. Der neue Figaro „Lucas Meachem kann schon auf eine sehr erfolgreiche Karriere, besonders in den USA, zurückblicken und erhielt beim Schlussapplaus begeisterten Zuspruch des Publikums. Sein Figaro ist ein sehr „erdiger“ und körperlicher, der immer die Fäden in der Hand hat.“ Und weiter:Juan Francisco Gatell ist ein typischer „Tenore di Grazia“ und „Kann man sich den Barbiere in Wien ohne den Bartolo von Alfred Sramek vorstellen?“ Da muss ich allerdings sagen: Ja sicher, das ist vorstellbar, unser System lebt vom Reiz des oftmaligen Wechsels der Protagonisten und macht erst das Interessante unseres gelockerten Repertoiresystems aus, wenn Gäste oder auch andere Ensemblemitglieder zum Zug kommen. Und das schmälert erst recht nicht die komödiantische und gesangliche Leistung Alfred Srameks, für den ein Mithalten gegenüber seinen Kollegen trotz seines Altersvorsprungs kein Problem darstellt.

 

 AIDA   9.10., 12.10., 15.10. und 18.10.

Die Aida-Serie war, ihrer zeitlichen Nähe zum Geburtstag Verdis und des quantitativ mageren Umfangs der eigentlichen Gala wegen, zum tatsächlichen Festakt aufgestiegen. Die Vorstellung hatte immerhin eine Reihe gediegener Verdi-Sänger anzubieten, gefehlt hat lediglich ein Dirigent, der das erforderliche Gefühl für den “banalen” Rhythmus bei Verdi aufgebracht hätte, der einen stringent durchtaktierten musikalischen Ablauf geboten hätte. Es muss ja nicht gleich ein Muti oder, um ein früheres Beispiel zu nennen, ein Toscanini am Pult stehen. Aber so stand sich Dan Ettinger selbst im Weg mit seinen ständigen Tempowechseln, abruptem Vorangehen und Generalpausen.

Im Frühjahr schon debütierte Kristin Lewis, die dunkelhäutige Sängerin aus Arkansas bei uns als Aida, Die Männerriege wurde dominiert von Marcello Giordani, einem Radames mit eloquentem Auftreten und einem durchschlagskräftigen Tenor, der seine lyrische Vergangenheit der guten Phrasierung wegen nicht verleugnen konnte. Olga Borodina gestaltete die ägyptische Königstochter perfekt und mit beherrschendem Alt.

Kristin Lewis

Kristin Lewis

Das Haus war immer ausverkauft, auch auf den Galeriestehplätzen herrschte bis zur Pause großes Gedränge, nach der Pause waren deutlich weniger Steher vorhanden, die Neugierde bei den Touristen schien verflogen und der Hunger dagegen umgekehrt proportional angestiegen.

 

DON CARLO  13.10., 16.10. und 19.10.

 „Die Inszenierung war schon am Premierenabend vor zweieinhalb Jahren kein großer Wurf. Der Bunkerbau schafft ein trübsinniges, leer geräumtes Bühnenambiente, das immerhin von der Seite dann und wann interessant beleuchtet wird. Die Szene mit der Ketzerverbrennung ist ganz schlecht gelöst. Der unbestrittene Vorteil dieses Arrangements: schauspielerisch gewandte Sänger wie Furlanetto können ihre Rollen ohne störende Regieeinfälle auf die Bühne stellen.“ Schreibt Dominik Troger.

Als Einsprimgerin Tamara Iveri als Elisabetta

Als Einsprimgerin Tamara Iveri als Elisabetta

Wenn ein Star eine Hauptpartie absagt und das Haus trotzdem eine hervorragende Aufführung präsentiert, so spricht das sicher für das Haus.“so Wolfgang Habermann. Gemeint ist die bedauerliche Absage von Anja Harteros, aber bei aller Anerkennung der Leistung der Einspringerin, Frau Tamar Iveri, sie konnte den Ausfall einer solch singulären Stimme erwartungsgemäß nicht wettmachen.

Haeald Lacina schildert die Ausstattung „mit durchgängig hässlichen dunklen Bühnenwänden und von den Merker-Sitzen der Galerie Seite aus sichtverdeckenden, halb heruntergelassenen Zwischenvorhängen (insbesondere beim Auftritt von Carlo. V. im Finale) spartanisch ausgestatteten Bühne von Angelo Linzalata nach einem Konzept von Graziano Gregori und einer recht einfallslosen Regie von Daniele Abbado aus dem Jahr 2012.“ Und weiter „Ferruccio Furlanetto beherrschte das Bühnengeschehen bereits von seinem ersten Auftritt an als herrischer und zugleich einsamer König Filippo“.

Sein Tenor verfügt für diese Rolle über das so idealtypische dunkle und melancholische Timbre, das mit seinen kräftigen Spitzentönen ausgezeichnet harmonierte“ über Ramon Vargas.Der 1968 in Marseille geborene französische Bariton Ludovic Tézier hat den Rodrigue in Wien bereits erfolgreich in der französischen Fassung gesungen. In der italienischen Fassung gab er als Rodrigo sein überzeugendes Rollendebüt im Haus am Ring. Franz Welser-Möst bevorzugt hörbar einen über weite Passagen lauten und recht flotten Don Carlo. Damit erzielt er mit dem Orchester der Wiener Staatsoper naturgemäß einige reißerische Effekte an den exponierten Stellen der Partitur.“

Tezier

Ludovic Tézier, der erfolgreiche Posa in beiden Sprachen

 „Valentina Nafornita ließ ihre Engelsstimme über das szenisch so missglückte Autodafé schweben.“ (W.Habermann) und Sie ließ ihre sanfte, einschmeichelnde himmlische Stimme zu einem kläglichen Pseudo-Autodafé aus der Höhe vernehmen.“ (Lacina) Das erinnert stark an das Zitat aus dem Capriccio: „Und auf den Trümmern großes Ballett“.

Aber „Alles in allem eine hervorragende Vorstellung, die auf jeden Fall die Bezeichnung „Verdi-Gala“ verdienen würde“, begnügen sich M.&H.Jahnas. 

 

 DER ROSENKAVALIER   23.10., 27.10. und 30.10.

Die mittlere Vorstellung der Serie eröffnete den Life-Stream aus der Wiener Staatsoper, ein historischer Moment für alle, die 14 Euro berappen und das technische Equipment dazu in Form eines PC herumstehen haben und überhaupt die ungewohnte Geduld aufbringen können, in den eigenen vier Wänden mit opernhafter Ruhe auszuharren und den Lockungen von Speisen und Getränken zu widerstehen. (siehe auch das Essay von Sir Peter Jonas am Ende der Reflexionen) Eine ganz neue, parallel zu den Opernhäusern ablaufende Konsumation von Kulturereignissen in Higth-Definition wird sich da entwickeln, da wird, wie schon bisher bei den Direktübertragungen im TV, das Ohr und das Auge über ein Filter von zwischengeschalteter Regie und Elektronik bedient. Besonders das Hörerlebnis, das ist zu befürchten, wird zu bloßer Filmmusik mit verstärktem Gesang.

„Denn offensichtlich (und hoffentlich für immer) sind nun die Zeiten „ungeprobter“ Reprisen im Repertoirebetrieb endgültig vorbei und es wird einer sorgfältigen szenischen Gestaltung das nötige Augenmerk gewidmet, zu viel internationale Reputation steht nunmehr auf dem Spiel! Bei der Uralt-Inszenierung Otto Schenks, die unlängst erst neu aufgefrischt worden war, sah man daher wirklich lebendiges Musiktheater in seiner besten Form.“ Und weiter Ernst Kopica: „Was Adam Fischer mit den Philharmonikern diesmal zu Gehör brachte, war wirklich zum Niederknien schön. Dass Renée Fleming in sängerischer Hinsicht eine „primadonna assoluta“ ist, dürfte wohl unbestritten sein. Sophie Koch ist für mich der unterschätzteste Octavian der Gegenwart. Gewaltig wie sie aufdrehen kann.“

Ein stimmiges Paar, erst recht für den ersten Live-Stream: Sophie Koch und "die" Fleming

Ein stimmiges Paar, erst recht für den ersten Live-Stream: Sophie Koch und “die” Fleming

Peter Rose war der zwischen Charmieren und Brutalität pendelnde Ochs, Moica Erdmann die erste Sophie und Ileana Tonca ersetzte ab der zweiten Aufführung die verkühlte Vorgängerin.

Nur Adrian Eröd fiel ein wenig aus dem Rahmen: Zu jung, zu ernsthaft sah er aus, eher wie ein Kammerdiener im eigenen Palais. Da fehlte die Karikatur des Emporkömmlings, des nach Adel Hechelnden, sowohl darstellerisch aber auch in stimmlicher Gestaltung!

 

ANNA BOLENA als Wiederaufnahme  25.10., 28.10 und 31.10.

Krassimira Stoyanova in den großen Schuhen der Netrebko-Nachfolge

Krassimira Stoyanova in den großen Schuhen der Netrebko-Nachfolge

Als Anna Bolena wurde diesmal Krassimira Stoyanova aufgeboten – eine Sängerin, die man nicht unbedingt mit Donizetti in Verbindung bringt, Stoyanova gestaltete Annas Leiden vor dem Hofstaat zu einer intimen, von feinsinnigem Wahnsinn umsponnenen Szene – aber die repräsentative Seite der Königin blieb dabei wie ausgeblendet.“ (Dominig Troger)

Dank ihres schönen Timbres und einer klaren, geraden Stimme ohne Schärfe reiht sich Krassimira Stoyanova auf Augenhöhe mit ihren großen Rollenvorgängerinnen ein.“ (Jahnas)

Die Anna Bolena ist ein Power-Trip für eine Sängerin – und die Stoyanova, die als so ruhig-elegante Dame auf der Bühne steht, ist dafür nicht wirklich geeignet.“ (Renate Wagner)

Luca Pisaroni war elegant in der Erscheinung, die Stimme angenehm timbriert, vielleicht zu wenig kantig und „schwarz“ in Ausdruck und Klang? So richtig in den Belcanto-Gefühlsrausch schien nach meiner Einschätzung nur Sonia Ganassi als Giovanna Seymour einzutauchen, manchmal schon etwas Vibratoreich, aber energetisch im Erleben und Darstellen der Rolle. Stephen Costello präsentierte einen gut tragenden, elastischen lyrischen Tenor leicht nasal gefärbt – vom Timbre eine Mischung aus dem jungen Joseph Calleja mit „Schellackhauch“ und von Juan-Diego Florez.“ (Dominik Troger) „Die gewaltige Schlussszene besteht aus zwei Teilen, und den ersten, gewissermaßen „lyrischer Wahnsinn“, sang die Stoyanova bestrickend. Für das letzte Furioso vor ihrem Tod fehlte ihr jedoch Kraft und Überzeugungskraft. Auch scheint es gegen die Intention des Komponisten, etwas, das ja doch als Virtuosenpartie für eine Koloratur-Diva geschrieben wurde, von der Brandfackel auf brav flackerndes Feuer herunterzusingen.

Am Pult stand wieder Evelino Pidò (auch er war schon bei der Premiere dabei), der die Ouvertüre in erschütternd undifferenzierter Fortissimo-Manier herunterklopfte. Später wurde es etwas, aber nicht wirklich viel besser.“  (R.Wagner)

 

 LA FILLE DU RÉGIMENT  26.10. und 29.10.

 „Einen großen persönlichen Erfolg feierte Íride Martínez als Einspringerin für die Einspringerin in der Rolle der Marie. Sie hat von den Noten und vom Stimmumfang her die Partie auf jeden Fall drauf, aber es fehlt phasenweise an Ausdruck und auch eine etwas fülligere Tiefe wäre von Vorteil.“ (Kurt Vlach).

Man sieht ihr die Freude am erfolgreichen Einspringen an: Iride Martinez

Man sieht ihr die Freude am erfolgreichen Einspringen an: Íride Martínez

Im Forum des Online-Merkers gab es eigenartige Wortmeldungen zu dieser Inszenierung, einem Schreiber ist der als locker und heiter hingeworfene, allgemein als gelungen anerkannte Entwurf des Bühnenbildes für den ersten Akt zu nichts sagend gewesen, in einem weiteren Beitrag schien einem etwas gar zu ernsthaftem Schreiber die Darstellung des Krieges viel zu lustig und unbekümmert. Nun, abgesehen von der schon nicht ganz ernst zu nehmenden Vorlage hätte eine Darstellung der Ereignisse im Stil des Golfkrieges oder gar des Vietnam-Fiaskos bestenfalls den Sängern aus Fernost Freude bereitet. Seien wir doch froh, dass der im zweiten Akt anrollende hölzerne Panzer wahrscheinlich der einzige fahrbereite Panzer in Österreichs ist. Oder doch noch nicht?

Richtige Freuden und Wonnen bereiteten ihr Auftreten des in Hochform befindlichen Juan Diego Flórez und dem wieder aus seiner stimmlichen Fülle austeilenden Carlos Álvarez. Die künstlich aufgesetzte Lustigkeit der Frau von Crakentorp hingegen ist auch bei Kiri de Kanawa nur wenig humorig, aber wenigstens nicht so peinlich, wie Montserrat Caballé sich in der Premierenserie darbot. Aber immerhin zeigte sie sich gegenüber der Rollenvorgängerin noch in überraschend guter stimmlicher Form.

 

VERDI GALA  10.10.

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper unter Daniele Gatti in der GALA für Giuseppe Verdi

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper unter Daniele Gatti in der GALA für Giuseppe Verdi

 Natürlich hatte Direktor Meyer mit einer Bemerkung bei seinem letzten Publikumsgespräch recht, wenn er, unter Hinweis auf die ständige Anwesenheit Verdis im Repertoire und überhaupt dessen vermehrte Anzahl der Aufführungen in diesem Monat eigentlich großartige  Extra-Events für entbehrlich halte. Und natürlich konnte sich jeder Konsument des Musentempels am Ring, wenn er des Lesens kundig ist, informieren, dass diese Veranstaltung, die unter dem Titel VERDI GALA angeboten wurde, lediglich eine Teilnahme des Chores und des Orchesters der Wiener Staatsoper in Aussicht stellte.

Das Wort “Gala” war es also, das meiner Ansicht nach für falsche Vorstellungen sorgte. Warum darf der Titel nicht “Chor- und Orchesterkonzert zu Verdis 200. Geburtstag” lauten, warum muss es eine “Gala” sein?  Vielleicht wegen der erhöhten Preise?“ so Anton Cupak in unserer Tageskolumne.

„Die etwas lieblose Aneinanderreihung von bekannten und kaum bekannten Orchesterstücken und Chören feuerte keine emotionalen Gebutstagsraketen ab. Immerhin haben nach der Pause die Ohrwürmer aus „Nabucco” und „Aida” für eine bessere Stimmung gesorgt. Denn im Pausenfoyer wurde schon die Meinung geäußert, dass die ganze Veranstaltung ziemlich „sparsam” geraten sei.“ schrieb Dominik Troger

„Keine glanzvolle Gala mit internationalen Top-Solisten und bekannten Arien oder Duetten, sondern ein unaufgeregtes Konzert des Staatsopernorchesters unter Dirigent Daniele Gatti und mit dem Chor des Hauses als vokale Verstärkung.“ meinte der Kurier.

Zu leichtfertig wurde, von wem auch immer, eine “Gala“ angesetzt. Hätte man etwas Gedankenarbeit seitens der dafür Verantwortlichen in der Wiener Staatsoper in die Titelwahl dieser Veranstaltung gelegt und etwas mehr über die praktische Bedeutung dieses Wortes nachgedacht, die „Sticheleien“ darüber wären der Direktion erspart geblieben.

 

 DER ERSTE LIFE STREAM: DER ROSENKAVALIER am 27.10.

Aus Anlass des ersten Life-Streams, der von der Wiener Staatsoper aus in das Opern-Universum ein Zitat aus ZEIT-Online zu diesem Thema, gefunden im „Opernnetz“ vom 20.10.2013:

 Sir Peter Jonas  vom 16.10.2013, zitiert aus Zeit online:

Sir Peter Jonas

Sir Peter Jonas

 „Die vorrangige Erinnerung an diese Erfahrung (Anm.: mit so einem Stream) ist die eines künstlerischen Wichsens. Man erlebt einen bescheidenen Kick, aber ohne jedes Vorspiel: kein Aufbau, keine Vorfreude, kein vorfreudiges Beben der Sinne, keine flimmernde Furcht. Und man vermisst die Wallfahrt zum Theater und das Geplauder im Foyer, wenn man ohne Vorbereitung direkt in den ersten Ton der Ouvertüre oder, schlimmer noch, direkt in die Lieblingsarie geworfen wird. “Zack, danke, gnä’ Frau!” (oder “der Herr”): künstlerischer Orgasmus auf Mausklick. Das Allerschlimmste aber ist: Man hat keinen “Kontakt”, erlebt keine Provokation durch andere Zuschauer, die einen trotz Körpergeruch oder penetranten Parfüms in gemeinsame Wonne oder Ernüchterung hineinziehen und zu Buh- oder Jubelrufen hinreißen – und hinterher auch keine Debatten, gemildert durch postkoitale Verlorenheit oder entzündet durch Empörung und Provokation.

Was bleibt, ist Oper ohne Risiko: eine bakterienfreie Zone, top-hygienisch, absolut harmlos – doch genau das war niemals die Bestimmung dieser edlen und schwierigen Kunstform. Oper sollte von Anfang an riskant sein, das perfekte Vehikel, die Menschen mit aktuellen Tagesthemen zu konfrontieren: Weltpolitik und privates Leid in Don Carlos und Simon Boccanegra; Infektionskrankheiten und die Balance zwischen öffentlicher und privater Moral in La Traviata oder La Bohème; der Kreislauf der Natur im Schlauen Füchslein; Inzest und Kindesmisshandlung in Ariodante und Weltwirtschaft im Ring des Nibelungen. Operninterpretationen setzen uns der ansteckenden Krankheit Provokation aus, und diese kann in vollem Umfang nur erlebt werden, wenn der Akt der Interpretation, zusammen mit der oft dazugehörenden Verletzung unserer Erwartungen, sich vor unseren Augen abspielt. Nur dann wird der Bazillus künstlerischer und intellektueller Freiheit freigegeben, der uns fesselt, erregt, bewegt und erschreckt mit einer Macht, über die diese Kunstform grundsätzlich verfügt, auch wenn sie sie viel zu selten zeigt.

Wenn zukünftig bald jede Woche Oper im Internet und im Kino serviert wird, ist die digitale Oper bald so bekannt wie das berühmte Wiener Schnitzel mit Pommes. Das bekommt man aber bekanntlich auch in fast jeder billigen Imbiss- Bude. Hauptsache ist, dass die eigentlichen Restaurants dann nicht leer bleiben.“

Nun, unser Restaurant am Ring wird deshalb nicht leer bleiben, diese Sorgen muss sich Sir Jonas um unser Haubenlokal nicht machen.

Direktor Meyer leistet Überzeugungsarbeit für den Stream bei Dr.Pfabigan, Jonas Kaufmann und Dr. Billand

Direktor Meyer leistet Überzeugungsarbeit für den Stream bei Dr.Pfabigan, Jonas Kaufmann und Dr. Billand (von rechts) Foto:MERKEROnline/Skorepa

Peter SKOREPA
MERKEROnline

Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Pöhn,
Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer
Anregungen an skorepa@hotmail.de

Wien, 18. November 2013

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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REFLEXIONEN – Die Wiener Staatsoper im November 2013

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Wiener Staatsoper & Co.

 MONATSRÜCKBLICK

 November 2013

 

 Zurück in die Vergangenheit? Nichts Neues vom Ensemblegedanken.

Wer das Ende November erschienene Heft 12/2013 der STRETTA von den Freunden der Wiener Staatsoper beim Kapitel FORUM aufschlägt wird bemerken, dass im Leitartikel von Dr.Karl Korinek unter Zuhilfenahme feiner Sophistik einem Ensemblegedanken zugesprochen wird, dessen Endstadium, wie in diesem Artikel gefordert, weder im Bundestheatergesetz so normiert wurde, noch seiner historischen Entwicklung der letzten fünf Jahrzehnte entspricht.

 Wie sollte denn der Ensemblegedanke auch “auf die Ebene der großen Partien” auszudehnen sein? (Was im Detail so ja gar nicht dezidiert im kulturpolitischen Auftrag steht) Und wenn Dr.Korinek schreibt „Das entspricht dem kulturpolitischen Auftrag“, so ist das auch nur seine persönliche Auslegung). Tatsächlich geht ja die Bildung eines Ensembles von der Voraussetzung aus, dass Künstler auf Basis eines Dienstplanes und im Angestelltenverhältnis einem Haus für eine oder mehrere Saisonen zur Verfügung stehen. Das wäre mit international tätigen Spitzensängern undurchführbar, denn diese schließen mit Stückverträgen ab, ob nun für einen einmaligen oder für mehrmalige Auftritte oder Serien, allenfalls aber auch z.B. für mit einem so genannten Residenzvertrag, der den Künstler aber noch nicht zu einem Ensemblemitglied im eigentlichen Sinne macht.

 Unbestreitbar ist, dass sich Künstler in den jeweiligen Haus-Ensembles erst hocharbeiten und für höhere Aufgaben empfehlen müssen, um dann auch mit Gastauftritten flügge zu werden. Hausensembles sind daher geradezu eine Notwendigkeit für die ideale künstlerische Entwicklung eines Anfängers zu einem gefragten Sänger oder zu einer gesuchten Sängerin. Wir müssen uns aber auch einig darüber sein, dass erst diese Spitzenkräfte das Medium Oper in allen seinen Ausformungen künstlerisch am Leben erhalten bzw. ein Institut zu einem führenden Haus machen können. Sind diese aber erst einmal in dieser Stellung angelangt, dann ist diese Spezies von Künstlern, nenne man sie meinetwegen Stars, kaum mehr bereit, sich in ein Hausensemble zwängen zu lassen. Elisabeth Kulman ist das jüngste und beste Beispiel einer solchen Entwicklung vom Ensemblemitglied zu einer mit allen Risken, aber auch allen Freiheiten ausgestatteten Künstlerin, die sich auch international entfalten kann aber auch bei uns für ihre besten Partien zur Verfügung steht.

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Und wer sind also die von Dr.Korinek herbeizitierten „Opernfreunde“, die sich mit kritischen Grundgedanken einstellen (so wie in diesem Artikel zitiert) und damit eigentlich und offensichtlich besetzungspolitische Fesselungen im Auge haben. Wollen wir mit einem eng gestrickten Ensemblesystem beamteter Künstler dahindümpeln wie ein Repertoirebetrieb in der Provinz. Das wäre dann wirklich die Einleitung zum wirtschaftlichen und künstlerischen Abstieg und erst recht gegen den Gesetzesauftrag, die Stellung der Staatsoper „im Kreis der international führenden Häuser zu erhalten und weiter auszubauen“!

Ja, auch ein Operndirektor kann sich seine „beratenden“ Freunde nicht aussuchen!

 

 

Die Neuinszenierung

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Kolosova, Bruns, Bezsmertna, Werba und Carvin: Bunter gehts nicht.

 DIE ZAUBERFLÖTE   17., 20., 24., 27. und 30. November

„Nicht Fisch und nicht Fleisch, diese neue Zauberflöte“ (OÖN)
Sieg der Anspruchslosigkeit(D. Troger)
„Mozarts verschenktes Jahrtausendwerk“ (Heute)
“Das war wohl die elementarste Enttäuschung seit langem“ (R. Wagner)
Weiterhin kein Glück also beim Mozartschen Kernrepertoire unseres Hauses. Nach dem vorzeitigen Aus für den Da Ponte-Zyklus nach Giovanni und Figaro, wird der Zyklus mit der alten Cosí, (der mit einer, lediglich einem Ausstattungstheater huldigenden, bald zwanzig Jahre alten Inszenierung von de Simone) im Jänner ergänzt. Und nach einem ebenso optisch daneben gelungenen Titus, passiert jetzt diese ZAUBERFLÖTE!

„Das Regieduo Moshe Leiser und Patrice Caurier appelliert … hinreichend an das Kind im Opernnarren, um eine kollektive Regression zu erwirken.“ (Wiener Zeitung). Von ihrer „Zauberflöte“ war also Intelligentes, Originelles zu erhoffen. Am Ende stand man vor einer Aufführung, die an Ideenlosigkeit und dummen Einfällen einen ziemlich hohen (negativen) Rang einnimmt)“ (Dominik Troger) Man weiß, dass „Die Zauberflöte“ dramaturgisch wirklich kein gutes Stück ist. Aber man kann sie retten. Und man kann sie auch noch schlechter machen, als sie ist. Das scheint in diesem Fall traurig gelungen.“ (Renate Wagner)

Hüter des Wienerischen Elementes: Werba

Hüter des Wienerischen Elementes: Markus Werba

„Größter Aktivposten: Markus Werba. Als Papageno absolviert er eine athletische Tour de force, ohne die Rolle des Naturburschen in den Sand der Outrage zu setzen…Von begrenzter Wirkungsmacht ist leider auch das Dirigat von Christoph Eschenbach“ (Der Standard)

„Vor einer braunen Wand oder einem weißen Vorhang beschränkten sich die Regisseure auf oberflächliches Kasperltheater“. (Heute)

Noch dazu also eine kaum überzeugende musikalische Umsetzung, wobei die gesanglichen Leistungen des Hauptpaares von jenem der Nebenpaarung Werba -Nafornita in den Schatten gestellt werden.  Auch Schramm-Schiessl und Kopica von Merker-Online finden fast nur Haare in der Zauberflötensuppe.
Es ist traurig, dass die einzigen Szenen, welche das touristisch durchsetzte Publikum so „köstlich“ unterhalten konnten, die mit den Tieren (die sind auch tatsächlich ob der Tierkostüme gelungen) und die mit den im Tutu tanzenden Polizisten sind! Traurig, weil gerade dieses Werk eine urwienerische Veranstaltung zu sein hätte, aus der Schikanederschen Tradition heraus gestaltet und von den Besten für den Mozartschen Gesang exekutiert! Für Mozart und vor allem die Zauberflöte scheint das Gefühl an der Wiener Staatsoper verloren gegangen zu sein!

 

Dazu die Rezensionen von R.Wagner, D. Troger und H.Schramm-Schiessl

 

Die Wiederaufnahme

 

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PETER GRIMES    23.,26. und 29. November

„100 Jahre und einen Tag nach Benjamin Brittens Geburtstag ist „Peter Grimes“ nun nach langer Pause auf den Spielplan der Wiener Staatsoper zurückgekehrt – als deren leider einziger Beitrag zu einem Jubeljahr, in dem das verständliche Getöse rund um die doppelt so alten Kollegen Wagner und Verdi den britischen Genius beinah zum unhörbaren Dritten macht. Dabei vertritt das großartige, im Juni 1945 uraufgeführte Durchbruchswerk des Komponisten, sieht man von Kinderopern ab, als einziges das im Haus am Ring derzeit sträflich vernachlässigte Repertoire der Nachkriegszeit“. (Die Presse/W.Weidringer)

Gun-Brit Barkmin, Herbert Lippert und Iain Peterson

Gun-Brit Barkmin, Herbert Lippert und Iain Paterson

Ursprünglich hätte Ben Heppner den Peter Grimes singen sollen, nach seiner Absage kam Herbert Lippert zum Zug. In der Wiederaufnahme am Samstag feierte er in dieser Partie Rollendebüt an der Staatsoper. Lipperts Grimes war aus eher einfachem Holz geschnitzt, seelische Abgründe wie bei anderen Interpreten der Rolle taten sich kaum auf. Stimmlich „hing“ sein Peter Grimes öfters an einem etwas dünnen „Seil“, vom Timbre mit lyrischer, leicht fahler Einfärbung versehen.

Die Ellen Orford von Gun-Brit Barkmin war eine passende Ergänzung zu diesem Peter Grimes, ihre fester, eher heller, aber nicht sehr strahlkräftiger, im Timbre etwas „abgedimmt” klingender Sopran, passte gut zur ihrer Rollenzeichnung: ein bisschen Blaustrumpf, ein bisschen Witwe mit Sehnsüchten.

Balstrode wurde von Iain Paterson mit wohl erklingendem Bariton auf die Bühne gestellt; ein Kapitän mit Format und Autorität und einem Englisch als „native speaker“. (D.Troger)

„Es ist ein wirklich spannendes Stück, das auch eine spannende Umsetzung verdiente…sie kam in diesem Fall zumindest aus dem Orchestergraben. Der Brite Graeme Jenkins zeigte nicht nur brillantes Fingerspitzengefühl für die emotionalen Wertigkeiten der Musik, sondern brachte auch die nötige Exaktheit, die bei einer so schwierigen Partitur (zumal in den Chorszenen) nicht immer leicht zu erreichen ist, peitschte Dramatik hoch und ließ Trauer fließen, ohne der Sentimentalität (die gelegentlich hinter Ecken hervorlugt) nachzugeben. Wenn es einen Musiker-Himmel gibt, hat Britten wohl  herunter gesehen und sich gefreut“ vermutete Renate Wagner.

 

 Das Repertoire im November

Íride Martínez, Carlos Alvarez und Juan Dieg Flórez mittendrin

Íride Martínez, Carlos Alvarez und Juan Dieg Flórez mittendrin

LA FILLE DI RÉGIMENT   1.und 4.November

 „La fille du régiment“ ist derzeit eine der besten Produktionen, die an der Staatsoper zu sehen sind – und wenn noch dazu Juan Diego Flórez für vier Abende vorbeischaut, dann kennt das Wiener Opernglück keine Grenzen mehr. Mit minutenlangen Ovationen erbat sich das Publikum eine Wiederholung des mit „hohen Cs“ gespickten „Pour mon ame“, das die mit der Cavatine „Ah! Mes amies“ eingeleitete Szene beschließt. Flórez ließ das Auditorium diesmal lange „zappeln“, ehe er dem Dirigenten seine Einwilligung kundtat (und Bruno Campanella fand dieses Mal in der Partitur gleich die Stelle wieder, ab der es losgehen sollte). sein „Pour me rapprocher de Marie“ war erfüllt von anschmiegsamer sehnsüchtiger Poesie, wunderbaren Piani und virilem Leuchten, der Jüngling schon zum Manne gereift”. (D.Troger)

“Worin besteht sein Zauber? Zweifellos in seiner Präsenz. Dieser Tonio ist „da“, von der ersten bis zur letzten Minute, die ihn auf der Bühne sieht, er ist ein übermütiger Spitzbub, der in dieser Inszenierung völlig legitim keine Pointe auslässt, aber er spielt auch eine echte Figur, eine Wandlung vom ländlichen Teppen zum Mann, der um seine Liebe kämpft”

Was ist aber mit dem Orchester unter Bruno Campanella ? Nicht dass er zu laut oder zu langsam / schnell wäre, aber es klingt nach „Dienst nach Vorschrift“ und wirkt wie ein Gugelhupf ohne Staubzucker.  (W.Habermann)

Iride Martinez spielte die Marie mit Schwung und hat sich in dieser dritten Aufführung sehr gut in die Inszenierung eingelebt. Ihr beweglicher, aber nicht sehr leuchtkräftiger Sopran servierte die Koloraturen und Spitzentöne sicher und garniert mit dem verlangten Spielwitz. Die Stimme scheint mir für die Staatsoper allerdings etwas zu leichtgewichtig, und das sängerische Feuerwerk, das Marie abzubrennen hat, kam nicht so funkelnd wie erhofft beim Publikum an. (D.Troger)

„Der Blumenwerfer bei den Schlussvorhängen sollte entweder noch etwas Krafttraining machen oder Zielwasser trinken, denn nahezu alle Blumen landeten bei den Kontrabässen“, sah Wolfgang Habermann.

 

 ELISIER D´AMORE   8. und 12.November

Bäuerin sucht Mann, Sylvia Schwarz wird nicht lange suchen müssen.

Bäurin sucht Mann, Sylvia Schwarz wird nicht lange suchen müssen.

“Wenn man Peter Dusek glauben darf, so waren außer vom Tenor keine stimmigen Leistungen zu erwarten gewesen: Die Sopranistin kann ihre Aufnahme in das Ensemble der Staatsoper nicht rechtfertigen (und hat es noch nie können), Plachetka wäre als Belcore dank seines Auftretens besser aufgehoben gewesen, Arduini ist wieder zu wenig Belcore. Und Garcia Calvo ist als „Lehrling“ zu wenig Meister als Dirigent. Dusek stellt zu Recht fest, dass, nähme der Tourismus Schaden, die Folgen für die Auslastung des Hauses nicht auszudenken wären.”

 „Nicht ihren besten Abend hatte Sylvia Schwarz als Adina. Die spanische Sopranistin hatte diesmal Probleme mit den Spitzentönen und verzichtete zuletzt auf ihren Solovorhang. Immerhin eine Adina voller Liebreiz! Bestens disponiert war hingegen Adam Plachetka als Dulcamara, den man sich allerdings diesmal nachdrücklich als Belcore wünschte. Er ist für den Quacksalber einfach zu jung, zu dynamisch in der heutigen Neusprache: Plachetka ist kein „looser“. Da kann ich nicht ganz zustimmen, denn ein Looser scheint mir dieser mit allen Wassern gewaschene Quacksalber nicht zu sein, wenn er in all den Ortschaften derart viel Umsatz einfahren kann, zwei Diener beschäftigt und Esel und Wagen besitzt.

„Von den Sängern muss an erster Stelle der Tenor Stephen Costello genannt werden. Der junge Amerikaner wurde in Philadelphia geboren, fiel in Salzburg als Cassio positiv auf, gehört seit Jahren zu den MET „rising stars“ und tritt sei drei Jahren auch regelmäßig an der Wiener Staatsoper auf. Für den Nemorino bringt er alle Voraussetzungen mit ein sympathisches Spiel, eine kräftige, angenehme Stimme und eine „sitzende“ Höhe. Hier dürfte ein SpintoTenor heranreifen.”

Am Pult ein 35-jähriger Spanier, Guillermo Garcia Calvo, noch mehr Lehrling als Meister, meint Peter Dusek. “Aber irgendwann muss ja die Routine her.“ (P.Dusek)

 

 UN BALLO IN MASCHERA   7.,10.,13. und 16.November

Beschwörung bei

Beschwörung bei der neuen Wahrsagerin in Wien: Monica Bohinec, rechts Ramón Vargas, noch im gesunden Zustand

Das feuchtkalte Wetter garantiert uns Absagen, „Ramón Vargas ließ sich als verkühlt entschuldigen, was man höchstens an minimalen Trübungen merkte, und sang wie schon so oft einen überaus überzeugenden Gustavo“. Dann war er das prominente Opfer des Wetters ab dem zweiten Abend und der aus Bulgarien stammende Kamen Chanev gab als Einspringer sein Rollendebüt als Gustavo. Als Des Grieux debütierte er bereits 2007 an der Wiener Staatsoper, in der Folge sang er auch noch Pinkerton und Ismaele am Ring.

Hila Fahima im Einspringerglück in Wien und in Graz

Hila Fahima im Einspringerglück in Wien und in Graz

Das zweite Rollendebüt betrifft Hila Fahima, die 26 Jahre junge Israelin, neuestes Ensemblemitglied und erst von einem Einspringabenteuer in Graz am vergangenen Samstag zurück. Nach nur einem Probentag gab sie dort in der Neuinszenierung der Zauberflöte ein gelungenes Debüt an der Mur, um jetzt in Wien ein ebenso erfolgreiches und vom Publikum entsprechend gefeiertes Rollendebüt als Oscar hinzulegen, eines mit einem Versprechen an die Zukunft.

„Sondra Radvanovsky zählt neben René Fleming, Deborah Voigt oder Karita Mattila zu jenen Sängerinnen, die man in erster Linie mit ihrem Stammhaus, der New Yorker Met, in Verbindung bringt. Sie ist eine schöne Frau, die sich (wie die anderen „Amerikanerinnen“ auch – selbst wenn sie anderswoher stammen, die Met macht sie zu solchen) hervorragend herrichten kann: Man hat drüben seine Stars gerne „schön“. Stilistisch ist sie ein „Schmetter-Sopran“, der sich sehr selten die Mühe machte, die hier so häufig verlangten Piani zu singen (und wenn, sind sie nicht sonderlich gelungen). Ihre Arie „Morro ma prima in grazia“ gelang, solange sie die Stimme zurücknahm, aber sie tut es nur selten und offenbar nicht gern. Ihre tragfähige Mittellage steigt zu einer metallischen höheren Mittellage auf, die regelmäßig in gewaltige, messerscharfe Spitzentöne explodiert“ (R.Wagner)

„Bei George Petean, ein bewährter Recke als doch sehr grimmiger René, gab es gerade vor seiner großen Arie ein paar angstvolle Momente, die anzuzeigen schienen, dass er dieser hochdramatischen Rolle an diesem Abend vielleicht nicht ganz gewachsen sein könnte, aber dann sang er sein „Eri tu“ tadellos, mit schönem Bariton, der nur leider nicht A-Klasse-Qualität hat. Aber im Repertoire muss man für solche Sänger dankbar sein“ meint Renate Wagner, die mit dem Triple-A sparsamer umgeht als eine Ratingagentur.

„Dirigent Jesús López-Cobos dirigierte den „Ballo“ erstmals in Wien, und so sehr man ihn schätzt, das war nun vor allem jenes markige Gedröhne, das Kapellmeister gerne entfesseln, die weder Zeit noch Lust haben, sich mit Feinheiten abzugeben (immerhin war das eine oder andere Lyrische doch schön…).Aber das ist das Geheimnis von Verdi, wie auch Riccardo Muti in seinem Buch über den Komponisten so wunderbar ausführt: Er spricht mit seiner Musik den Zuhörer so direkt emotional an, dass man die Lautstärke für Intensität nimmt…“ (R.Wagner) Unter Rücksichtnahme auf die Dirigenten sollte man solche Bücher vor KritikerInnen eigentlich verstecken!

 

 MADAMA BUTTERFLY    11.,15. und 19.November

Neil Shicoff mit Ana María Martínez

Neil Shicoff mit Ana María Martínez

 „Zwei Startenöre in Puccinis Madama Butterfly: Damit kann kaum ein Besetzungsbüro eines großen Opernhauses aufwarten – schon weil Puccini für seine “tragedia giapponese” nur eine große Tenorpartie vorsah. Möglich wird dies aktuell aber an der Wiener Staatsoper, da es Plácido Domingo im Spätherbst seiner Karriere nicht nur in die Tiefe des Baritonfachs zieht, sondern auch in jene des Orchestergrabens: Der Spanier, der 1967 im Haus am Ring als Sänger debütierte, leitete wieder einmal das (routinierte) Wiener Staatsopernorchester.

Im Publikum reihenweise Gäste aus dem Heimatland Cio-Cio-Sans, die, umspült von Puccinis weichen Klängen und gelabt von der Wärme und Dunkelheit im Zuschauerraum, so synchron wie dezent einnickten und die Köpfe vornüber hängen ließen wie zu lange nicht mehr gegossene Primeln.  (Der Standard)

Man könnte nun sagen, Domingo habe seinen Schützling mitgebracht, oder auch, die Titelrollensängerin hat ihren Mentor überredet, sie orchestral auf Händen zu tragen – egal, wie man es formuliert: Jedenfalls sang Ana María Martínez eine hervorragende Butterfly, wie man sie nicht alle Tage hört.(R.Wagner)

 Aber jedenfalls ist der Pinkerton „keine Rolle für Neil Shicoff, auch früher nicht – er war schon immer zwischen Eleazar und Britten am besten aufgehoben und hat mit Belcanto nie überzeugend reüssiert. Nun ist die Stimme schon in einem ziemlich schlechten Zustand, trocken und gestemmt, aber immerhin schlug er sich im dritten Akt unwesentlich, aber doch besser als im ersten. Und der letzte Eindruck zählt beim Publikum. Man wünschte sich für Shicoff, es gäbe jetzt eine Reihe von Charakterrollen für ihn, wo die Präsenz dieses Künstlers mehr zählte als die Stimme, die Puccini nun einmal verlangt. (R.Wagner)

„Weniger überzeugte der neue Sharpless in Gestalt des jung und unsicher wirkenden, stimmlich spröden Gabriel Bermudez“ Darin sind viele Frau Wagners Meinung. Das war die am wenigsten überzeugende personelle Erweiterung des Ensembles! Beim Vorsingen scheint der Ersatz vom Ersatz anwesend gewesen zu sein, aber lassen wir uns in der Zukunft überraschen.

 

Über die Serie von Donizettis Anna Bolena (3.11.) wurde bereits im Oktober berichtet.

 

Luxus im Wüstensand: Das Royal Opera House in Mascat

Luxus im Wüstensand: Das Royal Opera House in Mascat

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Staatsoper auf Reisen: OMAN-Royal Opera House Mascat

Ist das jetzt Etikettenschwindel oder nicht, wenn die Staatsoper im neuen Prunktempel Mascats, der Hauptstadt dieses traumhaft reichen Sultanats am indischen Ozean eine alte Inszenierung Jean Pierre Ponelles zeigt? Weiß das Quarus Ibn Said zu schätzen, dass er eine vier Jahrzehnte alte Regiearbeit vorgesetzt bekam, während wir eine brandneue Szenerie in Wien versteckt halten? Oder bezahlt der Sultan extra dafür, dass er das aktuelle Machwerk aus der französischen Provinz nicht sehen muss und stattdessen solides Regiehandwerk serviert bekommt, auch wenn diesem schon etwas Altväterliches anhaftet.

Egal, es lässt sich Ruhm und vor allem Geld im manchmal noch märchenhaften Orient verdienen, aber es lässt sich der schale Beigeschmack nicht vermeiden, dass das Wiener Publikum nicht einen kleinen Umweg dieser alten, aber noch immer sehenswerten Inszenierung über unsere Bühne wert gewesen wäre. Offenbar scheut man einen Vergleich zwischen einstigem Glanz und jetzigem optischem Elend, das auch vor der Staatsopernbühne nicht halt gemacht hat.

Die Staatsoper auf Reisen, einst (aus dem Archiv) und jetzt: 1947, noch mit der Eisenbahn über Paris nach London. 2013 Highlife in Mascat:

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Oben: Am Bahnhof in London: Von links erkennbar Höngen, Seefried, Welitsch, Schwarzkopf, Dr.Poell, ganz rechts Loose
Unten: Highlife in Mascat mit Adam Plachetka und Dryony Dwyer.

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Peter SKOREPA
MERKEROnline
Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Pöhn
Foto Domingo: LA Opera-Greg Gorman
Foto Oman/Mascat: Facebook Wr.Staatsoper
Foto London 1947: Festschrift “80 Jahre Wiener Oper” 1949
Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher

Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer
Anregungen an skorepa@hotmail.de

Wien, 30.11.2013

 

 

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REFLEXIONEN – Die Wiener Staatsoper im Dezember 2013

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Das monatliche Staatsopernmagazin als Service des MERKEROnline

Karl GOLDAMMER  "Die Wiener Staatsoper"

Karl GOLDAMMER “Die Wiener Staatsoper”

 Die Wiener Staatsoper & Co.

MONATSRÜCKBLICK

Dezember 2013

 

Zunächst eine Stellenanzeige

Gefunden im WALDVIERTLER BOTEN

Gefunden im WALDVIERTLER BOTEN

Diese unglaubliche Komödie, gespielt von einer Handvoll „Führungspersönlichkeiten“, die derzeit unter dem schützenden Schirm des Bundestheaterverbandes in dessen größtem Theater gespielt wird, hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt losbrechen können, als jetzt am Beginn der Verteilungskämpfe um die immer schmäler werdenden Kuchenstücke, nämlich die von uns allen bereit gestellten Steuergelder. Da zieht sich der Geschäftsführer auf seine Position als ahnungslos mimender Künstler zurück und lässt eine hoch gelobte aber überforderte und bereitwillig in die Falle einer Vizedirektorin Getappte herummurksen. Da gibt es den zur Kontrolle verpflichteten, übergeordneten Verband, der gerade in solchen Fällen seine Daseinsberechtigung in Frage zu stellen scheint und für teure Arbeit bei zugekauften Prüfinstituten und Anwälten sorgt und damit hoffentlich nicht allzu viel Steuergeld und Zeit verplempert. Da liest es sich aber „beruhigend“ in der Wiener Zeitung: „Insolvent wird das Burgtheater indes nicht. Im schlimmsten Fall fangen die anderen Häuser innerhalb des Konzerns das Theater auf.“ Erbauliche Frühstückslektüre für Direktor Dominik Mayer.

 Eine metaphorische Darstellung unserer Bundestheater als Zugabe:

Unsere Theater: Vorne der elegante Intendant, dahinter das lustige Theatervölkchen samt Orchester.Und vorne: Der Esel, das sind wir, die Steuerzahler

Unsere Theater: Vorne der elegante Intendant, dahinter das lustige Theatervölkchen samt Orchester
Der arme Esel ganz vorne, das sind wir, die Steuerzahler

Vergangenen Samstag hatte am Grazer Schauspielhaus eine durchwegs gelungene Dramatisierung des Romans „Holzfällen“ von Thomas Bernhard Premiere. Darin lässt der Autor die Figur des Burgschauspielers sagen:

„Aber die Burgtheaterdirektoren haben nicht die geringste Chance sich in dieser schönen Stadt festzusetzen. Wehe, es kauft sich der Burgtheaterdirektor ein Haus in dieser Stadt – er ist noch nicht eingezogen, schon wird er wieder hinausgeekelt und hinausgeworfen. Die Burgtheaterdirektorengeschichte ist mehr als eine skandalöse, möglicherweise ist es die traurigste Geschichte überhaupt.
Die Burgtheaterdirektoren springen ja vollkommen freiwillig in diese Wiener Kunstmühle hinein…sie reißen sich ja förmlich um diesen Sprung in diese Kunstmühle, in der sie total zermalmt werden, total zermalmt!“

 

 Das Opernrepertoire der Staatsoper im Dezember

 

Ein szenisch unaufregender Monat, teils mit Alt- bis Uraltproduktionen (Boheme, Barbiere, Fidelio, Fledermaus), teils mit Produktionen jüngster Provenienz (Zauberflöte,Tristan und Isolde, Cenerentola), die allesamt die Wiener Oper nicht in die Verlegenheit bringen, jemals „Opernhaus des Jahres“ zu werden. Die überwiegende Masse des Wiener Publikum, davon bin ich überzeugt, lechzt auch nicht nach solchen Auszeichnungen, obwohl Anzeichen auf ein Aufwachen in Richtung Akzeptanz moderner Regiearbeiten manchmal zu erkennen sind, etwa wie beim französischen Carlos in der Regie von Konwitschny.
Dafür gab es genügend musikalisch schöne Momente etwa in „Tristan und Isolde“ unter der Leitung von Peter Schneider als dirigierender Einspringer, im Fidelio unter Franz Welser-Möst und in der „Boheme“ mit Angela Gheorghiu und dem eingewechselten Yosep Kang.

 (Die Aufführungsserie von Brittens „Peter Grimes“ wurde im November-Beitrag besprochen, ebenso jene der „Zauberflöte“)

Angela Gheorghiu mit Rodolfo Nr.1 Vittorio Grigolo

Angela Gheorghiu mit Rodolfo Nr.1 Vittorio Grigolo

 LA BOHEME   4.,7. und 11.Dezember

Unter der Überschrift „Eine Frischzellenkur mit hohem Starfaktor“ schreibt der Kurier über die blendend aussehende Angela Gheorghiu: „Ihr schöner, klarer, fein geführter, leuchtender Sopran ist auch für diese Partie schlicht ideal; herrlich auch die lyrischen Momente und die zarten Piani. Ähnliches gilt auch für Vittorio Grigolo, der den Rodolfo mit Schmelz, Hang zur Höhe und leidenschaftlicher Expressivität gestaltet. Grigolo verfügt über einen kräftigen, strahlenden Tenor und gibt schauspielerisch alles. Sein Rollendebüt im Haus am Ring war eine echte Freude.“ Etwas strenger beurteilt Weidringer von der Presse die Leistung des Tenors: „Grigolo spielte mit jugendlichem Elan, aber auch exaltiert-klischeehafter Tenorgestik – und musste sich mit zu viel Kraftaufwand Gehör verschaffen, als dass man an seinem sonnigen Timbre noch uneingeschränkt hätte Freude haben können… Schmerzlich echt mutete er schließlich an, ihr stiller Tod.“ Und im Standard meint Ender dazu poetisch: „Die Rumänin findet ihr gestalterisches Glück eher in der Verlangsamung, der Innigkeit. Bei den großen Unisono-Stellen ließ sie sich gar nicht erst auf einen dynamischen Wettstreit mit dem italienischen Heißsporn ein und kuschelte sich nicht nur keusch an dessen Heldenbrust, sondern hielt ihren Sopran auch brav im Windschatten ihres dezibelpotenten Partners.“

Valentina Nafornita, noch ein Schmuckstück in der Dachkammer

Valentina Nafornita, das zweite Schmuckstück in der Dachkammer

Im OnlineMerker zu lesen: „Vor allem in den ersten Akten bringt es Grigolo nur zu einer Einheitslautstärke mit Neigung zum Vibrato, das der Stimme einen eher häßlichen Klang verlieh, den Duetten die Harmonie raubte und der Sopran leider erbarmungslos niedergewalzt wurde. Wenigstens die Sterbeszene gelang wunderbar, hier zeigte die Gheorghiu sich am ehesten bereit, ihren Sopran zwischen ausdrücklicher Dramatik und minimalistischer Emphase voller wirken zu lassen. Und Grigolo war mit seinen “Mimi”-Rufen endlich kurz in seinem Element.“ (Skorepa)

“Den Namen Angela Gheorghiu kennt die Welt, und das zurecht, wenn man auch gleich bemerken darf, dass ihr heute die Divenpartie der Tosca weit besser liegt als die arme Näherin Mimi. Sie spielt sie vielleicht ein bisschen kokett, aber durchaus liebenswert, sie leidet und stirbt ergreifend schön – und sie singt wie die Gheorghiu, das heißt, sie denkt gar nicht daran, ihre Stimme auch nur eine Sekunde zu forcieren.“ Es gibt das vielzitierte Einspringer-Glück. Anfangs ist es auf jeden Fall unangenehm: „Man ersetzt einen Sänger, um dessenwillen vermutlich viele Zuschauer in die Aufführung gekommen sind Vor dem Vorhang wurde das Einspringen präzisiert: Yosep Kang sei überhaupt erst vor einer Stunde aus dem Flugzeug gestiegen, weshalb die Vorstellung eine Viertelstunde später beginnen würde. er lieferte an diesem Abend die Hohe Schule der Einfühlungsgabe in seine Partnerin. Erfreulich überraschend war an diesem Abend, wie fabelhaft sich Valentina Nafornita seit ihrer ersten Wiener Musetta vor einem Jahr entwickelt hat. Leider hatte sie in Gabriel Bermudez gar keinen Marcello – dieser Bariton steht noch sehr steif auf der Bühne und singt so mühevoll bemüht, dass es kein Vergnügen ist, ihm zuzuhören und zuzusehen.“ Soweit Renate Wagner über den zweiten Abend der Serie.

 

TRISTAN UND ISOLDE   8.,13.,17. und 21.Dezember

Viorica Urmana beklagt Robert Dean Smith

Viorica Urmana beklagt ihren Tristan: Robert Dean Smith

 

Zur Süitzenklasse gereift: Elisabeth Kulman als Brangäne

Zur Spitzenklasse gereift: Elisabeth Kulman als Brangäne

„Wenn man dem Online-Archiv der Staatsoper vertraut, dann war es Peter Schneiders 386. Abend im Haus am Ring und sein 122. Richard Wagner-Dirigat. Der rüstige 74-Jährige sprang in der Wiederaufnahme der düster-statischen “Tristan und Isolde”-Inszenierung von David McVicar für den Koreaner Myung-Whun Chung ein. Der Routinier verzichtete auf Experimente, wählte mustergültige, konstant voranschreitende Tempi und einen vollen, nicht immer überfein ziselierten Wagner-Sound, Vor allem im ersten Akt mühte sich Robert Dean Smiths strahlendes Timbre gegen Schneiders dramatische Orchesterwogen. Violeta Urmanas kraftvoller Sopran schien sich dabei etwas leichter zu tun. Schrill durchbrach sie immer wieder erfolgreich die orchestrale Klangmauer. Einfühlsam geleitet dann das innige Liebesduett im zweiten Akt, ab dem die Abstimmung besser klappte.“ meint die Wiener Zeitung.

„Was man an Peter Schneider, dem erwünschtesten aller Einspringer, schätzt, ist die klare Strukturierung, die er Wagners Musik angedeihen lässt. Er erreichte mit den Wiener Philharmonikern stellenweise jene Intensität, die man meint, wenn vom „Sog“ und „Suchtcharakter“ des Wagner’schen Musik die Rede ist.“ Soweit Renate Wagner Online.
„Das F-Moll-Vorspiel zum dritten Akt habe ich in dieser Klarheit und in diesem Mystizismus noch nie so gehört. Die „Philis“ wuchsen an diesem Abend richtig über sich hinaus!“ summiert Kopica.
Albert Dohmen sang einen etwas trocken timbrierten Marke: mehr hintergangener „Bürger” als bassstrotzender, mythischer König. Matthias Goerne (Kurwenal) war mir von der Art seines liedbezogenen Singens aus beurteilt und wegen seines etwas hohlwangig raumgreifenden Baritons zu wenig der kernige „Recke”. Soweit Troger
“Sicherlich erbrachte Elisabeth Kulman sowohl stimmlich wie auch darstellerisch die Spitzenleistung des Abends. Auf eine solche Brangäne haben wir seit Christa Ludwig gewartet. Ihre schlanke Gestalt und ihr mitfühlendes Mienenspiel zeigen sie auch als große Schauspielerin. Letzteres kann man von Mathias Goerne (Kurwenal) nicht behaupten. Der überwiegend als Liedersänger tätige Künstler besitzt offenbar keine dramatische Ader. Er steht oft recht steif herum und auch sein Bühnengang wirkt nicht natürlich. Seine dunkle, durchaus schöne Baritonstimme müsste noch besser fokussiert eingesetzt werden.“ Meint Schwarz.
Und M&J Jahnas beschäftigt die Frage: „Haben sie oder haben sie nicht?“ Und in der Musik soll zu hören sein: „Sie haben nicht“ und sie meinen dazu „diese leidenschaftliche Sehnsucht ist nur im unerfüllten Zustand mit einer verwundeten Seele möglich.“ Wie sollten sie auch, sie stehen im 2.Akt nur herum und singen, statt schnell zur Sache zu kommen!

 

 IL BARBIERE DI SIVIGLIA    5.,12.und 14.Dezember

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Borchev und Frenkel in der 1966er Regie von Rennert

„In dieser Serie präsentierten sich alle männlichen Hauptrollen-Sänger erstmals in der alten Rennert-Inszenierung. Der Almaviva war Maxim Mironov, der bislang nur als Lindoro zu hören war. Er hat einen beweglichen, hellen Tenor mit guten und stilsicheren Koloraturen: Nikolay Borchev. Er hat eine angenehme Stimme, aber bei seiner Auftrittsarie auch seine Schwierigkeiten, über das Orchester zu kommen. Einen rabenschwarzen Baß von beeindruckendem Volumen kann Jongmin Park in die Waagschale werfen. Wenig Positives ist vom neuen Bartolo Paolo Rumetz zu melden. Ausgerechnet der einzige Italiener im Ensemble hat mit den schnellen Parlandostellen erhebliche Schwierigkeiten und kann nur wenig überzeugen.
Die Damen sind in dieser Besetzung schon fast die Routiniers. Rachel Frenkel überzeugt in der Mezzofassung und schöner Tiefe und sauberen Koloraturen, während Lydia Rathkolb nicht nur eine gute Arie singt, sondern in den Ensembles allein für die hohen Töne sorgen kann.

 

FIDELIO    19.,22.,26.und 29.Dezember

Raimondi, Salminen und Merbeth

Raimondi, Salminen und Merbeth

Die beliebte Frage „Wie denn der Schluss des Fidelio aufzufassen sei?“, gehört zu den immer Zweifel anmeldenden Regisseuren. „Anstatt sich mit Florestan, Leonore und Beethoven über die gelungene Befreiungsaktion zu freuen, wird begonnen, die Handlung zu demontieren. Unlängst erst wurde im Theater an der Wien der Schlussjubel des letzten Bildes wie eine „Totenmesse” zelebriert. 2005 wurde dortselbst der befreite Florestan im Finale von Pizarros Leuten entführt. Die Staatsopern-Produktion ist ein wohltuender Fels in der Brandung solcher „Stereotypen“, deren inflationäre Anwendung mehr über unsere heutige Zeit aussagt, als über das positive Hoffnungspotenzial des Fidelio.“ So philosophiert Dominik Troger zu Beginn in seinem Bericht.
„Den am Ende immer feierlichen Beethoven nahe an Weihnachten anzusetzen, ist gewiss eine gute Idee, zumal sich der Generalmusikdirektor des Hauses (der sich am Programmzettel nicht mehr so nennt) selbst ans Pult begab: Bei Franz Welser-Möst klingt „Fidelio“ streckenweise als das, was er auch ist, nämlich deutsche Romantik, aber der Dirigent peitscht andererseits die Dramatik manchmal bis zur Dissonanz auf, was einen interessanten Gegensatz ergibt.“ So Renate Wagner. „Was der Wiener GMD aber nach der Pause mit „seinen“ Philharmonikern ablieferte, das kann als Sternstunde bezeichnet werden und gipfelte in einer grandiosen „3. Leonoren-Ouvertüre“, bei dem Welser-Wöst die gesamte Volatilität der Dynamik-Angaben bis zum Exzess auslotete.“ Lotet Kopica seine Erfahrungs-Volatilität aus.
Ricarda Merbeth arbeitet sich mit eiserner Entschlossenheit ins hochdramatische Fach. Peter Seiffert hatte Pech, als gleich zu Beginn das anschwellende „Gott!“ in einem Krächzer endete, aber ein erfahrener Mann wie er lässt sich davon nicht irritieren, und in der Folge war er dann (mit nur noch minimalen Unebenheiten) im Gleis und ließ seinen Heldentenor, der es auch leise kann, lospreschen bis zur „Namenlosen Freude“ und „Wer ein solches Weib errungen…Seltsam, dass sich nach Seifferts Arie keine Hand rührte – es müssen doch genügend Fachleute im Publikum gewesen sein, die genau den Moment kennen, wo man mit dem Klatschen einsetzen muss?“ moniert Renate Wagner.
Tomasz Konieczny hat im Don Pizarro eine weitere Traumrolle gefunden. Seine etwas gewöhnungsbedürftige Stimmfärbung und der kehlige Gesangsstil, passt beim bösartigen, tyrannischen Pizarro sehr gut. Wir haben Matti Salminen in dieser Serie zum ersten Mal als Rocco erlebt und möchten uns nicht an den Spekulationen – was er noch bzw was er nicht mehr kann – beteiligen. Den Rocco stellt er jedenfalls dank seinen Bühnenpersönlichkeit sowohl schauspielerisch als auch gesanglich sehr gut dar. Ildiko Raimondi ist leicht und locker imstande, die Marzelline optisch und schauspielerisch mit mädchenhaftem Schalk und Charme darzustellen.“ schwärmen M&J Jahnas.

 

 

LA CENERENTOLA     23.,27.und 30.Dezember

Das italienische Aschenbrödel aus dem fernen Alaska: Vivica Genaux

Das italienische Aschenbrödel aus dem fernen Alaska: Vivica Genaux

„Alle drei Damen und zwei der vier Herren waren an diesem Abend für Wien neu besetzt – hat das die „Cenerentola“-Aufführung gerettet? Nicht wirklich, denn die Inszenierung bleibt dasselbe möchtegern-lustig-sein Dodel-Theater.
Und diese miserable Logistik! Vor dem letzten Bild, das sage und schreibe 10 Minuten dauert, gibt es eine mehrminütige Pause, weil der Umbau so kompliziert ist. Da waren doch um Gottes Willen keine Anfänger am Werk?
Die neue Angelina heißt Vivica Genaux und hat einige Qualitäten, nicht nur, weil sie so hübsch ist, dass auch der Putzkittel und die scheußliche Brille ihre Attraktivität nicht beeinträchtigen. ihre Technik ist tadellos, sie perlt und trillert, was Rossini vorgesehen hat. Allerdings hat sie über weite Stellen ein nasales Timbre.
Ildebrando D`Arcangelo, wurde wieder für den Alidoro fast verschwendet, aber sei’s drum: „Das war die einzig wirkliche, unanfechtbare Qualitätsstimme des Abends und auch eine souveräne Persönlichkeit.“ (Renate Wagner)
„Die von Michael Güttler lebhaft geleitete Aufführung war auffallend stark von Japanern besucht, die von den Umbaupausen verwirrt wurden und vor dem letzten Bild meinten, es sei schon zu Ende und teilweise davon stürzten,“ beobachtete Renate Riener.

 Und zum Live-Stream der Cenerentola am 27.Dezember

 „Es war meine erste Erfahrung mit dem LiveStream der Wiener Staatsoper, und ich fürchte, wir müssen uns erst aneinander gewöhnen. Ich muss noch viel lernen, und möglicherweise muss auch die Staatsoper noch einiges verbessern, falls nicht alles Missliche an mir lag.“ Stellt Renate Wagner fest.

Und ich wiederum weiß nicht, was mich verführt hat, dem Streamunternehmen ganze 14 € in den Rachen zu werfen, um dann zappelige Bilder aus der Staatsoper mit meinem PC empfangen zu können. Dazu diese, Rossini so unadäquate Inszenierung, die vergebliche Suche nach Untertiteln, die langweiligen Pauseninterviews, von denen eines mit der Hauptrollensängerin besonders krass aus dem Rahmen fiel, als die Interviewte die Fragen von einem blonden Hascherl vorgelesen bekam. Auch peinlich die fast vierminütige “Umbaupause” vor der letzten kurzen Szene, die zu einem schwarzen Bild beitrug. Da sind ja die Übertragungen aus der MET mit den Szenen aus dem Off und den Interviews wahre Kunstwerke. Sehr Gestaltungsbedürftig ist das ganze Unternehmen noch, zwar nicht mehr Steinzeit, aber noch fühlbares Biedermeier im Netz, das sagen mir meine persönlichen Eindrücke. P.S.

 

 DIE FLEDERMAUS    31.12.

 Für uns war Renate Wagner auf sylvestriger Tour: „Neu besetzt für Wien war das Ehepaar Eisenstein. Herbert Lippert, der offenbar nun so sehr die Gunst der Direktion genießt, wie sie ihm in der vorigen fehlte, ist der Titelheld (man kennt ihn ja eigentlich schon aus Mörbisch), und endlich wieder einmal ein Tenor in dieser in Wien traditionell baritonal besetzten Rolle, mit dem ganzen Schmelz, der hier verlangt wird.
Edith Haller hat man in Bayreuth schon als Sieglinde erlebt, aber niemand sage, dass die Rosalinde nicht die Kraft und die Stimme einer Hochdramatischen verträgt.

Peter Simonischek war wieder der Frosch, wortdeutlich, aber ohne bemerkenswerte neue Witze.“ Wobei zu sagen wäre, dass Simonischek in Stande ist, einen Besoffenen ohne die ordinäre Outrage seiner Rollen-Vorgänger auf die Bühne zu stellen im Stande ist. 

One moment spoke volumes about the prevailing lack of subtlety. As the central plot conceit of Act II, the guests at a ball at Prince Orlofsky’s palace are trying to provoke the jaded, cynical and morose prince to laughter. When the company, in a conga line, falls down in a heap at the end, Orlofsky (here the Ukrainian mezzo-soprano Zoryana Kushpler, excellent in the trouser role) lies kicking and laughing uproariously as the curtain falls. Then it rises briefly again to show the partygoers pointing animatedly at Orlofsky as he continues to carry on. Get it?“ Soweit die New York Times.

Daniela Fally, ein komisches „Urviech“ als Adele kokettiert und singt, dass es eine Freude ist, Alfred Šramek hat den Gefängnisdirektor im kleinen Finger, Adrian Eröd ist eine elegante Superbesetzung und Norbert Ernst rückt den Alfred als Parodie eines Opernstars enorm in den Vordergrund, soweit ergänzend.

„Das Publikum reagierte mit Szenenapplaus, wenn überhaupt, dann mit leichter Verzögerung, aber am Ende herrschte die allgemeine Begeisterung. Es ist sicherlich eine der besten Arten, ins Neue Jahr zu rutschen, indem man sich die „Fledermaus“ in der Staatsoper gibt. Alle Jahre wieder“, meinte Renate Wagner vor ihrem Rutsch.

 

Im fidelen Gefängnis in den 32. Dezember

Im fidelen Gefängnis in den 32. Dezember

 

Peter SKOREPA
MERKEROnline
Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Pöhn,
Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer
Anregungen an skorepa@hotmail.de
Wien, 15.Jänner 2014

 

 

 

 

 

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REFLEXIONEN Die Wiener Staatsoper im Jänner 2014

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Die Wiener Staatsoper & Co.

MONATSRÜCKBLICK

Im Spiegel der Berichte im MERKEROnline

Jänner 2014

 

Zunächst aber: Es wird ernst 

Direktor Dominique Mayer sichert sich durch einen Griff zur Brieftasche ab

Direktor Dominique Mayer sichert sich durch einen Griff zur Brieftasche ab

Ab Mitte März wird wieder ein neuer Spielplan der Wiener Staatsoper zu erwarten sein, jener der kommenden Saison 2014-2015. Das Spannende an ihm werden nicht so sehr die neu ausgetüftelten Besetzungsvarianten für unsere teilweise arg in die Jahre gekommenen Inszenierungen sein, aber auch nicht die freudig erwarteten Überraschungen aus dem Bouquet der Neuinszenierungen oder den Ankäufen an Wanderregien. Vielmehr ist die Frage virulent: Lässt sich die sicherlich schon längst vorliegende Planung mit dem bisherigen Budget noch durchziehen oder gibt es einen Plan B, falls die geforderte Erhöhung der Subvention auf das aktuelle Niveau nicht erfolgt oder gar einen Plan C, falls es sogar zu Kürzungen kommt. Man wird an den geplanten Schließtagen erkennen, wie weit Direktor Dominique „mit den leeren Taschen“ Mayer bereits gelernter Österreicher geworden ist und Vorsorge für alle Notfälle getroffen hat, damit das Werkel nicht mit „100 kmh an die Wand knallt“ (Aussage Dominique Mayer). „Die Staatsoper ist arm“. Mit dieser völlig überraschenden Erkenntnis wartet der Direktor warnend vor einem drohenden Minus auch beim Koloraturentempel am Ring in einem KURIER-Interview vom 21.Februar auf.
Georg Springer, Chef der Bundestheaterholding, betont immer wieder, dass es kein Problem gäbe, wenn die Inflation abgegolten worden wäre. Aber: “Hätti-wari-wäre-wenn!”, sagt die neue Kultursprecherin der einen Regierungspartei, Maria Theresia Fekter. “Wenn der Herr Springer uns vier Prozent Wachstum beschert und die Steuern dementsprechend sprudeln, dann hätten auch die Bundestheater mehr Geld bekommen. Aber wenn wir eine schwächelnde Konjunktur haben, dann halte ich es nicht für gerechtfertigt, dass alle nach der Inflationsabgeltung schreien.” Also ein klarer Kulturauftrag: Goschenhalten! Auch die Spitzengagen müssten hinterfragt werden, meint das Schotter-Reserl, “Wir können uns das Wünsch-dir-was nicht leisten” Es fragt sich nur, welche Spitzengagen sie da meint, die sowieso gedeckelten einiger weniger Spitzensängerinnen und Sänger oder jene, die in den politisch besetzten Vorstands-und Managementetagen bezahlt werden. Aber Professor Karl Korinek bekennt sich, richtig stellend (nach unserer Polemik zu seinem Artikel über den Ensemblegedanken), ausdrücklich zur Einbeziehung der Spitzensänger und lobt ausdrücklich deren Bindungsreue an unsere Staatsoper in Vergangenheit und Gegenwart.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Wiens Operndirektor Dominique Mayer seinen Geschäftsführer Thomas Platzer erst dieser Tage in eher kleinem Rahmen als den “besten Geschäftsführer, dem ich bisher im Laufe meines Lebens begegnet bin”, bezeichnete. Es sieht so aus, als wären die Theaterleiter künftig auf die Gunst ihrer Säckelwarte angewiesen! So schreibt Anton Cupak in der Presseschau des MERKER-Online vom 21.2.2014.

 

 Die Neuinszenierung

 Rusalka  26.1.und 30.1.

Wien hat eine neue Rusalka: Krassimira Stoyanova

Wien hat eine neue Rusalka: Krassimira Stoyanova

„Dvoráks Rusalka wurde im Haus am Ring bisher recht stiefmütterlich behandelt. Die Uraufführung fand zwar schon 1901 in Prag statt, die Erstaufführung an der Wiener Staatsoper erfolgte erst 1987!

Valentina Nafornita, Günther Groissböck, Lena Berlkina und Ilseyar klasvrullova im Trockenen

Valentina Nafornita, Günther Groissböck, Lena Belkina und Ilseyar Klavrullova im Trockenen

“2012 trat Sven-Eric Bechtolf als Regisseur an, unterstützt von Rolf Glittenberg (Bühnenbild) und Marianne Glittenberg (Kostüme) – und da hatte Dvoráks glühwürmchendurcheilter Märchenwald natürlich keine Chance auf Bestand. In der neuen „Rusalka“ herrscht sibirische Kälte, es liegt Schnee, kahle Bäume ragen in den düsteren Bühnenhimmel, im Hintergrund stehen die nackten (Beton)wände eines großen, zumindest einstöckigen Hauses.“ Soweit Dominik Troger. Und weiter mit Renate Wagner: „Wiens neue Rusalka war Krassimira Stoyanova. Man hat viel Gutes und Schönes von ihr gehört (und manches nicht ganz so Überzeugendes), aber die Rusalka ist für ihre Stimme wie Persönlichkeit zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt die Rolle ihres Lebens. Was Dvorak da zwischen Lyrik und Dramatik verlangt, meistert sie mit links, herrliche Kantilenen, blühende Höhen (die wirklich nie in Schärfe ausarten), wunderbar verhaltene Pianophrasen, kurz, da stimmt alles. Und sie spielt das leider durchwegs gequälte Geschöpf ohne Übertreibung mit so viel Innigkeit und Überzeugungskraft, dass der Eindruck kaum perfekter sein könnte.“
Günther Groissböck sang einen feinfühligen Wassermann, weich timbriert und prächtig anzuhören“ schreibt Dominik Troger, „Angetan mit langem silbernen Nixenhaar und in eine schwarze „Kluft“ gekleidet wirkte er nicht unbedingt wie eine Märchenfigur, aber auch sein Stimme schöpfte nicht wie ein „echt“ slawischer Bass“ aus mythischen Tiefen.“
„Wenn Michael Schade sein Repertoire von Mozart und dem „vorsichtig“ angegangenen deutschen Fach (womit nicht sein Versuch mit Florestan gemeint ist) ausweiten will, ist er sicher bei den Slawen richtig. Seine Erscheinung – zu Beginn im Jägergewand mit Jägerhut, einem fülligen Ludwig II. gleichend – ist vielleicht nicht jene eines jungen Prinzen, aber stimmlich meistert er die Partie fraglos. Vielleicht nicht immer so strahlend, wie es möglich wäre, und am Ende mit seinem Abschied von der Welt mehr ersterbend als glanzvoll.“ Nicht fein aber treffend der Vergleich des Tenors mit dem „fülligen“ Bayernkönig von Renate Wagner.

Der Wassermann mit seinen Elfen

Der Wassermann mit seinen Elfen

„Nun spielen wir das Werk also wieder an der Staatsoper und man kann sagen, dass es zumindest musikalisch eine gelungene Produktion ist. Das liegt in erster Linie an den Wiener Philharmonikern unter der fachkundigen Leitung von Jiri Bélohlavek, einem seit Jahren international renommierten Dirigenten, der aber erst jetzt den Weg in das Haus am Ring gefunden hat. Unser Orchester zeigte sich von seiner besten Seite und setzt die Intentionen des Dirigenten wunderbar um. Die herrliche Musik Dvoraks strömte dahin und es war der Dirigent auch den Sängern ein guter Begleiter“ so Schramm-Schiessl.

Dazu noch einige Pressestimmen:

Ovationen für Krassimira Stoyanova: „Die Sopranistin bezauberte das Publikum mit Antonin Dvoraks Jugendstil-Belcantomelodien: Jede Phrase erfüllt, ausdrucksstark und von heute wohl konkurrenzloser Schönheit.“ (Die Presse)

„Es ist eine große Freude und nur verständlich, dass die Oper „Rusalka“ von Antonin Dvořák international gerade wieder jene Beachtung erfährt, die ihr zusteht.“ (Kurier)

„Es dürfte dem Tschechien-Faible von Musikdirektor Franz Welser-Möst zu verdanken sein, dass das Meisterwerk seit Sonntag wieder zu seinem Recht kommt. Und dass es ein Meisterwerk ist, lässt sich unter Dirigent Jiří Bělohlávek nicht bezweifeln.“ (Wiener Zeitung)

„Das Elegant-Ambivalente dieser Inszenierung: Bechtolf hat seine Familiengründung diskret mit optischen Mitteln betrieben, den Fabelwesen sonst aber ihre Distanz und Differenz zur Menschenwelt, in die es Wassernixe Rusalka zieht, erhalten.“  (Der Standard)

„Wien setzt auf Sven-Eric Bechtolf. Wieder einmal. Es ist bereits sein neunter Staatsopernstreich seit 2006. Er liefert diesmal zumindest solides Theater ab. Große Nachhaltigkeit atmet der Wurf dennoch keine. Bechtolf möchte weder tief in die traumdeuterische Freud-Kiste greifen noch anderweitig aktualisieren oder groß interpretieren. Kein Inzestfall Josef Fritzl wie bei Kusej in München, kein junges Nixlein im Puff wie damals in Salzburg. In heutigen Märchenbildern soll bei Bechtolf die Geschichte der sich nach unerfüllbarer sexueller Erfüllung sehnenden Nixe vor den Zuschauern vorüberziehen. Immerhin beweist Bechtolf seine Fähigkeit zu sehr solider Personenführung.“ (Tiroler Tageszeitung)

 

Das Opern-Repertoire der Wiener Staatsoper im Jänner

 

 Die Fledermaus   1.,3. und 5.Jänner

Für Karl Kraus war dieses Werk “des Übels Urquell” der Wiener Operette und meinte “die ernstgenommene Sinnlosigkeit auf der Bühne entspricht durchaus der Lebensauffassung einer Gesellschaft, die auf ihre alten Tage Vernunft bekommen hat und dadurch ihren Schwachsinn erst bloßstellte.” Und er spricht von den “Grässlichkeiten der Salonoperette”, vom Bündnis mit “dem Geist des Drahrertums”. Nun, so genau wollten wir es ja gar nicht wissen, mit einem gewissen Augenzwinkern nehmen wir heute Handlung und Text von “talentlosen Flickschneidern” zur Kenntnis, um den einzigen und wahren Grund des Besuches dieses Hauptwerkes der Goldenen Operettenära zu rechtfertigen: Die geniale Musik von Johann Strauß. Soweit mein Merker-Heftbeitrag vor einem Jahr und da hat sich nichts geändert.

Der sylvestrige Schenkelklopfer mit Adrian Eröd und dem neuen Eisenstein Herbert Lippert

Der  Schenkelklopfer zum Jahreswechsel mit Adrian Eröd und dem neuen Eisenstein von Herbert Lippert

“Völlig anders sieht das Kurt Vlach: „Und für den Wiener Opernfreund gibt es kaum etwas besseres, als das Neue Jahr mit den Klängen dieser Operette zu beginnen. Bertrand de Billy hat schon des öfteren dieses Werk im Haus dirigiert und kennt naturgemäß die Fähigkeit des Orchesters der Wiener Staatsoper. Die Besetzung war – im Gegensatz zu vergangenen Jahren – eine sehr österreichische, was der Aufführung sehr zu statten kam. Herbert Lippert mutierte vom verzweifelten Peter Grimes zum fidelen Gabriel Eisenstein.”

“Olga Bezsmertna war die Rosalinde, die ihr Rollendebüt feierte, praktisch akzentfrei spielte und sang. Es wird noch einige Zeit brauchen, bis sie die Leichtigkeit, die diese Operette verlangt, erreicht.“ Soweit Kurt Vlach am Neujahrstag.

„Herbert Lippert ist als Eisenstein ein echter Gewinn,  Edith Haller war im ersten Akt eine gute Rosalinde – spielfreudig und gesanglich passend. Die „Klänge der Heimat“ im zweiten Akt wurden leider zum Gau: Tiefe Lage nicht vorhanden, Höhen  – wenn überhaupt gesungen – spitz und schrill, Mittellage ein Kampf mit fehlender Spitzzüngigkeit. Wenn der Csardas statt Lebenslust nur Mitleid auslöst, kann man die folgende Frage: „Bin ich eine Ungarin?“ nur mit „nein – es reicht höchstens bis Gramatneusiedl“ beantworten“ lästern spitzzüngig M.und J.Jahnas und „Adrian Eröd als Dr. Falke war wieder einmal dermännliche Höhepunkt des Abends.“

Daniela Falle"Komm mit mir ins Chambre separée". Aber das ist ein anderes Stück!

Daniela Fally : “Komm mit mir ins Chambre separée”. Aber das ist ein anderes Stück!

„Der zweite Debütant erbrachte sicherlich die beste Leistung des Abends. Clemens Unterreiner als Dr.Falke wusste das Publikum auf seine Seite zu bringen.“…“Zoryana Kushpler gestaltete den Prinzen Orlofsky bei weitem eindringlicher als bei ihrem Rollendebüt am Haus vor einigen Jahren. Sie hat in der Zwischenzeit viel Routine in dieser Rolle bekommen und kann sie nun auch mit ihrer individuellen Note versehen.“ urteilt Kurt Vlach, „Alfred Sramek ist als Gefängnisdirektor Frank aus dieser Produktion kaum mehr wegzudenken. Jeder Gag sitzt und man wird nicht müde, sich an den Pointen, die man ja schon seit Jahren kennt, zu delektieren.“

Peter Simonischek als Frosch brachte kaum neue Gags, urteilten mehrere. Nun, Merker-Online-Chefredakteur Anton Cupak bekam einen besonderen „Gag“ zu spüren, eine geschmalzene Zahlungsaufforderung für die Verwendung eines Bildes ohne Namensnennung des Fotografen! (Der Mime war auf der Werbeseite eines Linzer Veranstalters zu sehen, der Online-Merker warb wie immer kostenlos) Allein auf die Höhe der Summe angesprochen, verwies der findige Anwalt auf die „Tatsache“, dass „das Lichtbild von Peter Simonischek eine Schöpfungshöhe aufweist, die über herkömmliche Porträts weit hinausreicht!“ Ja wo kömmt denn sein erhabenes Portrait her, dass es so weit über jedermann hinausreicht? Es wundert einen, dass er sich da überhaupt mit der Rolle eines ständig Besoffenen abgibt! Pecunia non olet!

 

 Da Ponte komprimiert

 Le Nozze di Figaro   9.,12. und 15.Jänner

Simon Keenlyside hat als Graf das Nachsehen

Simon Keenlyside hat als Graf das Nachsehen

„Die Staatsoper wird – „Figaro“ war der Beginn – im Jänner alle drei Mozart-Da Ponte-Opern nebeneinander im Spielplan haben und damit in direkte Konkurrenz zum Theater an der Wien treten, das im März ebenfalls alle drei Werke zeigt, halbszenisch, wie man hört. Bei diesem Wettstreit hat der Zufall Regie geführt, denn das Theater an der Wien wollte ja nur eine „Cosi“-Premiere herausbringen und hat erst nach deren Platzen den Sensations-Coup geboren. Opernfreunde, zu deren legitimem Vergnügen das Vergleichen zählt, bekommen also reiches Material.“ Ja, das Vergnügen des wahren Opernfreundes liegt im Vergleichen sagt richtig Renate Wagner. Weiter: „Wie die Staatsoper beim Contest letzten Endes aussteigen wird, muss sich zeigen, aber eines ist sicher: Mit Simon Keenlyside hat man einen der interessantesten Interpreten des Almaviva, den  man sich denken kann. Endlich wieder Mozart für ihn – jener Komponist, bei dem er mit seiner Stimme (die umso schöner ist, je weniger er sie forciert) ebenso wie mit seiner bemerkenswerten Technik aus dem Vollen schöpfen kann, ohne sich weiter anzustrengen, und Gesang und Darstellung zu einer vollendeten Studie zusammenfügt“
Anita Hartig, die als Susanna dem Grafen heftig zusetzte hatte in ihrer Beziehung mit Figaro eindeutig die Hosen an. Stimmlich dauerte es zwar eine Weile, bis Hartigs Sopran in der unverwechselbaren Silberschattierung fließen konnte, aber bei „Deh vieni, non tardar“ überzeugte das Wiener Ensemblemitglied, besonders mit hauchzartem piano!“ Und Ernst Kopica weiter: „Bei Luca Pisaroni schwankte ich zwischen himmelhoch jauchzend (bei den wirklich differenziert gestalteten Rezitative. Nur ansatzweise gelang ein solcher adäquater Mozartgesang der Contessa Olga Bezsmertna. In der großen Arie „Dove sono“ schien sie eher in dramatischen Verdi-Gefilden zu landen. 
“Wieder einmal bewies Jéremie Rohrer, dass Arbeiten bei renommierten Festivals und Preise noch lange nicht beweisen, dass man an der Staatsoper auch Mozart-Opern leiten kann. Die Overtüre klang seltsam gehetzt, später zog sich die Aufführung wie der sprichwörtliche Strudelteig, es klang ein wenig uninspiriert“ rechnet Kurt Vlach mit dem Dirigenten ab.

 

Don Giovanni   11.,14.,18.und 21.Jänner

„Don Giovanni“ an der Wiener Staatsoper – und erneut der Beweis, dass dieses Haus mit Mozart derzeit wenig anzufangen weiß: eine bunt zusammen gewürfelte Besetzung, ein vor sich hin „romantisierendes“ Orchester und pflichtbewusst abgespulte Rezitative ließen wenig Freude aufkommen.“ Findet Dominig Troger, während Renate Wagner sich exakter mit dem Sänger des Don Ottavio auseinander setzt:

Rolando Villazon ein spielfreudiger Don Ottavio im neuen Fach

Rolando Villazon ein spielfreudiger Don Ottavio im neuen Fach

Denn nur Rolando Villazón strahlte in der Besetzung jenen Glanz aus, dass er als Person zum Motiv wird, einen Opernabend zu besuchen. Und das, obwohl er nun schon jahrelang „der Fall Villazon“ ist – und seltsamerweise als dieser offenbar noch genau so faszinierend wie einst, als „Rolando und Anna“ das waren, was die Oper genau so braucht wie das Kino (oder das Eislaufen) – ein „Traumpaar“.
Villazón, der sich von Krankheit und Stimmkrise nicht kleinkriegen ließ, der einfach nicht bereit ist, das Handtuch zu werfen, hat sich nun Mozart zugewandt. Nicht, weil dieser leichter wäre als sein früheres Repertoire, sondern weil man bei ihm auch mit weniger Stimmkraft zu guten Ergebnissen kommen kann. Einen so lebhaften, von Anfang an so engagierten, mitspielenden Don Ottavio hat man tatsächlich nie gesehen. Der musikalische Teil kam ihm nicht gänzlich locker aus der Kehle, er sang Mozart auch in jenem Italianità-Stil seines früheren Repertoires, aber er kam durch die Arien (er hat das Mozart-Singen samt den Verzierungen ja schon bei „Lucio Silla“ stark geprobt) und das Publikum klatschte glücklich, weil jeder ihm das Beste wünscht. Die hohe Schule des Mozart-Gesangs war es nicht, darauf ließ Villazón sich gar nicht erst ein, aber wieder eine tapfere Schlacht, die er erfolgreich geschlagen hat. Nicht zuletzt deshalb, weil er über – laut Goethe – das höchste Glück der Erdenkinder verfügt, nämlich die Persönlichkeit“

Plachettkas Giovanni: ein Glanzstück aus dem Hausesemble

Plachetkas Giovanni: ein Glanzstück aus dem Hausensemble

“So stand beispielsweise mit David Bizic ein Hausdebütant als Leporello auf der Bühne, der sich vor dem Wiener Publikum erst einmal „adaptieren“ musste. Bizic blieb den ganzen Abend über zu blass. Immerhin, als er bei der Aufzählung von Don Giovannis Eroberungen das „mille e tre“ markant herausstrich, lachte das Publikum“ hörbar für Dominik Troger, und schreibt noch:
Adam Plachetka hat 2011 als erfolgreicher Einspringer seinen ersten Staatsopern-Don Giovanni gesungen. Der positive Eindruck von damals hat sich bei mir an diesem Abend nur phasenweise bestätigt. Dank seiner groß gewachsenen Statur und seines gut bemuskelten Oberkörpers (den er auch zeigt) hält dieser Don Giovanni einiges an Sexappeal bereit, aber viel Champagner prickelnde Erotik wollte sich trotzdem nicht einstellen. Plachetkas Don Giovanni hat ein bisschen etwas von einem „Emporkömmling“ an sich wie ein zu sehr viel Geld gekommener Masetto“.  Hibla Gerzmava (Rollendebüt am Haus) „schielte“ mit ihrer Donna Anna schon zur Lady Macbeth, Malin Hartelius hatte die Donna Elvira prinzipiell gut im Griff, etwas resch und etwas liebesbedürftig, bei vorhandener Bühnenpräsenz.
Das Orchester unter Alain Altinoglou hinterließ bei mir einen etwas schwerfälligen Eindruck, bei leicht dunklem, durchaus ansprechendem Klangbild, und der Bemühung um Differenzierung. Aber Mozarts Esprit wirkte auf mich insgesamt wie „gedeckelt“

 

 

Così fan tutte   13.,16. und 20.Jänner

Alessio Arduini und Margarita Gritskova

Alessio Arduini, Guglielmo und Margarita Gritskova, Dorabella

Fiordiligi also: Zuerst Barbara Frittoli, die in dieser de Simone-Inszenierung seit der Premiere 1994 im Theater an der Wien (auch schon 20 Jahre her…) zuhause ist und gewissermaßen das letzte Relikt von Riccardo Mutis sorglicher Mozart-Pflege darstellt, trat indisponiert an und gab nach dem ersten Akt die Rolle ab.

Pietro Spagnoli mit Sylvia Schwartz als Lachwurzen

Pietro Spagnoli mit Sylvia Schwartz als Lachwurzen

„Caroline Wenborne sang (die Rolle weiter und auch in den späteren Vorstellungen) mit ihrem hellen, leichten Sopran und mit stupender Technik so souverän, zumal völlig in die Aufführung mit ihren darstellerischen Details eingefügt, dass man es nicht glauben würde – schließlich liegt ihr letztes Auftreten als Fiordiligi exakt drei Jahre zurück. Eine solche Leistung schüttelt man nicht auf Anhieb aus dem Ärmel, sie muss als Cover vorbereitet gewesen sein. Und selbst dann war es wirklich ein Meisterstück, was dieses von der Direktion nicht eben überbeschäftigte (und in dieser Spielzeit gar nicht vorgesehene) brave Ensemblemitglied da leistete“ lobt Renate Wagner auch gleich „Pietro Spagnoli, seltener Gast an der Staatsoper, überzeugte als Don Alfonso noch mehr als vor zwei Jahren als “Figaro”-Graf: Das war einmal kein intriganter komischer Alter, sondern ein Gran’ Signore“
Ihre Schwester war mit jungen Russin Margerita Gritskova besetzt und diese nützte ihre Chance, sich (nach der Rosina) wieder in einer großen Rolle präsentieren zu können. Benjamin Bruns hat sich mittlerweile zu einem veritablen Mozarttenor entwickelt und überzeugt mit schöner Phrasierung und gefälligem Timbre. Auch sein Kollege Alessio Arduini als Guglielmo hat die Chance, sich in einer Hauptrolle zu beweisen und lässt einen beweglichen, schönen Bariton hören“
“Die Despina von Sylvia Schwartz ist zwar in den Szenen als Arzt und Notar mit fistelnder Stimme sehr komisch, bei der Arie würde ich mir aber doch eine Stimme wünschen, die mehr Kern hat. Der „alte Philosoph“ war mit Pietro Spagnoli in der Tat auch der Älteste des Ensembles und führte gekonnt und verschmitzt die Regie bei dieser so zynischen Verwechslungskomödie“ steht bei Wolfgang Habermann, und meint:
Patrick Lange am Pult setzt zwar keine Glanzpunkte, hat den Abend aber gut im Griff. Interessant ist, dass von den Inszenierungen der drei Opern die immerhin bereits zwanzig Jahre alte Cosi am frischesten wirkt und erfreulich ist, dass sich an allen Abenden die jungen Ensemblemitglieder durchaus erfreulich präsentieren.“

 

 L`elisier d`amore   10.und 24.Jänner

Die reiche Pächterin gießt höchstpersönlich: Chen Reiss als aparte Adina

Die reiche Pächterin gießt höchstpersönlich: Chen Reiss als aparte Adina

Ein Rollen – und zwei Hausdebüts gab es an diesen Abend. Eines ist sehr gelungen, und zwar das von Mario Cassi, der sich uns erstmals in der Rolle des Belcore präsentierte.

Lawrence Brownlee der Farmerboy Nemo

Lawrence Brownlee

Lawrence Brownlee ist der Nemorino dieser Serie und wurde von uns – nach dem wunderbaren Elvino vor zwei Jahren – mit Vorfreude erwartet. Leider wurden wir etwas enttäuscht – das „Quanto è bella, quanto è cara“ klang gar nicht schön und wurde von einem starken Vibrato gestört.
Alfred Sramek als Dulcamara war wieder die Schlitzohrigkeit in Person und hatte alle Lacher und Sympathie auf seiner Seite. (Elena Habermann)
Mario Cassi ist ein gut aussehender Belcore mit kräftigem, doch in der Höhe und beim Forcieren etwas rauem Bariton, überzeugt aber mit einer guten schauspielerischen Leistung. Chen Reiss hat die Adina in dieser Inszenierung schon öfter gesungen (seit 2012) und ist eine elegante Pächterin mit heller, klarer Stimmfärbung und verlässlichen Höhen.
Guillermo Garcia Calvo und das Staatsoperorchester sprühten zwar nicht vor Temperament, boten aber eine ansprechende, rücksichtsvolle Sängerbegleitung. (M&J Jahnas)

 

 Tosca   17.,19.und 22.Jänner

Martina Serafin als Tosca, hinter ihr lauert das Verhängnis Scarpia

Martina Serafin als Tosca, hinter ihr lauert das Verhängnis Scarpia

„Nein, diese Inszenierung sollte kein Thema mehr sein, entspricht sie doch dem gerade bei uns gepflegten Beharrens auf  sogenanntem “Alten und Guten”, widerspricht des seit Jahrzehnten in Mode gekommenen Auslotens der Inhalte und läßt die Darstellung von Deutungen und Auslegungen oder die Selbstdarstellungen eigenverliebter Regisseure erst gar nicht zu. Und so kommt es zu der mittlerweile 569ten Aufführung einer schon sattsam bekannten Inszene, über deren Erneuerung sich mit Sicherheit kein Direktor auch in den nächsten fünfzig Jahren trauen wird, dem auf Musealem beharrenden Besucher ebenso zur Freude, wie den Buchhaltern der Staatsoper, weil diese so günstige Abschreibungsmöglichkeiten an Bühnenillusion vorfinden.“  Schrieb ich diesmal im Heft.
„Bedenkt man, welchen Rang der Waliser Bryn Terfel unter den Baritonen unserer Zeit einnimmt, nämlich einen in der allerersten Reihe, dann hätte man erwarten können, dass das Stehplatzpublikum das Haus stürmt (auf den Sitzplätzen ist eine „Tosca“ ja wohl so automatisch ausverkauft wie eine „Aida“ oder eine „Zauberflöte“ oder eine „Boheme“). Nichts davon, die meisten blieben weg. Nun, man kann ihnen nur ins Stammbuch schreiben: Sie haben etwas versäumt. Das ist einer dieser bösen Sadisten, denen jeder schon einmal im Leben begegnet ist, die ihre Macht mit bösem Genuss ausspielen, die wirklich gefährlich sind – man traut ihm den kalt-lüsternen, brutalen Vergewaltiger jede Minute zu – und die immer noch eine Gemeinheit hier und dort in petto haben. Ausgefeilt bis ins Detail, eine großartige Leistung, im goldenen Buch der Scarpias steht er hoch oben.“ Lobend Renate Wagner.

Ein Dämon vom Scheitel abwärts, Bryn Terfel nach langer Abwesenheit wieder in Wien

Ein Dämon vom Scheitel abwärts, Bryn Terfel nach langer Abwesenheit wieder in Wien

„Eine aparte, schöne Tosca, selbstbewußt aber im Zusammenbruch mitleiderregend mit einer bemerkenswerten Art den Polizeischef zu töten: Martina Serafin stach wuchtig zu, hielt den Körper ihres Gegners noch eine Weile aufrecht zurück und zog den Dolch erst mit dem folgenden Orchestertutti aus der Wunde. Das hatte Wirkung. Sie bot eine achtbare gesangliche Leistung und wenn sie die Gestaltung ihrer großen Arie zu einer mitreißenden musikalischen Steigerung hätte nutzen können oder das gefürchtete Messer-C im 3. Akt besser in die Gesangslinie hätte einbinden können – vom unschönen Anschleifen in die richtige Tonhöhe ganz abgesehen – könnte sie zu den Großen der Rolleninterpretinnen zählen.
Zu den großen Cavaradossis wiederum wird Massimo Giordano mit dem gezeigten hölzernen Auftreten und schon gar nicht mit seiner gesanglichen Gestaltung zählen können. Mit wenig interessantem Timbre und technisch mangelhaft geführtem Tenor, der nur unter entsprechendem Druck und daher nur mit wenig differenzierter Lautstärke und daher mit wenig Stimmglanz funktioniert, ist er weit entfernt von einem schmachtenden Puccinisänger“ So sah ich die beiden Sänger.
… und komm bitte gar nicht mehr zurück!!! Das hätte man am liebsten nach dem 1.Akt laut gerufen, da die Leistung des von verschiedensten Medien hoch gepushten Massimo Giordano – sagen wir es nett – nicht ganz dem Niveau eines ersten Hauses entsprochen hat. Neben einer recht schlanken, großgewachsenen Figur brachte er außer einem leicht baritonal gefärbten Timbres wenig mit, das den Besucher erfreuen konnte. Hörbare Brüche zwischen Brust- und Kopfstimme, ein sehr störendes Vibrato, Stemmen der Töne beim Versuch, seine recht kleine Stimme dem Haus anzupassen – das alles war wirklich sehr enttäuschend.“ Urteilte Kurt Vlach.
Paolo Carignani sorgte für ein markantes Dirigat, für die großen dramatischen Steigerungen und für ein schönes Vorspiel zum 3.Akt. Zumindest war für ein gelungenes musikalisches Niveau einer Repertoirevorstellung genüge getan.“

 

 Boris Godunow   23.,28.und 31.Jänner

Ein Italiener, für den die russische Sprache die sangbarste ist: Feruccio Furlanetto

Ein Italiener, für den die russische Sprache die sangbarste ist: Feruccio Furlanetto

Ob ich da richtig liege wenn ich sage, dass im Sinne eines künstlerischen Schaffensprozesses logischerweise einer Erst- oder Urfassung der Vorrang zu geben ist gegenüber geänderter, gekürzter oder erweiterter Fassungen? Letzlich haben Einflüsterungen (bei Bruckner), Misserfolge oder erzwungene Anpassungen an die jeweilige Aufführungspraxis (öfter bei Verdi) zu geänderten Fassungen geführt, die der spontanen Erstschöpfung qualitativ wesentlich nachstanden. So wie ich persönlich etwa die Langfassung des Verdischen Don Carlos gegenüber der amputierten als in jeder Hinsicht, sowohl in musikalischer wie auch dramaturgischer Logik entsprechend den Vorzug zuspreche, bietet mir die derzeit gezeigte Urfassung des Boris in seiner musikalischen Originalform und ohne die eingefügten Teile des Polenaktes und des Kromy-Bildes, ein wesentlich kompakteres Stück. Nun scheiden sich die Geister an den Geschmäckern, die einen, die sich eher für das opernhaft Pompöse der Rimsky-Fassung oder die anderen, die sich für das eher düstere, novellenartige der Urfassung begeistern. Leider können wir nicht beide Fassungen spielen.“ Das schrieb ich im Heft-Merker.
„Dass in der düsteren Bilderfolge, wie Yannis Kokkos als Regisseur und Ausstatter sie recht unspektakulär aneinander gereiht hat, eine optische Ermüdung der Zuschauer eintritt, ist bedauerlich. Es gibt in dieser Produktion fast nie Applaus, wenn wieder einmal der Zwischenvorhang fällt, und in den Umbaupausen ist es mucksmäuschenstill im Haus – offenbar eine Erwartungshaltung, die dann optisch nicht befriedigt wird.“ Sieglinde Pfabigan sieht das gegenteilig, aber:

Agiert mit ganzer Seele als russischer Mönch: Kurt Rydl

Agiert mit ganzer Seele als russischer Mönch: Kurt Rydl

„Musikalisch allerdings wurde bestes Ensembletheater geboten, ohne jede Schwachstelle beim Sängeraufgebot. Aus der Premierenbesetzung  erhalten geblieben ist der „Star“ des Abends, Ferruccio Furlanetto, der als Wiener Kammersänger aber auch schon fast als Ensemblemitglied zu betrachten ist. Sein Zar Boris erweckt nie den Eindruck, dass er jemals wirklich zu einem Kindesmord fähig gewesen sein könnte. Dazu fehlt ihm die Härte in Stimme und Auftreten. Er kämpft nicht um die Macht – sie wird ihm angeboten und er macht das Beste daraus, nämlich, er hört nie auf, Mensch zu sein. Ein Herrscher, wie ihn sich ein Land nur wünschen kann.“  Merks Putin! Und:

„Als Pimen steht ihm ein zweiter „großer Alter“ gegenüber: Kurt Rydl. Er kann nicht mehr mit solch stimmlichem Ebenmaß aufwarten, entfaltet vor allem in der Schlussszene aber doch einmal mehr beachtliche finstere, eindringliche Basseskraft.“ 

„Michael Güttler brauchte etwas Anlaufzeit, um das Staatsopernorchester zu animieren. Auf jeden Fall kann man diesem Klangkörper und dem Dirigenten keine außergewöhnliche, aber eine doch solide Leistung attestieren.“ (Kurt Vlach)
Was sich leider nicht von selber ergab: IN MEMORIAM CLAUDIO ABBADO  stand auf dem Programmzettel und Abendplakat. Weder gab es eine verbale Botschaft zum Ableben des ehemaligen Musikdirektors der Wiener Staatsoper noch ist der „Boris“ besonders repräsentativ für den Dirigenten. Der hiesigen Billig-Variante, schnell mal irgendeinen Repertoire-Abend dem betreffenden Künstler zu widmen, sollte möglichst bald eine gewichtigere entgegengesetzt werden.“ Ein Wunsch von Sieglinde Pfabigan, dem man sich gerne anschließt. 

 

 Cavalleria rusticana / Pagliacci   25.und 29.Jänner

 

Michaela Schuster als Santuzza mit Aura Twarowska aös Mama Lucia

Michaela Schuster als Santuzza mit Aura Twarowska als Mama Lucia

 

Spätes Debut in einer Altersrolle: Neil Shikoff als Bajazzo

Spätes Debut in einer Altersrolle: Neil Shikoff als Bajazzo

„Die sizilianische Bauernehre stand in der Staatsoper auf dem Prüfstand – und Neil Shicoff „prüfte“ sich in der Rolle des Canio. So oder so war diese „Cavalleria rusticana“ nicht dazu angetan, einen großen Eindruck zu hinterlassen. Fabio Armiliato rettete sich als Turiddu über die Runden: wie ein Boxer, der sich nach einem Wirkungstreffer standhaft aufrecht hält und über die Distanz quält. Das klang phasenweise nach Schwerarbeit und beinahe hätte es im Finale dann doch nicht gereicht. Michaela Schuster bot eine stimmlich unausgewogen klingende Santuzza, mit starkem Vibrato, aber guter Bühnenpräsenz. Georg Gagnidze lieh dem Alfio einen eindimensional klingenden, nüchtern timbrierten Bariton.“ (Dominik Troger)

„Die “Pagliacci” begannen dann viel versprechend, als Ambrogio Maestri (eben erst der so viel gelobte Falstaff der Met) seinen Prolog mit einem so gewaltigen Spitzenton krönte, dass der Beifallssturm nur so losbrauste (und er sich gleich seinen Solovorhang holte). Er singt den Tonio mit voll strömender Stimme und versucht auch, die Rolle unsympathisch zu gestalten, aber es schimmert halt immer der nette Kerl durch… Inva Mula hat mit der Nedda eine sehr gute Rolle gefunden. Und nun, mit 65, sang Neil Shicoff an der Wiener Staatsoper erstmals den Canio (möglicherweise überhaupt zum ersten Mal?). Es war hörbar ein Gewaltakt, aber es war auch ein Kraftakt, der belohnt wurde. Ohne viel “Stimme”, aber mit Technik, mit Anstrengung und eiserner Entschlossenheit “sang” er die Rolle, stemmte die Höhen, erzeugte Leidenschaft. Der durchaus ältere Herr mit den grauen Locken tobte sich Verzweiflung von der Seele.  (Renate Wagner)
Prinzipiell liegt im Repertoire die „nachverdische” italienische Oper bei Paolo Carignani in guten Händen, wenn es auch oft etwas „plakativ“ und laut zugeht. Der raffinierten Instrumentierung Leoncavallos wurde aber zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, und der „duftige Klassizismus“ der Commedia del arte-Szene blieb unterentwickelt.  (Dominik Troger)

Inva Mula als Nedda mit Ambrogio Maestri als Tonio

Inva Mula als Nedda mit Ambrogio Maestri als Tonio

 

Peter SKOREPA
MERKEROnline
Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Pöhn
Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer
Foto Dominique Mayer: Peter Skorepa
Anregungen an skorepa@hotmail.de
Wien, 17.Februar 2014

 

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REFLEXIONEN Die Wiener Staatsoper im Februar 2014

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Die Wiener Staatsoper & Co.
MONATSRÜCKBLICK

Februar 2014

 

Die Neuinszenierung

Angela Gheorghiu und Massimo Giordano in der Theaterathmosphäre des 18.Jhd.

Angela Gheorghiu und Massimo Giordano in der Theaterathmosphäre des 18.Jhd.

 

ADRIANA LECOUVREUR      Premiere 16.2., weiters am 19.2. und 22.2.

 

Insgesamt wurde die Begegnung mit diesem Werk positiv diskutiert. Die beinahe museal aufbereitete Begegnung mit der Theaterwelt des 18.Jahrhunderts wurde wegen ihrer handwerklichen Präzision und optischen Relevanz zwar gewürdigt, von vielen Stimmen aber gerade wegen der Überladung der Szene verrissen. Dass die dafür Verantwortlichen in der Wiener Staatsoper nicht im Stande waren, zwischen den beachtenswert besetzten beiden weiblichen Hauptrollenträgerinnen einen Tenor zu finden, der diesem Niveau auch nur einigermaßen entsprochen hätte, war deshalb so bedauerlich, weil damit die Chance zu einer Demonstration an stimmigem Operngesang vertan wurde. Bei aller Achtung, aber das tenorale Angebot entsprach nicht dem Niveau dieses Hauses, die Ehre, hier singen zu dürfen darf nicht so billig erkauft sein.

als verliebter aber nicht erhörter Michonet

Roberto Frontali als verliebter aber nicht erhörter Michonnet

„Zuletzt gab es nebst anhaltendem Jubel ein paar Buhrufe für das Regieteam. Man fragt sich, was die kritischen Geister von einer Inszenierung der „Adriana Lecouvreur“ erwarten? Soll die Geschichte auf der Herrentoilette spielen?“ (Die Presse) McVicar – er überließ die Wiener Einstudierung seinem Assistenten Justin Way– und Bühnenbildner Charles Edwards belassen die Geschichte in ihrer Zeit, also im frühen 18. Jahrhundert.

„Das ist absolut legitim, müsste aber optisch wirklich nicht so aussehen. Plunder und Plüsch, Mascherl und Rüschen prägen die Kostüme“ (Brigitte Reiffenstuel). „Klobige, diffus beleuchtete Holz-Bühnenbilder zwingen zu langen Umbauten und zwei Pausen“ (Kurier)

„In Wien macht diese Opulenz unfreiwillig den Eindruck, als wäre – spät, aber doch – eine offizielle Partnerproduktion zum „Rosenkavalier“, diesem Veteranen von 1968, gefunden. Es wuseln die Livrierten, wogen die Reifröcke, wacheln die Fächer in diesem Rokoko-Themenpark, dem es auch baulich an nichts fehlt“ (Wiener Zeitung)

„Dass das Ganze – man hätte die Inszenierung getrost mit den Rosenkavalier-Kostümen der alten Staatsoperninszenierung bestücken können – historisch daherkommt, wäre an sich kein Problem. Wenn die Regie jedoch aus den Hauptfiguren vor allem Hölzernes „herausholt“, wirkt etwa jemand wie Massimo Giordano in dem putzigen Kostüm einer verflossenen Epoche einfach nur noch verloren“ (Der Standard)

„Eine Oper als Forum für eine Primadonna. Angela Gheorghiu nützt dieses weidlich: Ein Star spielt einen Star – und demonstriert, wie man ein solcher wird. Wie wird man ein Star? Indem man höchst artifizielles, bis in die kleinste Handbewegung ausgeklügeltes Auftreten mit ebensolcher Gesangskunst vermählt. Von der subtil in Pianissimoregionen knapp vor der Unhörbarkeit gedrechselten Kantilene der Auftrittsarie bis zum machtvoll anschwellenden Espressivo im Moment der äußersten Verzweiflung und wieder zurück zum wahnbetörten Todeshauch schwillt und erstirbt die Vokallinie“ (Die Presse)

„Wenn die Gheorghiu freilich auf Elena Zhidkova trifft, die mit dieser Premiere ihr Staatsoperndebüt feierte, muss Sturmwarnung gegeben werden. Zhidkova lässt vom ersten Ton an keinen Zweifel daran, dass sie gewillt ist, ihre Kontrahentin mit allen Mitteln – nicht nur mittels vergifteter Veilchen – zu bekämpfen. An den Respekt gebietenden, in allen Lagen klangvoll – intensiven Mezzo – Attacken wächst der Angriffsgeist des Soprans“.( Die Presse)

als Gräfin von Boillon

Elena Zhidkova als Gräfin von Boillon: Umjubelter Einstand in Wien

Auch im MERKER – Online gab es die unterschiedlichsten Meinungen:

Charles Edwards stellt ein Theater (Ausschnitt: hinter der Bühne) in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts penibel hin, dann ein Landhaus, dann einen hochbarocken Theaterraum frontal, schließlich wieder die Szene hinter der Bühne. Zusammen mit geradezu prachtvollen, für die Epoche richtigen Kostümen von Brigitte Reiffenstuel ist das knapp vor dem Ausstattungs-Overkill, aber doch nicht darüber. Wenn man die Dinge so sieht, wie sie hier vorgegeben sind, stimmt auch das Ballett, wie Andrew George es gestaltet hat…Gespielt wurde der Abend für Angela Gheorghiu, und die Rolle ist ideal für sie – im Grunde für die Sopranistin so stark wie Tosca, nur dass sie zusätzlich so lange sterben darf wie die Traviata und dabei noch ein paar Bröckchen Wahnsinn hineinstreuen kann“. Soweit Renate Wagner.

„Angela Gheorghiu gab mehr „Mimi“, als eine große „Racine-Tragödin“ – und so war sie in dieser Aufführung der bösen Prinzessin von Bouillon eine zu leichte Beute“…„Diese Widersacherin sang Elena Zhidkova mit Hausdebüt. Zhidkova legte bei ihrem Auftritt am Beginn des zweiten Aktes gleich mit einem fundierten Mezzo los, der energiegeladenen und metallisch die „Verismo-Wogen“ des Orchesters durchpflügte. Die Figur der Principessa ist im Charakter grob geschnitzt, voll dramatischer Begehrlichkeit und Eifersuchtsfeuer. Trotzdem muss eine Adriana dagegen halten können, weil sonst die Spannung verloren geht“, meint Dominik Troger, und weiter „Massimo Giordano blieb als Maurizio einiges schuldig, „stemmte“ sich durch den Abend, und wenn er Piano sang, dann war von seinem Tenor oft kaum mehr etwas zu hören“.
„Eine Enttäuschung – und das war nach dem Cavaradossi vor einigen Wochen zu befürchten – war Massimo Giordano als Maurizio. Das Material ist an sich recht gut, aber in der Weiterbildung der Stimme muss irgend etwas passiert sein, den in der höheren Mittellage bricht die Stimme und so klingen die höheren Passagen eher gequält“. So Heinrich Schramm-Schiessl.
Johannes Marksteiner jedoch urteilt freundlicher: „Massimo Giordano war als Maurizio stimmlich sehr präsent, seine kräftige Stimme mag nicht jedermanns Sache sein, aber wie sicher und sauber er die hohen Töne setzt und sich gegen die Klangwogen des Orchesters durchsetzt, machen ihm nicht viele nach. Auch ihn traf der Bannstrahl der Buhrufer“.
Und „Raul Gimenez war sicher der besser singende Tenor, der aus dem Abate eine Hauptrolle machte“. (Elena Habermann)
Neben den Hauptfiguren hat im Grunde nur der in Adriana verliebte Souffleur Michonnet etwas zu vermelden, den Roberto Frontali eine Spur trocken, aber durchaus zufrieden stellend sang, nur in darstellerischen Details (beim Tod der geliebten Adriana stand er eher dumm herum)“ (Renate Wagner)
“Das Orchester unter Evelino Pidò spielte differenziert, hätte aber mehr „Melodramatik“ gut vertragen“ (Dominik Troger)

Tod durch Duft vergifteter Veilchen, Angela Gheoghiu im Todeskampf

Tod durch Duft vergifteter Veilchen, Angela Gheoghiu im Todeskampf

 

 Das Repertoire

 Il BARBIERE DI SIVIGLIA    am 1.2. und 4.2.

 

A. Bonitatibus

A. Bonitatibus

„Mit Portillo habe ich bislang nur den Austragungsort der Ski-WM 1966 assoziiert. In dieser Aufführung stellte sich aber erstmals der texanische Tenor David Portillo als Almaviva vor und es scheint, dass man sich den Namen merken sollte. Nicht nur, dass der junge Mann gut aussieht und sehr engagiert spielt, singt er die Partie stilistisch einwandfrei und mit schönen Fioraturen und Decresendi, so dass es schade war, dass die große Schlussarie gestrichen blieb“ schreibt Wolfgang Habermann. „Ihm zur Seite ein junges Team mit Anna Bonitatibus als Rosina, Levente Molnar als Figaro und Adam Plachetka als Basilio. Bei Adam Plachetka fehlt vielleicht ein wenig Schwärze in der Stimme, aber er ist gesanglich tadellos. Im Laufe der Zeit könnte er im Spiel vielleicht auch noch mehr Skurrilität zeigen. Wie man Pointen serviert, muss man Alfred Sramek nicht mehr beibringen. Michael Güttler am Pult sorgte für einen weitgehend reibungslosen Ablauf, ohne viele Akzente zu setzen“.

Portillo und Levente Molnar

David Portillo und Levente Molnar

 

 CAVALLERIA RUSTICANA / PAGLIACCI       am 2.2.

 

Michaela Schuster als Santuzza

Michaela Schuster als Santuzza

„Vor der Pause herrschte bei Mascagnis Cavalleria Rusticana lähmende Langeweile, hervorgerufen durch streckenweise unterdurchschnittliche Gesangsleistungen. Da war bei Fabio Armiliato als Turiddu kaum eine Phrase, die einwandfrei über die Rampe kam, sei es, weil er einen sehr schlechten Tag hatte oder sei es, weil sich seine Stimme schön langsam weigert, solch schwierige Partien zu singen. Die Höhen klangen gequält und gepresst  Kaum besser war Michaela Schuster als Santuzza. Ihre Stimme hat Volumen, das sie aber nicht optimal einsetzt“, schreibt Johannes Marksteiner. „Auf dieser Basis hatte es George Gagnidze recht einfach, in der Rolle als Alfio zu punkten. Er sang befreiter auf als noch bei seinem Rollendebüt und konnte – auch dank seiner Persönlichkeit – dem gehörnten Ehemann viel Profil verleihen.(Kurt Vlach)

„Dann kam der Wandel. Im Bajazzo wurde bereits der Prolog des Tonio zum fulminanten Spektakel. Ambrogio Maestri bewies, dass er nicht nur ein blendender Falstaff ist, sondern dass er auch hier bestens präsent sein kann.  Inva Mula besitzt einen lyrischen, angenehm klingenden Sopran, als Nedda war sie aber etwas überfordert, zu sehr musste sie forcieren,

Neil Shicoff als Canio: Man war gespannt, wie ein Mitt-Sechziger diese schwere Rolle bewältigen würde und war überrascht, wie viel Kraft und Klangschönheit nach wie vor in dieser Stimme steckt“. (Marksteiner) „Die Ovationen, die man nach dem Vorstellungsende Neil Shicoff darbot, erinnerten an die Anekdote, in der berichtet wird, dass ein Gast mit ziemlichen Unverständnis reagierte, dass einem schon älteren Sänger großer Applaus zu teil war, obwohl seine Vorstellung maximal mittelmäßig war. Die Antwort auf seine Frage lautete – „Ja, das stimmt schon, aber sie hätten ihn vor 20 Jahren erleben müssen!“ Mehr kann man dazu wohl nicht mehr sagen, meint wohl Kurt Vlach. Und weiter: „Dirigente Paolo Carignani, der das Orchester viel besser zügelte als noch bei der Tosca, agierte sehr sängerfreundlich. Es war kein Zufall, dass das Zwischenspiel zum Höhepunkt dieser Cavalleria geriet“.

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 RUSALKA     am 6.2. und 9.2.

"Brautgemachszene" bei

“Brautgemachszene” beim Wassermann: Günther Groisböck mit Rusalka Krassimira Stojanova

“Vom märchen- und naturhaften Ambiente des Librettos ist auf der Bühne nicht viel zu sehen, es ist fast alles grau in grau. Der Teich bleibt unsichtbar, der Wald ist auf ein paar kahle Bäume und abgestorbenes Gehölz auf Schneeboden reduziert. Wird damit die emotionale Kälte der seelenlosen Wasserwesen widergespiegelt?

Während die Inszenierung bei vielen ambivalente Gefühle auslöst, gab es über die musikalische Umsetzung keine Diskussion. Mit Jiri Belohlávek hat man einen für diese Oper idealen Dirigenten gefunden, der die böhmisch/tschechische Musik im Blut hat und das Staatsopernorchester zu wunderbaren Farben animiert.

Günther Groissböck: Der österreichische Sänger sollte, wenn er seine Karriere behutsam aufbaut, eine Weltkarriere machen können – das Material und die Technik hat er dazu. Krassimira Stoyanova wurde vom Publikum gefeiert. Es sieht ganz danach aus, dass sie endlich die Aufmerksamkeit und Bewunderung erhält, die dieser Künstlerin schon länger zusteht“, so Kurt Vlach.

„Michael Schade singt den Prinzen berührend mit seinem hellen Tenor, müht sich aber doch etwas mit den Höhen ab. Janina Baechle, die man schon in besserer stimmlicher Verfassung erlebt hat, ist eine Hexe Jezibaba mit schwarzem Federkleid zum Fürchten…Es gab im völlig ausverkauften Haus wieder einhelligen Riesenjubel des Publikums für alle Beteiligten und für eine Oper, die unverständlicherweise 22 Jahre nicht auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper stand. (Helmut Christian Mayer)

Sterile Märchenhaftigkeit

Sterile Märchenhaftigkeit

 

 SALOME     am 7.2., 10.2.  und 13.2..

Barkmin, eine verführerische Salome, zumindest auf dem Bild

Gun-Brit Barkmin, eine verführerische Salome, zumindest auf dem Bild

„Nun wollte sich Gun-Brit Barkmins Salome vielleicht nicht auf diese Weise „voyeuristisch“ instrumentalisieren lassen – sie gab sich mehr trotzig als subtil verführerisch, mehr herausfordernd, als in erotische Kalamitäten verstrickt, und ihr schwerfällig absolvierter Tanz wurde dem mit dieser Szene verknüpften „Erregungspotenzial“ kaum gerecht. Dabei gelang ihr der Gesangspart gut, bis auf die kräftigen Spitzentöne, bei denen sie zu stark forcieren musste“,  hörte Dominik Troger heraus.

Der Abend „wurde nie zum bloß effektvollen Orchesterkonzert bzw. seitens der Sopranistin zur Demonstration ihrer Stimmkraft. Wenn sie nach sehr kultiviertem Vokaleinsatz mit wohlüberlegter, sehr wortdeutlicher Phrasierung in allen vorhergehenden Szenen dann im Schlussgesang ihre ekstatischen Höhenaufschwünge mit Metallklang präsentiert, so entspricht das dem Seelenzustand der Salome, die ihre Emotionen nicht mehr bändigen kann. Mit viel Energie ist Frau Barkmin auch körperlich im Einsatz“. Sieglinde Pfabigan wirft sich für die Sängerin in die Schlacht. „Diese Worte galten natürlich in erster Linie für die Hauptdarstellern Gun-Brit Barkmin. Mit ganz profunder Technik führte sie ihren Sopran um bei den dramatischen Stellen dann vollständig auf Rettungsnetze zu verzichten und Mut zur Hässlichkeit des Tones zu zeigen. Konnte man anfangs noch ein zu starkes Tremolieren befürchten, so wurde man bald eines besseren belehrt. Das Timbre der Stimme Barkmins passt perfekt zu den erotischen Sehnsüchten der Herodias-Tochter!“ Verspürt Ernst Kopica.

Salome nach Dienstschluß

Salome nach Dienstschluß

„Salomes Begehren schien sich mehr an der rigorosen Abwehrhaltung des Propheten zu entzünden, als an auflodernden „frühlingserwachenden“ Begehrlichkeiten. Wobei Falk Struckmann, unempfänglich für Salomes Reize, bei seinem späten Jochanaan-Debüt an der Staatsoper stimmlich einen fast schon zu robusten Eindruck hinterließ (so als predige er schon seit Jahrzehnten vor großen Volksmengen). Er kehrte also vor allem den asketischen, in religiösem Starrsinn eifernden Fanatiker heraus und nicht den begehrenswerten Mann“, fiel Dominik Troger auf.

 „An diesem Abend gab es auch einen neuen Herodes, und  Herwig Pecoraro war in tenoraler Geberlaune, wie man sie in dieser Rolle selten erlebt (die oft von abgewrackten Heldentenören als Übergang ins „Charakterfach“ gewählt wird). Optisch ist er geradezu ideal für den orientalischen Potentaten, darstellerisch wird er, wenn er die Figur öfter interpretiert, ein Konzept finden – ob er vor allem den Lüstling zeichnet, ob den Hysteriker, ob den Neurotiker“ sagt Renate Wagner. „Das restliche Ensemble wurde von Iris Vermillion als Herodias angeführt, die vor allem mit der etwas überdehnt und ausladend klingenden Tiefe ihres Mezzos auf sich aufmerksam machte. Carlos Osunas Narraboth war mir von der Klangfarbe seines Tenors zu weich. Das Orchester unter Andris Nelsons spielte an diesem Abend so wie Salome tanzte, etwas schwerfällig und „unspannend“. Das Klangbild war eher breit, das farbige Streulicht der raffiniert-sinnlichen Instrumentation wurde kaum zur Geltung gebracht“, schreibt Dominik Troger.

 

MANON    am 12.2., 15.2., 18.2. und 21.2.

Wo ist dieses junge Fräulein hingekommen, die den Des Grieux pere in der St.Sulpice-Szene immer begleitet hat? War es das “ehrsame Mädchen”, von dem der Alte schwärmt? War sie sich des dauernden Scheiterns bewußt und lässt sie in den Folgevorstellungen den alten Grafen alleine auf seinen Sohn einsingen? Wer war sie eigentlich, sitzt sie jetzt in der Kantine auf Abruf, falls es sich der Herr Chevalier doch anders überlegt? Und kann man so einfach die Intentionen eines Regisseurs, in diesem Fall des ANDREJ SERBAN, unterlaufen? Da war doch was mit dem Recht auf das eigene Werk.

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Inva Mula und Ho-yoon Chung

„Adieu, notre petite table“ – „Jene bekannte Arie, mit welcher Manon Lescaut von ihrem winzigen Tischchen ihres Liebesnests in der kleinen Pariser Garconniere Abschied nimmt, die gelingt Inva Mula sehr innig und berührend. Auch sonst kann sie an der Wiener Staatsoper in Jules Massenets „Manon“ mit flexiblem und sauberem Sopran überzeugen und mit tadellosen Spitzentönen beeindrucken. Obwohl sie szenisch sehr agil agiert, lässt sie jedoch erotische Verführungskunst und jegliche Koketterie vermissen“, vermerkt Hans Christian Mayer.

Für den erkrankten Ramon Vargas für alle Termine dieser Serie eingesprungen ist Ho-yoon Chung: Sein Chevalier des Grieux wirkt sehr jugendlich, anfänglich emotional etwas gebremst. Sein durchaus schön gefärbter und ebenso klingender Tenor ist jedoch für das Haus etwas zu klein und animiert ihn fallweise zum Forcieren. (HCM)

„Markus Eiche ist für den miesen und schmierigen Charakter des Lescaut, des Cousins der Manon, mit seinem herrlichen, ja geradezu balsamisch weichen und edlen Bariton fast zu sympathisch. Dan Paul Dumitrescu singt einen noblen, samtigen Grafen des Grieux“.(HCM)

 

Peter SKOREPA

MERKEROnline
Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Pöhn
Salome: Foto P.Skorepa
Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers Karl GOLDAMMER
Wien,   im März 2014

 

 

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REFLEXIONEN Die Wiener Staatsoper im März 2012

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MONATSRÜCKBLICK

März 2014

 

 

Zunächst:  Saisonprogramm 2014/15

Zur Programmpressekonferenz am 25.März 2014

 

Das konnte man an dieser Stelle anlässlich der vorjährigen Programmverkündung für unsere derzeit laufende Saison lesen:

 „Mit der Fanciulla del West und der Adriana Lecouvreur kommt erstere nach langem wieder auf den Spielplan, letztere überhaupt zu Erstaufführungsehren. Endlich interessante Erweiterungen im italienischen Fach. Für die eine oder andere Neuheit bei Verdi oder gar einem Trovatore hat es wieder nicht gereicht. Zugegebenermaßen läuft die Sanierung beim deutschen Fach besser an: der Tristan wechselt heuer, der Lohengrin nächste Saison, hoffentlich spannend und nachhaltig„

 Nun war der Lohengrin sicher nicht langweilig, aber von besonderer Nachhaltigkeit ist nichts zu bemerken, denn nach der Premierenserie schafft es dieser Wagner weder diese noch nächste Saison erneut auf unsere Bühne und dieses Schicksal teilt der Gralgesandte mit der französischen Diva Adriana Lecouvreur, weil beide offensichtlich das Schicksal von Co-Produktionen erleiden. Und die Fanciulla del West ist gerade einmal mit einer Dreierserie in der kommenden Saison bei uns zu Gast. Viel Investition allemal für wenig Breitenwirkung.

Und die Saison 2014/15 ? Dank Sparpaket, dank Burgtheater: Natürlich ein Sparprogramm!

Hätten nicht die vorhandenen Bühnenbauten noch bespielt werden können bei jenen Inszenierungen, die ausgetauscht werden und denen viele Besucher jetzt schon nachweinen?

Jenen von der seinerzeit so gelobten Schaaf-Inszenierung des Idomeneo, die aber wahrscheinlich schon längst vernichtet oder verscherbelt sind, jenen der Elektra, die unlängst noch genügend Standfestigkeit bei den Atriden beweisen durften, sowie der Kulissenzauber des ebenfalls noch bespielbaren Rigoletto, der nur so aussieht als stammte er aus der Uraufführung an diesem Haus. Vor allem letzteres Werk bringt noch dazu kaum Sensationelles an Besetzung, im Gegenteil, die Sängerin der Gilda durfte schon beweisen, dass sie stimmlich nicht mehr oder noch nicht in dieses Fach passt. Da darf sie dann gleich auch die Norina dazu singen, immerhin eine Nettigkeit, dieser Don Pasquale, bietet er doch einem feinsinnigen Star wie Juan Diego Flórez eine Präsentiermöglichkeit.

Bleiben nur zwei tatsächlich interessante Neuigkeiten, Mussorgskis Chowanschtschina und The Tempest von Thomas Adès. Erstere noch unter Abbado an der Staatsoper erstaufgeführt, (wenn man von einem früheren Gastspiel der Belgrader Oper im Jahre 1964 absieht) letztere vor kaum einem Jahrzehnt in Töne gesetzt, also für Wiener Verhältnisse kann man sagen: „Die Tinte noch nass“. Ansonsten ist es schon wieder zu Ende mit den Erweiterungen im Repertoire, wenn man von Lortzings Undine absieht, die allerdings nur als Fassung für Kinder herauskommt.

Aber dafür entfällt der Begriff „Neueinstudierung“ oder „Wiederaufnahme“ hinkünftig in den Ankündigungen und Programmen, denn Dominique Meyer verspricht für alle vierzig Titel im Repertoire der nächsten Saison beste Bedingungen für die einzelnen Wiederaufnahmen! Sein Wort in Gottes Ohr, also in sein eigenes.

Wie knapp das Geld geworden ist, zeigt die Tatsache, dass sogar der „Tag der offenen Tür“ wieder zu einem mit „geschlossener Tür“ wurde.

Direktor Dominique Meyer mit dem kaufmännischen Geschäftsführer

Direktor Dominique Meyer mit dem kaufmännischen Geschäftsführer Thomas Platzer bei der Programmpressekonferenz

Ergänzend noch einen Ausschnitt aus einem Kommentar von MERKER-Redakteur Ernst KOPICA:

“Am 25. März 2014 präsentierte Direktor Dominique Meyer den Spielplan für die kommende Saison 2014/15. Insgesamt herrschte bei den anwesenden Journalisten doch ziemliche Enttäuschung über das Gebotene, manche bezeichneten die Planung als „Sparprogramm“. Zu sehr standen die wirtschaftlichen Probleme im öffentlichen Kulturbetrieb und die Vorfälle rund um das Burgtheater im Mittelpunkt der jüngsten Berichterstattung, so war mehr übers Geld als über Künstler die Rede. Meyer stellte auch die Rute ins Fenster und schloss seinen Rücktritt dezidiert nicht aus, sollte die finanzielle Basis nicht verbessert werden können. Auch das Fehlen von manchen Top-Stars begründete er mit den Finanzproblemen, so etwa konnte man sich mit Jonas Kaufmann nicht entsprechend einigen; der Star-Tenor fehlt in der Jahresplanung. Offenbar war man nicht bereit auf seine Gagenforderungen einzugehen.”

 

 Das Repertoire im März

 

 ELISIER D`AMORE   am 3.3., 6.3. und 9.3.

Von Otto Schenk vor über vierzig Jahren entworfene ländliche Idylle. Machaidze, Fahima, Castronovo

Von Otto Schenk vor über vierzig Jahren entworfene ländliche Idylle. Machaidze, Fahima, Castronovo

Wenige Tage vor ihrem 31. Geburtstag, der sich am 8. März jährt, ist es Nino Machaidze nun doch gelungen, ihr Staatsopern-Debut nachzuholen. Besonders das Happyend, das sie schließlich ganz in die Hand nimmt, spielt Nino Machaidze bezaubernd. Gesanglich allerdings hat die Stimme weder Leichtigkeit noch Dolcezza mehr, sie klingt eigentlich ein bisschen nach scharfem Gekeife, auch dort, wo sie sich um Innigkeit bemüht, die nicht mehr strömen will. Sie ist schon ein paar Stufen zu Dramatischerem hinaufgestiegen. Schreibt Renate Wagner am 3.3. Hingegen fand Peter Skorepa die Sängerin am 9.3. in deutlich verbesserter Form vor: Uneingeschränkt der “Star” des Abends war Nino Machaidze mit ihrem jugendlichen, beweglichen und farbenreichen Sopran, eine Jungbäuerin voller Liebreiz, die ein gutes Bild in den Erntemonaten des entsprechenden Kalenders abgäbe.

Erwin Schrott, Schlitzohr par exellenz

Erwin Schrott, Schlitzohr par exellence

Doktor Dulcamara, einst Taddei oder Panerai, heute immer wieder und natürlich ideal unser Alfred Sramek, vom Typ her auch ein Ambrogio Maestri. Erwin Schrott, den man eigentlich eher in die Uniform des Belcore stecken würde, ist ganz anders. Gesanglich war Schrott nicht in sonderlicher Geberlaune, ließ sich bei seiner – zugegeben sehr langen – Auftrittsarie Zeit, stimmlich in Fahrt zu kommen. So Renate Wagner und Peter Skorepa ergänzt dazu: Schrott bietet einen Dottore der Sonderklasse, jedenfalls einen der das A-parte – Singen und Agieren perfekt beherrscht, einen spitzbübischen aber liebenswürdigen Ganoven der immer wie “eingeraucht” wirkte mit seinen drollig aufgerissenen Augen. Stimmlich bot sein heller Bass trotz der kaum hörbaren Rhinitis-Allergie (Direktor Meyer hatte diese vor dem Vorghang angekündigt) genügend komödiantische Fülle.

Charles Castronovo: Gegen seine Technik ist auch nichts einzuwenden, wenngleich ihn sein Timbre keinesfalls an die Weltspitze katapultieren wird: zu guttural, zu baritonal für einen Tenor (R.Wagner)

Und P.Skorepa am 9.3. dazu weiter: Als Problem des Abends allerdings und überhaupt der Belcantopflege auf dem Tenorsektor der Wiener Staatsoper erwies sich Charles Castronovo. Man muß ja nicht in Süditalien geboren sein, um einen perfekten Belcantotenor abzugeben, aber so wenig Sonne und musikalische Helle als Tenor auszustrahlen, das sollte an der Staatsoper nicht passieren. Ähnlich wie beim Tenorissimo aus der “Adriana Lecouvreur” hätten diese Herrschaften eine Qualitätskontrolle hinsichtlich der Eignung für die jeweiligen Hauptrollen erst passieren müssen, ehe sie die Ehre- ja Ehre!- eines Auftritts an diesem Hause bekämen! Aber vielleicht bin ich da zu hart in meinem Urteil.

Alessio Arduini müßte sich noch an die Größe des Hauses heranarbeiten. Meint Renate Wagner, der sympathische Sänger mit dem etwas kleinen aber markanten Bariton wirkt insgesamt noch zu wenig überzeugend.

Nicht sehr glücklich wurde man mit Guillermo Garcia Calvo am Dirigentenpult, eine weitgehend uninspirierte, „breiige“ Interpretation, die gänzlich dazu beitrug, den Abend im braven Mittelmaß zu belassen, aus dem sich keiner hervortat, schließt Renate Wagner.

 

 ADRIANA LECOUVREUR   am 4.3., 8.3. und 12.3.

Jukiette Mars mit Raul Gimenez

Juliette Mars mit Raul Gimenez

Leider trübten viele der Vorurteile, welche die Gheorghiu selbst über ihrem Haupt ansammelte, die Berichterstattung über ihre Leistung einigermaßen. Schade, denn sie stattete ihre Rolle vor allem gesanglich mit jener ätherischen Flüchtigkeit aus, die für die Darstellung einer zart besaiteten Diva des 18. Jahrhunderts passend erschien.

So aber schrieb E.Habermann: Letaler Zickenkrieg am internationalen Frauentag! Die wiedergenesene Diva Angela Gheorghiu war wieder in der Titelrolle, aber  leider nicht verbessert zu hören. Das schöne Timbre spricht wohl nur mehr im Piano so richtig an. Und M&J Jahnas: Angela Gheorghiu – deretwegen man die Adriana Lecouvreur angeblich ins Programm genommen hat – sang die Titelrolle genau so, wie man es von ihr erwartet hatte. Ihre immer noch schöne Stimme erblüht in den lyrischen Passagen, die Höhen bereiten offensichtlich Mühe und kommen oft nicht sauber, die Piani gehen unter (trotz Rücksichtnahme von Evelino Pido)  und ihre Darstellung der Diva ist schwer erträglich – wenn man kein erklärter Gheorghiu-Fan ist.

Massimo Giordano mühte sich wieder mit dem schönen Maurizio und bester Tenor des Abends war Raul Gimenez als Abate.(E.Habermann) Massimo Giordano kommt auch mit der Rolle des Maurizio nicht gut zurecht. Er erfüllt mit seiner von Natur aus schönen Stimme in vielen Sequenzen die technischen Anforderungen nicht; die Töne werden angeschliffen, werden nicht gehalten und klingen oft gepresst – kein Hörvergnügen! Meinen M&J Jahnas. Und berichten weiter: Lichtblick des Abends war die russische Mezzosopranistin Elena Zhidkova als Principessa di Bouillon. Im Gegensatz zu den derzeit sehr verbreiteten „Sopranistinnen ohne Höhe“ ist sie ein echter Mezzo mit wunderschönem, dunklen Timbre, mit gepflegten Höhen und mit einer großen Stimme, die auch im Piano bis in den letzten Winkel trägt. Roberto Frontali erwies sich als Michonnet wieder einmal als verlässlicher Bariton mit klarem, technisch perfektem, wohlklingendem Ausdruck. Der Hauptgrund, warum wir unser Kommen nicht bereut haben, war das Staatsopernorchester unter der  Leitung von Evelino Pido. Die wunderbaren Vor – und Zwischenspiele von Francesco Cilea wurden feinfühlig bis temperamentvoll gestaltet und entschädigten für manchen szenischen Leerlauf.

Heimliche Liebe zur berühmten Aktrice: Angela Gheorghiu und Roberto Frontali

Heimliche Liebe zur berühmten Aktrice: Die angebetete Angela Gheorghiu und ihe heimlicher Verehrer Roberto Frontali

 

 

EUGEN ONEGIN   am 7.3., 10.3. und 14.3.

07_Eugen_Onegin_Krasteva-Villazon

06_Eugen_Onegin_Kwiecien-Alieva

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der gebürtige Mexikaner Rolando Villazon singt seinen ersten Lenski an der Wiener Staatsoper. Und wie erwartet, spielt er die Figur des sensiblen Dichters, so als würde selbst sein eigenes Leben davon abhängen: Mit allen Fassetten, zuerst liebenswert, übermütig,  dann voll brennender Eifersucht und schließlich verzweifelt. Insgesamt mit einer Präsenz, die alle an die Wand spielt.  So berichtet H.C.Mayer über den Mexikaner.

Und er spielte an diesem Abend einmal mehr seine starke Bühnenpräsenz und seine darstellerischen Fähigkeiten aus. Er legte den Lenski selbstsicher an, liebeswert, im Tändeln mit Olga manchmal fast übermütig. Nach der alkoholdunstigen Auseinandersetzung mit Onegin zeigte er das Ringen der Figur um Versöhnung auf, legte beim Duell schließlich fest entschlossen die Pistole einfach weg, um zielgerichtet auf Onegin zu zugehen – und lief wie ein naiver, tolpatschiger Kerl ganz einfach in den Schuss. Gesanglich gelang Villazón ein guter Abend im Rahmen seiner inzwischen leider deutlich begrenzten stimmlichen Möglichkeiten, meint Dominik Troger. Seltsamer Weise erreichte Mariusz Kwiecien mit seinem kräftigen Bariton nicht diese hautnahe Wirkung wie Villazon, der sich so voller existentieller Hingabe in den Lenski hineinzulegen schien, als hinge davon sein Seelenheil ab.

Der polnische Bariton zeigte sich im Vergleich einfacher gestrickt – vielleicht sogar zu einfach gestrickt. Seine Stimme vermittelte mehr Kühle und Energie, gewiss eine prächtige Stimme, aber für den Onegin vielleicht schon zu „metallisch”, zu wenig mit leidenschaftlicheren Farben unterfüttert. Darstellerisch hat ihm (Lenski) da der eher steif wirkenden Mariusz Kwiecien als Titelheld, ebenfalls erstmalig in dieser Partie hier am Haus am Ring, nicht viel entgegen zu setzen und auch stimmlich nicht. Soweit H.C.Mayer über den Bariton.

Und Dominik Troger weiter: Als Tatjana stellte sich in dieser Aufführungsserie Dinara Alieva dem Wiener Publikum vor – und sie stand wie Onegin ebenso im Schatten der Bühnenpräsenz von Rolando Villazón, der zudem mit Nadia Krasteva eine nicht minder spielfreudige Olga an seiner Seite hatte Ain Anger – wie Krasteva schon in der Premiere mit dabei – sang einen würdevollen, schönstimmigen Gremin. Die übrige Besetzung erfüllte ihre Aufgaben.

Das Orchester unter Patrick Lange zählte eher nicht zu den treibenden Kräften das Abends, kam erst im Laufe des zweiten Aktes etwas auf Touren und schien sich mehr der täglichen Routine, als brillanter Spielfreude verpflichtet zu fühlen.

 

 TOSCA   am 13.3. und  15.3.

Norma Fantini

Norma Fantini im Gebet

Viele Scarpias konnte man in diesem Haus schon hören, die sich akustisch während des Te Deums verabschieden mußten, darunter auch große Namen. Nun sollte der Schluß des ersten Aktes nicht in ein Wettsingen zwischen Orchester, Chor und dem baritonalen Protagonisten ausarten, im Gegenteil, man übt Nachsicht mit ihnen, wenn ein ansonsten guter Scarpia in diesen Klangwogen untergeht. Nichts von dem war bei dem Rollendebüt von Tomasz Konieczny an diesem Haus notwendig.

Mit seinem, an Wagnerschen Klangmassen geschulten Organ durchschnitt er förmlich die Wogen Puccinischer Kirchenmusik und orgelte drauflos was das Zeug hielt, so dass man sich wunderte, vor dem zweiten Akt keine Ansage zu hören. Natürlich passte auch der Stimmklang und dessen etwas nasales, oft gaumiges Timbre zu der Rolle dieses fiesen Charakters. Die Diktion seines Italienisch wäre allerdings verbesserungswürdig. Insgesamt aber sah und hörte man eine beachtenswerte Vorstellung einer neuen Rolle durch diesen Sänger hier in Wien. (Skorepa)

Da konnte leider Norma Fantini als Titelheldin bei weitem nicht mithalten. Nicht dass es ihr an Volumen und Facettenreichtum mangelt, meint H.C.Mayer, aber ihr Sopran weist ein ziemlich starkes Tremolo auf, das vor allem bei den innigeren Tönen, etwa bei ihrer Paradearie „Vissi d’arte“ sehr störend wirkt.

Und mit Yonghoon Lee war der vielleicht beste Asiate in einer italienischen Rolle zu hören, den derzeit der Sängermarkt zu bieten hat, so Peter Skorepa. Er bestätigte, dass nichtitalienische Sänger, wenn sie dank ihres Fleißes und ihrer Intelligenz mit dem italienischen Idiom bestens zu recht kommen oder vielleicht auch einen guten Sprachcoach aufmerksam frequentiert haben, die besten Chancen im italienischen Fach haben. All diese Dinge bringt der junge Koreaner mit, dazu die Fähigkeit die Stimme bis zu einem Piano zurück zu nehmen und dazu auch Höhensicherheit, die das “La vita mi costasse” und besonders das “Vittoria” hörenswert erklingen läßt. Da allerdings, in den höheren Bereichen, neigt die Stimme zur Verengung, da ist zu viel Gepresstes zu hören. Letztlich aber eine gesaglich gut gestaltete Leistung, vor allem im musikalischen Aufbau der großen Arie im 3. Akt und den “Dolci mani”, der Anbetung der süßen Mordpratzerln der Tosca.  (Skorepa)

Clemens Unterreiner zerspragelte sich in Darstellung und Gesang für den entflohenen Konsul, dem man sogar den Hunger ansehen konnte und Il Hong als Mesner machte bewußt, welche Stütze des Hauses unser Alfred Sramek darstellt.

Routiniert leitet Stefan Soltesz das Orchester der Wiener Staatsoper. Wenn es drauf ankommt, weiß er jedoch mit nötigem Zupacken spannende, nur selten zu laute Ausbrüche,  aber auch klangschöne, teils sehr breite aber auch zart gefühlvolle Momente zu erzeugen.   (H.C.Mayer) 

 

 LA BOHÈME   am 19.3., 22.3., 26.3. und 29.3.

Glaubhaft liebend und leidend Maria KOVALESKA

Glaubhaft liebend und leidend Maria KOVALESKA

Der Life-Stream aus der Wiener Staatsoper warf seine „Schatten“ voraus, auch wenn es nur die Schattenwirkung einer neuen Frontalbeleuchtung der Szene mit Benoit war. Darin warfen die Mansardenbewohner und ihr Zinsherr riesige Schatten an die kärgliche Mansardenwand im Hintergrund, auch die leichte Umfärbung des Bühnenmittelraumes mag ja vor allem auf dem Bildschirm gut aussehen, stellt aber doch einen Stilbruch zu der durchwegs in Pastelltönen gehaltenen Inszenierung des italienischen Altmeisters dar.

Jedenfalls ist die Stimmung in der Mansarde mit dem ersten Schlag des Dirigenten da: Mikko Franck, bereits bekannt aus dem Theater an der Wien, ist die Entdeckung dieser Serie. Umsichtig und scheinbar mühelos lenkte und formte er mit auffallend präziser Zeichengebung den musikalischen Ablauf des Geschehens und so kommt Puccini aus dem Graben mit all dessen melodischen Einfällen, kurzen Motiven und Tuttischlägen, kurz das Polternde der Mansarde, die Zartheit um Mimi und die bittersüsse Stimmung der letzten Szene. Lebendiger Puccini.

Maija Kovalevska gestaltete das Rollenportrait einer Mimi zum mitfreuen und mitleiden, innig im Spiel und zu großen musikalischen Phrasen fähig. Yosep Kang, der sensationelle Einspringer vom Dezember wiederholte seine gute und wortdeutliche Leistung und ist bei seinen hohen Cs in tono voll dabei.

Sein malender Kollege Adrian Eröd besitzt nicht nur blendende stimmliche Mittel für seine Rolle, nicht nur sein Gesang ist nobel, auch sein Spiel. Und bei Alessio Arduini ist Schaunard in besten Händen und Jongmin Park erntete für eine einfühlsam gesungene Mantelarie sogar reichlich Zwischenapplaus.

Und Valentina Nafornità setzte gesangliche Glanzlichter ihrer gekonnten Darstellung der Edelhure auf. Da schien sie noch nicht von einer Indisposition verfolgt und auch hier besser eingesetzt gewesen zu sein als in den späteren Rigoletto-Vorstellungen. (Peter Skorepa hat diese Boheme besucht)

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WOZZECK   am 23.3., 27.3. und 30.3.

Herlitzius ala intensive Marie

Evelyn Herlitzius als intensive Marie

Die Wiener Staatsoper hat an zwei aufeinander folgenden Sonntagen Alban Bergs „Wozzeck“ zur Kaffeejause am Nachmittag gespielt: Beginn jeweils 16.00 Uhr! Das ist eine ziemlich merkwürdige Programmplanung, meint Dominik Troger.

Mathias Goerne

Mathias Goerne

Diesmal hatte Matthias Goerne es in seiner Rollenwahl entschieden leichter: Ihm „passt“ die Figur wie angegossen auf den fülligen Leib und zu dem runden Gesicht, er ist die bedauernswerte Kreatur schlechthin, der schlichte, einfache Mann, dem zu viel unverdaut im Kopf herumgeht und der hilflos in die Katastrophe schlittert. Und das gänzlich ohne darstellerisches Pathos – wodurch er noch viel stärker wirkt.

Als Gestalterin ist Evelyn Herlitzius immer unerreicht, welche Rolle sie sich auch hernimmt (unvergesslich ihre Isolde), stimmlich scheint ein Leben mit allen Hochdramatischen der Opernliteratur doch nicht ohne Schrammen abgegangen zu sein. Aber gerade bei der Marie, wo ja nichts Belcanto und alles Ausdruck ist, wirkt auch ihre starke, stellenweise rücksichtslos eingesetzte Stimme goldrichtig. Soweit Renate Wagner am 23.3.

Und Dominik Troger ergänzt am 30.3.: Um Goerne und Herlitzius gruppierte sich an diesem Nachmittag ein sehr gutes Staatsopernensemble. Wolfgang Bankl hat sich den Doktor als zynischen Wissenschaftler adaptiert, Herwig Pecoraro war ein Hauptmann mit Charakterschärfe, Norbert Ernst ein kräftig aussingender Andres, Herbert Lippert ein brutaler, etwas forcierender Tambourmajor.

Das Orchester unter Dennis Russel Davies ließ durchaus die sinnlichen Seiten der Musik anklingen, wie diese „Mahlererinnerungen“ im Schmerz über das Schicksal der beiden „armen Leut“.

Mathias Goerne, umgeben vom Doktor, Wolfgang Bankl und dem Major,

Wozzeck Mathias Goerne, umgeben vom Doktor, Wolfgang Bankl und dem Hauptmann, Herwig Pecoraro

 

 

IL BARBIERE DI SEVILLA   am 31.3.

 

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Magerita Gritskova

Man spielte die unverwüstliche Inszenierung von Günther Rennert (Ausstattung Alfred Siercke) bereits zum 400.Mal. Sie hatte am 28.4.1966 unter der Direktion von Egon Hilbert ihre Premiere in deutscher Sprache unter dem Dirigat von Karl Böhm. Figaro war Eberhard Waechter, die Rosina Reri Grist und Bartolo Erich Kunz. Schon beim Einsetzen der ersten Gesangstexte ertönte von der Galerie der Ruf: „Rossini auf Deutsch! Pfui!“  (P.Sk.)
Der Star des Abends hieß diesmal Rosina und bewies einmal mehr, dass die russische Mezzo-Sopranistin  Margerita Gritskova zu den schönsten Hoffnung  der Ära von Dominique Meyer  berechtigt.
Bei der Cenerentola-Premiere fiel sie als Stiefschwester positiv auf – im Juni wird sie nun  bereits selbst Cenerentola im Haus am Ring übernehmen.
Unter der fast zu forschen  Leitung von Stefan Soltesz ( er dirigiert seit 1983 in der Staatsoper )  war Dmitry Korchak ein viriler, höhensicherer Almaviva. Der Südkoreaner Tae-Joong Yang war ein guter Barbier – leider haftet seinem Singen eine gewisse Unnahbarkeit an. Aber seine Technik wird merkbar besser – immerhin.

Großartig der Bartolo des Rumänen Sorin Coliban. Die Stimme wird immer mächtiger, das Timbre dunkelt nach. Die Verleumdungsarie wurde so zu einem der Höhepunkte dieser „Comedia“.
Köstlich wie immer der Bartolo des Alfred Sramek.

Peter Dusek war für den MERKER-Online im Haus am Ring.

 

 

 

Peter SKOREPA
MERKER
Online
Alle Bühnenfotos der Wiener Staatsoper: Michael Pöhn,

Das Titelbild „WIENER STAATSOPER“ mit freundlicher
Genehmigung des Künstlers Karl Goldammer
Wien,  April 2014

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REFLEXIONEN zu einer konzertanten NORMA am 21.5.2014 in der Staatsoper Wien

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REFLEXIONEN
Zu einer Staatsopernaufführung der NORMA  konzertant, am 21.Mai 2014

 Gewidmet allen, die an meine Schilderung von den Sichtverhältnissen in der konzertanten NORMA nicht geglaubt haben, die von mir am 17.Mai 2014 in der Wiener Staatsoper besucht und beschrieben wurde.

 

Eine traurige Bildergeschichte von einem neuerlichen Besuch am 21.Mai 2014

Gesehen von einem mittigen (!) Galerieplatz aus, 5. Reihe, Sitz 15, rechts.

 

Bild 1 Die Overtüre: geleitet von Andriy Yurkevych. Zu sehen sind ein Teil der Philharmoniker, seiner tatsächlichen Bedeutung wegen der Chor ganz vorne an der Bühnenrampe.

Wo ist der Dirigent? Wenn sie ganz genau schauen zwischen dem ersten und zweiten Kopf von rechts das Pünktchen mit der kleinen Glatze am Hinterkopf.

Die schwarzen Köpfe im Vordergrund sind immer da, abwechselnd schaut der eine oder andere Besucher mit stark erhobenem Kopf und sucht vergeblich den Vordergrund zu erhaschen.

Ouvertüre, schon jetzt die Hälse gereckt

Ouvertüre, schon jetzt die Hälse gereckt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 2 Auftritt Oroveso. Der signifikante Graukopf von Dan Paul Dumitrescu ist rechts, weit unter der Masse der Galerierampe und den Zuschauern verborgen und daher, überhaupt nicht sichtbar.

 So ein Sitz Galerie Mitte kostet 50,-€, das sind in alter Währung rund 650,- öS, von mir wurde die Karte erworben um 19:15 Uhr vor dem Operngebäude um 30,-€, weil eben kein „Gries“ um die Karten war und der Verkäufer schon sichtlich nervös tat. Er staunte, warum ich keine Karte in der ersten Reihe wollte, er konnte nicht wissen, dass ich aus dem „unterprivilegierten“ Sektor berichten wollte und der beginnt erst ab der 2. Reihe von Balkon und Galerie, MITTE wohlgemerkt.

Dan Paul Dumitrescu als Oroveso tritt auf

Dan Paul Dumitrescu als Oroveso tritt auf

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 3 John Osborn, der für Massimo Giordano eingesprungene Tenor aus den USA, ist aufgetreten. Die Balkon-und Galeriebesucher mitte und halbmitte recken die Köpfe und sehen einen Schmarrn. Diejenigen, die Glück haben sehen manchmal zwischen den Köpfen der Zuschauer einen ebenfalls kleinen Kopf singen: das ist er, der Osborn! Es gelang mir nicht, trotz vorgebeugten Körpers, einen Blick auf den Pollione zu erhaschen.

Osborn sang bis jetzt leichte Kost zwischen Rossini und Offenbach und Donizetti, also kein gestandener Tenor für den Pollione herkömmlichen Sinns. Aber da haben sich jetzt die Gewichte verlagert, zusammen mit der Bartoli wurden Urfassungen ans Licht gefördert, das haben beide jetzt in Salzburg zu Ostern gezeigt und auch auf CD festgehalten. Seine große Arie, aber vor allem die Kabaletta strotzt von Koloraturen und Verzierungen, für die er aber nicht nur Applaus erntet sondern auch ein kräftiges Buh. Ob das für diese Fassung war oder für seine etwas eigenartige Art der Tongebung, für die wir in Wien früher den Ausdruck „Krawatteltenor“ hatten, das konnte ich nicht erfragen.

John Osborn

John Osborn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 4  Damit alle wissen, wie Osborn in der Nähe aussieht, ein Bild beim Empfang des Schlussapplauses.

Schlußapplaus für John Osborn, links Piscinelli und Dumitrescu

Schlußapplaus für John Osborn, links Piscitelli und Dumitrescu

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild 5  Die beiden Damen vom letzten Mal sind gleich geblieben, sowohl namentlich als auch gesanglich. Wenn sie ganz genau schauen, sehen sie den Kopf der Norma bzw von Maria Pia Piscitelli ganz winzig klein zwischen den Köpfen zweier Zuschauer.

Norma bei der CastaDiva Arie

Norma bei der CastaDiva Arie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Man kann es auch weniger lustig sagen: Diese Aufstellung der Künstler ist eigentlich den  zahlenden Besuchern aus den größten Teilen des Publikumsbereiches der Galerie und des Balkons Mitte nicht zumutbar.

Bitte liebe Direktion: bei der nächsten konzertanten Aufführung denken Sie an die sehr vielen Besucher, die durch die Aufstellung, die ja eher für einen Konzertsaal gedacht ist, negativ betroffen sind. Einer Aufstellung, die im klassischen Logentheater und seinen steilen Rängen so nicht funktionieren kann.

 

 

Peter Skorepa
MERKEROnline
Fotos:P.Skorepa

 

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Publikumsgespräch mit Direktor MEYER am 3.Juni 2014

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Publikumsgespräch in der Wiener Staatsoper
Dominique Meyer und Thomas Platzer stellen sich dem Publikum
Wiener Staatsoper – Mahlersaal    
3.Juni 2014

 

 Zur Erinnerung an das letzte Gespräch am 5.11.2013, in welchem Dominique Meyer ausführte:

Sollte die entsprechende Unterstützung der öffentlichen Hand in Form einer finanziellen Abgeltung der Kostensteigerungen ausbleiben, werden Maßnahmen in Form der Reduktion von Aufführungen und es werden in deren Folge eine Senkung der Qualität unvermeidbar werden. Das bedeute eine Änderung des Modells in der Führung eines qualitativ und quantitativ erfolgreichen Opernhauses, so wie es der Gesetzgeber eigentlich von ihm verlange.

„Ich bin nicht der Kandidat für eine solche Umstellung“

so Direktor Meyer ganz unverhohlen zu seiner  (damaligen) Situation.

 

 „Ein Glück, dass wir Platzer haben!“

 Das Dauerthema der Finanzierung wurde auch diesmal angeschnitten, zumindest sind die finanziellen Probleme für die Abwicklung der kommenden Saison unter Dach und es scheinen Ängste über eine finanzielle Aushungerung in der Zukunft entschärft.

Dominik Meyer beginnt mit einem Lob für seinen kaufmännischen Geschäftsführer, Thomas Platzer, einem Hinweis auf die Auslastung der Sparte OPER am Haus mit 99,68 % („Das ist sicherlich Weltrekord“), auf den hohen Auslastungsgrad beim Ballett, verweist auf die über 16.000 verkauften Kinderkarten in der vergangenen Saison und auf die Qualität des Kinderchores und der Ballettschule.

Er erläutert die tägliche Sorge um den Verkaufsbericht der Kassen, weil dies der Gradmesser jenes Erfolges sei, der äußerlich herzeigbar und letztlich der Erfolg für die Finanzierung wäre.

 Die gute Nachricht über die kommende Neuinszenierung bleibt nicht aus, Otto Schenk mache für das „Schlaue Füchslein“ tolle Arbeit, in einer schönen Ausstattung, vielen Tieren und einem Wald, in welchem man „nur mehr die Eierschwammerln zu suchen wünscht“.

 Bei den Neuerscheinungen von hauseigenen DVD und CD Auflagen schwärmt Direktor Meyer von einer Aufzeichnung einer Capriccio-Aufführung auf DVD und weiteren CD-Erscheinungen wie der legendären Elektra unter Böhm mit der Nilsson aus dem Jahre 1965 („mit ganz ausgezeichneter Tonqualität“), Karajans Don Carlo mit den Wiener Philharmonikern oder dem Ernani.

 Zu dem Thema Umbesetzungen nimmt Meyer Stellung, bzw. Schildert die dabei auftretenden Probleme:

Für die Gruberova hätte es etwa um die Zeit ihres Unfalls mit dem Beinbruch überhaupt weltweit nur zwei Sängerinnen gegeben, die als Ersatz für eine Norma in Frage gekommen wären und auch Zeit gehabt hätten. Beim Versuch, unlängst aus dem hauseigenen Ensemble einen Ersatz zu finden, erkrankten aber prompt drei dafür vorgesehene Cover hintereinander oder waren durch Proben unabkömmlich.

Das Betriebsbüro hat bei jeder Vorstellung eine Liste für möglichen Ersatz bereit, genauso die Flugverbindungen am Tag der Vorstellung. Das Beispiel Giordani, der ersetzt werden musste und einer der möglichen Ersatzsänger, der aber ohne Handy in Begleitung seiner Frau auf längerem Einkaufsbummel war, illustriert eine solche Geschichte, die aber, wie wir ja wissen, doch noch gut ausging und der neue Sänger quasi in letzter Minute doch noch ans Haus geholt werden konnte.

Auch eine Absage von Florez hat eine durchaus seriöse Änderung mit einem Sänger aus dem Ensemble ergeben, der die Rolle bereits studiert hat und im Vorsingen bestanden hat. „Warum soll so ein fleißiges Ensemblemitglied nicht seine Chance erhalten“, meint Meyer. Dass dieser „Ersatz“ die Partie bereits kann, nicht aber seine Deutschkenntnisse dafür ausreichten um zu verstehen, dass er engagiert sei, sei als Kuriosum erwähnt.

Geduldig im Umgang mit seinem Publikum: Direktor Meyer nach dem Publikumsgespräch am 3.6.2014 Foto: Skorepa

Geduldig im Umgang mit seinem Publikum: Direktor Meyer nach dem Publikumsgespräch am 3.6.2014 Foto: Skorepa

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Fragen aus dem Publikum drehten sich in ihren Belangen mehrheitlich wie immer um die „Qualität“ inszenatorischer Leistungen, wobei es sich vor allem um die letzte Regie beim Lohengrin und dessen Verortung ins „Biertischmilieu“ drehte. Direktor Meyer konterte damit, dass mit wachsender Einsicht in den Inszenierungsgedanken auch die Zustimmung für diese Regiearbeit wachse und führte als Beispiel Chereaus Bayreuther Ring an und dessen Kult-Werdung im Laufe der Jahre seiner Aufführung. So seien  auch die Kritiken über Arbeiten von Wieland Wagner in der Wiener Staatsoper zu werten, dessen Regien man heute gänzlich andere, positive Beurteilungen zukommen lässt! Selbst Rossini entging dem Fiasko seiner Barbiere-Uraufführung nicht, heute aber?

Immerhin entlockte man dem Direktor eine Zusage darüber, beide Rigoletto-Inszenierungen – die neue und die alte, herkömmliche – am Hause zu belassen. („Ich kann mir das vorstellen.“) Denn eine Dame legte dem Direktor verzweifelt ans Herz, ein ganz besonderes Auge auf den neuen Rigoletto zu haben und die Qualität des gebotenen zu überwachen. Dominik Meyer schmunzelte.

 Peter Skorepa

 

 

 

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Vor 50 Jahren: Der Anfang vom Ende der Ära Karajan im Juni 1964

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VOR 50 JAHREN: DAS ENDE EINER ÄRA – aber doch nicht der Schlusspunkt

(von Heinrich Schramm-Schiessl)

Am 17.Juni 1964, also vor 50 Jahren, endete die Ära Karajan an der Wr. Staatsoper. De jure dauerte sie natürlich bis zum 31.8.1964 aber an diesem Abend dirigierte Herbert von Karajan seine letzte Vorstellung in seiner Eigenschaft als Künstlerischer Leiter – so wollte er nämlich immer bezeichnet werden – des Hauses.

 Abendplakat-17.6.1964

Abendplakat vom 17.6.1964  (Mit herzlichem Dank an Frau Hedda Hoyer)

 Jetzt mag so mancher meinen, dass jede Direktionszeit zu Ende geht und das irgendwann 50 Jahre her ist. Das mag sicher stimmen, aber kein Direktor des Hauses vor oder nach ihm hat dieses so nachhaltig geprägt und verändert wie Herbert von Karajan. Für die diesbezüglichen Details darf ich auf die Digitalisierung des Heft-Merkers der Jahre 1956-1964 durch Frau Hedda Hoyer verweisen. Der Link dazu befindet sich am Ende der Startseite dieser Website.

An diesem 17. Juni 1964 dirigierte Karajan die 2. Vorstellung seiner Neuproduktion von Richard Strauss‘ „Die Frau ohne Schatten“, die fünf Tage zuvor, am 11. Juni – dem 100. Geburtstag des Komponisten – Premiere hatte. Die Besetzung dieser Premiere B, wie sie einer in den 60er-Jahren üblichen Usance folgend, genannt wurde, war gegenüber der 1. Vorstellung in einigen Nebenrollen und drei Hauptpartien verändert. Gundula Janowitz sang statt Leonie Rysanek die Kaiserin, Otto Wiener statt Walter Berry den Barak und Gladys Kuchta statt Christa Ludwig die Färberin. Jess Thomas (Kaiser) und Grace Hoffmann (Amme) blieben unverändert.

Gab es schon bei der Premiere Kundgebungen für Karajan (vor dem 3. Akt rief jemand von der Galerie „Karajan muss bleiben“ und am Ende erscholl vom Stehparterre „Hoch Karajan“) so gab es an diesem Abend Blumen und endlosen Jubel, so als wollte das Publikum Karajan sagen, er solle doch nicht weggehen, da man ihn in Wien so brauche.

Aber es nützte alles nichts, die Ära Karajan war damit zu Ende und in diesem Zusammenhang sei hier ein Unverdächtiger zitiert: Marcel Prawy schrieb in seinem Buch „Die Wiener Oper“ (1969, 1. Auflage, Seite 200): „Wir waren wieder einmal einen genialen Mann los!“.

Wie es zu dieser Demission nach acht wunderbaren Jahren – man glaubt es gar nicht, dass es ein angeblich so schwieriger Mann so lange in diesem nicht leicht zu führenden Haus ausgehalten hat und damit immer noch der am zweitlängsten im Amt gebliebene Direktor seit der Wiedereröffnung ist – kam, wurde im Online-Merker schon anlässlich der Schilderung der „Bohème-Affäre“ im vergangenen November andeutungsweise geschildert. Hier möchte ich nun etwas ausführlicher darlegen, was damals passierte.

Man muss die Ursache für diesen Rücktritt aus zwei Blickwinkeln betrachten. Einerseits aus dem persönlichen Verhältnis der beiden beteiligten Personen und aus der politisch-gesellschaftlichen Perspektive.

Man muss hier in das Jahr 1962 zurückgehen, als Karajan das erste Mal zurücktrat und nur unter der Voraussetzung bereit war, doch weiter Künstlerischer Leiter zu bleiben, wenn ihm ein Co-Direktor, der ihm die ganze Verwaltungsarbeit abnimmt, zu Seite gestellt werde. Das war zunächst der Generalintendant der Stuttgarter Oper, Walter Erich Schäfer, der aber nicht die in ihn gesetzen Erwartungen erfüllen konnte und nach knapp einem Jahr zurücktrat. Ihm folgte ab 9. Juni 1963 auf Wunsch Karajans der ehemalige Generalsekretär der Bundestheater und aktuelle Intendant der Wr. Festwochen, Egon Hilbert. Diese Nachricht schlug damals wie eine Bombe ein, wusste man doch, dass Hilbert einer der erbittertsten Gegner Karajans war. Was die Ursache dieser Entscheidung Karajans war, wird wohl immer im Dunkeln bleiben. Ein Wiener Stammbesucher hatte damals gemeint: „Das wird entweder die genialste Epoche der Wr. Staatsoper oder das Ende der Ära Karajan“. Selbst dem damals zuständigen Unterrichtsminister Drimmel war nicht wohl dabei. Er meinte einmal: „Ich habe Egon Hilbert nicht auf diesen Posten berufen, weil ich persönlich so gute Erfahrungen mit ihm gemacht habe, sondern trotz der Erfahrungen, die ich mit ihm gemacht habe…“ .

Dabei lief es am Anfang mit beiden ganz gut und als sich Hilbert in der Bohème-Affäre demonstrativ neben Karajan stellte, glaubte man, dass das Experiment funktionieren könnte. Aber leider wurde bald danach offenbar, daß der Kuss,  den Hilbert am 3.11.1963 vor dem Vorhang Karajan auf die Wange drückte, ein Judaskuss war. Wenige Tage später – die beiden Herrn waren zur Wiedereröffnung des Nationaltheaters in München, in deren Rahmen Karajan „Fidelio“ dirigierte – begann es zu kriseln und bald war der Konflikt nicht mehr zu übersehen. Man sprach damals von „der unheimlichen Ehe“ in der Staatsoper. Dazu kam, dass Karajan krankheitsbedingt im Jänner und Februar 1964 nicht in Wien war und dadurch nicht mitbekam, was sich hinter den Kulissen zusammenbraute. Hilbert brachte nämlich offenbar seine Bataillone, die aus einem Teil der sogenannten Wiener Gesellschaft, mit der Karajan nie Kontakt hatte bzw. haben wollte und die unter der Führung eines landesbekannten, bedeutenden und sehr einflussreichen Wiener Industriellen standen, in Stellung.

Im Übrigen dürfte Karajan Hilbert falsch eingeschätzt haben. Er wollte als Co-Direktor einen Mann, der ihm die Verwaltungsangelegenheiten und die gesamte Bürokratie abnimmt, damit er sich auf die künstlerische Arbeit konzentrieren kann. Hilbert aber war – nach eigener Aussage – ein Besessener in Sachen Oper und wollte selbst gestalten. Zum unvermeidbaren Eklat kam es dann im Frühjahr 1964 im Zusammenhang mit einer „Tannhäuser“-Vorstellung am 17.5. – ich verweise hier auf die Schilderung, wie es dazu kam und was damals passierte im Online-Merker vom 7.5..

Es wird sich nie ganz klären lassen, ob Hilbert den „Tannhäuser“ schon in dem Wissen angesetzt hat, dass Karajan nicht dirigieren kann und es deswegen zum Bruch kommen werde, oder ob er erst, als Karajan ihm um die Absetzung der Vorstellung ersuchte, erkannte, dass hier eine Sollbruchstelle gesetzt werden könnte.

Hier ist jetzt der Moment, wo die Politik ins Spiel kommt und wo man wieder einmal erkennen musste, wie demokratisch legitime Veränderungen in einer Partei zur Unzeit Einfluss auf andere Ereignisse haben. Zum besseren Verständnis muß auch hier wieder in das Jahr 1962 zurückgeblickt werden und unseren ausländischen Lesern – aber auch den jüngeren Österreichern – muss ich zuvor die damalige politische Situation in Österreich erklären. Seit der Gründung der 2. Republik 1945 wurde Österreich – so wie heute, nur unter ganz anderen Vorzeichen – von einer großen Koalition der beiden damals staatstragenden Parteien ÖVP (christlich-sozial) und SPÖ (sozialdemokratisch) regiert, wobei die ÖVP während der gesamten Zeit den Bundeskanzler stellte. Doch nun zu den Veränderungen in der ÖVP. Obwohl die Partei bei den Nationalratswahlen 1962 erfolgreich war und ihren Vorsprung auf die SPÖ von einem auf fünf Mandate erhöht hatte, war man mit dem Parteiobmann und Bundeskanzler Alfons Gorbach unzufrieden, weil dieser die darauf folgenden Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ „verloren“ hatte. Vor allen Dingen warf man ihm vor, dass es ihm nicht gelang, das Außenministerium, das man 1959 an die SPÖ verloren hatte, zurückzuerobern. Daraufhin wollte eine Gruppe von Reformern um den Wolkersdorfer Rechtsanwalt Hermann Withalm eine Änderung an der Parteispitze. Man brachte Gorbach dazu, am Parteitag 1963 nicht mehr für dieses Amt zu kandidieren und nominierte hiefür den damaligen Salzburger Landeshauptmann Josef Klaus. Klaus war aber nicht unumstritten und so nominierte eine andere Gruppe den amtierenden Unterrichtsminister Heinrich Drimmel als Gegenkandidat. Klaus gewann die Wahl und löste im Spätwinter 1964 Gorbach auch als Bundeskanzler ab. Da Drimmel aber nicht unter dem einstigen Gegenkandidaten Minister sein wollte, trat er zurück und Klaus bestellte den Grazer Juristen Theodor Piffl-Percevic zum neuen Unterrichtsminister – und ab da nahm das Unheil seinen Lauf.

Mitentscheidend war natürlich, dass die beiden Politiker unterschiedlicher nicht sein konnten. Drimmel war der Prototyp des volksnahen, leutseligen, hemdsärmeligen Machers, der zielgerecht auf die Lösung eines Problemes zustrebte. Er war zudem ein ausgezeichneter Kommunikator, der zuhören konnte uns es dann verstand,  auch bei unterschiedlichen Meinungen ein Ergebnis zu erzielen. Er verstand – laut eigener Aussage – nichts von Kunst und Kultur und ging lieber auf den Fußballplatz als in die Oper, aber er hatte einen ausgezeichneten Beraterstab, der ihn mit dem nötigen Fachwissen versorgte. Seit 10 Jahren im Amt – er hatte auch 1956 gemeinsam mit seinem Ministerkollegen Reinhard Kamitz (Finanzen) und dem damaligen Leiter der Bundestheaterverwaltung Ernst Marboe die Bestellung Karajans zum künstlerischen Leiter in die Tat umgesetzt – hatte er die Situatioon der Staatsoper quasi im kleinen Finger. Er hatte auch maßgeblichen Anteil daran, dass Karajan 1962 seinen Rücktritt wieder zurück nahm. Spekulationen sind natürlich immer problematisch, aber ich glaube, wäre er noch im Amt gewesen, die Sache wäre anders ausgegangen. Möglich, dass es ihm nicht gelungen wäre, Karajan zu einem neuerlichen Rücktritt vom Rücktritt zu überreden, aber die Möglichkeiten für eine weitere Tätigkeit an der Staatsoper hätte er sicher geschaffen.

Ganz anders Piffl-Percevic. Ein distinguierter Mann, zurückhaltend, introvertiert und immer auf entsprechende Distanz zum Gegenüber achtend. Zudem war er, obwohl schon seit einiger Zeit Abgeordneter zum Nationalrat, mit dem glatten Wiener Parkett nicht wirklich vertraut und in Sachen Kunst und Kultur ebenfalls kein Fachmann. Von den Vorgängen in der Staatsoper hatte er demgemäß natürlich auch keine Ahnung. Und da die Opernkrise gerade ihrem Siedepunkt zustrebte, wäre eigenes Detailwissen von entscheidender Bedeutung gewesen. Als nämlich 1963 die Doppeldirektion entstand, wurde vereinbart, dass, wenn einer der beiden ausscheidet automatisch auch die Amtszeit des anderen zu Ende ist. Karajan berief sich auf diese Vereinbarung und schlug seinerseits den damals sehr bekannten und bedeutenden Regisseur Oscar Fritz Schuh, mit dem er sowohl in Salzburg als auch in Wien, wenn er nicht selbst inszenierte, mehrfach gut zusammengearbeitet hat, vor. Hilbert sah das anders und meinte, er sei nun alleiniger Direktor des Hauses. In dieser Ansicht wurde er von der ihm gewogenen Presse unterstützt und die Proponenten des oben erwähnten Teiles der Wiener Gesellschaft machten in dieser Richtung gehörig Druck. Entweder war diese Vereinbarung nur mündlich erfolgt oder juristisch nicht „wasserdicht“ protokolliert – sie ließ offenbar dem Minister einen Ermessenspielraum und dieser musste sich letztlich auf seine Beamten verlassen, was letztlich  fatal war. Die Beamten des Ministeriums sahen nämlich jetzt ihre Stunde gekommen, alte Rechnungen zu begleichen. Karajan war nämlich ein Mensch, der ein einmal vorgenommenes Ziel mit aller Konsequenz verfolgte und für den es nie Probleme, sondern immer nur Lösungen gab. Demgegenüber der bekannt vorsichtige und nicht immer schnelle Wiener Beamtenapparat – böse Zungen unterstellten ihm drei besonders häufig gebrauchte Antworten („Das war schon immer so“, „Das hat es noch nie gegeben“ und „Da könnte ein jeder kommen“) – was naturgemäß zu Reibungsverlusten führte. Wenn es wirklich hart auf hart ging, war dann eben Drimmel da, der den „Hitzeschild“ machte und nötigenfalls mit Ministerempfehlung eingriff. Da Hlbert zudem aus der Beamtenschaft kam, war nicht schwer zu erraten, auf welche Seite die Beamten sich schlagen werden. Inwieweit die Gespräche mit O.F. Schuh tatsächlich ergebnislos waren oder man gar nicht wirklich verhandelte, lässt sich nicht mehr klären. Das Argument, er wäre erst 1966 zur Verfügung gestanden ist für mich schwach. Er wäre nicht der erste und auch nicht der letzte Intendant gewesen, den man aus einem bestehenden Vertrag „herausgekauft“ hätte. Am 24.6. 1964 gab Minister Piffl-Percevic bekannt, daß Egon Hilbert ab 1.9.1964 alleiniger Direktor der Wr. Staatsoper ist. Da sich diese Entscheidung bereits Tage zuvor abzeichnete, erklärte Karajan bereits am 23.6.1964, daß er mit 31.8.1964 seine gesamte künstlerische Tätigkeit in Österreich beende. Dazu kam es allerdings nicht, denn die Salzburger Festspiele reagierten blitzschnell, verhandelten mit Karajan und boten ihm einen Platz im Direktorium an, den dieser annahm. Er prägte diese dann bis ein Jahr vor seinem Tod – er trat 1988 als Mitglied des Direktoriums zurück – und bescherte Salzburg ab 1967 mit der Gründung der Osterfestspiele einen weiteren Platz im internationalen Festspielgeschehen.

Trotzdem nun eine Ära zu Ende war, hatte man irgendwie das Gefühl, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Interssant in diesem Zusammenhang auch die Kommentare der Tageszeitungen, auch jener, die Hilbert wohlwollend gegenüber gestanden sind. Sie betrachteten ihn nämlich in Wirklichkeit nur als Übergangslösung, denn oft war zu lesen, dass „ein zukünftiger Direktor des Hauses dafür sorgen müsse, dass Karajan als Dirigent und Regisseur zurückkommt.“

Zunächst musste man einmal durch die düsteren Hilbert-Jahre – „Aus einem Totenhaus“ schrieb unsere Doyenne einmal. Die Saison 1964/65 begann mit dem Ruf „Hoch Karajan“ aus dem Stehparterre, hierauf „Die Hochzeit des Figaro“. Überhaupt war diese erste Saison – deren Höhepunkt sicher die „Palestrina“-Neuinszenierung mit Fritz Wunderlich war – noch durchaus akzeptabel, was darauf zurückzuführen war, dass Hilbert einerseits ein funktionierendes Haus übernahm und andererseits die Grundzüge schon zuvor geplant waren. Danach aber wurde es schlimm, Hilbert machte so ziemlich alles falsch, was man nur falsch machen konnte – ein „Aktivist der Desorganisation“ wurde er in einem Artikel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ (Nr.22/1969) genannt. Vor allen Dingen versuchte er das Rad der Zeit zurückzudrehen, die Oper in die Zeit vor Karajan zurückzuführen, was naturgemäß nicht gelingen konnte und auch nicht gelingen durfte. Signifikantestes Beispiel war der Versuch, Opern wieder in Deutsch und nicht in der Originalsprache aufzuführen. Den ersten Versuch, Mozarts „Cosi fan tutte“ nahm das Publikum noch achselzuckend zur Kenntnis, beim zweiten, Rossinis „Barbier“ erschallte nach den ersten deutschen Worten der Ruf „Rossini in deutsch – eine Schande“ vom Stehparterre. Obwohl die letzten Hilbert-Verteidiger spitz meinten, auch in der Ära Karajan hätte man den „Barbier“ und auch die „Cenerentola“ deutsch gesungen, gab es keine weiteren Versuche. Der Unmut des Publikum – vor allen Dingen des Stehplatzes – aber auch der Druck der Presse gegen Hilbert wurde jedoch so groß, dass er im Jänner 1968 seinen Rücktritt per 1.Feburar 1968 erklärte. Als er am Abend dieses Tages seinen Dienstwagen zur Fahrt in die Oper bestieg, erlag er einem Herzinfarkt. Nun wäre der Moment dagewesen in dem man bezüglich einer Rückkehr Karajans an die Staatsoper hätte handeln können. Auch der passende Rahmen hiefür wäre gegeben gewesen, standen doch im Frühjahr 1969 die Feiern zum 100-jährigen Jubiläum der Eröffnung des Hauses am Ring an. Diese und letztlich auch der Umstand, daß so rasch kein entsprechend qualifizierter Direktor zu finden war, veranlasste die zuständigen Stellen, den bisherigen Vize-Direktor des Hauses, Heinrich Reif-Gintl zunächst intermistisch und letztlich definitiv zum Leiter zu bestellen.

Reif-Gintl, ein honoriger Mann, der bereits seit 1925 in der Staatsoper tätig war, war das, was man einen typischen loyalen österreichischen Beamten nennt, der aber nicht in der Lage war kulturpolitische Akzente zu setzen – und so wurde es mit einer Wiederkehr Karajans vorläufig nichts. Wirklich große Hoffnungen auf eine Rückkehr Karajan durfte man sich jedoch im Jahre 1970 mit der Bestellung Rudolf Gamsjägers zum Direktor ab 1972 machen. Nicht nur, weil, Berichten zufolge, mit seiner Bestellung auch der Auftrag verbunden war, Sorge für eine Wiederkehr Karajan zu tragen, sondern auch weil er als jahrzehntelanger Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde eine zumindest korrekte, aber wahrscheinlich sogar darüber hinausgehende Gesprächsbasis zu Karajan hatte. Es war ihm nämlich gelungen, Karajans Wien- Absenz zumindest auf dem Konzertsektor zu beenden und ihn mit den Berliner Philharmonikern für einen Zyklus aller neun Beethoven-Symphonien zu den Wr. Festwochen 1970 zu engagieren.

 Doch so gut er als Konzertmanager war, so katastrophal wirkte er als Staatsoperndirektor und der Hoffnung, dass durch ihn Karajan an die Staatsoper zurückkehren würde, folgte bald die Ernüchterung. Gamsjäger gerierte sich nämlich wir ein Jongleur, der mit zuvielen Bällen arbeitete. Er vereinbarte sowohl mit Karajan als auch mit Leonard Bernstein, der 1966 mit Verdis „Falstaff“ in Wien debutierte und dann auch noch „Rosenkavalier“ (1968) und „Fidelio“ (1970) neu heraus brachte, eine Neuinszenierung von Wagners „Tristan“. Wie das Unternehmen ausging, ist leicht zu erraten – weder Karajan noch Bernstein arbeiteten in der Direktion Gamsjäger an der Wr. Staatsoper. Zu diesem Zeitpunkt glaubten nur noch ganz wenige – der Schreiber dieser Zeilern gehörte dazu – dass es noch zu einer Rückkehr Karajans kommen könnte.

 Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und das bewahrheitete sich wieder einmal an einem Donnerstag Anfang Dezember 1974. Der mittlerweile designierte neue Staatsoperndirektor (ab der Saison 1976/77) Egon Seefehlner und der damalige Generalsekretär des Österr. Bundestheaterverbandes Rudolf Jungbluth verkündeten, daß ab 1977 Herbert von Karajan jedes Jahr im Mai an der Staatsoper wirken würde. Für den Mai 1977 wurden Aufführungen von Verdis „Trovatore“, Mozarts „Le nozze di Figaro“, Puccinis „Bohème“ und Wagners „Meistersinger“ angekündigt, wobei letztere bald danach leider gestrichen wurden. Und irgendwie war man diesmal überzeugt, dass es klappen könnte, da einerseits der kulturpolitische Wille vorhanden war und andererseits mit Seefehlner ein Mann an die Spitze des Hauses kam, der nicht nur ein gestandener und mit allen Wassern gewaschener Intendant, sondern auch als Generalsekretär der Wr. Staatsoper bis 1961 mitverantwortlich für die ersten sorgenfreien Jahre der Ära Karajan war. So blickte man hoffnungsfroh dem Mai 1977 entgegen, aber es wäre nicht Wien, hätte es nicht kurz davor noch eine Schrecksekunde gegeben. Ein geltungsbedürftiger Mitarbeiter des damaligen Unterrichtsministers Sinowatz veröffentlichte 32 Reime gegen die sogenannte „Hochkultur“ und bediente sich bei einem Reim, der Karajan zum Thema hatte, einer besonders widerlichen Fäkalsprache. Da aber auch der damalige Bundeskanzler Kreisky sehr am Zustandekommen der Karajan-Rückkehr interessiert war, entschuldigte sich Sinowatz bei Karajan und entließ den Mitarbeiter.

Dann war es endlich soweit. Der 8. Mai 1977 war da und kein (Wiener) Verehrer des Dirigenten wird den Moment vergessen, als Karajan nach 13 Jahren wieder den Orchestergraben der Staatsoper betrat. Es war eine wunderbare „Trovatore“-Aufführung mit einem Besetzungsmix aus Sängern, die gerade zur Topgruppe gehörten (Pavarotti, Cappuccilli) und solchen, die schon szt. Publikumslieblinge waren (L. Price, Ludwig). Weiters gab es noch „Le nozze di Figaro“ in einer modifizierten Übernahme der Ponnelle-Inszenierung aus Salzburg und – vom Publikum besonders akklamiert – „La Bohème“ mit José Carreras und Mirella Freni, deren Wiederkehr nach ebenfalls 13 Jahren – von 2x Mimi im November 1969 abgesehen – besonders freudig aufgenommen wurde. Bei der letzten der 9 Vorstellungen – „La Bohème“ – geschah etwas, was es vorher und nachher nie mehr in Wien gegeben hat: Nach ca. halbstündigem Jubel wurde der „Eiserne Vorhang“ heruntergelassen, das Publikum wollte aber nicht gehen, sodass nach ca. 5 Minuten der „Eiserne“ wieder hochgezogen wurde und die Sänger – Karajan hatte nach den bei ihm üblichen zwei Verbeugungen längst das Haus verlassen – konnten sich noch einige Male verbeugen.

 Im Jahre 1978 standen die gleichen Opern auf dem Programm und „Il trovatore“ sollte live im Fernsehen übertragen werden. Die Besetzung war – bis auf Cappuccilli – eine andere, wobei man gegen Fiorenza Cosotto statt Ludwig nichts einwenden konnte. Offenbar aus bildästhetischen Gründen sollten jedoch Raina Kabaiwanska und Franco Bonisolli statt Leontyne Price und Pavarotti singen. Nahm man Kabaiwanska noch mit einigen Tränen im Auge zur Kenntnis, so gingen bei Bonisolli einigermaßen die Wogen hoch. Bei einer auf Wunsch Karajans zur „öffentlichen Generalprobe“ umfunktionierten Abo-Vorstellung – er wollte ein „Netz“ für die TV-Übertragung, nachdem man seinen ursprünglichen Wunsch, erst die 2. Vorstellung zu übertragen, nicht erfüllte – entlud sich dann dieser Unmut. Nach einer wirklich schlecht gesungenen Arie gab es ein provokantes „Bravo“ von der Galerie, worauf ein Buh-Sturm losbrach. Bonisolli – das eherne Theatergesetz „the sohow must go on“ missachtend – zog seinen Degen, warf ihn auf den Boden und ging ab. Karajan – wie immer mit eisernen Nerven – dirigierte weiter und die Stretta gab es halt nur im Orchester. Mit einem markierenden Bonisolli ging die Vorstellung dann zu Ende. Für die TV-Übertragung konnte dann Placido Domingo gewonnen werden und unter den Bonisolli-Fans hält sich ja bis heute die Legende, wonach das Ganze eine Intrige von Domingo gewesen sei.

 1979 gab es dann die Übenahme des „Don Carlos“ aus Salzburg, der auch 1980 am Programm stand. Auch hier war im zweiten  Jahr eine TV-Übertragung vorgesehen, die jedoch knapp vorher aus nie wirklich geklärten Gründen abgesagt wurde. Da in der Zwischenzeit das Gesprächsklima zwischen Karajan und Robert Jungbluth frostiger geworden ist und über weitere Karajan-Vorstellungen nicht mehr gesprochen wurde sowie vom designierten Nachfolger Seefehlners, Lorin Maazel, in dieser Richtung nichts zu erwarten war, sollte das das endgültige Ende der Tätigkeit Karajans an der Staatsoper sein. Einmal schien sich jedoch das Blatt noch zu wenden. Als nach Maazel Rücktritt nach zwei Saisonen nochmals Seefehler interimistisch das Haus übernahm, war kurzfristig von einem nochmaligen Karajan-Comeback die Rede. Zum Jahreswechsel 1985/86 war von einer Übernahme seines Salzburger „Lohengrins“ die Rede, aber über erste Gespräche kam das Projekt nicht hinaus, womit tatsächlich der 19.5.1980 der letzte Abend Karajans am Pult der Wr. Staatsoper war.

 Da sich das Verhältnis zu den Wr. Philharmonikern in der Zwischenzeit enorm verbessert hatte, konnte man wenigstens noch zahlreiche Konzerte erleben, deren Höhepunkte sicher das Silvester- und Neujahrskonzert 1986/87 und eine unglaubliche 8. Bruckner am 20. November 1988 waren. Und mit dem Umstand, dass Karajan am 23. April 1989 sein allerletztes Konzert (7. Bruckner) auch in Wien dirigierte, schloss sich der Kreis.

 Lassen Sie mich zum Schluss nochmals auf das Jahr 1977 zurückkommen. In einer Umbaupause des „Trovatore“ konnte man Karajan beobachten, wie er seinen Blick durch den Zuschauerraum schweifen ließ. Da konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich, obwohl er in den Tagen zuvor in Interviews immer wieder meinte, er könne sich an seine Zeit als Künstlerischer Leiter nicht mehr erinnern, doch daran erinnerte, dass er in diesem Haus die größten Triumphe seines Lebens gefeiert hat. Denn für mich steht es fest, dass er in Wien sein am meisten begeistertes und vor allen Dingen treuestes Publikum hatte.

 Heinrich Schramm-Schiessl

 

Auf die, in diesem Artikel erwähnte Vorgeschichte, dem Boheme-Skandal im Herbst 1963, welcher das Ende der Ära Karajan einleitete, sei hier verwiesen. Zu finden ist dieser Artikel ebenfalls in den Reflexionen zur Wiener Staatsoper dieser Website.

Peter Skorepa

 

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Zur Schließung des Museums der Wiener Staatsoper

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 Zur Schließung des Staatsopernmuseums

Eine Rückschau von Heinrich Schramm-Schiessl

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Der umstrittene Katalog zur Jubiläumsausstellung 1969

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein paar Worte zum Staatsopernmuseum : Die Geschichte des Staatsopernmueums ist eine mehr als schmerzhafte und sie reicht nicht erst ins Jahr 2005,  sondern bis in das Jahr 1969 zurück. Damals feierte man das 100-Jahr-Jubiläum des Hauses am Ring und die Republik Österreich leistete sich eine sensationelle Ausstellung in zahlreichen Räumen der Wr. Hofburg, die von Mitte Mai bis Ende Oktober dieses Jahres geöffnet war. Auf einer riesigen Austellungsfläche wurden zum Teil sensationelle Exponate, so z.B. die Originalpartitur des „Rosenkavalier“ gezeigt und der Kurator der Austellung, Alexander Witeschnik, hatte die Absicht, jene Exponate, die nicht an die Leihgeber zurückgestellt werden mussten, in ein neu zu gründendes Staatsopernmuseum überzuführen. Nicht die Finanzierung – die war damals noch kein Problem – sondern typisch österreichische Intrigen und die allseitsbekannte Neidgenossenschaft verhinderten dieses Projekt, wobei Witeschnik selbst von den dunklen Punkten in seiner Vita aus seiner Tätigkeit als Journalist während der Nazi-Zeit eingeholt wurde. Übrig geblieben von dieser Idee sind die auch heute noch vorhandenen Schaukästen im Gobelinsaal.

 Daß sich Joan Holender 2005 ein Herz fasste und anläßlich des 50-Jahr-Jubiläums der Wiedereröffnung zumindest in kleinem Rahmen ein Staatsopernmuseum eröffnete, gehört zu seinen wenigen wirklichen Verdiensten.

Heinrich Schramm-Schiessl
31.August 2014

 

 

Als Nachtrag zum Thema Katalog

Von Peter Skorepa

Zuerst fühlten sich eine ganze Reihe von Kammer-und Nichtkammersängerinnen auf den Schlips getreten wegen der im Katalog veröffentlichen und angeblich falschen Geburtsdaten. Die erste Auflage wurde wieder eingestampft. Und dem Autor Alexander Witeschnik, Redakteur des “Völkischen Beobachters” kann man seine hetzerischen Artikel in der Rassenfrage nicht als jugendliche Verblendung nachsehen, er war damals schon in den Dreißigern und damit mehr als volljährig. Immerhin schaffte er es in den Sechzigern zum Pressechef der Wiener Staatsoper.

 

 

 

 

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Wiener Staatsoper : Publikumsgespräch mit Direktor Dominique MEYER 1.12.2014

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Staatsoper/Goldammer


PUBLIKUMSGESPRÄCH  1.12.2014

Dominique MEYER und Thomas PLATZER
stellen sich dem Publikum
Wiener Staatsoper – Mahlersaal    

 

 

Dominique Meyer und Thomas Platzer(re.) Foto:MERKEROnline

Dominique Meyer und Thomas Platzer(re.) Foto:MERKEROnline/Skorepa

Es war ein Publikumsgespräch, das auf keine besonderen Sensationen abzielte, noch sonderliche Neuigkeiten brachte. Direktor Dominique Meyer begann, wie fast immer, mit dem Hinweis auf den Zuschuss zur Finanzierung, der seit den Jahren der Ausgliederung auf gleichem Niveau gehalten ist, obwohl rund 70 % der Kosten auf die mit ständiger Regelmäßigkeit steigenden Löhne und Gehälter entfallen. Er „freut sich über die Treue des Publikums“, denn das Haus ist „grundsätzlich voll“. Leider hätten die Ereignisse im Burgtheater einen „Schleier“ über die Führung der Bundestheater gelegt, aber: „Was im Burgtheater passiert ist, kann hier nicht geschehen. Dank der kaufmännischen Leitung ist Sicherheit für die Direktion gegeben.“

Auch die letzte Spielzeit konnte positiv abgeschlossen werden mit einem Überschuss von rund 2 Millionen €. Dazu stellt der Direktor zur Illustration der Situation in Wien als Beispiel die Metropolitan Opera in New York mit einem Verlust von rund 22 Millionen $ gegenüber.

Zur vorzeitigen Vertragsauflösung durch Welser-Möst meint Meyer, dass jeder sein „Sackerl“ an gegenseitigen Beschwerden hängen hatte, jetzt aber keine Aufrechnungen oder gar juristische Anfechtungen erfolgen, sondern ein Klima bewahrt werden sollte, dass auch wieder eine „Aussöhnung“ und Wiederkehr für den Dirigenten ermöglichen kann. Er, Meyer, hat auch eine solche Aussöhnung mit Maazel geschaffen und ist glücklich darüber, diesem Mann noch knapp vor dessen Tod höchste Ehrungen zu Teil werden hat lassen.

Natürlich berichtet Meyer auch über den schnell erfolgten Lückenschluss bei den freigewordenen Dirigaten am Haus. Und er freut sich über das Staatsopernorchester, welches nach der letzten Vorstellung der „Chowanschtschina“ ihrem Dirigenten Semyon Bychkov spontan zuapplaudierte. Auch über Alain Altinoglu, der in den letzten Jahren eine großartige Entwicklung an allen großen Häusern mitgemacht hat. Und erst Recht über Sascha Götzel, der nach einem nur mäßigen Erfolg mit Ballett („Ein zu früher Einsatz kann sich rächen“) jetzt nach entsprechender Reifung mit Erfolg zurückkehrt.

Chung Myung Wung kennt Meyer schon seit 1989 von der Eröffnung der Bastille-Oper in Paris und dieser steht in alter Treue auch jetzt dem Haus zur Verfügung und hat den Rigoletto übernommen. Auch Tomás Netopils Einsatz in der Rusalka war ein großer Erfolg für den jungen Tschechen. Und dem Haus stehen zur Verfügung Dirigenten wie Jesus Lopez-Cobos, der langjährige GMD in Berlin, der hier viel zu wenig wahrgenommen wurde, Adam Fischer Peter Schneider und jetzt auch wieder Mikko Franck, der hervorragende Einspringer. Mit Simon Rattle ist der Ring wieder mit einem großen Dirigenten besetzt und Meyer glaubt nach Programmstudium anderer Opernhäuser feststellen zu können, dass in Wien einen hohen Standart bei Dirigenten anbietet. Wo anders als in Dresden, seinem Wikungskreis, dirigiert etwa Thielemann noch Opernaufführungen als in Wien oder in österreichischen Festivals.

Bei den Sängerbesetzungen ist Meyer stolz, bei so einer Anforderung an Solisten und Solistinnen wie in der Chowanschtschina bis auf drei Gäste alles aus dem Ensemble besetzen zu können. Das trifft auch auf Mozarts Nozze di Figaro mit nur einem Gastsänger zu. Thielemann war glücklich über die vielen kleinen Rollen und deren Besetzung aus dem Haus in der Ariadne und über Norbert Ernst und über dessen  Interpretation in der Chowanschtschina war jeder begeistert. Soile Isokoski hat wahrscheinlich ihre letzte Marschallin am Haus gesungen und zog sich auch von Partien wie die Rachel in der Jüdin zurück. Jetzt nimmt Olga Bezsmertna ihre Rolle ein, nachdem sie so wunderbar schon an diesem Haus eingesprungen ist. Und natürlich kehren  Sänger wie Jonas Kaufmann oder Sängerinnen wie Anna Netrebko wieder an die Oper zurück.

Den Staatsopernchor vergisst Direktor Meyer nicht und betont dessen einzigartige Stellung in diesem Repertoirehaus, in welchen 45 verschiedene Werke in insgesamt 5 verschiedenen Sprachen exekutiert werden müssen.

Und auch das Staatsopernorchester, das zur Verwirklichung von ca. 60 Serien an Opern- und Ballettabenden ca 110 Orchesterproben je Saison abhält, bekommt ein Extra-Lob vom Direktor.

Und für das Ballett und „die wunderbare Arbeit mit Manuel Legris“ und die Ballettschule der Wiener Staatsoper auch höchstes Lob. Nur mangelt es derzeit an Tänzern.

 

Medien: Zwei neue DVD mit dem Staatsballett sind erschienen sowie eine CD mit Mitschnitten aus diversen Opern unter der Mitwirkung von Ferruccio Furlanetto.

Die Legendäre Elektra unter Böhm mit Nilsson und Resnik ist auf Basis der Originalbänder des ORF veröffentlicht worden.

Der Nibelungen-Ring für Kinder ist auf DVD erschienen und ein neues Fotobuch über die Rusalka.

Und ein Spiel über die Oper ist in Ausarbeitung (Vielleicht heißt das gar: „Mensch ärgere Dich nicht, dass Du keine Karten bekommst“ Die Red.)

 Zuletzt illustriert Direktor Meyer die Nöte mit der Opernregie, in dem er aus einem Gespräch mit dem damals noch im Amt residierenden Direktor Joan Holender diesen zitiert: „Wir Direktoren sind Gefangene zwischen Feuilleton und Publikum.“

Man kann und soll als Direktor auch nicht alles korrigieren, was an regielicher Arbeit angeboten wird und wünscht sich vom Publikum ein Maß an Bereitschaft, sich auf Änderungen und neue Konzepte einzulassen, auch die Sprache so mancher Symbolik zu akzeptieren und verstehen zu lernen, so meint der Direktor.

Diese Bereitschaft zur Korrektur einer Beurteilung wird immer abhängig sein von der eigenen Verfassung, der Änderung des Geschmacks, der Qualität der hinzugewonnenen Bildung und Erfahrung und wird immer im Gegensatz zur Gedächtnistreue für das zuerst oder früher Gesehene stehen.

Der „Schleichhandel“ mit Eintrittskarten vor den Vorstellungen wird weiter vom Haus aus verfolgt und wenn notwendig mit polizeilichen Anzeigen geahndet.

Der nicht ausgebuchte Soloabend mit Ludovic Tézier war terminlich nicht anders ansetzbar als in Konkurrenz mit einem Liederabend im Konzerthaus und mit einem Konzerttermin unter Riccardo Muti. Leider fehlt es an entsprechendem Budget für zusätzliche Werbemaßnahmen. Aber für die Kunstform „Lied“ ist auch ein weniger gut besuchter Abend mit 800 bis 900 Zuhörern eine wichtige Veranstaltung für eine weltweit immer mehr aussterbende Spezies.

 Es stimmt, dass der Sponsor für die Kinderoper, Martin Schlaff, abgesprungen ist. Die Begründung ist die Verlegung der Kinderoper vom Dach des Hauses in das Kellertheater in der Walfischgasse, also eine Verlegung aus einem attraktiven Haus wie die Staatsoper es ist, in den Hinterhof eines Gründerzeithauses. Dazu auch eine Anfrage aus dem Publikum, warum man statt der Walfischgasse (mit den schlechten Sichtverhältnissen für Kinder) nicht mit der Kinderoper in den sog. 3.Raum des Burgtheaters – bekannt als Casino auf dem Schwarzenbergplatz – übersiedle mit geradezu idealen Verhältnissen für ein raumoffenes Theaterspiel. Direktor Meyer regt den Anfrager an, die Augen für die Kristallkugel offen zu halten, darin ist immer eine Zukunft zusehen, denn „man denke daran“.

 Traurig wird bald der Zustand der originalen und zum Ring hin offenen Loggia sein mit den bereits sichtbaren gewordenen Schäden an den historischen Fresken. Eine dringende Lösung wird erforderlich.

Abschließend nimmt Direktor Dominique Meyer zu der da und dort auftauchenden tendenziösen Bezeichnung der Staatsoper als „Touristenoper“ Stellung. Es ist doch so, meint er, dass der größte Teil der vom Ausland anreisenden Besucher, von denen wieder eine Mehrheit und das wohl organisiert, aus den deutschen Bundesländern kommt und aus ihrem ureigensten Interesse die Staatsoper und da sehr gezielt einzelne Vorstellungen besucht. (Es seien hier nur die Wagnerverbände als Beispiel angeführt). gerade für solche Teile aus dem Kreis der Besucher wäre die Bezeichnung Touristenoper ein entwürdigende.

 

Peter Skorepa

 

Auf der Facebook-Seite des MERKEROnline gab der bekannte Regisseur und Theatermacher MARKUS KUPFERBLUM eine Stellungnahme zur Einstellung der finanziellen Unterstützung für die Kinderoper durch Martin Schlaff und dessen Begründung dazu ab, die ich diesem Bericht über das Publikumsgespräch anschließe:

„Ich muß sagen, daß ich für seine Entscheidung größtes Verständnis habe! Die Verbannung der Kinder aus der Staatsoper bedeutet die Totalkapitulation der höchstsubventioniertesten Kulturinstitution dieses Landes vor ihrer eigenen Zukunft! Dass das Feigenblättchen “Zelt” untragbar ist, wissen alle, die schon einmal dort eine Vorstellung besucht haben, aber daß keine Lösung dafür gefunden wird, den Kindern das Flair der großen Bühne und des wunderbaren Zuschauerraums zu gönnen, um ihnen den Zauber der Oper mit allen Mitteln zu vermitteln, sie stattdessen in eine schmuckloses modernes Kellertheaterchen schicken, gegen das das Rainaissencetheater in der Neubaugasse der reinste Prunksaal ist, ist einfach nur jenseitig! Die Oper ist ein sinnliches Medium, und wie jedes Theatererlebnis beginnt es, wenn man das Gebäude betritt – bis eben hin zur Akustik und den technischen und visuellen Möglichkeiten einer Opernbühne. Wer soll die Oper lieben, wenn er sie nie in würdigem Rahmen kennengelernt hat????“

 

 Nachtrag zum Artikel über das Publikumsgespräch vom 1.12.2014 

 Von Peter Skorepa / 4.Dezember 2014

  Theaterdonner ohne Blitz

 Ganz schmeichelweich gab sich Direktor Dominique Meyer noch Montag Nachmittag beim Publikumsgespräch in der Wiener Staatsoper, referierte auch in aller Ruhe über die sich auftuende Finanzierungslücke, bedingt durch die stetig steigenden Fixkosten der Löhne und Gehälter und die Stagnation des staatlichen Zuschusses. (Siehe oben stehender Bericht)

Vier Tage später lässt er die krallenbewehrte Katze aus dem Sack: In einem Interview für NEWS („Staatsoper in Bedrängnis“) verkündet er das Ende aller Einsparungsmöglichkeiten. Wird die Subvention in naher Zukunft nicht erhöht, dann gehe er aus dem Amt, wird der Staatsoperndirektor zitiert. Man müsste ohne Erhöhung der Subventionen nach dem so genannten Stagione-System spielen, also wenige Werke in Serien und auch massiv Personal kündigen. „Für beides stehe ich nicht zur Verfügung“ droht Meyer da.

Im selben Artikel liest man, dass NEWS in Erfahrung gebracht hätte, das Verhältnis zum neuen Bundestheater-Chef Rhomberg wäre miserabel (sic) und Minister Ostermayer verärgert: Nach 15 Jahren gedeckelter Subvention bei 40 Prozent Inflation gäbe es nichts mehr zu sparen, habe Meyer laut NEWS die Politik wissen lassen. Wer das zitierte Verhältnis zwischen Kunst und Politik so sehr in Frage stellt, geht aus dem NEWS-Artikel nicht hervor, denn von Konflikten will zumindest der Direktor nichts wissen, es gibt Ernsteres: “Wir arbeiten daran, aber ich habe Sorgen um unsere budgetäre Zukunft.”

 

 

 

 

 

 

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